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VIII.Verfahrensvorschriften für die Vergabe bei Einzelaufträgen (Abs. 5)

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25Die detaillierten Vorschriften des § 4a EU Abs. 5 Nr. 1 bis Nr. 4 VOB/A kommen zur Anwendung, wenn nach Abs. 4 Nr. 2 oder Nr. 3 die teilweise oder vollständige Durchführung eines Vergabeverfahrens bei einem Einzelauftrag erforderlich geworden ist. Zunächst wird in Abs. 5 jedoch die weitere Verbindlichkeit der in der Auftragsbekanntmachung bzw. den Vergabeunterlagen vorgesehenen Bedingungen bekräftigt. Diese können gegebenenfalls durch „weitere Bedingungen“ ergänzt werden, die jedoch ebenfalls in der ursprünglichen Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen der Rahmenvereinbarung enthalten gewesen sein müssen. Hieran zeigt sich, dass alle vor dem Abschluss der Rahmenvereinbarung bekannt gemachten Informationen bei der späteren Vergabe der Einzelaufträge noch von Bedeutung sein können. Zusätzlich müssen auch die allgemeinen Vergabegrundsätze gewahrt werden (z. B. Gleichbehandlungs- und Transparenzgebot, Wettbewerb, Verhältnismäßigkeit).54 Die konkreten verfahrensrechtlichen Vorgaben sind in Abs. 5 Nr. 1 bis Nr. 4 enthalten.55

26Nach Abs. 5 Nr. 1 ist der öffentliche Auftraggeber zunächst verpflichtet, die in der Rahmenvereinbarung genannten Unternehmen, die zur Ausführung des Einzelauftrags in der Lage sind, in Textform nach § 126b BGB zu konsultieren. Es findet damit wieder ein begrenzter Wettbewerb zwischen den Vertragspartnern der Rahmenvereinbarung statt. Zwar deutet das Abstellen auf die Leistungsfähigkeit der entsprechenden Unternehmen auf einen Entscheidungsspielraum der öffentlichen Auftraggeber hin.56 Soweit jedoch durch das Instrument der Rahmenvereinbarung bereits eine Auswahl der in Frage kommenden Auftragnehmer getroffen wurde und insbesondere in § 4a EU Abs. 4 Nr. 2 und Nr. 3 VOB/A deren Exklusivität bei der Durchführung erneuter Vergabeverfahren bei den Einzelaufträgen hervorgehoben wurde, ist dieser Entscheidungsspielraum in der Praxis nicht so groß, wie es der Wortlaut suggeriert. Es kann sich – und der Begriff „konsultieren“ in Abs. 5 Nr. 1 legt dies nahe – dabei lediglich um die Erkundigung nach der aktuellen Leistungsfähigkeit handeln. Hieran dürfte es bei den Unternehmen jedoch nur in Ausnahmefällen mangeln.57 Die Auswahl zwischen den zur Leistungserbringung bereiten Unternehmen, trifft der öffentliche Auftraggeber anhand objektiver und vorher bzw. im Rahmen von Abs. 5 festgelegter Kriterien.58

