Читать книгу Hineingeworfen - Wolf-Rüdiger Osburg - Страница 28

Zeugnisse

Оглавление

Theodor Hein, geb. 1893:

Am 16. Oktober 1913 wurde ich zum Militärdienst eingezogen, und am 4. August 1914 rückte ich mit dem Infanterie-Regiment 149, Schneidemühl, in Richtung Belgien aus. Als wir losgingen 1914, waren die Soldaten nicht zu halten. Sie waren wie die Wilden. Wir sind als Vorauskommando vorgegangen und lagen ein ganzes Ende vor der Hauptarmee. Die 149er waren ein Eliteregiment. Überall, wo dicke Luft war, kamen sie hin. An der Grenze haben wir erst einmal die Grenzbäume kaputtgeschlagen. Wir sind geschlossen im Regiment marschiert, rechts von uns die Artillerie. Richtung Festung Diest. Sagt einer: »Hauptmann, von links aufsteigende Staubwolken.« Wir haben gedacht: »Das ist eine Viehherde.« Unser Hauptmann schaute durch sein Fernglas, dann brüllte er laut: »Infanterie, halt!« Sechs belgische Geschütze waren aufgefahren. Wir mussten anhalten, drei bis vier deutsche Geschütze feuerten. Es hätte ein Blutbad bei uns gegeben, wenn uns die Belgier vom Hügel aus unter Feuer genommen hätten. Die wollten dicht an uns rankommen und das wurde ihnen zum Verhängnis. Ich bin nachher mit ein paar Mann dort hingelaufen. Die sechs Geschütze, Pferde, Mannschaften waren wie von der Bildfläche wegrasiert. Das war unser erstes Treffen mit dem Feind.

Dann lagen wir in Zelten vor Löwen. Einmal hatte ich Pech. Ich musste frühmorgens austreten und blieb allein zurück. Da schossen die Belgier aus den Fenstern hinter mir her mit Jagdgewehren. Ich bin von einem Baum zum anderen gelaufen und habe zurückgeschossen. Wenn einer aus dem Fenster guckte, habe ich abgedrückt. Der hätte mir auch einen Kopfschuss verpasst. Als wir am anderen Nachmittag in Löwen hereinkamen, gab es gewaltige Straßenkämpfe, bis wir Herr der Lage wurden. Wir wurden beschossen und mit kochendem Wasser begossen. Da haben wir Leichtbenzin genommen. Ich habe die Tür zu einem Haus aufgeschlagen, Benzin rein, Streichholz und dann brannte das ganze Haus. Und die Leute im Haus kamen nicht mehr raus. Ein älterer Mann wollte nicht verbrennen und sprang aus dem Haus. Er lag als Toter unten auf dem Bürgersteig. »Wie du mir, so ich dir«, hab ich mir gesagt.

Es wurden viele Belgier erschossen. Es gab auch anständige Belgier, die sagten zu uns: »Wie kann man bloß auf eine reguläre Truppe schießen. Diejenigen, die das angezettelt hatten, sind getürmt, und die Unschuldigen müssen wieder leiden und werden erschossen.« Wir haben auch einen erschossen, der sein Hemd aufgeknöpft und uns seine Brust entgegengehalten hat. Ein Erschießungskommando bestand immer aus acht Mann. Der eine hat auf die Brust gezielt, der andere auf den Kopf. Erstes Glied kniend, zweites Glied stehend. Ich habe den Befehl gegeben, musste ich ja: »Seite, legt an, Feuer.« Den Befehl hierzu habe ich von einem Offizier erhalten. Es wurden sechs, sieben, acht Mann erschossen, manchmal auch Einzelne. Die mussten gleich ihr eigenes Grab graben. Wer am Grab stand, kriegte einen Schuss und fiel in das Loch rein. Ich weiß gar nicht mehr, wie viele solche Erschießungen ich mitgemacht habe.

