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B.Einzelerläuterung I.Dynamisches Beschaffungssystem (Abs. 1)

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4Ein dynamisches Beschaffungssystem definiert sich nach § 120 Abs. 1 GWB als ein zeitlich befristetes, ausschließlich elektronisches Vergabeverfahren zur Beschaffung marktüblicher Leistungen.5 Nach den Erwägungsgründen zu den Richtlinien 2014/24/EU und 2014/25/EU sollen dynamische Beschaffungssysteme ermöglichen, „eine besonders breite Palette von Angeboten einzuholen und damit sicherzustellen, dass die öffentlichen Gelder im Rahmen eines breiten Wettbewerbs in Bezug auf marktübliche … Bauleistungen …, die allgemein auf dem Markt verfügbar sind, optimal eingesetzt werden.“6 Das Ziel der dynamischen Beschaffungssysteme liegt grundsätzlich in der Gewährleistung einer flexiblen und sich an einen angemessen großen Kreis von Bietern richtenden Auftragsvergabe.

5Ähnlich wie die Rahmenvereinbarung (§ 4a EU VOB/A) dient ein dynamisches Beschaffungssystem dazu, einen über einen längeren Zeitraum bestehenden Beschaffungsbedarf flexibel über Einzelaufträge abzudecken.7 Daher wird hierbei eine unbeschränkte Zahl von Wirtschaftsteilnehmern öffentlich zur Abgabe von unverbindlichen Leistungserklärungen aufgefordert (§ 4b EU Abs. 1 VOB/A i. V. m. § 23 VgV). Im Rahmen dieser Auftragsbekanntmachung gibt der öffentliche Auftraggeber Auskunft darüber, dass er ein dynamisches Beschaffungssystem zu nutzen gedenkt und für welchen Zeitraum es betrieben werden soll (§ 23 Abs. 1 VgV). Außerdem informiert er über die Art und die geschätzte Menge der zu beschaffenden Leistung sowie alle übrigen erforderlichen Daten des Beschaffungssystems (§ 23 Abs. 3 VgV).

6Auf der Grundlage von § 4b EU Abs. 1 VOB/A i. V. m. § 23 Abs. 2 VgV wird die EU-Kommission über das eingerichtete Beschaffungssystem und seine Dauer informiert, sodass eine europaweite Mitteilung erfolgen kann. Hierfür sind die in der VgV eigens genannten Muster zu verwenden. Darüber hinaus muss die EU-Kommission auch über die Einstellung eines Beschaffungssystems oder seine Verlängerung informiert werden.8 Schließlich bestehen noch gesonderte Anforderungen aus § 4b EU Abs. 1 VOB/A i. V. m. § 23 Abs. 4 bis 6 für den Fall, dass ein Beschaffungssystem „in Kategorien von Leistungen“ untergliedert wurde.9

7Diejenigen Wirtschaftsteilnehmer, die die inhaltlichen Anforderungen erfüllen (z. B. Eignungskriterien, Bereitschaftserklärung, zusätzliche Dokumente), können an einem dynamischen Beschaffungssystem teilnehmen. Die tatsächliche Leistungserbringung erfolgt dann nach einer gesonderten Aufforderung zur verbindlichen Angebotsabgabe aufgrund von Verzeichnissen, die alle zugelassenen Teilnehmer enthalten.10

8Im Grundsatz sollen dynamische Beschaffungssysteme vor allem für Beschaffungen von Leistungen erfolgen, die ohne Weiteres unmittelbar am Markt abgerufen werden können. Da § 4b i. V. m. § 1 EU VOB/A sich ausschließlich auf Bauaufträge bezieht und nicht auch auf Lieferungen oder Dienstleistungen,11 kommen grundsätzlich nur solche Bauleistungen in Betracht, die einfach strukturiert sind oder zu den allgemein üblichen Leistungen in diesem Bereich zählen.12 Da nach § 106 GWB i. V. m. § 3 VgV aber grundsätzlich auch noch der Schwellenwert von mehr als 5 Mio. Euro gilt, begrenzt dies den Anwendungsbereich von § 4b EU Abs. 1 VOB/A substanziell.13

9Im Hinblick auf die allgemeinen Anforderungen an ein dynamisches Beschaffungssystem und die Verweisung auf die Voraussetzungen der §§ 22 bis 24 VgV stimmt der Text von § 4b EU Abs. 1 VOB/A weitgehend mit dem des § 22 Abs. 1 VgV überein. Soweit in der VgV schon begriffliche oder systematische Festlegungen getroffen wurden, gelten diese entsprechend auch für § 4b EU Abs. 1 VOB/A.

