Читать книгу Praxiskommentar VOB - Teile A und B - Susanne Roth - Страница 471

VII.Mehrere Unternehmen (Abs. 4, Abs. 5)

Оглавление

18Während § 4a VOB/A für den Unterschwellenbereich davon ausgeht, dass bei der Erteilung der Einzelaufträge einer Rahmenvereinbarung grundsätzlich kein gesondertes Vergabeverfahren durchzuführen ist, enthält § 4a EU Abs. 4 VOB/A ein detailliertes System, das den vergaberechtlichen Umgang mit Einzelaufträgen regelt, wenn mehrere Unternehmen Vertragsparteien einer Rahmenvereinbarung sind.43 Im Unterschwellenbereich blieb es offenbar weitgehend den beteiligten Auftraggebern überlassen, in der Rahmenvereinbarung festzulegen, unter welchen Bedingungen ein Einzelauftrag erteilt werden soll. Im Gegensatz dazu sieht § 4a EU Abs. 4 VOB/A in insgesamt drei Unterpunkten detailliert vor, wie die Erteilung der Einzelaufträge bei mehreren Unternehmen auf Auftragnehmerseite zu erfolgen hat (Abs. 4 Nr. 1 bis Nr. 3).44

19Nach Abs. 4 Nr. 1 können Einzelaufträge grundsätzlich nur dann ohne erneutes Vergabeverfahren vergeben werden, wenn in der Rahmenvereinbarung alle Bedingungen für die Erbringung der Bauleistungen sowie für die objektive Auswahl der Unternehmen festgelegt sind. Als qualitative Anforderung müssen diese Bedingungen bereits in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen der Rahmenvereinbarung genannt worden sein.45 Im Ergebnis lässt sich aus Abs. 4 Nr. 1 folgender Grundsatz ableiten: Je ausführlicher die ausgestaltenden Unterlagen der Rahmenvereinbarung nebst der Auftragsbekanntmachung ausfallen, desto wahrscheinlicher ist, dass die Erteilung der Einzelaufträge ohne weiteres Vergabeverfahren erfolgen kann. Umgekehrt lässt eine eher allgemein und unbestimmt gehaltene Rahmenvereinbarung vermuten, dass auch die hierauf aufbauenden Einzelaufträge nach § 4a EU Abs. 4 VOB/A im Wege eines Vergabeverfahrens erteilt werden müssen.

20Ähnlich wie bei § 4a Abs. 2 VOB/A ist auch nach § 4a EU Abs. 4 und Abs. 5 VOB/A gewährleistet, dass lediglich die als Vertragsparteien an einer Rahmenvereinbarung beteiligten Unternehmen bei der Vergabe der Einzelaufträge berücksichtigt werden.46 Dieser Gedanke findet sich in personeller und materiell-vertraglicher Hinsicht in § 4a EU Abs. 2 Satz 3 VOB/A wieder, wonach keine wesentlichen Änderungen in den Bedingungen der Rahmenvereinbarungen vorgenommen werden dürfen. Auf diese Weise sollen die hieran beteiligten Unternehmen – und nur diese – darauf vertrauen dürfen, dass die Grundlagen der ursprünglichen Rahmenvereinbarung und Auftragsbekanntmachung weiterhin Bestand haben. Von einer „wesentlichen“ Änderung ist im Hinblick auf § 132 GWB auszugehen, wenn ein neues Vergabeverfahren erforderlich würde.47 Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, dass auch unterhalb dieser Konstellation Änderungen vorgenommen werden können, die einzelne Bieter im Wissen hierum dazu veranlasst hätten, sich nicht an einer öffentlichen Ausschreibung zu beteiligen.