Lüttich, Diest, Löwen, Arschot, die Festung Namur und Longwy haben wir erstürmt. Dann ging es in die Marne-Schlacht. Es waren erbitterte Kämpfe. Von dort kamen wir später, als der Russe in Ostpreußen eingebrochen war, in die Schlacht bei Tannenberg.

Detlev von Ahlefeld, geb. 1895:

In Belgien erreichten wir Löwen, und dort spielte sich diese berüchtigte Geschichte ab. Löwen ist ja verbrannt worden. Nach meiner Auffassung wird dies in der Historik vollkommen falsch dargestellt. Denn ich bin noch mit einem Trompeter und einem belgischen Geistlichen durch die Stadt gegangen, und an jeder Straßenecke hat der Trompeter sein Signal gegeben. Der Pfarrer sprach dann einmal französisch, einmal flämisch: »Wenn jetzt noch einmal aus den Fenstern geschossen wird, wird Löwen in Brand gesteckt.« Und wir waren kaum wieder im Rathaus – wir lagen im Rathaus von Löwen –, da ging eine Knallerei los aus allen Löchern. Wir sind dann zum Bahnhof geeilt. Gegenüber waren Hotels, auf deren Balkons die belgischen Maschinengewehre standen. Und da blieb uns ja nichts anderes übrig, als sie auszuräuchern. Es wurden mit den Gewehrkolben die Fenster eingeschlagen und, wenn eine Petroleumlampe da war, wurde sie in die Gardinen geschmissen. Wir standen mit allerhand Leuten draußen vor dem Hotel und warteten, bis die Leute rauskommen. Mich hat immer gewundert, dass die so blöde waren, ihre Waffen zu behalten. Wir haben sie auseinanderdividiert. Diejenigen, die Waffen hatten, »rechts raus«, die anderen konnten nach Hause gehen. Und die, die Waffen hatten, die mussten sich ein Grab schaufeln, wurden hingestellt und abgeschossen. Ich schätze, das waren vielleicht so 12, 15 Leute. Ich bin heute noch der Überzeugung, dass das vollkommen korrekt war, denn die Front war ja 20, 25 Kilometer weit weg. Und wenn einer hinter der Front schießt, die sogenannten Franktireurs, der wird eben an Ort und Stelle erschossen. Da kann man doch nicht noch lange ein Kriegsgericht abhalten.

Karl Theil, geb. 1893:

Von Aachen, wo wir ausgeladen worden waren, ging es feldmarschmäßig, Kanonen, Reiter vorneweg, in Richtung belgische Grenze. Kurz vor Lüttich stießen wir auf ersten Widerstand. In Arschot vor Brüssel gab es dann Zunder. Die belgischen Soldaten vergesse ich nie. Ihre Infanterie lag etwa einen Kilometer entfernt an einem Bahndamm. »Peng, peng«, hörte ich die ersten Infanteriekugeln zischen. Manchmal wurden bei uns Pferde getroffen. Man denkt: »Donnerwetter, jetzt geht’s um die Wurst.« Nun hatten wir unsere Kanonen aufgebaut. Das ging sehr schnell. Zack, zack kamen die Kommandos, wurde die Entfernung durchgegeben, und dann hieß es: »Immer rein.« Unser Führer, ein Hauptmann von Roell, sah sehr wohl den Erfolg unseres Beschusses, sah aber auch, dass sich gegenüber noch etwas bewegte. Da sagte er zu uns: »So, jetzt Granatenaufschlag.« So eine preußische Granate war etwas Furchtbares. Mit einem Mal war es ruhig, keine Kugel mehr. Jetzt kamen die Kommandos »Aufhören, einpacken«. Die Pferde wurden wieder herangeholt, angespannt und dann fuhren wir auf einer Chaussee mit hohen Alleebäumen dahin, wohin wir geschossen hatten. Im Chausseegraben lag ein Infanterist, ein preußischer Grenadier vom Infanterie-Regiment 34 aus Stettin. Er war tot: »Mensch, ist das furchtbar.« Das war der erste Tote. Diesen Soldaten von damals, den seh ich noch heute vor mir. Wir kamen zu den Belgiern. Da lagen sie. Was soll ich sagen, es war Artilleriefeuer gewesen.

