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I. Allgemeines
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Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs bemisst sich – vorbehaltlich Spezialvorschriften (s. Rn 148 ff) – nach § 40[1]. Entscheidend ist dabei, ob der Rechtsstreit von seinem Streitgegenstand her (s. dazu Rn 658 ff) – dh nicht nur bezüglich entscheidungserheblicher Vorfragen (dazu Rn 177 ff) – durch § 40 erfasst wird. Das und auch die Prüfung sonstiger Zulässigkeitsvoraussetzungen (s. zB Rn 305 ff) machen eine genaue Bestimmung des Streitgegenstands unumgänglich.
Beispiel:
Die Gemeinde übt unter Berufung auf § 24 BauGB ein Vorkaufsrecht aus. Der Grundstückseigentümer, der das Grundstück an einen Privaten verkauft hatte, sieht § 24 Abs. 3 BauGB als verletzt an und klagt vor dem Verwaltungsgericht auf Feststellung, die Gemeinde habe ihm gegenüber keinen Übereignungsanspruch. Obwohl die Ausübung des Vorkaufsrechts einen Verwaltungsakt darstellt (§ 28 Abs. 2 S. 1 BauGB), ist § 40 nicht einschlägig, da das streitbefangene Recht aus dem Kaufvertrag nach jeder Theorie zur Abgrenzung von öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Streitigkeiten (vgl Rn 114 ff) dem Zivilrecht zugehört; die Wirksamkeit des Verwaltungsakts ist nur eine öffentlich-rechtliche Vorfrage des Rechtsstreits. Nur wenn die Klage so umgedeutet werden könnte (s. § 88), dass sie sich unmittelbar gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts richtete, wäre der Verwaltungsrechtsweg gegeben.
Für die Bestimmung des Streitgegenstands ist auch der Sachverhalt maßgeblich, auf den der Klageantrag gestützt wird (Rn 654). Ist der vom Kläger behauptete Sachverhalt bzgl rechtswegrelevanter Elemente streitig, so soll es nach der in der Rspr des BVerwG und des BGH vertretenen sog. Schlüssigkeitstheorie für die Bestimmung des Rechtswegs nur auf den vom Kläger vorgetragenen Sachverhalt ankommen (BVerwG, NVwZ 1983, 220); anderes gelte nur dann, wenn sich der Kläger iVm einer negativen Feststellungsklage (Rn 404) gegen die Behauptung eines Rechts durch den Beklagten wendet (BGHZ 102, 280, 284). Diese mit prozessökonomischen Gesichtspunkten begründete Ansicht des BVerwG und des BGH ist nur schwer damit zu vereinbaren, dass das Vorliegen von Zulässigkeitsvoraussetzungen von Amts wegen zu prüfen ist und es deshalb nicht angeht, im Interesse einer Sachentscheidung den Rechtsweg dahingestellt zu lassen (s. Rn 78). Jedenfalls ist diese Auffassung aber nach Inkrafttreten des § 17 Abs. 2 S. 1 GVG nicht mehr überzeugend, da es hiernach für die Prüfungsbefugnis des angegangenen Gerichts unter dem Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs von entscheidender Bedeutung ist, ob das Gericht des „zulässigen Rechtswegs“ angegangen wurde, und bei einem Abstellen lediglich auf den Sachvortrag des Klägers der Rechtsweg hins. rechtswegfremder Forderungen manipuliert werden könnte[2]; deshalb ist bei strittigem rechtswegrelevanten Sachverhalt Beweis zu erheben (sog. Beweiserhebungstheorie). Die rechtliche Qualifikation des Streits durch den Kläger (zB die Bejahung einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit, trotz Vorliegens einer privatrechtlichen) ist nach einhelliger Meinung unbeachtlich.
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§ 40 beinhaltet abweichend von früheren Verwaltungsgerichtsgesetzen eine Generalklausel, durch die im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbarkeit Rechtsschutz gegenüber allen Formen hoheitlichen Verwaltungshandelns eingeräumt wird. Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs ist somit nicht mehr vom Vorliegen eines Verwaltungsakts abhängig. Deshalb kann der Bürger verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz zB auch gegenüber hoheitlichen Realakten in Anspruch nehmen. Der vor Schaffung der VwGO verständliche Versuch, durch Ausweitung des Verwaltungsaktsbegriffs verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz erst zu ermöglichen, hat damit endgültig seine innere Rechtfertigung verloren.
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Beispiel:
Maßnahmen der Anwendung unmittelbaren Zwangs, wie zB der Knüppeleinsatz der Polizei, wurden durch die früher ganz herrschende Auffassung als auf Duldung gerichtete Verwaltungsakte qualifiziert[3], da bei der weit näher liegenden Bewertung als Realakte damals – anders als heute – kein verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegeben gewesen wäre.
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Voraussetzung für die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs gem. § 40 ist das Vorliegen einer rechtlichen Streitigkeit (dazu II), die öffentlich-rechtlich (dazu III) sowie nichtverfassungsrechtlicher Art (dazu IV) sein muss. Ferner darf keine Sonderzuweisung an ein anderes Gericht bestehen (dazu V), und der Verwaltungsrechtsweg darf auch nicht durch § 40 Abs. 2 ausgeschlossen sein (dazu VI). Zu beachten ist hierbei aber, dass sich aus § 173 iVm § 17 Abs. 2 GVG die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs kraft Sachzusammenhangs ergeben kann (dazu VII). Auch wenn § 40 nicht gegeben ist, kann sich die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs aus einem Verweisungsbeschluss eines Gerichts eines anderen Rechtswegs (§ 173 iVm § 17a Abs. 1 GVG) oder daraus ableiten, dass das Verfahren bereits in der Rechtsmittelinstanz anhängig ist (§ 173 iVm § 17a Abs. 5 GVG). Im Übrigen findet bei Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs grundsätzlich eine Verweisung an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs statt (dazu VIII).
§ 3 Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 VwGO) › II. Das Vorliegen einer rechtlichen Streitigkeit