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II.Aufteilung in Teil- und Fachlose (§ 5 EU Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 VOB/A)

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22Seit 2009 enthält § 97 GWB neben der Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers zur Berücksichtigung mittelständischer Interessen eine eigenständige Verpflichtung zur Losaufteilung. Das heißt, die Pflicht zur Aufteilung der Leistung in Lose ist anders als nach der vor 2009 geltenden Fassung des § 97 GWB nicht nur ein Unterfall der Berücksichtigung mittelständischer Interessen, sondern eine für sich geltende und zu beachtende Verpflichtung. Diese Vorgabe wird in § 5 EU Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 VOB/A wiederholt.

23Danach sind Leistungen in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben.

24Bei einer Losaufteilung in der Menge, in Teillose, wird der Gesamtauftrag also quantitativ aufgeteilt. Dabei kann eine mengenmäßige, zeitliche und/oder räumliche Unterteilung, zum Beispiel in diverse Einzelbauten, Gebietslose, bestimmte Bauabschnitte oder -strecken, erfolgen.

25Die Regelungen zum Gebot der Aufteilung eines Auftrags in Teillose in Verbindung mit dem Gebot, mittelständische Interessen bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen vornehmlich zu berücksichtigen, dienen dem Ziel, öffentliche Aufträge so aufzuteilen und zuzuschneiden, dass es mittelständischen Unternehmen möglich ist, sich als Einzelbieter (und nicht nur in Form von Bietergemeinschaften) am Wettbewerb um die gebildeten Lose zu beteiligen.25 Diesen Unternehmen soll somit die Chance gegeben werden, überhaupt ein Angebot abgeben zu können und sich damit am Wettbewerb zumindest um Teile des Gesamtauftrags beteiligten zu können.

26Infolge der Definition „des Mittelstandes“ anhand der jeweiligen Marktverhältnisse (relativer Mittelstandsbegriff, siehe oben Rn. 16) lässt sich auch die Frage, wie groß ein Teillos sein darf, um mittelständischen Unternehmen eine Teilnahme am Vergabeverfahren zu ermöglichen, nur in Anbetracht des konkreten Auftrags und des relevanten Marktes beurteilen. Der Loszuschnitt muss sich daran orientieren, dass einzelne Lose des Auftrages auch für typische mittelständische Unternehmen des konkreten Marktes zugänglich sind. Da die Einschätzung der richtigen Losgröße für den Auftraggeber in der praktischen Umsetzung durchaus eine Herausforderung sein kann, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) 2013 unter Beteiligung von Auftragsberatungsstellen ein Berechnungstool mit einer erläuternden Handreichung26 entwickeln lassen, mit dessen Hilfe branchenspezifisch die richtige Losgröße für einen Auftrag errechnet werden kann. In dem Leitfaden heißt es erläuternd zur richtigen Teillosbildung:

„Hierbei muss das Los weder spezifisch für ein oder mehrere Unternehmen zugeschnitten werden, noch für alle mittelständischen oder gar Kleinstunternehmen leistbar sein. Entscheidend ist die grundsätzliche Möglichkeit für das im vergaberechtlichen Sinne als typisch mittelständisch definierte Unternehmen, sich mit der auf dem konkreten Markt üblichen und größtmöglichen Eigenständigkeit, das heißt ohne die Notwendigkeit der Bildung einer Bietergemeinschaft oder der Einschaltung von Nachunternehmern, um den Auftrag zu bewerben.“

Das Berechnungstool soll eine Berechnung der idealen Losgröße und -anzahl in Abhängigkeiten von der betroffenen Branche,27 des Auftragswertes und der Ausführungszeit erleichtern. Da die Unterlagen seit der Erstellung nicht überarbeitet wurden, sollte jedoch die Aktualität der Daten bei der Anwendung kritisch hinterfragt werden.

27Bei einer Aufteilung in Fachlose wird hingegen nach Leistungen unterteilt, die einem bestimmten Fachgebiet zugeordnet werden können und durch spezielle Handwerks- und Gewerbezweige erbracht werden. Welche Leistungen zu einem Fachlos gehören, bestimmt sich nach den gewerberechtlichen Vorschriften und der allgemein oder regional üblichen Abgrenzung.28 Für die Feststellung, ob die betreffenden Leistungen ein eigenes Fachlos bilden, ist insbesondere maßgeblich, ob sich für die fraglichen Leistungen ein eigener sachlicher Anbietermarkt mit spezialisierten Fachunternehmen herausgebildet hat.29 Andererseits muss es auch eine hinreichend große Anzahl von Fachunternehmen geben, damit ein öffentlicher Auftraggeber, der ein solches Fachlos bildet, dieses auch jederzeit im Wettbewerb vergeben kann.30 Die Beurteilung ist dabei nicht statisch anzustellen, sondern muss die aktuellen Marktverhältnisse in den Blick nehmen.31 Allein die tatsächlich-technische Möglichkeit, dass mehrere Abschnitte einer Leistung auch von verschiedenen Personen oder Unternehmen erbracht werden können, begründet dagegen noch nicht das Erfordernis eines Fachloses.32

28Folgende Aspekte können bei der Prüfung durch den öffentlichen Auftraggeber, ob ein Fachlos zu bilden ist, beispielsweise als Anhaltspunkte herangezogen werden:33

– Haben sich vermehrt neue Unternehmen mit dieser Spezialisierung gebildet, die solche Leistungen als eigenständigen Auftrag übernehmen würden?

