Читать книгу Marshals und Coltkiller: Wichita Western Sammelband 9 Romane - Pete Hackett - Страница 48
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ОглавлениеSechsundzwanzig Stunden später. Es war Mitternacht vorbei, als jemand gegen die Tür des Marshal’s Office in Tucson klopfte. Der Deputy, der im Schein einer Kerosinlampe am Schreibtisch saß und die bisherigen Vorfälle der Nacht in eine Kladde schrieb, legte den Federhalter weg, schaute zur Tür und rief: „Wer ist da?“ Unwillkürlich zog er seinen Revolver, ließ die Faust mit der Waffe aber auf seinem Oberschenkel liegen.
„Joshua Tanner. Ich bewirtschafte eine Farm im Altar Valley, westlich von San Xavier. Wir sind gegen Abend überfallen worden. Drei Banditen …“
Der Deputy erhob sich, ging zur Tür, drehte den Schlüssel herum und schob den Riegel auf. Dann trat er an die Wand und öffnete.
Joshua Tanner trat ein – und schaute in die Mündung eines Colts. Aber der Deputy kannte den Farmer vom Sehen. Er war schon einige Male in Tucson gewesen, um hier Dinge wie Saatgut oder Stacheldraht oder auch mal ein Schaf oder eine Ziege zu kaufen - Dinge, die er in San Xavier nicht bekommen konnte.
Der Ordnungshüter ließ die Hand mit dem Schießeisen sinken, rammte es ins Holster und knurrte: „Drei Banditen sagen Sie. Ich glaube, ich weiß, um wen es sich handelt. Gehen wir zum Schreibtisch. Es existieren Steckbriefe …“
Der Farmer setzte sich in Bewegung, der Deputy drehte sich um, um ihm zu folgen, als ihm etwas Stahlhartes zwischen die Schulterblätter gedrückt wurde. Er versteifte, hinter ihm zischte eine Stimme: „Geh weiter, Marshal. Und spiel jetzt bloß nicht den Helden. Wir wollen dir nicht wehtun, wenn du mich aber zwingst …“
Joshua Tanner hatte sich umgedreht, auf dem Rücken unter seine Jacke gegriffen und einen Revolver aus dem Hosenbund gezogen, den er jetzt auf den Deputy richtete. „Geh weiter!“
Der Marshalgehilfe bewegte sich, der siebzehnjährige Dave Tanner betrat das Büro und schloss die Tür.
Joshua Tanner sagte: „Du wirst nun die Zelle aufsperren und Cole Jackson freilassen, Deputy. Bitte, mach, was ich sage. Die drei Kumpane des Banditen befinden sich auf meiner Farm. Meine Frau und meine beiden kleinen Kinder sind ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Sie haben gedroht, meine Familie umzubringen, wenn wir ohne diesen Jackson zurückkommen.“
Verblüfft starrte der Gesetzeshüter den Farmer an, und es dauerte einige Zeit, bis er das Gehörte verarbeitet hatte. „Sag bloß“, entrang es sich ihm schließlich.
„Das ist leider so“, murmelte Joshua Tanner. „Dave und ich waren mit dem Fuhrwerk auf dem Weg zur Farm, als uns die Kerle stoppten. Wir hatten keine Chance. Deputy, bitte, mach keine Zicken. Ich werde das Leben meiner Frau und meiner beiden Kinder nicht aufs Spiel setzen. Wahrscheinlich kannst du dich sogar in meine Lage versetzen.“
Der Marshalgehilfe schluckte würgend, dann entrang es sich ihm: „Ich muss den Town Marshal verständigen, und Wilburn muss den Sheriff einschalten. Sag dem Jungen, dass er das Gewehr von meiner Wirbelsäule nehmen soll, Tanner. Glaub mir, Sheriff Donegan wird etwas einfallen. Wir holen deine Familie da raus, Tanner.“
Joshua Tanner aber schüttelte den Kopf und erwiderte: „Das ist mir zu unsicher, Deputy. Ich will nicht das geringste Risiko eingehen. Ich hole diesen Jackson aus deinem Käfig und bringe ihn auf meine Farm. Und wenn du nicht mitspielst, dann werde ich mich nicht scheuen, Gewalt anzuwenden. Entscheide dich nun, Deputy!“
Die Hände des Ordnungshüters öffneten und schlossen sich, seine Kiefer mahlten. „Zur Hölle damit“, murmelte er. „Dir ist doch hoffentlich klar, dass du eine Straftat begehst, wenn du Jackson gewaltsam aus dem Gefängnis befreist. Du gehst dafür viele Jahre ins Gefängnis, Tanner. Glaubst du, damit ist deiner Familie geholfen?“
„Ihr ist erst recht nicht geholfen, wenn dieser Shaw sie erschießt“, versetzte Tanner ungeduldig. „Ich frage dich jetzt noch einmal, Deputy …“
In dem Moment schlug Dave mit dem Gewehr zu. Der Gesetzeshüter bekam den Schlag von der Seite gegen den Kopf, gab einen verlöschenden Laut von sich und brach wie vom Blitz getroffen zusammen. „Wir haben nicht die Zeit, um stundenlang mit ihm zu debattieren, Dad“, stieß der Junge hervor und stieg über den besinnungslosen Mann am Boden hinweg, zog die Schreibtischschublade auf und griff hinein. Seine Hand kam mit einem Schlüsselbund zum Vorschein, mit dem er zu der Tür ging, die in den Zellentrakt führte. Sie war verschlossen, aber bereits der zweite Schlüssel passte und der Junge öffnete die Tür.