Wir kamen in eine Stadt. Die Augen gingen vorsichtig immer hin und her. Vor der Tür eines Hauses stand ein katholischer Pfarrer. Irgendjemand muss da geschossen haben, jedenfalls knallte es plötzlich und der Priester sackte tot zusammen. Es ging mir durch und durch. Nachher hieß es, aus dem Dachfenster des Hauses habe jemand auf unsere Soldaten geschossen. Irgendeinen Grund muss es ja gehabt haben. Bald stand die kleine Stadt zur Hälfte in Flammen. Hier und da brannten Häuser und es wurde auch noch aus Häusern geschossen. Auf alle Fälle ging es weiter in Richtung französische Grenze und dort trafen wir auf Widerstand der ersten französischen Soldaten, und zwar waren das Schwarze, Senegalneger. Was soll ich sagen, davon wurden wir überrascht. Plötzlich hieß es: »So schnell wie möglich aus der Sicht raus und hinter einem Hügel in Deckung!« Solche Aufmärsche gingen immer im Galopp vor sich. Der Führer pfiff und dann rasten wir über ein Kornfeld. Wir waren ein Kavallerieflügel, nur Kavallerie mit Kanonen, und dieser Flügel sollte die Franzosen umfassen.

Wir kamen an die Marne. Da standen die Franzosen und empfingen uns. Es wurde aufmarschiert und der Kampf an der Marne begann, tagelang. Wir hatten vorher schon Verluste gehabt und unsere Einheiten waren Anfang September nicht mehr so stark. Unser Nachschub von zu Hause bestand aus jungen Soldaten, Schülern zumeist, die sich zu Anfang des Krieges gleich freiwillig gemeldet und lediglich acht Tage als Infanteristen ausgebildet worden waren. Ich höre sie noch heute schreien, die Jungen. Sie hatten keine Ahnung. Ich sagte einem Schüler: »Auf Kommando ›Feuer‹ musst du abziehen.« Da fing er an zu weinen, er konnte einfach nicht. Mit dem war nichts anzufangen. Er zitterte. Ich habe gesagt: »Mein lieber Junge, hier, du kochst uns das Mittagessen.« Da ging es ihm schon besser. Nachher ging er an die Front.

Plötzlich hieß es: »Wir ziehen uns zurück, in Ostpreußen sind die Russen eingefallen.« Aus unserem Abschnitt wurden zwei Armeekorps herausgezogen. Unsere zogen sich zurück, ohne die Marne-Schlacht verloren zu haben. Wir waren ein paar Kilometer vor Paris und dann ging mein Abschnitt bis Soissons zurück. Soissons liegt unten im Tal und wir befanden uns auf den Höhen über Soissons. Unten lagen die Schwarzen, grausige Schwarze. Wir konnten sie mit dem Fernglas sehen, wenn sie mit ihren französischen Mützen liefen. Auf dem Rückmarsch überholten wir noch Infanterie-Regimenter, und da sah ich einen meinen früheren Schulkollegen. Er gehörte zur Nachhut. Wir ritten im Trab vorbei, ich rief: »Behrend«. Er winkte und winkte.

Gustav Schöning, geb. 1894:

