Читать книгу Marshals und Coltkiller: Wichita Western Sammelband 9 Romane - Pete Hackett - Страница 57
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ОглавлениеAm übernächsten Tag gegen Mittag kamen die beiden Fuhrwerke an. Ein halbes Dutzend Reiter, allesamt Mexikaner, begleiteten sie. Die Wagen rollten vor das Haupthaus, das Rumpeln, Ächzen und Quietschen brach ab, Brad Mitchell trat ins Freie.
Auch Cooper und die vier Banditen verließen die Mannschaftsunterkunft. Während der vergangenen zweieinhalb Tage, seit jenem Morgen also, als die Rurales abgezogen waren und Mitchell Terrence Shaw eröffnet hatte, dass sie Carrie mit in die Staaten nehmen sollten, hatte Cooper das Mädchen nicht zu Gesicht bekommen.
Über die Ladeflächen der Gefährte waren Planen gespannt, sodass die Ladung nicht zu sehen war. Cooper hatte einen Verdacht; er vermutete, dass sich auf den Fuhrwerken Waffen und Munition, vielleicht auch billiger Brandy befanden und dass die ‚Waren’ für die aufrührerischen Apachen bestimmt waren, die unter ihrem Häuptling Geronimo einen erbitterten Krieg hauptsächlich gegen die Armee führten. Etwas anderes war für ihn nicht vorstellbar.
Die Reiter saßen ab und führten ihre Pferde zur Tränke. Die beiden Männer, die die Gespanne lenkten, sprangen ab und begannen die Zugtiere auszuschirren. Einer der Reiter jedoch ging zu Mitchell hin, der reichte ihm die Hand, und nachdem sie sich begrüßt hatten, sprach der Mexikaner kurze Zeit auf den Hacendado ein, dieser winkte schließlich Cooper, Shaw und die anderen drei Banditen zu sich, und als sie bei ihm anhielten, sagte er: „Darf ich vorstellen, Gentlemen, das ist Miguel Valdes.“ Dann nannte er die Namen der Amerikaner, und schließlich sagte er: „Ihr brecht nach dem Mittagessen auf. Meine Leute werden frische Pferde vor die Wagen spannen. Ihr werdet vier, vielleicht sogar fünf Tage unterwegs sein. Wie gesagt, auf dieser Seite der Grenze habt ihr keine Schwierigkeiten zu erwarten. Drüben solltet ihr Ortschaften und Ranches oder Farmen meiden. Wenn die Ladungen der Fuhrwerke ihren Bestimmungsort erreicht haben, wird Miguel euch auszahlen. Für euch ist die Sache dann erledigt.“
„Sollten wir zurückkommen“, so ließ Shaw seine Stimme erklingen, „können wir dann wieder mit einem Job rechnen?“
„Das ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis ich wieder – hm, Ware nach Norden schicke. Und wenn ihr euch als brauchbare Männer entpuppt – warum nicht?“
„Das wollte ich hören“, knurrte Shaw.
Jetzt ergriff Valdes das Wort, indem er hervorstieß: „Eines muss euch von vorneherein klar sein, Muchachos: Ich bin der Boss. Meinen Anordnungen wird bedingungslos gehorcht.“
Cooper hatte genügend Zeit gehabt, sich den Mexikaner genau anzusehen. Er war um die vierzig, die Haut in seinem Gesicht war pockennarbig, seine schwarzen, speckigen Haare quollen unter dem riesigen Sombrero hervor und fielen bis auf seine breiten Schultern, vor seiner Brust kreuzten sich zwei Patronengurte. Bekleidet war er mit einer schwarzen Hose, einer kurzen, schwarzen Jacke, deren Knöpfe Silberpesos waren, sowie einem weißen Hemd, das nach einem langen Ritt allerdings ziemlich verschmutzt war. Um seine Hüfte lag ein Revolvergurt. Er trug zwei Colts, die in offenen Holstern steckten und tief an seinen Oberschenkeln hingen.
Dieser Bursche war bemerkenswert, um nicht zu sagen beachtlich. Und er war sicherlich ausgesprochen gefährlich. Eine starke, zwingende Strömung ging von ihm aus. Seine dunklen Augen blickten hart, sein Gesicht war geprägt von der Erfahrung, die er in blutigen Kämpfen gesammelt hatte. Vielleicht war er nicht einmal besonders intelligent, aber die Lektionen, die ihm ein Leben außerhalb des Gesetzes erteilt hatte, hatten ihn geprägt.
Ja, er war ein Mann mit dem typisch wachsamen Blick des Gesetzlosen. Dafür hatte Cooper einen untrüglichen Spürsinn entwickelt.
„Solange deine Anordnungen Sinn machen, ist das in Ordnung“, versetzte Terrence Shaw mit Trotz im Tonfall.
Der Mexikaner bedachte ihn mit einem harten, aber ausdruckslosen, geradezu unergründlichen Blick. „Macht eure Pferde reitfertig“, sagte er schließlich. „Sobald ich mich etwas frisch gemacht und gegessen habe, brechen wir auf.“
Auch die vier Banditen und Cooper aßen noch zu Mittag, dann sattelten und zäumten sie ihre Pferde. Seinem Reservepferd legte Cooper lediglich das Kopfgeschirr an.
