Читать книгу Die Himmelskugel - Olli Jalonen - Страница 17

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ZUSÄTZLICH ZUM VIERFACHEN LESEN lerne ich aus Versehen die vierte Art zu rechnen. Ich lerne sie ganz allein, indem ich kleine Steine verschiebe und verschiedene Ordnungen ausprobiere.

Herr Halley hat mir das Zusammenzählen und das Abziehen beigebracht, weil ich es bei der Aufzeichnungsarbeit ständig brauche, und bevor er die Insel verließ, hat mir Herr Halley noch das Malnehmen gezeigt. Das ist die dritte Art des Rechnens, und Herr Halley hat sie mir so beigebracht, dass Malnehmen eigentlich Zusammenzählen in gleich großen Stücken ist (5 × 5 ist 5 + 5 + 5 + 5 + 5, wie kann das eine Schwierigkeit für jemanden darstellen? Sollte die Mathematik nicht von Geburt an für alle klar sein? Was glaubst du, Clarke, ist sie in unserem Denken fertig vorhanden, oder liegt sie erst in winzigen Samen unter den Gedanken? Sodass aus ihnen heraus erst Können und Verständnis erwachsen, und nur dann, wenn der Grund und Boden für das mathematische Denken geeignet ist und, bildhaft gesprochen, genügend Sonne und Wasser vorhanden sind).

Die vierte Art ist das Teilen, und das ist Malnehmen falsch herum, und weil das Malnehmen Zusammenzählen in Stücken ist und das Abziehen Zusammenzählen falsch herum, ist das Teilen Abziehen in Stücken. Zuerst lerne ich es, indem ich in der Bibel von den Fischen und den Broten lese, vom Wunder des Teilens von fünf Fischen und zwei Broten, sodass sie für alle reichen, aber noch mehr lerne ich, als ich nach dem Lesen selbst überlegen darf und mit einem Stock Zahlen in den Sand male. Ich nehme Steine zu Hilfe und denke mir, dass die Steine und die Zahlen gleich sind.

Ich lerne, die Acht in zwei Vierer zu teilen, in vier Zweier und acht Einer. Keine andere Zahl geht bei den acht Steinen auf, aber diese tun es. So ist es mit allen Zahlen. Auf diese Weise sind sie als Stücke oder Teile ineinander drin. Ich lerne sie eine nach der anderen bis Hundert, auch wenn es bei so hohen Zahlen schrecklich viele Teilungen gibt und man zig Haufen kleiner Steine braucht.

Ich weiß überhaupt nicht, wo man eine solche sonderbare Kunst anwenden könnte, aber ich übe sie weiter.

Ich gehe auch weiterhin zum Lesen zum Herrn Pastor. Er fragt mich nicht mehr und befiehlt mir nicht mehr, zu erzählen, was ich vom früher Gelesenen noch weiß. Seitdem ich die schwierigen Papierstöße des Pamphlets kann, lobt er mich, es gebe keinen Zweifel daran, dass ich alles verstehe.

Er lässt mich nicht mehr sein Pamphlet lesen, obwohl ich weiß, dass er noch immer daran schreibt, aber er sagt, dass er zuerst seine Gedanken skizzieren und feste Beweise sammeln will, damit niemand etwas dagegen sagen kann und Grund zur Rache hat. Ich möchte es trotzdem noch einmal lesen und auch nachsehen, ob es von den Inselbewohnern neue Namenslisten gibt.

Obwohl ich die Seiten des Pamphlets nicht mehr sehen darf, spricht der Herr Pastor trotzdem über seine Gedanken oder sagt mitten im sonstigen Reden etwas, was er sich am Abend zuvor oder in der Nacht überlegt hat. Einmal erwähnt er die Möglichkeit, dass das Meer gar keinen Boden hat. Er erzählt, dass er am Morgen davon aufgewacht ist, dass sich der Fensterladen mit einem Schlag geöffnet hat. Er ist aufgestanden, um ihn zu schließen, aber dann auf der Stelle erstarrt. Im Hof hat ein weiß erleuchtetes Wesen gestanden, das mit beiden Händen zuerst nach oben zum Sternenhimmel und dann nach unten aufs Meer gewiesen hat, und aus den Bewegungen der Hände und den leisen Worten hat der Herr Pastor verstanden, dass das Wesen gekommen ist, um ihm zu sagen, dass es zwei Himmel gibt. Oben über unserer Insel ist der Kristallhimmel zu sehen, aber Gottes Himmel ist überall und noch mehr unter den Meeren und Inseln, weil Er uns von dort aus auf seinen Händen trägt.