In Aachen sind wir ausgeladen worden. Und dann sind wir auf Lüttich zumarschiert. Vor Lüttich, den Ort weiß ich nicht mehr, haben wir Ulanen noch eine Attacke geritten. Nur brach sie im Maschinengewehrfeuer zusammen. Wir hatten damals noch unsere Lanze auf dem Rücken, mit der ich auf dem Exerzierplatz ausgebildet worden bin. Dort mussten wir auf Befehl auf die Pferde springen und mit der Lanze auf die Puppen stechen, die am Boden lagen oder aufgehängt waren. Und mit dem Säbel zu fechten habe ich noch gelernt. Aber mit dem Gewehr war ich nicht richtig ausgebildet und vom Machinengewehr 08 wusste ich schon gar nichts. Nun, bei der Attacke hat mein Pferd einen Schuss abgekriegt. Es schlug auf und ich stürzte herunter. Mein Sattelzeug konnte ich nicht mehr mitkriegen und bin in einen Graben gekrochen. Am nächsten Tag mussten wir uns wieder sammeln, und ich habe mir ein Pferd von den Franzosen beschafft. Wir sind dann weitermarschiert, manchmal Strecken von 20 bis 30 Kilometern, bis ziemlich nach Paris. Auf den Feind sind wir gar nicht wieder gestoßen. Später wurden wir aufgelöst und wurden Kavallerie-Schützen. Wir mussten neu ausgebildet werden wie die Infanterie.

Heinrich Dudel, geb. 1893:

Wir sind am 7. Mobilmachungstag in Berlin ausgerückt und kamen nachher in das Gebiet von Malmédy an der deutsch-belgischen Grenze. Nach zwei Tagen hatten wir bereits Feindberührung, Franzosen und Belgier. Das war eigentlich alles zu hitzig. Der Schwung! Die Ausbildung der Soldaten war ja auf den Krieg ausgerichtet gewesen und nun kam er. Jeder wollte raus, vorwärts, vorwärts. Ganze Abteilungen sind in die Falle geraten, wurden zusammengeschossen oder gefangen genommen. Dies wurde bald von der Heeresleitung gedämpft, die merkte, dass alles vorwärtsdrängte. Die Franzosen haben sich ergeben. Die sagten: »Für mich ist der Krieg zu Ende.« Es kam die Nacht und dann wurde sortiert. Es wurden die Gefangenen abtransportiert, die Verwundeten versorgt und jeder sah zu, dass er was zu essen kriegte.

Die belgische Zivilbevölkerung verhielt sich neutral, denn sie wusste genau, was ihr für den Fall des Widerstands blühte. Es passierte zu Anfang, dass Belgier auf deutsche Soldaten geschossen haben. Wenn einer erwischt wurde, war er dran. Er wurde verhört, ein Protokoll aufgenommen und die Todesstrafe vollstreckt. Er wurde vor einen Baum oder an eine Mauer gestellt. Dann hieß es: »Eine Gruppe von acht Mann legt an!« Bums, da war es geschehen. Bekanntmachungen von den Erschießungen, die gleich im Umdruckverfahren vervielfältigt wurden, wurden überall ausgehängt. Sie waren sehr schnell dabei, Todesurteile zu fällen. Das waren eben Kriegsurteile, Hitze des Gefechts. Da gab es keine Revision, und nachher krähte kein Hahn danach.

Wir marschierten gleich zu Anfang auf Paris zu, dann schwenkten wir nach Norden ab, weil die Engländer mittlerweile in Flandern gelandet waren. Dort kämpften die Spinner, die neu aufgestellten Regimenter 202, 203. Am 11. November 1914 kam ich nach Flandern in die Verteidigungslinie. Da waren die Kämpfe aber schon abgeflaut und es ging alles in Stellungskämpfe über. Östlich von Ypern wurden wir eingesetzt, Geluveld hieß das. Die Engländer waren hartnäckiger, sie waren als Soldaten tapferer als die Franzosen. Das lag ja sowieso im Wesen der Engländer, und sie hatten vorbereitete Gräben gefunden. In Flandern war nicht viel zu machen, denn man latschte dauernd in Wasser rein. Die Stiefel waren damals nicht so dicht und man hatte den ganzen Tag nasse Füße. Wenn mal die Sonne durchkam, aber das war im November selten, hat man versucht, etwas trockene Füße zu bekommen.