Die beiden Mexikaner, die die Gespanne lenken würden, kamen und nahmen ihre Plätze auf den Fuhrwerken ein. Dann verließen Valdes und Mitchell das Haus, in ihrer Begleitung befand sich Carrie. Das Mädchen schoss den vier Banditen sengende Blicke zu, Cooper beachtete es kaum. Shaw und seine Komplizen erkannten sie natürlich und grinsten hämisch.
Carrie sah ziemlich mitgenommen und abgerissen aus. Ihr Gesicht war eingefallen, ihre Augen lagen in tiefen, dunklen Höhlen, ihre Lippen waren rissig. Cooper sagte sich, dass ihre Starrköpfigkeit geradezu sprichwörtlich war. Sie ging sogar soweit, ihrer Sturheit wegen ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Der Weg durch die Felswüste musste für sie die Hölle gewesen sein, sie schien sich noch immer nicht erholt zu haben. Der Kopfgeldjäger war sich sicher, dass sie vor die Hunde gegangen wäre, wenn sie die Rurales nicht aufgegriffen und zu Mitchell gebracht hätten. Wobei es wahrscheinlich für sie gnädiger gewesen wäre, in der Wildnis an Entkräftung zu sterben, als der Skrupellosigkeit und Unmenschlichkeit der vier Banditen ausgeliefert zu sein.
Dafür wirst auch du büßen, Mitchell, schwor Cooper in diesem Augenblick. Du bist es nicht wert, dass dich die Sonne anscheint. Ich persönlich werde dich für deine Verworfenheit und Niedertracht zur Rechenschaft ziehen.
Ohne ein Wort zu sagen stieg Carrie auf eines der Fuhrwerke und setzte sich neben den Kutscher. Aber der Blick, den sie Mitchell zuwarf, war beredter als alle Worte der Welt; es war ein Blick voll tödlicher Leidenschaft, und ein weniger abgebrühter Mann als Brad Mitchell wäre sicherlich erschrocken. Nicht so der Hacendado. Er zeigte keine Gemütsregung. Seine Gewissenlosigkeit war erschreckend.
Für Valdes wurde ein Pferd herbeigeführt. Wild riss sich der Mexikaner auf den Rücken des Tieres, und als es nervös tänzelte und prustete, nahm er es dermaßen hart an die Kandare, dass das Tier regelrecht stöhnte.
„Adios, Amigo Mitchell!“, schrie Valdes, dann hämmerte er seinem Pferd rücksichtslos die Sporen in die Seiten. „Hüh!“ Das Tier setzte sich in Bewegung und wollte sogleich in Galopp verfallen, doch der Mexikaner riss unbeherrscht an den Zügeln und drosselte so das Tempo des Tieres.
Peitschen knallten, knirschend begannen sich die schweren, mit Eisenbändern bereiften Räder der Fuhrwerke zu drehen, als sich die Pferde in die Riemen legten, die sich spannten und sofort in den Sielen zu knarren begannen. Die Gefährte rumpelten, polterten und ächzten in den Aufbauten. Die Achsen quietschten in den Naben. In diese Geräusche mischte sich das Pochen der Hufe, als die Transportbegleiter ihre Pferde antrieben. Staub wirbelte.
Sie zogen auf dem Reit- und Fahrweg nach Norden und hatten die Sonne im Rücken. Ihre Schatten wurden ihnen vorausgeworfen. Der Weg war schlecht; die Räder schwerer Fuhrwerke hatten ihn zerfurcht, unzählige Hufe aufgewühlt. Manchmal klirrte es, wenn ein Hufeisen gegen einen Stein prallte. Schwärme von Mücken begleiteten Pferde und Reiter.
Nach etwa zwei Stunden verließen sie diesen Weg und folgten den Windungen zwischen den Hügeln und Felsen. Sie kamen jetzt nur noch halb so schnell vorwärts. Oft mussten sie Umwege in Kauf nehmen, weil die Abhänge zu steil für die Gespanne waren, manchmal waren es auch Sand- und Geröllfelder, die sie umfahren mussten, weil sie einfach unpassierbar waren.
Sie sprachen nicht miteinander. Cooper ritt unmittelbar hinter dem zweiten Gespann, ihm folgten die vier Banditen in loser Ordnung. Der Kopfgeldjäger schaute sich nicht um. Er bewunderte das professionelle Verhalten Carries. Mit keinem Wimpernschlag hatte sie verraten, dass sie ihn kannte. Und sie hatte nicht die Spur von Angst gezeigt. Zeichen dafür, dass sie sich sicher war, dass er sie aus ihrer misslichen Lage befreien würde. Und – in der Tat! - er fühlte sich plötzlich für das Mädchen verantwortlich.
