Читать книгу Die Himmelskugel - Olli Jalonen - Страница 26

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ZU UNS KOMMEN JETZT NACHTS fremde Menschen zu Besuch, aber nie ins Haus vom Herrn Pastor, sondern immer zu uns, obwohl unser Haus viel kleiner und in schlechterem Zustand ist. Der Herr Pastor ist bei den Versammlungen dabei, aber meine Mutter und Ann und Adam und Thomas müssen im Hinterzimmer bleiben, dort, wo meine Mutter und der Herr Pastor schlafen, und die Tür bleibt zu.

Ich muss wegen meiner Aufzeichnungsaufgabe jede Nacht raus und kann deshalb nicht mit den anderen im geschlossenen Zimmer sein, sondern kehre im Gegenteil immer im Dunkeln zurück, wenn die Versammlung gerade im Gange ist. In den meisten Nächten sind keine Besucher da, aber manchmal schon, man kann es nie im Voraus wissen, und der Herr Pastor sagt es vorher nie.

Aber fast immer sind es dieselben Männer. Der lauteste ist Adam Dennison, den der Herr Pastor beschwichtigen und mäßigen und manchmal auch tadeln muss, weil Dennison eine rohe Sprache im Mund führt, die Gott nicht gutheißt. Ich finde es unschön, dass der Herr Pastor Dennison zu uns kommen lässt, weil er die Sitzungen irgendwie falsch und gefährlich macht.

Von den anderen freien Farmern der Höfe auf der Hochebene sind normalerweise drei oder vier da, ein bisschen je nach Nacht, aber Soldaten können im Dunkeln nichts ins Tal kommen, weil es in James Fort und auf den Wachen am Ufer eine genaue Kontrolle und feste Runden gibt. Der Höhere kontrolliert den Niedrigeren, und die Gleichrangigen kontrollieren sich gegenseitig. So kann nicht einmal Dennisons jüngerer Bruder zu den Versammlungen kommen, von dem es heißt, er sei ebenso stark und ebenso hochfahrend wie sein großer Bruder, aber manchmal kommt Allen Dennison tagsüber, um heimlich mit dem Herrn Pastor zu sprechen, weil der Umgang in der Garnison wieder strenger geworden ist, nachdem sich einige über ihren Dienst beschwert haben, weil sie nicht von der Insel wegkommen, sondern dort angebunden und eher Gefangene sind.

Nur bei den ersten Nachtversammlungen scheucht mich der Herr Pastor aus dem Vorderzimmer, aber dann hat er keine Lust mehr dazu und lässt mich bleiben. Den anderen erklärt er, dass ich der junge Beobachtungshelfer von Herrn Halley bin, der Aufzeichner des himmlischen Sternenzelts und der Gefiederten, und dass Herr Halley vor vier Jahren die Wahrheit über den damaligen Gouverneur Field erzählt hat und bestimmt auch jetzt gegen den neuen Gouverneur Blackmore aussagen und bei hohen und wichtigen Männern in London vorsprechen würde, wenn er nur die richtige Information bekäme.

Also darf ich dabei sein. Ich darf nicht reden, aber ich darf zuhören. Ich bin wie ein Mann, wenn auch noch kleiner als die anderen. Ich weiß, als würde ich es sehen, weil Sehen Wissen ist, dass ich einmal noch größer sein werde als sie alle. Ann hat erzählt, dass mein Vater ein großer Mann war. Söhne werden die Abbilder ihrer Väter, aber oft so, dass sie ein bisschen dicker und größer sind. So ist es vor allem auf dem Stamford-Hof, wo Herr Stamford drei Söhne hat und alle breiter, länger und dickbäuchiger sind als er.

Bei den Sitzungen werden schlimme Sachen geredet. Vor dem Herrn Gouverneur hat keiner Respekt, und der Garnisonskommandant wird gehasst. Es ist viel Wut da, und der Herr Pastor muss die anderen zwischendurch daran erinnern, dass Gott letzten Endes nie Unrecht geschehen lässt, sondern die Rechnungen zwischen den Menschen ausgleicht und die Streitigkeiten auf der Goldwaage des Rechts auswiegt. Was wiegt der Schatten gegenüber dem Licht, nicht einmal so viel wie ein Senfsamenkorn, nicht das Geringste, die Güte des Allmächtigen beseitigt das Unrecht, wie das Meer den schmutzigen Staub von den Steinen am Ufer wischt, sagt er und erhebt sich.

Auch der Herr Pastor ist nicht ohne Wut und Kränkung. Wenn er den anderen erzählt, was für Schmähungen und Drohungen er wegen meiner Mutter und wegen seiner Gedanken ertragen muss und was für Fetzen von Irrlehren seiner Vermutung nach auf der Insel im Innern der heimlichen Katholiken versteckt sind und wachsen, nicken die anderen zwar, als wären sie einer Meinung, aber das sind sie nicht. Ich sehe das von der Seite, der Herr Pastor sieht es nicht. Zumindest Adam Dennison würde ich nicht trauen, weil er meine Mutter zum Spazierengehen mitgenommen und Holz gestohlen hat und weil ich sehe, dass er den Kopf dreht und heimlich in Richtung Robert Thorton das Gesicht verzieht, der aber kein Gesicht zurück macht.

