Читать книгу Die Himmelskugel - Olli Jalonen - Страница 6

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ICH, ANGUS VON DER TOTHOLZEBENE, sitze fast regungslos in einer Astgabel der Araukarie und sehe nach oben zu den Kohlbaumbergen hinauf und nach unten über die Rupertschlucht hinweg auf die zerklüfteten Uferfelsen und den Kragen der im Nirgendwo endenden offenen See. Ich habe meinen Kopf noch nicht mit dem Lederriemen festgebunden, darum kann ich in alle Richtungen blicken und sämtliche grünen Pflanzungen in der Ebene sehen.

Herr Clarke hat mit Säge und Messer ein Aufzeichnungsloch in die Äste geschnitten, in der Größe, wie Herr Hawley es befohlen hat, zwei Ellen breit, sechs Ellen hoch.

Herr Hawley hat mir die Vögel als Tagesaufgabe gegeben. Die vermerke ich jeden Tag getrennt mit Kürbiskernen und Körnern, besonders mit Reiskörnern und Weizenkörnern, und mit trockenen Erbsen.

Für alles, was am Aufzeichnungsloch vorbeiflattert, wie Grasvögel, braune Tauben und besonders die Felsentauben, lasse ich ein Korn in die Tonschale fallen. Für die Sausenden, wie Schwalben, Falken und ganz selten vom Meer her und vom Wind getragen ein Fregattvogel, lasse ich einen Kürbiskern fallen, das ist ein ovales Auge.

Für alle Schwirrenden, wie die Fadenbeinvögel aus der Ebene, lasse ich ein Reiskorn fallen. Für die sonderbaren Arten, die sich aus dem Dickicht nach unten verirren, sind die hart getrockneten Erbsen im Lederbeutel da.

Es ist eine Aufgabe, ein Befehl, eine Anweisung und eine Lehre. Herr Hawley hat mir als Tagesaufgabe die Vögel gegeben und als Nachtaufgabe einen anderen Auftrag. Der Nachtauftrag ist noch wichtiger. Beides sind Aufzeichnungsbefehle, und Herrn Hawley hat mir alles darüber beigebracht. Er hat zu Herrn Clarke gesagt, dass solche einfachen Sachen auch für einen Dummen leicht sind (und Angus ist nicht dumm, ein Kind ist nie dumm, Clarke, sondern voller Raum, der mit allem gefüllt werden kann, und darum möge dieser kleine Versuch eine Übung des menschlichen Geistes sein).

Sie sind zusammen mit der Unity gekommen, Herr Clarke als Herrn Hawleys Gehilfe. Herr Clarke ist nur für Herrn Hawley Clarke (aber für dich und euch alle hier Herr Clarke).

Bei Tag vermerke ich die Vögel, die an der Öffnung vorbeifliegen. Bei Nacht vermerke ich alles, was ich am Himmel sehe, den Kopf immer in derselben Position festgebunden und immer zur selben Stunde.

Ich kann nicht falsch schauen, weil um den Stamm herum ein Riemen befestigt ist und am Ende des Riemens als Platz für den Kopf eine enge Schlaufe aus dem gleichen Halfterriemen. Wenn ich auf den Baum steige, setze ich mich auf meinen Platz und ziehe mir die am Stamm festgenagelte Lederschlaufe über die Stirn und bis zu den Ohren, weil es bis über die Ohren herunter nicht geht, so ist meine Position immer dieselbe und die richtige, und man sieht immer in derselben Größe in dieselbe Richtung.

Ist das nicht leicht?, hat Herr Hawley gefragt.

Doch, geradezu genial, das kann auch ein Yamsbengel nicht verderben, hat Herr Clarke geantwortet.

Herr Hawley hat mich am Ohr gezwickt und geprüft, wie straff der Riemen ist, am Ohr tut so ein Zwicken nicht weh, Herr Hawley hat daheim auch meine Mutter und meine Schwester gezwickt, und niemandem hat das Zwicken wehgetan, meine Mutter hat angefangen zu lachen und meine Schwester den Kopf abgewandt.

Bei Nacht schaue ich genauso mit festgebundenem Kopf durch die Öffnung und steche die Plätze der Sterne mit einem Kaktusstachel in ein dünn geschnittenes Aloe-Blatt. Daheim drücke ich dann mit der Spitze einer Feder Tintentropfen durch die Löcher der Blattscheibe auf ein Stück Papier, und daneben schreibe ich aus dem Kalender, den Herr Hawley dagelassen hat, die Zahl des Tages ab. Im Kalender folgen die Tage aufeinander, man darf keine einzige Nacht zwischen den Tagen weglassen. Wenn es regnet oder wenn Nebel herrscht oder wenn der Himmel ganz bewölkt ist, muss man trotzdem ein Bild machen, aber ein leeres und ohne Tintentropfen, und die Zahl des Tages danebenmalen.

Dies sind die Aufgaben eines Aufzeichners, aber die Tage sind mehr für das Lernen da, hat Herr Hawley gesagt und mir gezeigt, wie man sich mit den Augen üben und sie an den Rändern noch sehender pressen kann. So kann ich bei klarem Wetter über das Trauerweidental hinweg die Hühner auf dem grünen Gras erkennen.

Herr Hawley hat mich innerhalb eines Jahres zum Aufzeichner ausgebildet. Er hat die Körner, Erbsen, Samen und die Schale ausgesucht und mir gezeigt, was und wie, denn so schnell, wie die Schwalben manchmal über die ausgesägte Öffnung hinwegsausen, kann man nicht zählen, aber man kann Kürbisaugen in die Schale fallen lassen.

Die Himmelskugel

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