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Die Revolution 1918/19

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Das Deutschland des Kaiserreichs existiert nicht mehr. Die Revolution hat innerhalb kürzester Zeit die gekrönten Häupter aller 20 deutschen Kleinstaaten hinweggefegt. In Österreich-Ungarn dauert es bis zum 11. November 1918, ehe Kaiser Karl I. auf seine Regentschaft verzichtet und außer Landes geht. In Deutschland liegt die politische Verantwortung nun in den Händen der SPD Eberts. Deren Erfolgschancen bewegen sich aber ohne echte Unterstützung gegen null. In dieser schwierigen Ausgangssituation findet sich mit den Militärs ein auf den ersten Blick eher überraschender Bündnispartner. Als Verantwortliche des gerade verlorenen Krieges müssen die Militärs aber um ihre Rolle im künftigen Staatsgebilde fürchten. Und eines ist gewiss, bei einem Sieg des Linksradikalismus werden sie weit Schlechteres zu erwarten haben. Was liegt da näher, als sich gemeinsam gegen die ungeliebten Vorhaben Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs, einen Rätestaat nach russischem Muster zu errichten, zu wenden?

Das Regierungsprogramm des Rates der Volksbeauftragten verkündet am 12. November 1918 bürgerlich-demokratische, keine sozialistischen Reformen, wie die Einführung des Acht-Stunden-Tages, eine Erwerbslosenunterstützung, Arbeitsschutzverordnungen und die Anerkennung der Gewerkschaften als offizielle Vertreter der Arbeitnehmer. Die bevorstehende Heimkehr Berliner Gardetruppen als erklärte Gegner der Revolution erhöht in den ersten Dezembertagen in der Hauptstadt die Spannung und die Furcht vor einem Staatsstreich der Militärs. Am 6. Dezember schießen Garde-Füsiliere in einen Demonstrantenzug aus Anhängern des Spartakusbundes und töten dabei 16 Demonstranten und Passanten.

Am 23. Dezember eskaliert die Situation. Es geht um die Volksmarinedivision, die der Obersten Heeresleitung ein Dorn im Auge ist. Die vergeblichen Versuche von Gardeeinheiten, die Matrosen aus dem Schloss und dem Marstall zu vertreiben, führen am Heiligabend vor den Augen herbeieilender Zivilbevölkerung zu Kämpfen mit Toten auf beiden Seiten. Die USPD-Volksbeauftragten treten daraufhin aus der Regierung aus. Um die Jahreswende vereinigen sich Spartakus und andere linksradikale Gruppierungen in der Kommunistischen Partei Deutschlands. Da angesichts der Weihnachtstage die heimgeführten Truppen beinahe vollständig auseinandergelaufen sind, bilden sich nun erstmals Zeitfreiwilligenformationen, die Freikorps, angeführt von ehemaligen Offizieren. Ihr Ziel ist es, der Anarchie der Straße Einhalt zu gebieten. Vertreter u.a. der USPD und KPD erklären am 6. Januar 1919 die Regierung Ebert-Scheidemann für abgesetzt. Dies löst schwere Straßenkämpfe in verschiedenen Stadtteilen Berlins aus. Die Regierung überträgt dem Volksbeauftragten Noske den Oberbefehl über die Truppen in und um Berlin. Sein Name wird zum Symbol für die weitere Entfremdung der Sozialdemokratie von der revolutionären Bewegung. Artillerie und Handgranaten werden eingesetzt. Die verbliebenen regulären Truppen und Freikorps schlagen in den nächsten zehn Tagen bei mehr als 100 Toten den Aufstand nieder. Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg werden am 15. Januar verhaftet, in das Stabsquartier der Garde-Kavallerie-Schützen-Division, das Eden-Hotel nahe dem Zoo, heute Budapester Straße, gebracht, misshandelt und anschließend ermordet. Die Leiche Rosa Luxemburgs wird erst Ende Mai 1919 aus dem Landwehrkanal geborgen.

Der Aufruf zum Generalstreik durch die Berliner Arbeiter- und Soldatenräte vom 3. März 1919 gibt der Regierung und den Militärs die Gelegenheit, in den nächsten zwei Wochen mit dem Gegner endgültig abzurechnen. Den Arbeiterräten – sie werden später in den Vorläufern der heutigen Betriebsräte aufgehen – fehlt nach der mittlerweile erfolgten Demobilisierung des alten Heeres und dem Wegfall der Soldatenräte ihre Exekutive. Demgegenüber ist die Zahl der Freikorpssoldaten in Berlin in der Zwischenzeit erheblich angewachsen. Straßenkämpfe, in denen die Freikorpstruppen mit großer Brutalität vorgehen und bei denen selbst Fliegerbomben eingesetzt werden, Razzien und standrechtliche Erschießungen vielerorts in Berlin führen in den Märzkämpfen zu 1200 Toten.

