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Der Krieg mit Russland

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Der Stellungskrieg im Westen und die dortigen Durchbruchskämpfe sind sicherlich am ehesten für den Ersten Weltkrieg bezeichnend. Gekämpft wird aber auch in Russland, auf dem Balkan, in Italien und Vorderasien, um nur einige der Kriegsschauplätze zu nennen. In Russland ergreift zunächst der Gegner das Heft des Handelns. Bereits in den ersten Augusttagen 1914 gehen russische Truppen vor, um Ostpreußen zu besetzen und danach den Vormarsch gegen die Weichsel und letztlich Berlin fortzusetzen. Der Schutz der deutschen Grenzen zu Russland ist Aufgabe der 8. deutschen Armee. Mit dem Ziel, die 8. Armee zu umfassen, rücken Mitte August 1914 die Njemen-Armee der Russen nordöstlich und die Narew-Armee südwestlich der Masurischen Seen vor. Unter großen Verlusten treffen am 20. August bei Gumbinnen die 8. Armee und die Njemen-Armee aufeinander. Inzwischen bedroht die weiter vorrückende Narew-Armee das Gros der 8. deutschen Armee im Rücken. In dieser schwierigen Situation wird die bisherige Führung der 8. Armee abgelöst und durch Generaloberst von Hindenburg als Oberbefehlshaber sowie Generalmajor Ludendorff als Stabschef ersetzt. Die bevorstehende Schlacht veranlasst die Oberste Heeresleitung, zwei Armeekorps von der Westfront abzuziehen. Diese Maßnahme soll sich für die Entscheidungsschlacht im Westen als äußerst negativ erweisen, rettet aber die Lage im Osten.

Vom 26. bis zum 30. August wird die Schlacht bei Tannenberg geschlagen, in deren Verlauf es den Deutschen gelingt, die Narew-Armee einzukreisen und vernichtend zu schlagen. Die Verluste der Narew-Armee belaufen sich auf 120000 Mann. Verstärkt durch die Verbände aus dem Westen vermögen die Deutschen in der Schlacht an den Masurischen Seen vom 8. bis zum 10. September auch der Njemen-Armee eine schwere Niederlage mit etwa 100000 Mann Verlust auf russischer Seite zuzufügen. Die russischen Truppen ziehen sich wieder hinter ihre Grenze zurück. Die Namensgebung der beiden Schlachten – ein Ort bzw. eine Seengruppe – darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die entsprechenden Truppenbewegungen auf weite Teile Ostpreußens erstreckt haben. Insbesondere die Schlacht bei Tannenberg stellt einen gewaltigen militärischen Erfolg dar, dem es zu verdanken ist, dass im weiteren Verlauf des Krieges die Gefahr eines Einfalls russischer Truppen in die Kerngebiete des Deutschen Reiches gebannt ist.

Zeitgleich mit den Ereignissen in Ostpreußen überschlagen sich im österreichisch-russischen Grenzgebiet die Ereignisse. Operationsraum ist hier in erster Linie das zur k.u.k.-Monarchie gehörende Galizien mit der Hauptstadt Lemberg. Kaum unterstützt von den Deutschen, die in diesen Stunden die Schlacht bei Tannenberg schlagen, erleidet der rechte Flügel der österreichisch-ungarischen Streitkräfte in Ostgalizien eine schwere Niederlage. Die Russen besetzen Lemberg. Die österreichische Front bricht in den folgenden Tagen zusammen, und es ist nur der Unentschlossenheit der Russen zu verdanken, dass sie nicht noch tiefer in die Donaumonarchie eindringen. Das österreichisch-ungarische Heer, das 350000 Mann und ein Drittel seines aktiven Offizierskorps eingebüßt hat, wird sich von diesem Schlag nie mehr ganz erholen.