27Soweit im Schrifttum umstritten ist, ob die Auftragnehmer im Rahmen des Verfahrens nach Abs. 5 einer Angebots- und Abschlusspflicht unterliegen59 oder angesichts der unmittelbar bevorstehenden Durchführung eines Kleinstwettbewerbs über ein Wahlrecht zur Teilnahme daran verfügen,60 vermögen beide Positionen nicht vollends zu überzeugen. Einerseits haben die Auftragnehmer eine verbindliche Rahmenvereinbarung mit dem Auftraggeber geschlossen, sodass sie schon aufgrund des Vertragsgedankens hieran gebunden sind und nicht angesichts eines Einzelauftrags noch einmal frei überlegen können, ob sie sich hieran auch noch aktuell beteiligen wollen. Außerdem entscheidet sich der Auftraggeber mit dem Abschluss einer Rahmenvereinbarung für einen begrenzten Ausschluss des Vergabeverfahrens zugunsten einzelner Auftragnehmer, sodass eine Verweigerung der Abgabe von Einzelaufträgen ihn kurzfristig schwer treffen würde. Allerdings kann bei einer bis zu vierjährigen Laufzeit der Rahmenvereinbarung und mehrerer um die Erteilung von Einzelaufträgen miteinander konkurrierender Auftragnehmer eine Situation eintreten, die die unmittelbare Angebotsabgabe und Leistungserbringung unzumutbar werden lässt. Daher wird der Auftraggeber die von einem Auftragnehmer vorgebrachten Gründe für die Nichtabgabe eines Angebots bei Stichhaltigkeit auch anerkennen müssen (z. B. Überlastung, jahrelanges Außerachtlassen, grundlegende Veränderung der Leistungsfähigkeit etc.).61

28Als weiteren Verfahrensschritt sieht Abs. 5 Nr. 2 vor, dass der Auftraggeber eine „angemessene Frist“ zur Abgabe der Angebote für jeden Einzelauftrag setzt. Ergänzend ist im 2. Halbsatz vorgesehen, dass bei der Fristsetzung vor allem die Komplexität des Auftragsgegenstandes zu berücksichtigen ist. Im Schrifttum ist richtigerweise darauf verwiesen worden, dass die Länge der Frist im Verhältnis zum Einzelauftrag zumindest plausibel erscheinen muss.62 Sofern elektronische Kommunikationsmittel zur Übermittlung überschaubarer Ergänzungen verwendet werden, wird von einer relativ kurz bemessenen Abgabefrist ausgegangen.63

29Nach Abs. 5 Nr. 3 muss das Angebot außerdem in Textform nach § 126b BGB eingereicht werden, was auf eine lesbare Erklärung hinausläuft, in der der Erklärende genannt ist und die auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wird (z. B. eMail oder USB-Stick). Dass das Angebot erst nach Ablauf der Einreichungsfrist geöffnet werden darf, entspricht den üblichen Gepflogenheiten im Vergaberecht und stellt damit nichts grundlegend Neues dar.

30Schließlich statuiert Abs. 5 Nr. 4, dass der Zuschlag grundsätzlich auf das „wirtschaftlichste Angebot“ nach den Kriterien erfolgt, die in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen der Rahmenvereinbarung genannt sind. Insofern bestätigt sich erneut die präjudizierende Wirkung der ursprünglichen Vergabeunterlagen bis hin zur Erteilung bzw. erneuten Vergabe der Einzelaufträge. Wie sich aus Abs. 5 Nr. 3 ergibt, wird der Zuschlag nach Ablauf der Einreichungsfrist für die Angebote erteilt.64 Mit dem Zuschlag ist typischerweise eine Bewertung der Angebote verbunden, da das wirtschaftlichste Angebot nicht zwingend, jedoch häufig, auch das preiswerteste Angebot sein wird. Allerdings muss Abs. 5 Nr. 4 im Lichte von Abs. 5 Satz 1 so ausgelegt werden, dass nicht allein die in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen der Rahmenvereinbarung genannten Bedingungen hierfür relevant sind, sondern zusätzlich auch die erst anlässlich der Vergabe der Einzelaufträge „erforderlichenfalls … genauer formulierten Bedingungen“. Dem Rechtsgedanken aus § 58 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 VgV folgend kann dies zu einer veränderten Gewichtung der Zuschlagskriterien innerhalb einer ursprünglich angegebenen Spanne oder zu ihrer modifizierten Rangfolge führen.65 Unzulässig wäre es hingegen, wenn die Auftraggeber für den „Kleinstwettbewerb“ nach Abs. 5 vollständig neue Zuschlagskriterien einführen würden, die zuvor noch nicht bekannt gemacht worden sind.

Praxiskommentar VOB - Teile A und B

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