Читать книгу Praxiskommentar VOB - Teile A und B - Susanne Roth - Страница 202
IV.Zu berücksichtigende Angebote, § 14 Abs. 5
Оглавление42§ 14 Abs. 5 trifft Regelungen dazu, wie mit Angeboten umzugehen ist, die nachweislich vor Ablauf der Angebotsfrist dem Auftraggeber zugegangen waren. Solche Angebote sind wie rechtzeitig vorliegende Angebote zu behandeln.
43Erfasst sind Angebote, die aus vom Bieter nicht zu vertretenden Gründen dem Verhandlungsleiter nicht vorgelegen haben. Das Angebot als empfangsbedürftige Willenserklärung geht dem Empfänger – hier der Vergabestelle – zu, wenn es in seinen Machtbereich gelangt ist und unter normalen Umständen zu erwarten ist, dass dieser hiervon Kenntnis nimmt bzw. nehmen kann, § 130 BGB.61 Der rechtzeitige Zugang obliegt folglich der Risikosphäre des jeweiligen Bieters und ist von diesem zu vertreten.62 Nicht erfasst werden folglich Angebote, deren verspäteter Zugang in die Fehlersphäre des Bieters fällt (so bei schriftlichen Angeboten z. B. auch verschuldensunabhängige Situationen wie Verkehrsstau, Fehlverhalten der Post, Übermittlung durch einen unzuverlässigen Boten, unvorhergesehene Witterungseinflüsse etc.). Etwas anderes hatte die VK Bund ausnahmsweise nur für den Fall angenommen, dass konkrete Anhaltspunkte dafür bestanden haben, dass im Verantwortungsbereich der Vergabestelle Ursachen für die Nichterweislichkeit der relevanten Tatsachen gesetzt wurde.63 Deshalb ist es auch grundsätzliche Verpflichtung der Vergabestelle, die geeigneten Vorkehrungen zu treffen, um im Streitfall die Verspätung beweiskräftig belegen zu können.64 Dazu kann z. B. die Empfangs-/ Lesebestätigungsfunktion bei E-Mails genutzt werden.
44Entscheidend ist in diesem Zusammenhang zudem, dass das Angebot an die von dem Auftraggeber in der Bekanntmachung bzw. spätestens in den Vergabeunterlagen bekannt gegebene Stelle einreicht bzw. bei elektronischen Angeboten über die genannte eVergabe-Plattform eingestellt bzw. an die genannte E-Mail-Adresse versendet wird (vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. p zur Bekanntmachung). Hat der öffentliche Auftraggeber eine Uhrzeit für die Angebotsfrist angegeben, so hat er innerbetrieblich dafür zu sorgen, dass eine entsprechende Kenntniserlangung von den Angeboten auch möglich ist. Dies spielt jedoch bei schriftlichen Angeboten, kaum bei elektronischen Angeboten eine Rolle, da für letztere eine besetzte Posteingangsstelle, der korrekte Briefkasten oder deren Leerung in bestimmten Zeitabschnitten unerheblich sind. Bei elektronischen Angeboten werden die Fälle des § 14 Abs. 5 S. 1 darauf beschränkt sein, dass der Verhandlungsleiter gegebenenfalls aus technischen Gründen auf die elektronischen Angebote nicht zugreifen konnte oder die Zustellung beispielsweise per E-Mail in das Posteingangsfach des Verhandlungsleiters verspätet angezeigt wurde.
45Gemäß § 14 Abs. 5 Satz 2 ist den Bietern dieser Sachverhalt unverzüglich in Textform mitzuteilen. Diese Regelung unterstellt, dass die Bieter hiervon deswegen keine Kenntnis haben konnten, da sich der Sachverhalt erst nach Fertigung der Niederschrift und die Einsicht der Bieter hierin rausgestellt hat. Deshalb bestimmt § 14 Abs. 5 Satz 3 zudem, dass in diese Mitteilung entsprechend die Feststellung aufzunehmen ist, ob die Angebote verschlüsselt waren und dass die Angaben betreffend den Inhalt der Niederschrift (Name und Anschrift der Bieter, Endbeträge der Angebote und einzelner Lose, Preisnachlässe ohne Bedingungen, Anzahl der jeweiligen Nebenangebote) aufzunehmen sind. Textform bedeutet in diesem Fall die Textform gemäß § 126b BGB. Hinsichtlich der Unverzüglichkeit wird auf ein ohne schuldhaftes Zögern im Sinne von § 121 BGB abgestellt. Je nachdem, ob der Öffnungstermin mit Unterzeichnung der Niederschrift abgeschlossen ist, ist das entsprechende Angebot gemäß § 14 Abs. 5 Satz 3 mit allen Angaben in die Niederschrift oder in einem Nachtrag aufzunehmen. § 14 Abs. 5 Satz 4 verweist auf Abs. 4 Satz 2: Die Eingangszeiten sowie die Gründe, aus denen das Angebot nicht zum Zeitpunkt des Eröffnungstermins vorgelegen hat, sind ebenfalls in der Niederschrift zu verzeichnen bzw. entsprechend in einem Nachtrag aufzuführen.
46Zu beachten ist aber, dass ein Bieter durchaus ein Angebot durch ein weiteres, später aber noch innerhalb der Angebotsabgabefrist eingereichtes, Angebot ersetzen kann. Sofern sich Angebote unterscheiden, können grundsätzlich zwei Hauptangebote abgegeben werden.65 Legt aber ein Bieter nach seinem ersten Hauptangebot wenig später ein weiteres Hauptangebot vor, ist nach dem BGH dieses Verhalten als Ersetzen des früheren durch das spätere Angebot zu deuten und nicht etwa als zwei (nebeneinander) eingereichte Hauptangebote.66 Problematisch wird diese Auslegung bei elektronisch einzureichenden Angeboten. Denn auf den Vergabeportalen muss die Möglichkeit technisch eingeräumt sein, ein zunächst abgesendetes bzw. eingestelltes Angebot gegen ein anderes auszutauschen, sofern die Angebotsabgabefrist noch nicht abgelaufen ist. Bei einem solchen (korrekten) Ablauf stellt sich dann die Problematik der zwei Angebote nicht mehr. Etwas anderes gilt bei Versand der Angebote per E-Mail. Dann muss der Bieter explizit darauf hinweisen, welches Angebot gelten soll.