Читать книгу Jugendstrafrecht - Sabine Swoboda - Страница 40
3.Kontinuität im Jugendgerichtsgesetz von 1953
Оглавление106Demgegenüber entwickelte das in der Bundesrepublik eingeführte Jugendgerichtsgesetz vom 4.8.1953 das JGG 1943 weiter fort, nachdem dessen nationalsozialistische Elemente, insbesondere die erwähnte „Auflockerung“ der Altersgrenzen, schon vorher durch die Praxis beseitigt worden waren.186 Namentlich in zwei Punkten gelang 1953 eine weitere Verbesserung: Der wieder eingeführten Strafaussetzung zur Bewährung wurde durch strengere Bestimmung ihrer Voraussetzungen und durch die Einrichtung der Bewährungshilfe und -aufsicht nach englischem Muster ein gewisser Schutz gegen die Missstände gegeben, die während der Geltung des JGG 1923 ihre Anwendung diskreditiert hatten. Noch wesentlicher war, dass nunmehr auch die „Heranwachsenden“ bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, freilich nur teilweise und allzu verklausuliert, in das Jugendstrafrecht einbezogen wurden. Aus der NS-Zeit verblieben ist demgegenüber die, allerdings auch schon zu Zeiten der Weimarer Republik geforderte, Sanktionskategorie der „Zuchtmittel“ mit dem Institut des Jugendarrests und das Prinzip „Erziehung durch Strafe“, das die Jugendstrafe als letztes wirksames Erziehungsmittel begreift und mit diesem Verständnis in § 17 II JGG gesetzlich Ausdruck gefunden hat.
107Obwohl gerade die Regelung des wichtigen Heranwachsenden-Problems noch der Verbesserung und Vereinfachung bedarf, hat doch insgesamt der Gesetzgeber mit dem JGG 1953 besonders sorgfältige und wertvolle Arbeit geleistet. Vergleichen wir den gegenwärtigen Stand der Gesetzgebung mit den Anfängen der Jugendgerichtsbewegung, so ist vieles von dem, was zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts als revolutionäres Programm einer kleinen Gruppe erschien, inzwischen in die Wirklichkeit umgesetzt, ja sogar zum selbstverständlichen Bestandteil des allgemeinen Rechtsbewusstseins geworden. Dennoch darf der reformatorische Eifer in Bezug auf das Jugendstrafrecht nicht erlöschen. Deshalb beziehen sich die vordringlichsten Forderungen der Jugendgerichtsbewegung bis heute auf die Auswahl und Ausbildung der Jugendrichter und auf die finanzielle und personelle Ausstattung der Vollzugseinrichtungen, namentlich des Jugendstrafvollzugs und der Untersuchungshaft bei Jugendlichen. Auch der Standardsicherung der überlasteten Bewährungs- und Jugendgerichtshilfe kommt besondere Bedeutung zu. Neben den traditionellen Sanktionen sind auch weiterhin neue, alternative Reaktionsformen auf Jugendstraftaten zu entwickeln, die ein intensives Eingehen auf die spezielle Konfliktsituation des Einzelnen ermöglichen und eine Stigmatisierung des Jugendlichen vermeiden. So manches Thema des Jugendstrafrechts ist bis heute von internationaler Aktualität, etwa das Verhältnis von Jugendstrafe zu Jugendhilfe, die Frage der Altersgrenzen und die Rolle einer opferorientierten Verfahrensgestaltung sowie die Ausgestaltung der sog. „restorative justice“.187