10Während dynamische Beschaffungssysteme in früheren Fassungen des GWB noch ausschließlich an „offene Vergabeverfahren“ anknüpften (vgl. § 101 Abs. 6 GWB a. F.), sind öffentliche Auftraggeber nach § 22 Abs. 2 VgV nun gehalten „die Vorschriften für das nicht offene Verfahren“ zu befolgen. Da dynamische Beschaffungssysteme in der Vergangenheit nur in eingeschränkten Umfang genutzt wurden,14 soll der nun vorgesehene Verweis auf das „nicht offene Verfahren“ helfen, einen Wandel herbeizuführen zu einem flexibleren und elektronisch ablaufenden Vergabeinstrument.

11In § 22 Abs. 3 VgV ist für den Betrieb dynamischer Beschaffungssysteme vorgesehen, dass sie „ausschließlich mithilfe elektronischer Mittel eingerichtet und betrieben“ werden sollen. Diese Vorgabe resultiert bereits aus § 120 Abs. 1 GWB. Ausschließlichkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass während der gesamten Dauer des laufenden Verfahrens allein elektronische Kommunikationsmittel zugelassen sind.15 Dabei sind nach § 4b EU Abs. 1 VOB/A i. V. m. § 22 Abs. 3 Satz 2 VgV durchgängig die Vorschriften der §§ 11 und 12 VgV zu berücksichtigen. Insgesamt kommt in den Vorschriften über die dynamischen Beschaffungssysteme – wie auch über die elektronische Auktion – die Tendenz zur Durchsetzung der e-Vergabe zum Vorschein,16 wie sie in § 97 Abs. 5 GWB geregelt und seit dem 18.10.2018 generell unter Einsatz von elektronischen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) verbindlich ist.17

12Nach § 4b EU VOB/A i. V. m. § 22 Abs. 4 VgV stehen die Verzeichnisse für die gesamte Nutzungsdauer eines dynamischen Beschaffungssystems neuen Bietern offen, wenn sie entsprechende Leistungserklärungen abgegeben haben und im Rahmen einer Prognose-Entscheidung18 davon ausgegangen werden kann, dass der betreffende Bieter bei der Leistungserbringung die entsprechenden Eignungskriterien erfüllen wird.19 Dabei ist es weder zulässig, die Zahl der zu dynamischen Beschaffungssystemen zugelassenen Bewerber zu begrenzen (§ 22 Abs. 4 Satz 2 VgV), noch den Zugang zu ihnen entgeltlich auszugestalten (§ 22 Abs. 5 VgV). Auf diese Weise soll die Vergabe öffentlicher Bauaufträge über ein dynamisches Beschaffungssystem flexibel und der Zugang möglichst einfach ausgestaltet sein. Soweit in § 22 Abs. 4 Satz 2 VgV davon die Rede ist, dass der Zugang zu dynamischen Beschaffungssystemen für alle Unternehmen „kostenlos“ ausgestaltet sein soll, ist dieser Begriff im Hinblick auf die Vergaberechtsgrundsätze des § 97 GWB weit zu verstehen, sodass darunter gleichermaßen Bearbeitungsgebühren, Aufwendungen, Zugangspreise und Ähnliches fallen.

13Die bei den dynamischen Beschaffungssystemen jeweils zu berücksichtigenden Fristen ergeben sich aus § 4b EU Abs. 1 VOB/A i. V. m. § 24 Abs. 2 bis 5 VgV.

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