Dr. Bernhard Lehnert, geb. 1896:

Es kann Ende Oktober 1914 gewesen sein, dass wir an die Front kamen. Auf unserer Fahrt zur Front, irgendwo in Belgien, hatte unser Zug einen Aufenthalt. Und neben uns lag ein anderer Zug mit Soldaten, die ebenfalls an die Front gingen. Aber das waren Regimenter, die vollständig aus Kriegsfreiwilligen bestanden und die dann in die Schlacht von Langemarck geworfen wurden. Es waren fast alles Studenten, denn sehr viele von ihnen trugen an ihrer Uniformjacke das Korporationsband ihrer Burschenschaft. Die meisten von ihnen, die wir als sehr lebendig und aktiv, ich will mal sagen als siegesgewiss erlebten, sind wahrscheinlich gefallen. Wir hatten keine Vorstellung, wohin sie fuhren. Das wussten die ja selber nicht. Sie wurden unmittelbar aus ihrer Ausbildung heraus an die Front geschickt, aber nicht wie wir einem aktiven Regiment zugeteilt. Sie hatten keinerlei gründliche militärische Ausbildung gehabt und keine Kameraden an ihrer Seite, die was vom Krieg verstanden. Als wir zum Essenempfang gingen, kamen wir ins Gespräch. Sie waren fröhlich, absolut vergnügt. Wir landeten anschließend im Schützengraben.

Theodor Hein, geb. 1893:

Als Tannenberg zu Ende war, kamen wir wieder zurück in den Westen. Wir lagen in Flandern im Wijtschate-Bogen und dann bei Langemarck. Das ganze Land war überschwemmt. Buddelte man nur etwas, hatte man klares Wasser. Wir hatten wenig Verluste, weil die Granate in einem solchen Gelände gar keine Wirkung hat. Vor uns befanden sich die Studentenregimenter aus lauter Freiwilligen. Bei Langemarck gab es viele Hopfenanlagen, in denen die Engländer ihre Maschinengewehre versteckt hatten. Diese jungen Bengels sind mit dem Deutschlandlied auf den Lippen vorgegangen. Wir haben weiter hinten gelegen als Reserve, und ich habe zu einem Offizier gesagt: »Warum springen die nicht wieder auf? Warum gehen die nicht vor?« Wir haben das doch alles von hinten mit einem Fernglas beobachtet. Sie lagen alle still in Reih und Glied, alle kaputt, hingeschlachtet. Sie haben angegriffen, ohne Deckung zu nehmen, und wurden dabei zusammengeschossen. Wir waren gedrillt, waren ausgebildete Soldaten. Wir haben uns hinter einen Grashalm gelegt und sind in Löcher reingesprungen, wenn Granaten einschlugen. Die aber waren doch alle unerfahren. Man konnte es ihnen nicht verdenken. Und dann wurden wir eingesetzt und haben erst einmal versucht, die feindlichen Maschinengewehrnester kaputtzukriegen. Es gelang uns, die Engländer rauszuschlagen. Ein Student lag neben dem anderen. Wir sind über sie hinweggelaufen. Es gab auch Verwundete, alles junge Bengels. Wir haben gesagt: »Das sind ja noch Kinder.«

Die Bande, die Engländer, hatten in dem Gelände in vielen Löchern spitze Eisenstäbe, spitz wie eine Nähnadel, befestigt. Die Löcher waren zugedeckt. Dann hatten die Engländer auch Schlingen gelegt aus ganz feinem dünnem Draht. Am Abend kriegten wir so schweres Artilleriefeuer, dass wir in unsere Ausgangsstellungen zurückgehen mussten. Es war unmöglich, uns vorne zu halten. Da bin ich in einer Schlinge steckengeblieben. Ich konnte sie im Dunkeln nicht aufmachen. Alles ging zurück. Ich habe auf dem Bauch gelegen und an dem Pfahl, an dem sich die Schlinge befand, geaast wie ein Wilder. Und die Granaten schlugen neben mir ein. Schließlich habe ich den Pfahl aus der Erde herausbekommen, bin mit dem Pfahl am Fuß hinterhergelaufen. Flandern war vielleicht ein Elend, da sind viele Leute kaputtgegangen.

