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3.5Parteienverbot

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145Auch Parteien, deren Ziel es ist, die rechtliche und politische Ordnung der Bundesrepublik Deutschland umzustürzen, genießen zunächst die besondere Rechtsstellung von Parteien. Allerdings bestimmt Art. 21 Abs. 2 GG: „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.“ Im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum NPD-Verbotsverfahren ergänzte der verfassungsändernde Gesetzgeber im Jahr 2017 Art. 21 GG um einen neuen Absatz 3. Dieser lautet: „Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.“ Der einzige Unterschied im Tatbestand von Abs. 2 und Abs. 3 besteht in der Ersetzung des Verbs „darauf ausgehen“ durch „darauf ausgerichtet sein“.67

Für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit nach Abs. 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Abs. 3 ist gemäß Art. 21 Abs. 4 GG allein das Bundesverfassungsgericht zuständig (§§ 13 Nr. 2, 2a, 43 ff. BVerfGG). Diese Feststellung wirkt konstitutiv. Dh. vor diesem Ausspruch können Parteien allenfalls als verfassungsfeindlich bezeichnet werden; der Verfassungsschutz kann ihre Anhänger ggf. beobachten;68 sie dürfen im Übrigen aber nicht in ihrem Recht auf freie und chancengleiche Betätigung eingeschränkt werden. Sie haben insbesondere das Recht auf Gleichbehandlung durch Träger öffentlicher Gewalt. Ihnen darf weder der gleichberechtigte Zugang zu öffentlichen Einrichtungen verweigert, noch die Beteiligung an der Wahl oder Wahlwerbung untersagt werden. Insbesondere dürfen öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten den Inhalt von Wahlwerbespots nur auf evidente Verstöße gegen die Strafgesetze überprüfen.69

Die Monopolisierung der Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit und – damit verbunden – die Auflösung einer Partei beim Bundesverfassungsgericht und das Recht auf Gleichbehandlung, solange diese Feststellung nicht getroffen ist, wird schlagwortartig als „Parteienprivileg bezeichnet.

Der Weimarer Reichsverfassung war das Parteienverbot unbekannt.70 Es steht auch in einem latenten Spannungsverhältnis zur freiheitlichen Demokratie und einem Mehrparteiensystem, das die Bestimmung des politischen Kräfteverhältnisses den Wählern überantwortet. Das Parteienverbot lässt sich jedoch rechtfertigen als Ausdruck der Missbrauchsschranke, die jede Rechtsposition begrenzt und die aus der Abhängigkeit einer jeden Rechtsposition von dem Bestand der zugrundeliegenden Rechtsordnung folgt. Die Nutzung eines Rechts mit dem Ziel der Beseitigung eben dieses Rechts ist auf der objektiven Ebene ein Widerspruch in sich und kann daher nicht Inhalt des Rechts sein. Allerdings birgt die Versagung von Rechten zum Schutz der Rechtsordnung ihrerseits erhebliche Gefahren. Auch der Schutz der Rechtsordnung, hier der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, ist missbrauchsanfällig. Der Tatbestand des Art. 21 Abs. 2 wie 3 GG bedarf daher einer engen Auslegung. Die Konzentration der Feststellungsbefugnis beim Bundesverfassungsgericht erweist sich vor diesem Hintergrund als verfahrensrechtliche Sicherung.

Staatsrecht I

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