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V.Missbrauchsverbot (Abs. 1 Satz 3)

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14Ähnlich wie § 4a VOB/A sieht auch § 4a EU Abs. 1 Satz 3 VOB/A ein generelles Missbrauchsverbot vor. Dies hängt naheliegender Weise damit zusammen, dass das Auftragsvolumen sowie weitere Bedingungen der Rahmenvereinbarung nur aufgrund von Schätzungen ermittelt werden (vgl. § 3 Abs. 2 u. Abs. 4 VgV31). So ist in § 4a EU Abs. 1 Satz 3 VOB/A zunächst festgelegt, dass eine Rahmenvereinbarung nicht missbräuchlich angewendet werden darf. Wie sich schon bei der Bestimmung des Auftragsvolumens und bei der Frage der Laufzeit gezeigt hat, sind die Vertragsparteien gehalten, diese möglichst genau zu ermitteln und bekannt zu geben. Da beim Vorliegen von Rahmenvereinbarungen nach § 4a EU Abs. 4 Nr. 1 VOB/A für die Einzelaufträge regelmäßig kein vergaberechtliches Verfahren mehr durchgeführt werden muss, dürfen solche Vereinbarungen im Grundsatz nicht allein deshalb geschlossen werden, um die Anwendung des Vergaberechts auszuschließen. Aus dem generellen Missbrauchsverbot lässt sich daher das Erfordernis einer inneren Notwendigkeit zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung ableiten, die mit der Natur oder den spezifischen Eigenarten der darin gebündelten Einzelaufträge zusammenhängen.32 Auch wenn in § 4a EU Abs. 1 Satz 3 VOB/A nicht ausdrücklich darauf verwiesen wird, dass über denselben Vertragsgegenstand nicht mehrere Rahmenvereinbarungen geschlossen werden dürfen, ist davon auszugehen, dass ein solches Vorgehen im Sinne von § 4a EU Abs. 1 Satz 3 VOB/A grundsätzlich als missbräuchlich anzusehen wäre.33 Auch eine willkürlich vereinbarte oder nicht aus der Art der späteren Einzelaufträge gerechtfertigte Rahmenvereinbarung ist mit § 4a EU Abs. 1 Satz 3 VOB/A unvereinbar. Als missbräuchlich wurde es im Weiteren auch eingestuft, wenn ungeachtet des Bestehens einer Rahmenvereinbarung das Gesamtauftragsvolumen bei einer einzigen Anforderung vollständig oder annähernd vollständig abgerufen werden kann, sofern dies mit den bestehenden Lieferfristen, der Komplexität des Liefergegenstandes und den weiteren Spezifikationen des jeweiligen Einzelauftrags nicht vereinbar ist.34

15Die zweite Variante des Missbrauchsverbots bezieht sich unmittelbar auf den vergaberechtlichen Wettbewerbsgrundsatz nach § 97 Abs. 1 GWB.35 Grundsätzlich dürfen Rahmenvereinbarungen nach § 4a EU Abs. 1 Satz 3 VOB/A nicht dazu missbraucht werden, den Wettbewerb zu behindern, einzuschränken oder zu verfälschen. Ergänzend können hierbei die in Zusammenhang mit § 97 GWB entwickelten Konkretisierungen des Wettbewerbsgrundsatzes herangezogen werden.36 Allerdings muss dabei beachtet werden, dass Rahmenvereinbarungen ihrem Wesen nach grundsätzlich wettbewerbsbeschränkend wirken und es daher nach § 4a EU Abs. 1 Satz 3 VOB/A darauf ankommt, dass eine über ihre bloße Existenz hinausgehende Beeinträchtigung des Wettbewerbs vorliegen muss.37 Vor allem aber geht es darum, dass Rahmenvereinbarungen nicht absichtsvoll dazu missbraucht werden dürfen, einen ansonsten funktionierenden und auch den übrigen Vergaberechtsgrundsätzen entsprechenden Wettbewerb zu verhindern oder einzuschränken. Würden in allen relevanten Bereichen Rahmenvereinbarungen über Bauleistungen für den Zeitraum von mindestens 4 Jahren abgeschlossen, würde dies zu einer signifikanten Reduzierung des Wettbewerbs bei der öffentlichen Beschaffung von Bauleistungen führen. Die Rahmenvereinbarung nach § 4a EU VOB/A bzw. nach § 103 Abs. 5 GWB soll zwar in bestimmten Beschaffungslagen eine Erleichterung und Flexibilisierung ermöglichen. Sie soll aber nicht zur Vereitelung eines an sich möglichen vergaberechtlichen Wettbewerbs führen. Als Beispiel für den missbräuchlichen Abschluss einer Rahmenvereinbarung werden im Schrifttum u. a. fehlende Abnahmeverpflichtungen bzw. fehlende Festlegungen zu Zeitpunkt und Umfang konkreter Einzelleistungen zum Zwecke der Markterkundung genannt.38 Allerdings hat die Rspr. hierüber noch nicht abschließend und aktuell befunden,39 sodass abzuwarten bleibt, inwieweit sich dies im Hinblick auf § 4a EU Abs. 1 Satz 3 VOB/A bestätigen wird.40

16Indes wird es in der Praxis ohne hinreichend konkrete Aussagen der Beteiligten nicht leicht sein, nachzuweisen, dass eine Rahmenvereinbarung in erster Linie oder überwiegend aus missbräuchlichen Gründen abgeschlossen wurde. Für den Abschluss der Rahmenvereinbarung besteht grundsätzlich Vertragsfreiheit, sodass einzelne Regelungen oder die Auferlegung spezifischer Pflichten hierüber keine hinreichend sicheren Schlüsse zulassen.41 Soweit jedoch für das Vertragsverhältnis keine innere Notwendigkeit vorliegt und auch für die Beteiligten keine mit Rahmenvereinbarungen typischer Weise verbundene Vorteile bestehen, liegt der Schluss einer missbräuchlich abgeschlossenen Rahmenvereinbarung nahe.

Praxiskommentar VOB - Teile A und B

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