21Im Weiteren muss bei Rahmenvereinbarung mit mehreren Auftragnehmern gesichert sein, dass bei der Erteilung von Einzelaufträgen die Auswahl unter ihnen durch den Auftraggeber in jedem Fall nicht willkürlich, sondern geordnet anhand vorher vereinbarter Kriterien erfolgt.48 Insofern muss die Auswahl der an einer Rahmenvereinbarung beteiligten Vertragspartner bestimmt oder zumindest anhand objektiver Kriterien bestimmbar sein.49

22Es ist in diesem Zusammenhang erkennbar, dass in § 4a EU Abs. 4 Nr. 1 VOB/A ähnlich wie bei § 21 Abs. 4 Nr. 1 VgV ein wesentlich restriktiveres Regelungsregime vorgesehen ist als beispielsweise bei Rahmenvereinbarungen nach der VOB/A. Aus diesem Grund wird bei der Erteilung von Einzelaufträgen nach § 4a EU VOB/A seltener auf ein erneutes Vergabeverfahren verzichtet als im Unterschwellenbereich. Dies liegt zweifellos daran, dass Rahmenvereinbarungen nach der EU VOB/A im Oberschwellenbereich liegen und damit über eine wesentlich größere wirtschaftliche und vergaberechtliche Bedeutung verfügen. Das alleinige Abschließen einer Rahmenvereinbarung nach Einhaltung der vergaberechtlichen Verfahrensanforderungen genügt mithin im Oberschwellenbereich nicht immer.50

23Während nach Abs. 4 Nr. 1 bei Einzelaufträgen ein erneutes Vergabeverfahren grundsätzlich nicht erforderlich ist, liegt bei Abs. 4 Nr. 2 eine Mischform vor, bei der Einzelaufträge teilweise ohne, teilweise aber mit erneutem Vergabeverfahren unter den Auftragnehmern der ursprünglichen Rahmenvereinbarung im Wege eines „Kleinstwettbewerbs“ erteilt werden.51 Selbst wenn die Voraussetzungen des Abs. 4 Nr. 1 erfüllt sind, kann in der öffentlichen Auftragsbekanntmachung bzw. in den Vergabeunterlagen der Rahmenvereinbarung doch festgelegt sein, dass im Einzelfall ein erneutes Vergabeverfahren zu erfolgen hat. Allerdings hängt die Entscheidung hierüber nicht vorrangig vom aktuellen Willen der Vertragsparteien ab, sondern ergibt sich nach Abs. 4 Nr. 2 aus „objektiven Kriterien“, die bereits vorab in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen der Rahmenvereinbarung festgelegt wurden. Wenn es also teilweise zu einem erneuten Vergabeverfahren kommen muss, so führt sich das nicht nur auf entsprechende Festlegungen in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen der Rahmenvereinbarung zurück. Zugleich finden sich in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen auch noch die hierauf anwendbaren Kriterien.52 Im Ganzen soll damit verhindert werden, dass die Erteilung von Einzelaufträgen entweder ausschließlich ohne oder vollständig mit erneutem Vergabeverfahren erfolgt. Hierfür wird mit Abs. 4 Nr. 2 eine Mischform angeboten. Inwieweit die Vertragsparteien einer Rahmenvereinbarung, deren vergaberechtlichen Vorzüge durch dieses Differenzierungsangebot deutlich gemindert werden, von der durch Abs. 4 Nr. 2 eröffneten Möglichkeit Gebrauch machen werden, bleibt in der Praxis abzuwarten.

24Für alle Einzelaufträge, deren Bedingungen nicht in ausreichender Form in einer Rahmenvereinbarung festgelegt sind, gilt nach Abs. 4 Nr. 3, dass ein erneutes Vergabeverfahren zwischen denjenigen Unternehmen zu erfolgen hat, die Parteien der Rahmenvereinbarung sind. Insofern führt das Bestehen einer Rahmenvereinbarung immerhin zu einer Einschränkung des Kreises der am erneuten Vergabeverfahren beteiligten Unternehmen. Da die Notwendigkeit eines neuen Vergabeverfahrens für Einzelaufträge durch das Fehlen einzelner Bedingungen ausgelöst wird, ist es den öffentlichen Auftraggebern möglich, für diese erneuten Vergabeverfahren zusätzliche Kriterien aufzustellen. Allerdings müssen diese vorher schon in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen der Rahmenvereinbarung vorgesehen gewesen sein.53 Im Weiteren gelten hierfür die Anforderungen des § 4a EU Abs. 5 VOB/A.

Praxiskommentar VOB - Teile A und B

Подняться наверх