Читать книгу Jugendstrafrecht - Sabine Swoboda - Страница 38
1.Das JGG von 1923
Оглавление102Schon das JGG 1923 leitete diese Entwicklung ein. Es ersetzte die veralteten §§ 55 bis 57 RGStGB und erfüllte viele Forderungen der Jugendgerichtsbewegung. Kinder von 12 und 13 Jahren blieben nunmehr straffrei (gem. § 2 JGG 1923) und für die Jugendlichen von 14 bis 18 Jahren wurden die Strafen durch ein System jugendrichterlicher Erziehungsmaßnahmen ergänzt. Bestrafung, die fortan neben der geistigen auch die sittliche Reife voraussetzte, durfte nach einem neu eingeführten Subsidiaritätsprinzip nur dann erfolgen, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichten. Überdies konnte die Vollstreckung der Strafe vom Richter auf Probe ausgesetzt werden. Für die Aburteilung der Jugendlichen waren die nunmehr legalisierten Jugendgerichte zuständig. Auch das Verfahren vor den Jugendgerichten wurde in Abweichung vom allgemeinen Strafverfahren den besonderen pädagogischen Erfordernissen angepasst, so etwa durch den Ausschluss der Öffentlichkeit, erhebliche Einschränkungen des Legalitätsprinzips und dergleichen. Die Aufgabe der Persönlichkeitserforschung und die fürsorgerische Betreuung der straffälligen Jugendlichen fielen der primär dem Jugendamt übertragenen „Jugendgerichtshilfe“ zu.
103Obwohl das JGG 1923 nach dem damaligen Entwicklungsstand ein fortschrittliches Gesetz war, wies es doch manche Mängel und Lücken auf, die sich bei seiner praktischen Anwendung bald bemerkbar machten.171 Da es – entgegen der schon von Appelius erhobenen Forderung – keine Begrenzung des Mindestmaßes der Freiheitsstrafe kannte, gelang es nicht, die schädlichen kurzzeitigen Freiheitsstrafen auszumerzen. Sie wurden vielmehr trotz aller Warnungen auch weiterhin in erschreckend hohem Ausmaße verhängt. Auch fehlte bei der von der Praxis allzu oft angewendeten Strafaussetzung zur Bewährung eine Einrichtung, die ähnlich der angelsächsischen „probation“ eine wirksame erzieherische Betreuung der Probanden während der Bewährungszeit gewährleistet hätte. Diese Lücken des Gesetzes traten besonders stark hervor, als während der Wirtschaftskrise der Jahre 1930 bis 1933 infolge der Arbeitslosigkeit und der mit ihr verbundenen sozialen und wirtschaftlichen Not die Jugendkriminalität einen neuen Höhepunkt erreichte.172