Das Vorgehen der Deutschen auf Warschau und Iwangorod – Polen ist damals Teil des russischen Reiches – im September/Oktober 1914 endet mit einer schweren Niederlage der Deutschen und ihrem Rückzug vor den nachstoßenden Russen. Das neu geschaffene Oberkommando Ost unter Hindenburg und Ludendorff sieht sich einer außerordentlich kritischen Situation gegenüber, die durch einen überraschenden deutschen Vorstoß in die rechte Flanke und den Rücken der russischen Hauptkräfte in Richtung Lodz überwunden werden soll. Vom 17. bis zum 25. November wird bei Lodz eine für den Ausgang des Krieges zumindest im Osten wichtige Schlacht geschlagen. Nach hartem Ringen können die Deutschen das polnische Textilindustriezentrum besetzen. Kurz hinter Lodz aber kommen die deutschen Truppen dann, obwohl durch Einheiten aus dem Westen verstärkt, vorübergehend zum Stehen.

Zu Beginn des Jahres 1915 versuchen die Deutschen in Ostpreußen sowie vereint mit den Österreichern in den Karpaten vergeblich, entscheidende Vorteile gegenüber den Russen zu erringen. Die österreichische Armee verzeichnet allein bis April 1915 in den Kämpfen in den Karpaten 100000 Gefallene. Insbesondere die Moral der slawischen Truppenteile der k.u.k.-Armee sinkt in diesen Wochen deutlich. Zum Ausgleich wird die Stärke der deutschen Truppen im Osten ab Anfang Januar von 447000 auf 638000 Mann erhöht. Die Situation entspannt sich ein wenig, als in den ersten drei Maitagen gemeinsam operierenden Verbänden unter deutscher Führung durch Generaloberst August von Mackensen bei Gorlice und Tarnow, also südöstlich von Krakau, der Durchbruch gelingt. Die russische Front wird auf diese Weise 100 Kilometer weiter nach Osten zurückgedrängt. Ab Ende April 1915 unternimmt das Oberkommando Ost Angriffe in Richtung Litauen und Kurland mit dem Ziel, russische Kräfte abzulenken und zu binden. Schon am 8. Mai 1915 marschieren deutsche Truppen in die Hafenstadt Libau ein.

Juni und Juli bringen den Vormarsch der Mittelmächte in weiten Gebieten Polens. Lemberg und Großteile Galiziens – insgesamt Gebiete von 350 Kilometer Tiefe – fallen wieder in österreichische Hand. Am 31. Mai 1915 wird der erste Einsatz von Gas an der Ostfront nach insgesamt ziemlich kläglichem Verlauf eingestellt. Auf nahezu der ganzen Front vermögen nun die Mittelmächte vorzurücken. Am 30. Juli wird Lublin, am 5. August Warschau, am 26. August Brest-Litowsk und am 18. September Wilna eingenommen. Polen, das nun weitgehend erobert ist, wird in ein deutsches Generalgouvernement mit Sitz in Warschau und ein österreichisch-ungarisches in Lublin aufgeteilt.

Der militärische Erfolg für die Mittelmächte ist 1915 groß. Den Russen gelingt es zwar, sich einer kriegsentscheidenden Umfassung zu entziehen, trotzdem sind ihre Truppen schwer angeschlagen. Allein innerhalb dreier Monate sind 750000 Soldaten in Gefangenschaft geraten. Diese Entwicklung ermutigt Bulgarien, an der Seite der Mittelmächte in den Krieg einzutreten, während sich Rumänien noch neutral verhält. Doch sind all diese Erfolge für die Mittelmächte teuer erkauft. Die k.u.k.-Armee hat zwischen Anfang Mai und Ende August 1915 rund 500000 Tote zu beklagen. Die Deutschen verbrauchen 1915 an der Ostfront fast alle Reserven. Hinzu kommt, dass die Westalliierten in dieser Phase Zeit finden, sich ganz und gar auf den Krieg umzustellen. Großbritannien erhöht seine Heeresstärke auf weit über zwei Millionen Mann. Ab Herbst 1915 stabilisiert sich die Front auf der Linie Riga-Dünaburg-Baranowitschi-Dubno-Tarnopol bis Czernowitz. Langsam gehen auch hier die Kämpfe in einen Stellungskrieg über.