Joshua Tanner hakte die Lampe, die über dem Schreibtisch hing, von der Kette und ging damit in den Zellentrakt. „Jackson! Hoch mit dir! Wir kommen, um dich aus dem Loch herauszuholen.“
Die Laterne schaukelte leise quietschend am Drahtbügel, Licht- und Schattenreflexe flossen ineinander, und als der Bandit die Decke von sich schleuderte und sich erhob, wurde seine Schatten groß und verzerrt auf den Fußboden und gegen die Wand geworfen.
„Wer bist du?“
„Keine Fragen, Jackson. Deine Freunde warten auf meiner Farm auf dich. Am Stadtrand stehen drei Pferde. Wir werden wohl zwei Stunden unterwegs sein, bis wir die Farm erreichen. Also verlieren wir keine Zeit. – Dave …“
Der Junge drängte sich an seinem Vater vorbei, probierte drei der Schlüssel aus und der vierte passte schließlich. Die Gittertür schwang auf, doch Jackson machte keine Anstalten, die Zelle zu verlassen. In seinen Augen spiegelte sich der Lichtschein, jeder Zug seines Gesichts war vom tiefsitzenden Misstrauen geprägt. „Hat euch vielleicht eine junge Lady angeheuert? Ihr Name ist Carrie.“
„Ich kenne keine Carrie!“, blaffte Tanner. „Und nun komm endlich! In der Gewalt deiner Kumpane befindet sich meine Familie. Also komm endlich, oder müssen wir auch dich niederschlagen und zu den Pferden schleifen?“
Jetzt verließ Cole Jackson die Zelle. Dave Tanner ging ihm voran in den Zellentrakt, Joshua Tanner folgte. Jackson öffnete den Revolvergurt des bewusstlosen Deputys und zog ihn mit einem Ruck unter dem reglosen Körper hervor, legte ihn sich um und rückte den Revolver zurecht. Joshua Tanner stellte die Lampe auf den Schreibtisch. „Verschwinden wir!“
Dave Tanner öffnete die Tür einen Spaltbreit und äugte hinaus auf die Straße. Er registrierte, dass die Luft rein war und huschte nach draußen. Aus einigen Saloons trieb Lärm heran, obwohl es schon weit nach Mitternacht war. Das Nachtleben in Tucson endete erst, wenn sich im Osten der erste helle Streifen über dem Horizont zeigte, der den Sonnenaufgang ankündigte.
Jackson und der Farmer folgten. Sie verschwanden in der Finsternis einer engen Gasse und die Nacht schien sie regelrecht zu schlucken. Wenig später erreichten sie die Pferde, die sie an einer Koppelstange festgebunden hatten, lösten die Leinen, schwangen sich hinauf und stoben in südwestliche Richtung davon.
Das war die Minute, in der der Deputy aus der Besinnungslosigkeit erwachte. In seinen Schläfen dröhnte es. Er war benommen, und es dauerte einige Sekunden, bis seine Gedanken wieder einigermaßen klar waren. Die erste Tatsache, die sein Gehirn erfasste, war die offenstehende Tür zum Zellentrakt und die Erinnerung kam wie ein Stromstoß.
Mühsam und gequält ächzend kämpfte er sich auf die Beine, der Schein des Lichts von der Laterne schwankte wie gelber Nebel vor seinen Augen, Übelkeit krampfte seinen Magen zusammen, die Benommenheit überschwemmte sein Bewusstsein wie eine alles verschlingende Flut und er stemmte sich mit beiden Armen schwer auf den Schreibtisch, um nicht erneut zusammenzubrechen. Eine ganze Zeit fühlte er sich wie gelähmt, als würde schnell wirkendes Gift durch seine Adern strömen und sein Hirn betäuben. Doch dann gelang es ihm, seine Not nach und nach zu überwinden. Er stellte fest, dass sein Revolvergurt samt Waffe weg war, holte sich eine Schrotflinte aus dem Gewehrschrank und verließ das Office, um das Büro des Sheriffs zu verständigen.
Währenddessen stoben Joshua Tanner, sein Sohn und der befreite Bandit durch die Nacht. Das Hufgetrappel rollte vor ihnen her und in dem Lärm gingen alle anderen Geräusche unter. Der Farmer hatte keine Ahnung, was ihn auf der Farm erwartete. Die Banditen, die seine Familie in der Gewalt hatten, schreckten vor nichts und niemand zurück, denen war nichts heilig. Und seine Frau war noch verhältnismäßig jung. Neununddreißig Jahre war sie erst alt …