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1.Umstrittene Punkte

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109Das äußert sich nicht nur an den bereits erwähnten neuralgischen Punkten, wie etwa dem ­Jugendarrest und dem Jugendstrafvollzug, sondern auch in der unbefriedigenden Zumessungspraxis der Jugendstrafe. Deren Dauer wird oft durch das an der Tatschwere orientierte „Straftaxendenken“ des Erwachsenenstrafrechts geprägt, von dem sich viele Jugendrichter und -staatsanwälte nicht lösen können. Die erzieherischen Bedürfnisse des Täters stehen entgegen der gesetzlichen Zielsetzung § 2 I JGG hinter dem Straftaxenansatz zurück.188 Deshalb hat es stets Stimmen gegeben, die in Anknüpfung an schon in den ersten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts entwickelte Gedankengänge die Kriminalstrafe aus dem Jugendrecht völlig ausscheiden und dieses in ein reines Erziehungsrecht umwandeln wollen. In ihm wäre auf alle Formen sozialer Gefährdung Jugendlicher, mögen sie sich in Kriminalität oder in sonstiger sozialer Auffälligkeit äußern, unterschiedslos mit einem System individualisierender sozialpädagogischer-medizinischer-psychotherapeutischer Behandlungsmethoden zu antworten. In diese Richtung wiesen neben dem Grundsatzreferat von Karl Peters auf dem Jugendgerichtstag in Münster 1965189 etwa die Vorschläge für ein „erweitertes Jugendhilferecht“, die von der Jugendrechtskommission der Arbeiterwohlfahrt 1970 vorgelegt worden sind.190 Diesen Bestrebungen waren trotz verschiedener gesetzgeberischer Anläufe in der Zeit der sozialliberalen Koalition der Siebzigerjahre jedoch kein Erfolg beschieden. Vielmehr wurden in den gesetzgeberischen Vorarbeiten im „Diskussionsentwurf“ einer im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit eingesetzten Sachverständigenkommission (1973) die Schwierigkeiten deutlich, welche die Durchführung einer solchen Konzeption bereitet.191 Gerade Sozialpädagogen neigen in ihren Vorschlägen für eine Erweiterung des Jugendhilferechts auf Kosten des Jugendstrafrechts, defizitorientiert zu handeln. Sie orientieren den von ihnen bevorzugten Katalog individueller Erziehungshilfen an dem Bild des entwicklungsgestörten, sozial gefährdeten und eben deshalb erziehungsbedürftigen Jugendlichen und übersehen dabei die durch die moderne Dunkelfeldforschung erwiesene Tatsache der „Normalität“ und „Ubiquität“ der kleineren Jugendkriminalität.192 Man wird daher über manche geringfügigen Jugendvergehen sanktionslos hinweggehen können. Andererseits gibt es auch Taten, die sowohl im Interesse der Rechtsordnung als auch im Interesse der Entwicklung des Jugendlichen selbst nicht ungeahndet bleiben können, ohne dass deswegen gleich intensive und einschneidende Erziehungshilfen erforderlich wären. Hier liegt die Funktion jener Sanktionen, die das geltende JGG als Zuchtmittel umschreibt (darüber näher Rn. 387 ff.). Gemeint sind kurzfristige Maßnahmen, die den Täter auch ohne eine umfangreiche pädagogische Hilfestellung in ausreichendem Maße positiv beeinflussen sollen.

Jugendstrafrecht

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