Im Frühjahr 1916 beschließen die Alliierten, die geplanten Sommeroffensiven im Westen und Osten mit einer großangelegten Operation des russischen Heeres beginnen zu lassen. Etwa 1,8 Millionen russische Soldaten stehen zu dieser Zeit an der Ostfront gut einer Million Soldaten der Mittelmächte gegenüber. Am 4. Juni 1916 eröffnet die russische Südwestfront unter General Brussilow mit vier Armeen auf 450 Kilometern Breite den Angriff. In Wolhynien und der Bukowina werden die österreichisch-ungarischen Truppen bis zu 120 Kilometer zurückgedrängt und verlieren 614000 Mann. Sie erleiden damit ihre schwerste Niederlage in diesem Krieg. Dank der zur Unterstützung der Österreicher in die Schlacht geworfenen deutschen Verbände gelingt den Russen trotz mehrfacher Großangriffe bis in den Herbst hinein kein entscheidender Durchbruch. Indirekt ist der Dienst, den die Russen den Alliierten erwiesen haben, aber groß. Die Deutschen haben im Laufe des Jahres zwölf kampfstarke Divisionen und zahlreiche schwere Artillerie von der Westfront abziehen müssen. Zudem erklärt Rumänien am 27. August 1916 Österreich-Ungarn den Krieg, was in den kommenden Monaten weitere deutsche Einheiten binden wird.

Die Moral der russischen Truppen Ende 1916 ist denkbar schlecht. Seit 1914 haben die russischen Kräfte 4,5 Millionen Soldaten verloren, davon befinden sich 2 Millionen in Gefangenschaft. Allein 1916 sind 1,5 Millionen Soldaten desertiert. Dennoch sind die Russen zu Beginn des Jahres 1917 an der Ostfront zahlenmäßig immer noch überlegen. In Russland beherrschen nun die innenpolitischen Unruhen das Geschehen. Am 16. März 1917 dankt der Zar ab. Einen Monat später kehrt Wladimir Iljitsch Lenin, der im Schweizer Exil lebende Führer der Bolschewisten, mit Unterstützung der Deutschen zurück. Die Regierung wird zu diesem Zeitpunkt von den bürgerlichen Demokraten gestellt, die an einer Fortführung des Krieges gegen die Mittelmächte interessiert sind. Kriegsminister und ab 22. Juli 1917 Ministerpräsident ist Alexander Kerenski. Er vermag seine Soldaten Anfang Juli zu letzten Offensiven zu motivieren, bevor die Mittelmächte in Gegenoffensiven die Bukowina und Galizien sowie im Norden Riga erobern können. Dem Sturm auf das Petrograder Winterpalais, in dem sich die Regierung Kerenski verbarrikadiert hat, folgt am 8. November 1917 die Ausrufung der Sowjetrepublik durch die Bolschewisten.

Die neue Republik bietet den Deutschen die Beendigung des Krieges an, die am 15. Dezember 1917 mit der Unterzeichnung des Waffenstillstandes zwischen den Mittelmächten und Russland in Brest-Litowsk besiegelt wird. Zur Durchsetzung des Friedensvertrages, der für Russland den Verlust Polens, Litauens, von Teilen Estlands, Lettlands und Weißrusslands sowie der Ukraine vorsieht, rücken die Mittelmächte ohne großen Widerstand bis nach Kiew, Orscha, Mogilew, Livland und Estland vor. Unterdessen tobt in Russland, aber auch in Finnland, der Bürgerkrieg. In den Folgemonaten unterstützen deutsche Truppen die finnische und ukrainische Regierung bei der Befreiung von den Roten Garden. Der Waffenstillstandsvertrag von Compiègne vom 11. November 1918 ordnet den Abzug aller Truppen der Mittelmächte aus sämtlichen besetzten Gebieten an. Es dauert dann aber noch mehrere Wochen, bis die letzten deutschen und österreichisch-ungarischen Soldaten russischen Boden verlassen.

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