J. M., geb. 1896:

In Karlsruhe bei den 14ern, berittene Artillerie, habe ich mich freiwillig gemeldet. Ich hatte da sechs Wochen Ausbildung, Reiten konnte ich ja wie ein Satan, weil ich mit Pferden groß geworden bin. Dann kamen wir nach Mühlhausen im Elsass ins Quartier. In der Dragoner-Kaserne waren wir einquartiert. Wenn irgendetwas los war, wurden wir alarmiert und mussten im Galopp los. Ich war Mittelreiter am 1. Geschütz. Wir waren in Zillisheim, Schweighausen, Uffholtz, Thann. Das waren die Angriffspunkte im Jahre 1914.

Dann wurde in Frescaty bei Metz eine neue Formation aufgestellt und ich wurde Vorderreiter am 1. Geschütz. Es ging über Pagny und Prény rauf in den Priesterwald. Dort wurden wir auf den Anhöhen im Wald aufgestellt. Der Wald war noch in Ordnung. In dieser Zeit haben französische Flieger Freiburg bebombt, sie waren die Ersten. Unten an der Mosel lag Pont-à-Mousson. Daraufhin hieß es bei uns: »100 Schuss nach Pont-à-Mousson direkt ins Ziel.« Das war die Antwort auf die Angriffe auf Freiburg. Als junger Kerl hat man sich dabei gar nichts gedacht. Man hat seine Pflicht getan. Ich war einer der Ersten, die die Priesterwaldmedaille erhalten haben. Wir Fahrer mussten Infanteriedienste machen, solange wir festlagen. Die Medaille hab ich gekriegt, weil ich die ersten Schwarzen gemeldet habe. Die Schwarzen kamen in voller Formation. Es wurde erzählt, sie wollten nach Mühlhausen. Wir haben sie eingekesselt und sie haben sich nicht ergeben. Die haben wir mit 5-Zentner-Minen kaputtgemacht. Von dieser Stelle wurde kein Angriff mehr vorgetragen.

Hans Dose, geb. 1897:

In Lille wurden wir ausgeladen und auf vier Schwadronen verteilt. Wir gehörten zur 4. Kavallerie-Division. Damals wurde die Kavallerie erstmals in Stellungskämpfen eingesetzt. Wir von der vierten Schwadron der Wandsbeker Husaren kamen zweimal für vier Tage in den Schützengraben. Wir hatten keine Gewehre, und infanteristische Ausbildung hatten wir in Wandsbek sehr wenig gehabt, zugweises Marschieren fiel hier ja weg. Deshalb kam kurze Zeit später der Befehl raus, wir sollten nicht mehr in den Schützengräben Dienst tun, wir sollten erst einmal richtig ausgebildet werden dafür. Und da fing das Rekrutenleben wieder an.

Paul Grünig, geb. 1897:

Ich hatte einen älteren Bruder, der war bei Kriegsausbruch Soldat. Er ist gleich in den ersten Augusttagen in Frankreich einmarschiert und hat das erste Vierteljahr den Vormarsch mitgemacht. Er ist dann durch einen Granatsplitter im Rücken verwundet worden und hat ein Vierteljahr in Kiel im Krankenhaus gelegen. Als wir ihm erzählten, dass es mit dem Vormarsch vorbei und die Front sogar zurückgenommen worden sei, konnte er das nicht begreifen. Er hatte ja miterlebt, dass es jeden Tag vorwärtsgegangen war.

Hermann Kottmeier, geb. 1897:

Es war ja klar, dass die ganze Westfront auf die alte Regel von 1870 aufgebaut war: »Die Infanterie greift an. Sprung auf, marsch, marsch! Ran an den Feind!« Diese ganze Technik wurde zuschanden gemacht, als plötzlich im September 1914 in der deutschen Front eine Lücke klaffte und die Franzosen da eindrangen. Die deutsche Front musste zurückgenommen werden, und das Rückwärtsgehen hatten die deutschen Soldaten nicht gelernt. Da waren sie einfach schockiert und der Elan war mit einem Male weg. Damals hat die Generalität schändlich versagt.

Hineingeworfen

Подняться наверх