Читать книгу Die Himmelskugel - Olli Jalonen - Страница 10

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AUF DER HOCHEBENE SIND SECHS HÄUSER sichtbar und drei verdeckt weit hinter den Zitronenbäumen. Der Herr Pastor geht oben selten irgendwohin, weil er im Untertal wohnt, und darum gehe ich zu ihm, wenn er Zeit hat und wie es beim vorigen Mal genau abgemacht worden ist.

Auf der Hochebene lebt man sein Leben anders als im Untertal, das in Jamestown Kapellental genannt wird, obwohl es nicht ganz stimmt, weil das Kapellental nur der bewohnte Rand des Untertals ist, der sich geradewegs bis nach Jamestown fortsetzt, sodass sie eigentlich eins sind, und Jamestown ist nur eine Ecke des Kapellentals und liegt direkt am Meer. Ich fürchte mich nicht mal mehr davor, nach Jamestown zu gehen, obwohl es dort viele fremde Menschen gibt, manchmal zehn zusammen.

Ich lerne das Lesen beim Herrn Pastor zu Hause, aber ich muss so oft hingehen, dass sich vom Rennen in den Beinen harte und starke Knollen bilden. Von den Knien abwärts sind meine Beine die von einem Laufhund, doch jedes Mal fällt es mir leichter, zu rennen, und das Lesen wird immer leichter, je mehr man lernt.

Auf der gesamten Totholzhochebene gibt es nicht viele, die so gut lesen können, wie ich es bald kann. Ich weiß das, weil der Herr Pastor es sagt, denn er ist mit jedem Erwachsenen auf der Insel die Sache mit dem Lesen durchgegangen. Der Herr Pastor muss alle kennen, weil alle seine Gemeindemitglieder sind, außer ein paar Soldaten, die gerade erst in James Fort angekommen sind, aber auch von ihnen weiß er, dass sie dort sind. Der Herr Pastor sagt, er will für sein Pamphlet alle Dinge der Insel kennen, die Menschen, die großen Pflanzen und die sonderbaren Tiere, die sich in ihren Schlupfwinkeln verbergen.

Auf dieser Seite der Zitronenbäume ist unser Haus das kleinste der sechs Häuser und mehr halb fertig geblieben als alle anderen, weil mein Vater es allein gebaut hat und mittendrin gestorben ist. Es fertig zu machen, erwartet mich, doch ich werde an Weihnachten erst acht, und das reicht nicht, es ist nicht wenig, aber nicht genug.

Meine Mutter sagt es mit diesen Worten: Es langt nicht, es ist nicht wenig, aber noch nicht ausreichend. Letzten Sommer hat meine Mutter mit dem Geld, das Herr Halley dagelassen hat, das undichte Dach reparieren lassen und unseren Nachbarn Adam Dennison dafür bezahlt, dass Dennisons Sklave Hof-Oliver von weit weg Schiefersteine herbeigetragen und sie stabil als neue Unterlage auf dem Dach verteilt hat.

Meine Mutter nennt Dennison bloß Dennison und befiehlt weder Ann noch mir, ihn Herr Dennison zu nennen, obwohl es richtiger wäre. Hof-Olivers Name wiederum war früher Feld-Oliver, aber jetzt ist er alt und nicht mehr so schnell und stark auf den Anpflanzungen, und Dennison hat ihn auf dem Anleger von Jamestown für den Preis von nur drei Ziegen gekauft.

Niemand sonst auf der ganzen Hochebene außer Dennison und Herrn Greenacre im Zitronenbaumdorf hat sich einen Sklaven leisten können. Der Sklave von Herrn Greenacre heißt John. John ist erst auf der Insel getauft worden, der Herr Pastor hat ihn in der Kapelle nach Johannes dem Täufer und Jesu Jünger Johannes getauft.

Hof-Oliver ist zu allen freundlich und eigentlich klug und darum überhaupt nicht wie ein Sklave. Nicht einmal Dennison schlägt Hof-Oliver noch, sondern erteilt ihm nur Befehle, obwohl Dennison sonst und für alle anderen ein beängstigender und großer Mann ist, der leicht böse wird.

Dennisons Frau heißt Rachel. Rachel Dennison ist dünner als dünn und älter, als sie ist, und spricht nicht mehr mit meiner Mutter so wie früher, weil Dennison meine Mutter zur Zeit der Dachreparatur auf einen Spaziergang mitgenommen hat. Meine Mutter wollte nicht mitten am Tag spazieren gehen, und Dennisons Frau wollte nicht, dass Dennison meine Mutter mitnimmt, aber sie gingen, obwohl niemand außer Dennison es wollte, und sie gingen so lange über das flache Land der Hochebene, dass man nur noch zwei fremde Menschen gehen sah, bis man sie nicht mehr erkennen konnte, weil die Stechpalmen höher wurden als sie und sie dahinter verschwanden, als wären sie ins Innere der Erde gefallen.

Ich habe am Weg auf den Fersen gesessen und gewartet, dass sie zurückkommen. Der Weg führt schnurgerade über das Rückgrat der Hochebene und macht erst in der Ferne einen Knick, aber man kann ihn bis zum Ende hell auf dem Braun erkennen. Ich sehe das Ende, weil ich weiter sehen kann als jeder andere, der von den Häusern der Hochebene gleichzeitig in dieselbe Richtung guckt.

Die Himmelskugel

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