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I.Formeller Rechtsstaat

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155Für einen formellen Rechtsstaat ist kennzeichnend, dass die Staatsgewalt organisatorisch und verfahrenstechnisch an Normen gebunden ist, die eine willkürliche Entfaltung ausschließen. So soll dem Missbrauch staatlicher Macht vorgebeugt werden. Dagegen kommt es nicht darauf an, welche Inhalte und Ziele das staatliche Handeln hat. Kern des formellen Rechtsstaats sind41:

Verfassungsbindung der Staatsgewalt: Der Staat handelt nur, wenn und soweit er dazu durch die Verfassung ermächtigt wird. Die Verfassung regelt verbindlich, welche Staatsorgane welche Zuständigkeiten haben und welche Instrumente ihnen dafür zur Verfügung stehen. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben beanspruchen dabei Vorrang vor allen anderen innerstaatlichen Rechtssätzen42.

Gewaltenteilung: Die Staatsgewalt ist aufgeteilt in die drei getrennten Bereiche Gesetzgebung (Legislative), vollziehende Gewalt (Exekutive) und Rechtsprechung (Judikative)43.

Gesetzmäßigkeit staatlichen Handelns: Zentrales Instrument und Ausgangspunkt des staatlichen Handelns ist das Gesetz. Die vollziehende Gewalt bedarf zum Handeln einer gesetzlichen Ermächtigung, die vom Gesetzgeber erst erlassen werden muss (Vorbehalt des Gesetzes). Es darf nicht gegen die geltenden Gesetze verstoßen werden (Vorrang des Gesetzes). So erlangt der Bürger im Rahmen der geltenden Gesetze Rechtssicherheit und Freiräume gegenüber dem Staat44.

Unabhängiger Rechtsschutz: Die Einhaltung der Gesetze wird durch die Rechtsprechung überwacht. Ihre Unabhängigkeit garantiert eine effektive Kontrolle, hebt aber nicht die gesetzliche Bindung der Rechtsprechung als Teil der Staatsgewalt auf45.

156Diese Prinzipien des formellen Rechtsstaats prägten die Staatsverfassungen im Deutschen Bund des 19. Jahrhunderts46. Die vollziehende Gewalt wurde von Monarchen ausgeübt, die jedoch einer gesetzlichen Ermächtigung, für deren Erlass die Zustimmung des Parlaments erforderlich war, bedurfte, um in Freiheit und Eigentum der Bürger einzugreifen. Unselbstständige Ausschüsse und Kammern in der Verwaltung, später auch Verwaltungsgerichte, konnten Maßnahmen der Exekutive auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen. So sollten Machtmissbrauch und Willkürherrschaft absolutistischer Monarchien überwunden werden. Die Beschränkung auf einen formellen Rechtsstaat ohne Berücksichtigung der Inhalte staatlichen Handelns allein kann dieses Ziel jedoch nicht dauerhaft verwirklichen. Der Bürger erlangt durch die Bindung der Herrschaft an die geltenden Gesetze zwar Freiheitssphären und Rechtssicherheit. Vor inhaltlicher Willkür formgerecht erlassener Gesetze besteht in einem formellen Rechtsstaatssystem jedoch kein ausreichender Schutz.

Staatsrecht I

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