– Werden Mitarbeiter, die für die Erbringung der Leistungen eingesetzt werden, tariflich anders bezahlt als andere Fachkräfte?

– Gibt es für die Ausführung dieser Arbeiten eigens geschaffene technische Regelwerke, spezielle DIN, Richtlinien oder zusätzliche technische Vertragsbedingungen?

– Finden die Leistungen eigens Erwähnung in den Gewerbeverzeichnissen der Handwerksordnungen?

– Schreiben andere öffentliche Auftraggeber solche Leistungen als eigenes Fachlos aus?

29Von der Rechtsprechung wurde das Vorliegen eines eigenen Marktes zum Beispiel für folgende Leistungen bejaht:

– Lärmschutzarbeiten,34

– Verkehrssicherungsleistungen,35

– Herstellung, Lieferung und Einbau von Sanitärfertigzellen/Fertignasszellen,36

– Wartungsleistungen von Rauch-Wärme-Abzugsanlagen einerseits und von Brandmeldeanlagen andererseits.37

30Verneint wurde dies dagegen im Jahr 2014 für Estrichschleifarbeiten.38

31Dabei kann es sich auch bei einem (ehemaligen) Monopolmarkt um einen eigenen Markt oder sich neu entwickelnde Märkte in diesem Sinne handeln.39 Dem Losaufteilungsgebot kommt auf ehemaligen Monopolmärkten eine besondere Bedeutung für die Ermöglichung und die Förderung von Wettbewerb zu.40

32Die Verpflichtungen zur Aufteilung einerseits in Teillose und andererseits in Fachlose stehen grundsätzlich nebeneinander. Das heißt, eine bereits erfolgte Aufteilung in Teillose macht eine zusätzliche Aufteilung in Fachlose nicht unbedingt entbehrlich und umgekehrt.41

33Auf das Gebot der Fachlosbildung kann sich auch ein nicht mittelständisches Unternehmen berufen, da die Spezialisierung der betroffenen Unternehmen auf einem Markt unabhängig von der Größe des Unternehmens ist.42 Zudem ist die Pflicht zur Losaufteilung ausdrücklich als eigenständige Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers, neben der Verpflichtung zur Berücksichtigung mittelständischer Interessen, vorgesehen.43 Als weiteres Argument dafür, dass auch nicht mittelständische Unternehmen zum geschützten Bieterkreis gehören, wird außerdem angeführt, die losweise Vergabe von Aufträgen diene der Wettbewerbsförderung, der Gleichbehandlung sowie der Erhaltung eines breit gestreuten Marktes, der die Möglichkeit wirtschaftlicher Beschaffungsmöglichkeiten langfristig sichere.44 Obwohl diese Argumente, abgesehen von dem Argument der Spezialisierung, in gleichem Maße auch für die Verpflichtung zur Aufteilung in Teillose gelten, lässt die Rechtsprechung oftmals offen, ob hinsichtlich der Aufteilung in Teillose auch nicht mittelständische Unternehmen in den Schutzbereich der Regelung fallen.45 Zum Teil wird auch ausdrücklich abgelehnt, nicht mittelständische Unternehmen in den Schutzbereich der Pflicht zur Teillosbildung einzubeziehen.46 Überwiegend wird die Begründetheit eines Nachprüfungsantrags wegen einer vermeintlich erforderlichen Teil- oder Fachlosbildung verneint, teils wird offengelassen, ob es auch schon an der Zulässigkeit (Antragsbefugnis) fehlt, wenn das antragstellende Unternehmen aufgrund eigener oder im Konzern vorhandener Kapazitäten dennoch in der Lage wäre, den Auftrag auszuführen, weil in diesem Fall eine Losaufteilung keine besseren Chancen auf eine Zuschlagserteilung bewirken würde.47

34Da die Art und Weise der Aufteilung des Auftrags in Lose aus der Auftragsbekanntmachung oder jedenfalls aus den Vergabeunterlagen ersichtlich sein muss, ist ein vermeintlicher Verstoß gegen die Pflicht zur Losaufteilung in aller Regel gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 GWB spätestens bis zum Ablauf der Teilnahme- oder Angebotsfrist zu rügen.48 Oftmals wird man hier aber auch von einer positiven Kenntnis und damit von der Zehn-Kalendertages-Frist des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB ausgehen können.49

35Zum Nachweis eines Interesses am Auftrag und der Antragsbefugnis im Nachprüfungsverfahren ist es in Fällen, in denen sich ein Bieter auf die Verpflichtung des Auftraggebers zur Losaufteilung beruft, nicht notwendig, ein Angebot einzureichen. Es reichen dann die Darlegung, dass die mangelnde Losaufteilung an der Einreichung eines (chancenreichen) Angebotes gehindert hat, eine entsprechende Rüge und der darauffolgende Nachprüfungsantrag aus.50

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