So befinden wir uns zwischen zwei Himmeln, und das Meer ist der Vermittlungsstoff beider Himmel. An dieser Himmelsgrenze leben wir und wohnen wir und merken nicht, ob wir noch immer im Hafen vor Anker liegen oder ob wir schon langsam weitersegeln oder ob das Schifflein nur in sehr kleinen Bewegungen hin und her treibt.

Wir dürfen das Leben von Auserwählten führen. Wir sind einzeln herausgepickt und auf verschiedenen Wegen auf die Insel geleitet und gebracht worden. Das Deck unseres steinernen Schiffes ist uns Zeichen und Geschenk direkt vom Gott der beiden Himmel, sagt der Herr Pastor. Dann erzählt er, dass er vorhat, jetzt endlich bis ganz auf die höchsten Berge hinaufzusteigen, um nach endgültigen Beweisstücken zu suchen.

Er ist schon mehrere Male allein in die Gegend gewandert, noch nicht tief hinein, aber er hat gesehen, dass an den Mittelhängen riesige Urbäume gefällt worden sind, indem man ihre Stämme durchgebrannt hat. Die mit ein, zwei Ellen hohen Unterrockblüten überzogenen Strauchdickichte sind gerodet und den Ziegen als Futter überlassen worden.

Und jetzt befiehlt der Gouverneur, die oberen Täler zu Feldern zu schwenden und das Wasser der Quellen von den Bergen über Betten und Holzrinnen als Trinkwasser ins Untertal zu leiten, sagt der Herr Pastor, und dass man jetzt schnell die Beweise ans Tageslicht holen muss, damit sie nicht endgültig unter den Veränderungen verloren gehen.

Darum werde ich schon bald zu den höchsten Erhebungen aufbrechen, bis über die Nebel hinaus. Ich habe vor, Tage oder auch Wochen dort oben zu bleiben, lang genug jedenfalls, dass ich die Zeichen des Paradieses finde. Dann kehre ich zurück, fasse alles als bewiesenes Wissen zusammen und erzähle in Jamestown davon. Ich werde ins Amtshaus gehen, um Blackmore zu fragen, ob es auf St. Helena noch Platz für Gottes wahren Willen gibt oder ob nur noch die Zerstörung erlaubt ist.

Was für eine Zerstörung?, werden sie fragen, oder auch wenn sie es nicht fragen, werde ich zu ihnen sagen: Geht über die Insel und seht selbst. Lauscht dem rauschenden Wind über der Leere. Riecht nach dem Duft des in der Erde versickerten Baumsafts, der vom Geruch nach trockener Asche und Ruß überdeckt wird.

Löcher hat man in unser Land gebrannt. Man hat nach Gold und Schätzen gesucht, aber deswegen, und ohne Schätze zu finden, sind Schäden in die Erde gegraben worden. Rotfellige Katzen, die zu fetten Bestien herangewachsen sind, fressen die Vögel aus den Nestern, und Ziegen, die sich in zottige Wildtiere verwandelt haben, beißen alles Grün ab. Schweine, die man in die Wälder gelassen hat, wühlen die Erde bis zum Kies auf und werden bald, wenn sie wachsen, auf Menschen losgehen. Es gibt in der Bibel kein Gebot, nach Gold zu suchen. Und unsere losgelassenen Tiere sind nicht durch Gottes Willen hier, sondern durch die Dummheit der Menschen, die Geldgier der Kompanie und wegen der törichten Vorschriften der früheren Gouverneure wie auch des jetzigen.

Gott ist gut, Gott ist groß, der Herr möge uns unsere Sünden vergeben.

Denke daran, Angus, kein Wort darüber an niemanden, nicht einmal an deine gute Mutter, nicht einmal an sie! Aber sie möchte ich treffen. Richte es ihr aus, du kannst es mit diesen Worten sagen. Der Herr Pastor sähe sie sehr gern an diesem Samstag, nachdem die Abendglocken geläutet haben, bei sich.

Die Himmelskugel

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