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2.Die Zeit des gemeinen Rechts

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81Diese Verweisung führte dazu, dass in der Periode des gemeinen Rechts (bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts) die strafrechtliche Behandlung jugendlicher Rechtsbrecher maßgeblich durch die Wissenschaft bestimmt wurde. Ausgangspunkt war für diese das römische und kanonische Recht und deren Fortbildung durch die spätmittelalterliche italienische Jurisprudenz. Dort war bereits der Begriff der „doli capacitas“, die Vorstufe der heutigen Schuldfähigkeit, entwickelt worden. Man unterscheidet drei Altersgruppen: die infantes (bis zum 7. Jahre), die impuberes (vom 7. bis zum 14. Jahre) und die minores (vom 14. bis zum 25. Jahre).

82Bei den infantes fehle grundsätzlich die doli capacitas. Nur in Ausnahmefällen solle der Richter eine leichte, in Streichen mit Ruten bestehende poena arbitraria verhängen (so Carpzov, 1635). Später betonte man jedoch, dass die Züchtigung von Kindern nicht eigentlich als Strafe, sondern als Erziehungsmaßregel anzusehen sei. Sie werde ausgeführt, um bei den Kindern „tiefe Eindrücke zu erregen“ und „bei geringen Verbrechen lediglich den Eltern, Vormündern und Schullehrern überlassen, und nur bei schweren Verbrechen im Gericht oder im Gefängnis von den Gerichtsbedienten vorgenommen“ (Quistorp, 1783).

83Bei den impuberes pflegte man zu unterscheiden, ob sie „infantiae proximi“ oder „pubertati proximi“ seien. Die ersteren blieben meist ebenfalls straffrei, die zweiten seien in der Regel mit relegatio (Landesverweisung) und carcer, in schweren Fällen auch mit körperlicher Züchtigung zu bestrafen. Nur in schwersten Fällen (malitia supina) und wenn keine Aussicht auf Besserung bestehe, können auch Kinder unter 14 Jahren, „weil ihre Bosheit das Alter erfüllt“, mit dem Tode bestraft werden. So führt etwa Carpzov zwei Leipziger Schöffensprüche aus den Jahren 1615 und 1617 an, durch die ein Knabe und ein Mädchen im Alter von 13 Jahren wegen Brandstiftung zur Enthauptung verurteilt wurden (an Stelle der bei Erwachsenen üblichen Strafe des Feuertodes). Als Kriterium für die Frage, ob ein Kind „pubertati proximus“ sei, wurde neben dem Alter auch schon auf den Reifegrad, die Einsicht in die Folgen der Tat und eine besonders schlaue und arglistige Ausführungsweise abgestellt.

84Erst mit den minores gelangen wir zu der Altersgruppe, für die das heutige Jugendstrafrecht gilt. Sie waren nach gemeinem Recht in der Regel mit der poena ordinaria wie die Erwachsenen zu bestrafen. Nur bei geringer Überschreitung des 14. Lebensjahres oder bei „magna stupiditas“ war die Strafe zu mildern. Dieses fakultative Milderungsrecht wurde besonders gegenüber der Todesstrafe betont. Doch zeigen die Quellen, dass das harte, nur auf Vergeltung und Abschreckung bedachte Strafrecht dieser Jahrhunderte in zahllosen Fällen zur Vollstreckung von Todesstrafen an Jugendlichen geführt hat.

Erste Ansätze einer humaneren und zugleich auf Erziehung bedachten Reaktion auf kleinere Jugendstraftaten ermöglichten die in Amsterdam (1595) entstandenen, in den beiden folgenden Jahrhunderten in zahlreichen deutschen Städten nachgeahmten Zucht- und Spinnhäuser, deren Insassen freilich nicht nur verwahrloste Jugendliche, sondern auch erwachsene Land- und Stadtstreicher sowie sonstige „Asoziale“ und „Arbeitsscheue“ waren. Insofern bedeutete es einen wesentlichen Fortschritt, dass Papst Clemens XI. in Rom die für ihre Zeit vorbildliche Erziehungsanstalt San Michele (1703) für Jugendliche gründete und damit einen ersten Grundstein für einen selbstständigen Jugendstrafvollzug legte. Doch war der Weg von der Errichtung dieser und ähnlicher Anstalten, die man etwa – an modernen Maßstäben gemessen – in der Mitte zwischen Jugendstrafe und Heimerziehung zu sehen hat, bis zur gesetzlichen Herausbildung eines selbstständigen Jugendstrafrechts noch weit.

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