Die Hitze machte sogar das Atmen zur Qual. Das ganze Land lag unter einem flirrenden Hitzeschleier, die Luft waberte und die Konturen verschwammen. Als sich der Abend näherte, befanden sie sich in einem Labyrinth aus Felsen und Schluchten. Dorniges Strauchwerk und hartes Büschelgras bildeten die einzige Vegetation. Hier trieben nur Eidechsen, Skorpione und Klapperschlangen ihr Unwesen; als dieses Land geschaffen wurde, musste der Satan persönlich die Hände im Spiel gehabt haben.
Der feine Staub, den der stete Wind mit sich trug, vermischte sich in den Gesichtern auf der Haut mit dem Schweiß, verklebte die Poren, kroch unter die Kleidung und scheuerte die Haut wund, er knirschte bald zwischen den Zähnen und entzündete die Augen.
Schließlich ging die Sonne unter. Der Himmel war nach wie vor blau, doch die Wolken über dem Horizont im Westen schienen im Widerschein des Gestirns zu erglühen. Die Hitze milderte sich nicht; sie stand zwischen den Felsen wie etwas Stoffliches und mutete fast greifbar an.
Schließlich kam die Dämmerung und der Himmel nahm eine bleigraue Färbung an. Im Westen begann ein einsamer Stern zu funkeln – der Abendstern. In einer breiten Schlucht ließ Valdes das Nachtlager aufschlagen.
Sie tränkten die Pferde mit dem Wasser aus einem der vier Fässer, die sie auf den Fuhrwerken mit sich führten. Cooper gelang es zum ersten Mal, einen Blick auf die Ladefläche des hinteren Fuhrwerks zu werfen; die Ladung bestand aus verschieden großen Kisten, die keinerlei Aufschrift trugen. Einige waren lang genug, um Henry Rifles und Winchestergewehren Platz zu bieten. In den anderen befanden sich wahrscheinlich Munition und billiger Schnaps.
Die aufrührerischen Apachen mit Gewehren, Munition und Feuerwasser zu beliefern war ein todeswürdiges Verbrechen – es war aber auch ein lukratives Geschäft. Bei ihren Überfällen hatten die Chiricahuas unter Geronimo und einigen weiteren gefürchteten Häuptlingen Gold und Geld erbeutet. Und sie brauchten Waffen, um in dem blutigen Krieg bestehen zu können. Also bezahlten sie den Preis, den die Händler forderten, und das war oftmals ein verdammt hoher. Was konnten sie sonst schon anfangen mit dem Geld der Weißen oder ihrem Gold? Sie konnten nicht in den nächsten Store gehen und sich kaufen, was sie gerade benötigten.
Nachdem die Pferde versorgt waren breiteten sie ihre Decken am Boden aus und legten die Sättel zurecht, damit sie ihnen als Kopfkissen dienten. Sie aßen etwas von dem Proviant, den sie dabei hatten. Da sie kein Feuer angemacht hatten, hing zwischen ihnen die Finsternis. Hin und wieder wurden ein paar belanglose Worte gewechselt. Es waren hauptsächlich die drei Mexikaner, die miteinander sprachen. Cooper nahm ein Zigarillo aus der Manteltasche und zündete es an. Wenn er zog, legte sich ein rötlicher Schein auf sein Gesicht. Zwischen ihm und den vier Banditen bestand eine gefährliche Spannung; die Feindschaft war fast wie ein heißer Atem, und die Atmosphäre glich einem Pulverfass, in das nur der berühmte Funke zu fallen brauchte.
Nachdem er geraucht hatte, begab er sich zur Ruhe. Auch die anderen rollten sich in ihre Decken. Im Lager kehrte Ruhe ein. Nur das leise Säuseln des Nachtwindes war zu vernehmen, einmal das ferne Heulen eines Coyoten.
Bei Cooper kamen und gingen die Gedanken. Um ihn herum verrieten bald tiefe, gleichmäßige Atemzüge und leises Schnarchen, dass die anderen Begleiter des Transports eingeschlafen waren. Cooper lag etwas am Rand des Camps. Carrie lag bei Valdes und den beiden Fuhrwerkern. Plötzlich spürte der Kopfgeldjäger eine Bewegung zu seiner Linken und gleich darauf die Berührung von etwas Feuchtem, Kaltem an seinem Handrücken. Er erschrak, dachte an einen Puma oder Wolf und lag ganz steif, hielt die Luft an und die Frage schoss ihm durch den Kopf, wie er der Gefahr begegnen konnte, da vernahm er neben seinem Ohr ein leises Fiepen.
Cooper hob die Hand, sie ertastete dichtes Fell, ein schwerer Körper legte sich neben ihm auf den Boden, leises Hecheln war zu hören.
Der Kopfgeldjäger begriff, dass Jerry, Carries Schäferhund, neben ihm lag. Der Hund hatte mit ihm Freundschaft geschlossen, als Carrie das erste Mal mit ihm, dem Kopfgeldjäger, sprach. Und jetzt hatte er sich herangepirscht, um zu zeigen, dass er seine Herrin und seinen Freund nicht vergessen hatte. Ein Gefühl von Wärme, das er schon lange nicht mehr verspürt hatte, kroch in dem harten, kompromisslosen Mann in die Höhe.