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3.2Parteienbegriff

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131Der Begriff der Parteien ist in § 2 PartG legaldefiniert. Parteien sind danach Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen. Der Parteienbegriff enthält fünf wesentliche Merkmale:

– Bürger als Mitglieder,

– Einflussnahme auf die politische Willensbildung als Ziel,

– Mitwirkung im Parlament des Bundes oder eines Landes als Mittel,

– Dauerhaftigkeit,

– ernsthafter Wille.

Diese Legaldefinition ist nur verbindlich, soweit es sich um die verfassungsgemäße Konkretisierung des von Art. 21 GG gemeinten Parteienbegriffs handelt.10 Dies hervorzuheben ist deshalb wichtig, weil der Gesetzgeber gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an die Verfassung gebunden ist, deren Vorgaben also nicht einfachgesetzlich in ihrem Inhalt verkürzen darf. Aus diesem Grund hat die Auslegung und Anwendung des § 2 PartG im Lichte der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Mehrparteiensystems, der Chancengleichheit und der Betätigungsfreiheit der Parteien zu erfolgen.11

132Mitglied einer Partei können nur natürliche Personen sein, nicht juristische Personen.12 Dies ergibt sich aus der Verknüpfung mit dem Wahlrecht, das ein höchstpersönliches Bürgerrecht ist. Auch Ausländern steht der Zugang zu Parteien frei. Nach § 2 Abs. 3 PartG kommt politischen Vereinigungen allerdings dann nicht der Status einer Partei zu, wenn ihre Mitglieder oder die Mitglieder ihres Vorstandes in der Mehrheit Ausländer sind. Da sich aus den Parteien die Volksvertreter rekrutieren und die Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken sollen, ist diese Regelung verfassungsrechtlich nicht nur durch Art. 20 Abs. 2 und Art. 38 Abs. 1 GG legitimiert, sondern sogar gefordert.13

133Begriffsbestimmend und entscheidend für eine Partei ist ihr Wille, in den Volksvertretungen mitzuwirken, maW. ihre Beteiligung an Wahlen. Dementsprechend bestimmt § 2 Abs. 2 PartG, dass eine Vereinigung ihre Rechtsstellung als Partei verliert, wenn sie sechs Jahre lang weder an einer Bundestagswahl noch an einer Landtagswahl mit eigenen Wahlvorschlägen teilgenommen hat. Wesentlich ist die Teilnahme an der Wahl, nicht der Erfolg. Im Falle einer Parteineugründung muss der Organisation eine Aufbauphase zugestanden werden, so dass auch insoweit die mangelnde Beteiligung an Wahlen für bis zu sechs Jahre unschädlich ist. In keinem Fall darf die Frist vollkommen schematisch zur Anwendung kommen.14 Die Feststellung der Parteieigenschaft ist insbesondere von Bedeutung für die Zulassung der Wahlvorschläge von Parteien gemäß § 18 BWahlG15 aber auch für die Frage der Anwendbarkeit eines Parteiverbotsverfahrens nach Art. 21 Abs. 2–4 GG im Unterschied zum Vereinsverbotsverfahren nach § 3 VereinsG.16

134Nach der Legaldefinition setzt der Parteienstatus den Willen zur Beteiligung an Wahlen zum Bundestag oder einem Landtag voraus. Mit diesem Wortlaut sind solche politischen Vereinigungen, die sich allein an Kommunalwahlen beteiligen, ebenso ausgeschlossen wie solche, die sich allein an den Wahlen zum Europäischen Parlament beteiligen (wollen). Letzteres erklärt sich daraus, dass das Parteiengesetz zu einem Zeitpunkt erlassen wurde, als es noch keine Wahlen zum Europäischen Parlament gab, sondern die Parlamente Vertreter in die Europäische Versammlung entsandten. Im Lichte des Art. 23 GG (Integration in eine EU, die demokratischen Grundsätzen verpflichtet ist) ist der verfassungsrechtliche Parteienbegriff auf europäische Parteien, soweit sie im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland agieren, zu erstrecken.17 Dagegen spricht nicht, dass Art. 224 AEUV eine Vorschrift über politische Parteien auf europäischer Ebene und insoweit auch eine Rechtssetzungskompetenz enthält. Bereits Art. 2 Nr. 1 und Art. 3 Abs. 1 lit. a) der Verordnung (EG) Nr. 2004/2003 vom 4.11.2003 über die Regelungen für die politischen Parteien auf europäischer Ebene und ihre Finanzierung18 setzte vielmehr voraus, dass eine Partei auf europäischer Ebene in mindestens einem Mitgliedstaat Rechtspersönlichkeit besitzt. Die hier vertretene Auffassung betrifft nur den Parteienbegriff. Die Finanzierung richtet sich nach der unionsrechtlichen Verordnung.