Jeder hat seine eigene Angelegenheit, aber bei den Farmern sind die Angelegenheiten eher gemeinsame. Zu welchem Preis man Fleisch und Yams an die Garnison und die Schiffe der Handelskompanie verkauft, sollte kein Fremder entscheiden dürfen. Das Brennen von Schnaps und die Herstellung von Arrak kann nicht nur Sache des Gouverneurs sein, und die höchsten Offiziere dürfen keinerlei Privileg besitzen, volle Krüge für sich zu verlangen.

Viel wird über das Gesetz und über Bestimmungen geredet. St. Helena sollte heute mehr sein als früher, seit dem Erlass des Königs sind bald zehn Jahre vergangen, und darin wird der Insel der gleiche Rang und Status zugesprochen, wie sie Ost-Greenwich in der Grafschaft Kent innehat.

Auch wenn die Insel einst noch so der Handelskompanie unterstellt worden ist, können solche einstweiligen Bestimmungen niemals höher und mehr sein als die in London beschlossenen Gesetze und Verordnungen. Über dieses Thema wird immer gesprochen, und der Herr Gouverneur wird als Windbeutelmajor und Majorgouverneur (hat sich den Kommandantenrang beschafft, indem er Unschuldige peitscht, nicht indem er ehrliche Schlachten geschlagen hat, er hat überhaupt keine Schlachten geschlagen, sondern übers Tischtuch hinweg bestochen und sich bestechen lassen) und Diktator und Tyrann beschimpft und mit noch schlimmeren Namen, bei denen der Herr Pastor denjenigen, der sie laut ausspricht, rügen muss.

Herr Thorton hat einen Sonderkummer wegen seiner Töchter, die höchst respektlos behandelt worden sind. Man hat versucht, sie im Dunkeln zu schänden. Seiner Meinung nach machen die starken Getränke die Säufer zu Bestien, und das Schnapsbrennen raubt den Häusern das letzte Brennholz, sodass die aus Steinen aufgeschichteten Katen nach Regen und Nacht feucht und kalt sind und Krankheiten in ihnen wachsen und alles Übel sich ausbreitet und grassiert.

Der Herr Pastor ist über den Fluch des Schnapses gleicher Meinung, aber Adam Dennison nicht, er fordert Herrn Thorton auf, seine Töchter im Haus zu behalten, hinter den beheizten Steinmauern, sodass sie versteckt in ihren eigenen vier Wänden alte Jungfern werden. Herr Thorton wird böse und stößt Dennison gegen die Schulter, aber Dennison stößt oder schlägt sofort fester zurück, sodass die anderen dazwischengehen müssen.

Bei den nächtlichen Versammlungen wird es ab und zu so laut, dass der Herr Pastor die anderen bändigen und warnen muss, es könnten draußen Spitzel herumschleichen und lauschen. In einer so kleinen Domäne und auf einer abgeschlossenen Insel bleibt nichts lange geheim, sagt der Herr Pastor, und das ist bestimmt wahr.

Vielleicht passiert genau das, denn die Sitzungen hören plötzlich auf. Ich weiß nicht, warum, ich kann nicht nach dem Grund fragen, aber sie hören in der Woche auf, als an mehreren Tagen fremde Männer ins Haus des Pastors kommen, Offiziere aus der Garnison mit Waffen und Militärwache und die düsteren Männer des Gouverneurs. Der Herr Pastor sieht wochenlang besorgt aus und setzt sich abends nicht mehr ans verglaste Fenster, um in den Andachtsbüchern zu lesen.

Spätestens wenn es dunkel wird, kommt er zu uns und schläft neben Mutter an der Wandseite. Sein eigenes Haus ist über Nacht mit dicken Querriegeln verschlossen worden, und jeden Morgen geht er in den Hof, um nachzusehen, ob man im Schlamm neue fremde Spuren sieht.

Der Herr Pastor hat auch seine Pamphletschrift in einem hohlen und rissigen Querholz über dem Schweinestall versteckt, und vorläufig hat er die Suche nach den Spuren des Paradieses eingestellt. Seitdem er in die Schlucht gefallen ist, geht er nicht mehr so gut wie zuvor, und er ist kein junger Mann mehr.

Ich könnte für ihn auf den Berg gehen, aber er hat mich nicht darum gebeten, und ich bin auch noch nicht dazu gekommen, die ganze Bibel so genau zu studieren, dass ich jede Stelle so verstehen würde, dass ich zwischen den Versen und Zeilen die in den Wörtern versteckten Zeichen Gottes finden könnte. Darum kenne ich nicht alles, was man oben suchen müsste, und würde nicht sehen, was die übrig gebliebenen Teile sind.

Aber auch ohne die Paradiesaufgabe habe ich das Gefühl, zu wachsen und älter zu sein, als ich es bin. Ich wäre schon zu wer weiß was fähig, aber da es noch nichts Großes gibt, muss ich auf meinem Platz abwarten und einfach sein, wie ich bin.

Die Himmelskugel

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