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III.Die Elemente der Demokratiekonzeption des Grundgesetzes 1.Demokratisch legitimiertes Repräsentativsystem

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130Das Grundgesetz bekennt sich in Art. 20 Abs. 1 zum Demokratieprinzip und gestaltet dieses in Art. 20 Abs. 2 näher aus: Danach geht die Staatsgewalt vom Volk aus (Grundsatz der Volkssouveränität, Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG) und wird vom Volk unmittelbar durch Wahlen (Personalentscheidungen) und Abstimmungen (Sachentscheidungen) ausgeübt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG). Die staatlichen Funktionen der Gesetzgebung, Rechtsprechung und vollziehenden Gewalt werden demgegenüber zwar auch vom Volke, jedoch „durch besondere Organe“ ausgeübt. Ihre Wahrnehmung soll somit jedoch mittelbar auch auf das Volk zurückführbar sein. „Dieser Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft wird durch die Wahl des Parlaments, durch die von ihm beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt, durch den parlamentarischen Einfluss auf die Politik der Regierung sowie durch die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung hergestellt. Für die Beurteilung, ob dabei ein hinreichender Gehalt an demokratischer Legitimation erreicht wird, haben die in der Rechtsprechung des BVerfG und in der Literatur unterschiedenen Formen der institutionellen, funktionellen, sachlich-inhaltlichen und der personellen Legitimation Bedeutung nicht je für sich, sondern nur in ihrem Zusammenwirken. Aus verfassungsrechtlicher Sicht entscheidend ist nicht die Form der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns, sondern deren Effektivität; notwendig ist ein bestimmtes Legitimationsniveau.“19

Das Repräsentativsystem des Grundgesetzes besteht somit personell aus den gewählten Volksvertretern und funktional aus den besonderen Staatsorganen sowie den ihnen nachgeordneten Stellen, die mit staatlichen Aufgaben betraut sind. Das Grundgesetz geht also von einer demokratischen Ordnung mit unmittelbaren wie repräsentativen Elementen aus.

131a) Repräsentative Demokratie. Auch wenn das Grundgesetz die Wahrnehmung der Staatsgewalt durch das Volk in „Wahlen und Abstimmungen“ (Art. 20 Abs. 2 Satz 2) vorsieht, etabliert es ein streng repräsentatives System: Die unmittelbare demokratische Willensäußerung des Volkes ist in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG geregelt (Wahl der Repräsentanten als Abgeordnete in den Bundestag). Die Abgeordneten erhalten durch ihre Wahl ein freies Mandat, da sie unabhängig vom Willen des Volkes entscheiden und ihr Status nicht vorzeitig gegen ihren Willen aufgehoben werden kann. Auf die Besetzung aller anderen Staatsorgane hat das Volk keinen unmittelbaren Einfluss. Das Grundgesetz geht also davon aus, dass die unmittelbare Äußerung des Volkswillens praktisch nur in der Wahl seiner Repräsentanten in den Bundestag besteht und die weitere staatliche Willensbildung nur durch staatliche Organe erfolgt.

132b) Zulässigkeit von Abstimmungen. Die unmittelbare Beteiligung des Volkes an Sachentscheidungen ist demgegenüber nur an wenigen Stellen des Grundgesetzes vorgesehen (Art. 29, 118, 118a), beschränkt sich nach geltendem Verfassungsrecht also auf Änderungen der Gliederung des Bundesgebietes. Hinzu kommt Art. 146 GG, der jedoch nur deklaratorisch auf die verfassunggebende Gewalt des Volkes hinweist20.

133Es stellt sich allerdings die Frage, ob auf Bundesebene auch in anderen Bereichen eine Volksabstimmung (Plebiszit) möglich wäre. Richtigerweise ist jedoch der Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG, der von Abstimmungen spricht, so zu verstehen, dass dieser nur auf die im Grundgesetz an anderer Stelle vorgesehenen Abstimmungen verweist. Eine unmittelbare und für die Staatsorgane bindende Beteiligung des Volkes ist daher über die im Grundgesetz vorgesehenen Fälle hinaus unzulässig21. Eine Stärkung plebiszitärer Elemente bedürfte der Änderung des Grundgesetzes22. Auf Basis des Grundgesetzes zulässig wäre dagegen eine konsultative Volksbefragung, mit der keine Bindung der Staatsorgane bewirkt wird23.

134Insgesamt ist die unmittelbare Mitwirkung des Volkes an der Ausübung von Staatsgewalt also erstaunlich beschränkt. Das Grundgesetz geht nach wie vor von einem „unberechenbaren“ und „gefährlichen“ Volk aus. Dabei ist die These, die dort vorgesehenen Volksentscheide seien mitentscheidend für das Scheitern der Weimarer Reichsverfassung gewesen, kaum haltbar24.

135c) Demokratische Legitimation. Nur der Bundestag wird durch die Bundestagswahl vom Volk unmittelbar demokratisch legitimiert. Alle anderen staatlichen Organe, die Staatsgewalt ausüben, bedürfen einer abgeleiteten, mittelbaren Legitimation. Diese Legitimation kann durch den Bundestag vermittelt werden, aber auch durch eine Kette von mittelbar demokratisch legitimierten Organen. Aufgrund der bundesstaatlichen Ordnung ist es auch möglich, dass eine demokratische Legitimation über die Länderebene vermittelt wird. Letztlich bedarf jedoch jede Ausübung von Staatsgewalt der Rückführung auf das Volk durch eine „ununterbrochene Legitimationskette vom Volk zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Organen und Amtswaltern“25.

136Unterschieden werden kann zwischen personeller und funktionaler Legitimation. Personelle Legitimation wird dadurch erreicht, dass die personelle Besetzung von Staatsorganen und öffentlichen Ämtern von einer unmittelbar legitimierten Quelle ausgeht. Anknüpfungspunkt ist nicht das staatliche Handeln selbst, sondern die handelnde(n) Person(en). Auf der Bundesebene ist dies der Bundestag, der Wahlorgan insbesondere für den Bundeskanzler als Spitze der Exekutive ist. Bei der funktionalen Legitimation staatlichen Handelns ist das formelle Gesetz Grundlage. Ein formelles Gesetz wird vom Bundestag als unmittelbar demokratisch legitimiertem Staatsorgan beschlossen und ermächtigt den Staat oder den staatlichen Gesetzesadressaten zu mittelbar demokratisch legitimiertem Handeln.

Beispiele:

– Die Bundesregierung wird dadurch demokratisch legitimiert, dass der Bundeskanzler von der Mehrheit des Bundestags gewählt wird. Der Bundestag ist durch die Bundestagswahl unmittelbar demokratisch legitimiert.

– Die demokratische Legitimation des Bundespräsidenten wird von der Bundesversammlung vermittelt. Die Mitglieder der Bundesversammlung sind die unmittelbar gewählten Mitglieder des Bundestags und Vertreter der Länder (vgl. Art. 54 Abs. 3 GG). Die Vertreter der Länder werden von den jeweiligen Landtagen gewählt und dadurch mittelbar demokratisch legitimiert.

– Die Beamten des Bundeskriminalamts werden nicht gewählt, sondern ernannt. Ihr Handeln ist demokratisch legitimiert, wenn sie sich auf die ihnen durch das vom Bundestag erlassene BPolG verliehenen Kompetenzen stützen können.

Staatsrecht I

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