In weiten Teilen Deutschlands finden in diesen ersten Monaten des Jahres 1919 Aufstände statt, in denen nach mehr oder weniger kurzer Zeit stets die Koalition aus Regierung und Militärs die Oberhand behält. Große Streiks mit Gewaltaktionen bestimmen im Januar und April 1919 die Szene im Ruhrgebiet, die sich auch auf die mitteldeutschen Industriegebiete ausweitet. Anfang des Jahres bestehen in Bremen und anderen Nordseehäfen Rätediktaturen. Gleiches wiederholt sich in diesen Monaten in Braunschweig, Magdeburg und Stettin. Am 1. Mai erobern Freiwilligentruppen München und werfen die dortige Räterepublik – ein Regime unter maßgeblicher Beteiligung Schwabinger Literaten – blutig nieder. Hamburg wird am 1. Juli 1919 wieder besetzt.

Auf ausdrücklichen Wunsch der Alliierten halten sich deutsche Truppen weiterhin im Baltikum auf, um dort das Vordringen der Kommunisten zu verhindern. Da dies angesichts der Auflösungserscheinungen des alten deutschen Heeres im Wesentlichen nur mit Freiwilligen aus Deutschland erreicht werden kann, ist das Baltikum in den folgenden Monaten ein Hauptbetätigungsfeld der Freikorps. Nach der Niederlage der Bolschewisten beginnen die im Baltikum entstehenden Nationalstaaten in den letzten Monaten des Jahres 1919, sich sehr zügig von den Freikorps zu trennen, die nun gezwungenermaßen nach Deutschland zurückkehren. Andere Freikorps sind seit Anfang 1919 in Schlesien und Westpreußen im Einsatz, den Zugriff polnischer Einheiten auf preußisches Gebiet abzuwehren.

Die Wahl zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 sieht die SPD und das Zentrum als Sieger. Wegen der Unruhen in Berlin tritt die Nationalversammlung in Weimar zusammen. Ihre weitgefächerten Aufgaben bestehen darin, eine provisorische Regierung zu bilden, einen Reichspräsidenten zu wählen – es wird der bisherige Kanzler Friedrich Ebert sein – und die künftige Verfassung auszuarbeiten. Die schwerste Aufgabe der Nationalversammlung aber besteht in der Unterzeichnung des Friedensvertrages. Am 18. Januar 1919, dem Gründungstag des Deutschen Kaiserreichs 1871, haben die Friedensverhandlungen in Versailles begonnen. Die Deutschen und die anderen Verlierermächte sind nicht geladen. Die Entscheidungen über das Schicksal Europas, ja der Welt fällen Engländer, Franzosen und Amerikaner allein.

Dann, am 28. Juni 1919 – die Nationalversammlung hat der Unterzeichnung des Friedensvertrages zustimmen müssen –, erscheinen Vertreter Deutschlands zur Unterschriftsleistung im Spiegelsaal von Versailles. Ausgehend von der alleinigen Schuld Deutschlands und seiner Verbündeten am Kriegsausbruch sind die Bedingungen des Versailler Vertrags denkbar hart: Umfangreiche Gebietsabtretungen, darunter der Verlust Elsass-Lothringens an Frankreich und die Abtretung der Provinzen Posen und Westpreußen, von Teilen Ostpreußens, Oberschlesiens und Pommerns an Polen. Das Deutsche Reich darf zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit lediglich ein Berufsheer von 100000 Mann, allerdings ohne Generalstab, unterhalten, zusätzlich 15000 Mann der Marine und im Übrigen keine Fliegertruppe. Die Kaiserliche Marine wird an England ausgeliefert. Doch gelingt es den meisten Besatzungen nach ihrer Ankunft in Scapa Flow, ihre Schiffe zu versenken. Schließlich werden außerordentlich hohe Wiedergutmachungszahlungen festgelegt, die trotz wiederholter Anpassungen an die realistischen Möglichkeiten Deutschlands zu einem Dauerthema der Weimarer Republik werden sollen.

Hineingeworfen

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