135In Bezug auf kommunale Wählervereinigungen hat das Bundesverfassungsgericht den Ausschluss aus dem Parteienbegriff für verfassungsgemäß befunden.19 Als rechtfertigendes Differenzkriterium lässt sich nur darauf verweisen, dass Bundestag und Landtage der Legislative zuzuordnen sind, die ausschließlich verfassungsgebunden ist (s. Art. 20 Abs. 3 GG). Demgegenüber dienen Gemeindevertretungen der zusätzlichen örtlichen Legitimation der Exekutive (in Form der mittelbaren Staatsverwaltung), die verfassungs- und gesetzesgebunden ist.20 Allerdings lässt sich der politische Gehalt von Entscheidungen auch auf Gemeindeebene nicht leugnen. Auch finden sich auf allen Ebenen Entscheidungen von sehr unterschiedlicher politischer Relevanz. Die Frage ist also, ob entscheidend für den Parteienbegriff des Art. 21 GG die staatsrechtliche Differenz oder das Faktum der politischen Willensbildung ist, die auch auf Gemeindeebene stattfindet.21 Der Wortlaut spricht für letzteres. Die staatsrechtliche Differenz zwischen Wahlen zu Legislativorganen und Wahlen zur Gemeindevertretung, die der Exekutive zugehört, ist andererseits gewichtig. Im Lichte des Parteienprivilegs – Verbot von Parteien nur durch das Bundesverfassungsgericht – erscheint eine Einbeziehung kommunaler Wählervereinigungen in den Parteienbegriff des Grundgesetzes nicht überzeugend. Der entscheidende Nachteil, der sich für kommunale Wählervereinigungen aus ihrem Ausschluss aus dem Parteienbegriff ergibt, findet sich im einfachen Recht: sie nehmen nicht am System der direkten staatlichen Parteienfinanzierung teil. In Bezug auf die indirekte Förderung durch die steuerliche Absetzbarkeit von Spenden und Beiträgen hat das Bundesverfassungsgericht der Ungleichbehandlung allerdings Grenzen gezogen. Sie darf nicht ein Ausmaß erreichen, dass die kommunalen Wählervereinigungen in der Konkurrenz mit Parteien auf der kommunalen Ebene benachteiligt werden.22 Auch im Übrigen ist der Grundsatz der formalen Wahlrechtsgleichheit gemäß Art. 38 Abs. 1 GG im Verhältnis von kommunalen Wählervereinigungen und Parteien zu beachten.23

136Trotz der großen Bedeutung, die der Beteiligung an Wahlen zukommt, sind die Parteien keine reinen Wahlvorbereitungsorganisationen.24 Neben ihrer Aufgabe, sich durch Aufstellung von Bewerbern an den Wahlen in Bund, Ländern und Gemeinden zu beteiligen25, sollen sie nach § 1 Abs. 2 PartG auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung Einfluss nehmen – zB. durch politische Veranstaltungen, eigene Zeitungen oder sonstigen Medieneinsatz; sie sollen die aktive Teilnahme der Bürger am politischen Leben fördern, zur Übernahme öffentlicher Verantwortung befähigte Bürger heranbilden; sie sollen die von ihnen erarbeiteten Ziele in den Prozess der staatlichen Willensbildung einbringen und auf die politische Entwicklung in Parlament und Regierung Einfluss nehmen.

Der Wille zur Mitwirkung muss von einer gewissen Nachhaltigkeit und Ernsthaftigkeit sein. Verhindert werden soll damit die missbräuchliche Inanspruchnahme des Parteienstatus nicht zuletzt im Blick auf die staatliche Parteienfinanzierung. § 2 Abs. 1 PartG nennt als nicht abschließende („insbesondere“) Kriterien für die Beurteilung der Ernsthaftigkeit Umfang und Festigkeit der Organisation, Mitgliederzahl und die Präsenz in der Öffentlichkeit, wobei es auf das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse ankommt. Ist eine Vereinigung, die sich Partei nennt, „nach ihrem Organisationsgrad und ihren Aktivitäten offensichtlich nicht“ in der Lage, die Aufgaben einer Partei wahrzunehmen, sind entsprechende Absichtserklärungen „erkennbar unrealistisch und aussichtslos“, wobei der Gründungszeitpunkt zu berücksichtigen ist, so handelt es sich – mangels Ernsthaftigkeit der Zielsetzung – nicht um ein Partei.26 Die Entscheidung im Einzelfall muss sich stets an dem verfassungsrechtlichen Ziel orientieren, das Parteiensystem offenzuhalten. Allein offensichtlicher Missbrauch ist zu verhindern. Ob eine Vereinigung eine politische Partei darstellt, prüft der jeweilige Wahlausschuss bei der Einreichung der Kandidatenlisten27 oder das Bundesverfassungsgericht, wenn ein Antrag auf den Ausspruch eines Parteiverbots gestellt28 oder eine Beschwerde gegen die Nichtanerkennung als Partei gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4c GG erhoben29 wurde.

Rechtsprechung (zum Parteibegriff): BVerfGE 69, 92 – kommunale Wählervereinigungen; 89, 266 – Nichtzulassung zur Wahl Unabhängige Arbeiterpartei; 91, 262 – Nationale Liste; 91, 276 – FAP; 134, 124 – Nichtzulassungsbeschwerde; Berl.VerfGH, JR 2001, 495 – Rechtschreibreform „Parteiprogramm“.

Literatur: S. Blasche, Der Parteibegriff, VR 2001, 401; Ph. Kunig, Parteien, HStR III, 3. Aufl. 2005, § 40 Rn. 6 ff.; W. Wietschel, Der Parteienbegriff, 1996.

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