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2Behördeninterne Nachprüfungsstelle nach dem 1. Abschnitt der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen sind in der Regel die sogenannten VOB-Stellen, wobei einige Bundesländer mittlerweile ein vergabekammerähnliches Rechtsschutzverfahren eingerichtet haben, das seine Rechtsgrundlage in den einzelnen Vergabe- und Tariftreuegesetzen der jeweiligen Bundesländer hat.2

3Die Nachprüfungsstellen sind in der Regel die Aufsichtsbehörden (Fach- bzw. Rechtsaufsicht) der Auftraggeber. Soll die Nachprüfung im Unterschwellenbereich kein stumpfes Schwert sein, so muss die Nachprüfungsstelle zumindest selbst Weisungsbefugnis haben oder sie muss jedenfalls mit Hilfe der jeweiligen Fach- bzw. Rechtsaufsichtsbehörde die Einhaltung der vergaberechtlichen Vorschriften durchsetzen können.3

4Die Durchsetzung der Einhaltung der vergaberechtlichen Vorschriften im Wege der Fachaufsicht dürfte unproblematisch sein, wenn der Auftraggeber demselben Verwaltungsträger angehört wie die ihm vorgesetzte Behörde. Letztere ist im Rahmen der Fachaufsicht verpflichtet, sowohl die Rechtmäßigkeit als auch die Zweckmäßigkeit des Handelns, das heißt die Anwendung der vergaberechtlichen Vorschriften durch die ihr nachgeordnete Behörde, also den öffentlichen Auftraggeber, zu überprüfen.

Anweisungen im Rahmen der Fachaufsicht hat die nachgeordnete Behörde zu befolgen und kann rechtlich dagegen nicht vorgehen, weil sowohl der Auftraggeber als auch die Aufsichtsbehörde demselben Verwaltungsträger (z. B. dem Land) angehören und die Weisung keine Außenwirkung gegenüber dem Auftraggeber (nachgeordnete Behörde) entfaltet. Anders ist es, wenn es um die Durchsetzung vergaberechtlicher Vorschriften gegenüber einem selbstständigen Verwaltungsträger (in der Regel Kommunen) geht, der Selbstverwaltungsaufgaben wahrnimmt.

5Hier reduziert sich die Aufsicht auf eine Rechtsaufsicht, also die Überprüfung, ob die Behörde (der Auftraggeber) die rechtlichen Grenzen, insbesondere auch bei der Ausübung ihres Ermessens beachtet hat. Selbstverwaltungsaufgaben nehmen beispielsweise die Kommunen wahr, das heißt sie führen diese eigenverantwortlich aus, sind aber an das Gesetz gebunden. Hierzu gehört auch das Beschaffungswesen, das Ausdruck der Haushaltshoheit der Kommunen nach Art. 28 Abs. 2 GG ist4. Verletzen also die Kommunen vergaberechtliche Vorschriften, so kann die Nachprüfungsstelle, sofern ihr Rechtsaufsicht zukommt, entsprechende Aufsichtsmittel entweder repressiver oder präventiver Art wählen, um die Einhaltung der vergaberechtlichen Vorschriften zu erwirken.

6Diese Aufsichtsmaßnahmen sind jedoch anfechtbare Verwaltungsakte, weil die Gemeinde in Selbstverwaltungsangelegenheiten als juristische Person des öffentlichen Rechtes betroffen ist. Dies bedeutet, dass der Auftraggeber, der das Beschaffungswesen im Rahmen seiner Selbstverwaltungsaufgaben ausführt, gegen Aufsichtsmittel der Nachprüfungsstellen nach gegebenenfalls erforderlichen Widerspruchsverfahren (§ 68 VwGO) verwaltungsgerichtlich vorgehen kann.

7Gleichzeitig ist es den Bietern aber auch möglich, primären Rechtsschutz im Rahmen des Vergabeverfahrens bei den Zivilgerichten zu erlangen. Da es anders als im Oberschwellenbereich keine Bindungswirkung hinsichtlich der Entscheidungen der Vergabekammern und Vergabesenate bei den Oberlandesgerichten (§ 179 Abs. 1 GWB) gibt, dürfte die Rechtswegzersplitterung zu divergierenden und sich möglicherweise auch widersprechenden Entscheidungen führen. Ein Beispiel, bei denen dies besonders gravierend sein könnte, ist der Widerruf von Zuwendungsbescheiden bei besonders schweren Vergabeverstößen, für deren gerichtliche Überprüfung die Verwaltungsgerichte zuständig sind. Im Ergebnis ist zwar letztendlich im 1. Abschnitt der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen zwingend eine „Nachprüfung“ vorgeschrieben, aber aufgrund der obigen Ausführungen und der unterschiedlichen bundes- und landesrechtlichen Regelungen bestehen doch erhebliche Zweifel an deren rechtlich stringenten und schlüssigen Umsetzung.

8Unabhängig von der Frage, ob die Nachprüfungsstellen im Wege der Fach- bzw. Rechtsaufsicht tätig werden, haben die Bewerber bzw. Bieter allerdings, anders als nach den Rechtsschutzvorschriften des EU-Vergaberechtes, kein subjektives Recht darauf, dass die vorgesetzte Behörde gegenüber der Vergabestelle einschreitet. In der Praxis wenden sich die Bewerber oder Bieter in der Regel direkt an die jeweilige Nachprüfungsstelle und tragen die aus ihrer Sicht vorliegenden Verstöße gegen vergaberechtliche Bestimmungen vor. Anders als im EU-Vergaberecht, ist ein Antrag eines Unternehmens für ein Tätigwerden der vorgesetzten Nachprüfungsbehörde nicht unbedingt erforderlich, denn diese sind von Amts wegen verpflichtet, den Sachverhalt auf seine Rechtmäßigkeit hin zu untersuchen, sobald sie, auf welchem Wege auch immer, Kenntnis hiervon erlangt haben. Die Nachprüfungsstelle kann, sofern sie einen Vergabeverstoß festgestellt hat, alle geeigneten Maßnahmen bis zur Zuschlagserteilung, also dem Abschluss des zivilrechtlichen Vertrages, treffen, um auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einzuwirken.

Sie kann eine Zuschlagserteilung in laufenden „Nachprüfungsverfahren“ allerdings nicht verhindern, weil es im Unterschwellenbereich keine Regelung hinsichtlich eines Zuschlagsverbotes wie bei der Auftragsvergabe oberhalb der EU-Schwellenwerte gibt. Ein entgegen der Weisung der Nachprüfungsstellen dennoch geschlossener zivilrechtlicher Vertrag ist rechtswirksam zustande gekommen.

Zur Frage des möglichen Rechtsschutzes zur Verhinderung einer Zuschlagserteilung siehe unten Rn. 9. Gibt der Auftraggeber im Unterschwellenbereich fälschlicherweise die Vergabekammer als Nachprüfungsstelle an, so begründet dies nicht den Rechtsweg zu den Vergabekammern (siehe Kommentierung zu § 21 EU VOB/A Rn. 6).

Praxiskommentar VOB - Teile A und B

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