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C.Mittelstandsschutz und Vergabe nach Losen (§ 5 EU Abs. 2 VOB/A) I.Berücksichtigung mittelständischer Interessen (§ 5 EU Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 VOB/A)

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10§ 5 EU Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 VOB/A wiederholt den in § 97 Abs. 4 Satz 1 GWB festgelegten Vergabegrundsatz der vornehmlichen Berücksichtigung mittelständischer Interessen.

11Wessen Interessen hiermit konkret geschützt werden sollen, wer also als Mittelstand in den Schutzbereich der Vorschrift fällt, ist weder in der VOB/A oder im GWB noch in anderen Vorschriften definiert.

12Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat den Mittelstand folgendermaßen definiert: „Für die Bestimmung [des Begriffs des Mittelstandes] kann nicht auf die Struktur des jeweiligen Marktes abgestellt werden. Denn der Begriff des Mittelstands ist ein allgemein gebräuchlicher volkswirtschaftlicher Begriff, der kleine und mittlere Unternehmen im Unterschied zu (den Kleinstunternehmen und) den Großunternehmen – bzw. nach Leitung und Verantwortlichkeit des Eigentümers (sog. Familienunternehmen) – beschreibt, ohne eine exakte Abgrenzung vorzunehmen. Der Begriff wird allgemein für Unternehmen verwendet und differenziert nicht nach einzelnen Wirtschaftszweigen.“12

13Auch der Begriff der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die dem Mittelstand zugeordnet werden, lässt sich nicht einheitlich bestimmen. In ihrer Empfehlung zur Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen aus dem Jahr 200313 kategorisiert die EU-Kommission im beihilferechtlichen Sinne Unternehmen in Abhängigkeit von der Mitarbeiteranzahl und der Höhe von Jahresumsatz und Jahresbilanzsumme:

– Die Größenklasse der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) setzt sich aus Unternehmen zusammen, die weniger als 250 Personen beschäftigen und die entweder einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. EUR erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 43 Mio. EUR beläuft.

– Innerhalb der Kategorie der KMU wird ein kleines Unternehmen als ein Unternehmen definiert, das weniger als 50 Personen beschäftigt und dessen Jahresumsatz bzw. Jahresbilanz 10 Mio. EUR nicht übersteigt.

– Innerhalb der Kategorie der KMU wird ein Kleinstunternehmen als ein Unternehmen definiert, das weniger als 10 Personen beschäftigt und dessen Jahresumsatz bzw. Jahresbilanz 2 Mio. EUR nicht überschreitet.

14Die Höhe des herangezogenen Umsatzes wird abzüglich der Mehrwertsteuer und sonstiger indirekter Steuern oder Abgaben berechnet.14 Die Mitarbeiterzahl entspricht der Zahl der Jahresarbeitseinheiten, d. h. der Zahl der Personen, die in dem betroffenen Unternehmen oder auf Rechnung dieses Unternehmens während des gesamten Berichtsjahres einer Vollzeitbeschäftigung nachgegangen sind, für die Arbeit von Personen, die nicht das ganze Jahr gearbeitet haben oder die im Rahmen einer Teilzeitregelung tätig waren, und für Saisonarbeit wird der jeweilige Bruchteil an Jahresarbeitseinheiten gezählt.15 Die festgelegten Schwellenwerte gelten für Einzelunternehmen. Bei einem Unternehmen, das Teil einer größeren Gruppe ist, gilt eine abgewandelte Berechnungsart.16 Auf diese Definition der KMU wird auch in Ziff. V.2.2) des Standardformulars Bekanntmachung vergebener Aufträge nach der Richtlinie 2014/24/EU verwiesen, was für die Anwendung der Definition im Anwendungsbereich des Vergaberechts spricht.

15Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn definiert Kleinst- und Kleinunternehmen aktuell analog zur Definition der EU-Kommission. Für mittlere Unternehmen liegt der Schwellenwert des IfM Bonn jedoch bei 499 Beschäftigten, „um die deutsche Besonderheit herauszustellen“.17

16Diese Empfehlungen bieten allerdings nur einen ersten Anhaltspunkt und Richtwerte für die Einordnung eines Unternehmens als kleines oder mittleres Unternehmen, sind jedoch keinesfalls verbindlich.18 Erforderlich ist stets die Ermittlung der konkreten Marktverhältnisse (relativer Mittelstandsbegriff). Entsprechend muss die Frage, ob ein Unternehmen dem Mittelstand zuzuordnen ist, ergänzend danach beurteilt werden, welche Marktrelevanz das Unternehmen in dem relevanten Marktbereich hat.19

17Die Pflicht zur Aufteilung in Lose (siehe dazu unten) ist nur eine von verschiedenen Möglichkeiten der Berücksichtigung mittelständischer Interessen. Weitere Ausprägungen des Mittelstandschutzes sind beispielsweise

– die Festlegung ausreichend bemessener Fristen, insbesondere Angebots- und Teilnahmefristen, im Vergabeverfahren,

– die Auferlegung einer mittelstandsfreundlichen Ausgestaltung von Unterauftragnehmervergaben und -verträgen bei zulässigem Absehen von einer Losaufteilung des Hauptauftrags,

– eine mittelstandsfreundliche Festlegung der Eignungsanforderungen und

– die gleichberechtigte Behandlung von Bietergemeinschaften gegenüber Einzelbietern.

18Dabei ist die Zulassung von Bietergemeinschaften allein jedoch nicht ausreichend, um mittelständischen Interessen ausreichend Rechnung zu tragen.20

19Weitere Ansatzpunkte für eine Berücksichtigung mittelständischer Interessen aus verschiedenen Mitgliedstaaten enthält das Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen „EUROPÄISCHER LEITFADEN FÜR BEWÄHRTE VERFAHREN (CODE OF BEST PRACTICE) ZUR ERLEICHTERUNG DES ZUGANGS KLEINER UND MITTLERER UNTERNEHMEN (KMU) ZU ÖFFENTLICHEN AUFTRÄGEN“.2122

20Die Verpflichtung zur „vornehmlichen Berücksichtigung“ mittelständischer Interessen bedeutet nicht, dass ein kleines oder mittleres Unternehmen allein aufgrund und mit dem Argument seiner Zugehörigkeit zum Mittelstand bei der Vergabe bevorzugt werden darf.23 Die Vorschrift will lediglich den Zugang von mittelständischen Unternehmen zu Auftragsvergaben ermöglichen und ihren Interessen bei der Abwägung mit anderen Interessen ein besonderes Gehör verschaffen.

21§ 5 EU Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 VOB/A ist bieterschützend, aber nur für Unternehmen, die Träger mittelständischer Interessen sind.24

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