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c) Die Rechtsnatur von Realakten

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Der Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs hilft bei der Qualifikation von staatlichen Maßnahmen auch dort weiter, wo ein gesetzlich nicht geregelter Realakt (Rn 213 ff) in Verbindung mit einer öffentlich-rechtlichen Tätigkeit vorgenommen wird.

Auf diese Weise erklärt sich, dass die Dienstfahrt eines mit einer öffentlich-rechtlichen Tätigkeit betrauten Beamten als öffentlich-rechtlich anzusehen ist. Gleiches gilt zB für Immissionen, die bei dem Betrieb eines öffentlich-rechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnisses durch ein kommunales Versorgungsunternehmen verursacht werden, oder den Lärm einer Feuerwehrsirene (BVerwGE 79, 254). Die Rechtsnatur von Glockenläuten ist dagegen nach der Rechtsprechung unterschiedlich zu beurteilen; bei liturgischem Glockengeläut bejaht das BVerwG öffentlich-rechtlichen, bei nichtliturgischem privatrechtlichen Charakter[25]. Öffentlich-rechtlich ist ferner wegen des Sachzusammenhangs auch eine Geschäftsführung ohne Auftrag, die ein Hoheitsträger im Bereich der hoheitlichen Verwaltung (zB der Gefahrenabwehr) vornimmt. Bei der Bestimmung der Rechtsnatur ist darauf abzustellen, welche Rechtsnatur das tatsächliche Handeln des Geschäftsführers hat[26], nicht hingegen darauf, wie ein entsprechendes Handeln des Geschäftsherrn zu qualifizieren gewesen wäre, wenn er es selbst vorgenommen hätte[27]. Deshalb sind auf Geschäftsführung ohne Auftrag gestützte Aufwendungsersatzansprüche einer zur Gefahrenabwehr tätigen Polizeibehörde gegenüber dem Bürger öffentlich-rechtlich[28], während entsprechende Aufwendungsersatzansprüche eines Bürgers, der im Bereich der Gefahrenabwehr für einen Polizeiträger tätig wird, ohne mit Hoheitsgewalt beliehen zu sein, privatrechtlicher Natur sind[29].

Bei einer ehrverletzenden Äußerung eines staatlichen Bediensteten ist darauf abzustellen, ob sie in Verbindung mit einer öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Tätigkeit steht[30]. Unter dem Gesichtspunkt der Akzessorietät kann aber die öffentlich-rechtliche Rechtsnatur einer Ehrverletzung dann nicht mehr bejaht werden, wenn sie so sehr Ausdruck einer persönlichen Meinung des Amtswalters ist, dass sie ein besonderes persönliches Gepräge aufweist und sich deshalb nicht als eine amtliche, sondern als eine persönliche Äußerung nur bei Gelegenheit der dienstlichen Tätigkeit darstellt[31]. Sie ist nicht dem Hoheitsträger, sondern dem Amtswalter persönlich zuzurechnen, und deshalb kann nur gegen diesen vor den ordentlichen Gerichten geklagt werden.

Vom Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit ist dagegen – entgegen der höchstrichterlichen Rspr – prinzipiell auch dann auszugehen, wenn sich jemand gegen eine durch eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt verbreitete ehrverletzende Behauptung zur Wehr setzt[32]. Das ergibt sich daraus, dass hier nicht nur die Rundfunkorganisation, sondern auch deren Tätigkeit öffentlich-rechtlich ist. Das Argument des BVerwG, hier sei von einem privatrechtlichen Charakter auszugehen, weil gegen ehrverletzende Äußerungen in öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogrammen ebenso Abwehransprüche des Betroffenen gegeben seien wie gegen ehrverletzende Äußerungen in privaten Rundfunkprogrammen, überzeugt nicht. Da entsprechende Abwehransprüche nämlich nicht nur dem Privatrecht, sondern auch dem öffentlichen Recht bekannt sind (vgl Rn 545 ff), kann allein aus der Existenz derartiger Rechte noch nicht auf deren privatrechtlichen Charakter geschlossen werden (s. auch die Parallele zur Qualifizierung des Hausverbots oben Rn 134 f). Bei einer Rechtsverletzung durch öffentlich-rechtliche Tätigkeit besteht ein öffentlich-rechtlicher Beseitigungsanspruch.

Aus diesem Grund dürfte auch ein Beseitigungsanspruch eines Eigentümers, der auf die Verletzung der öffentlich-rechtlichen Bau- und Unterhaltungspflicht an einer Straße gestützt wird, öffentlich-rechtlich zu qualifizieren sein[33], ebenso ein Beseitigungsanspruch des Eigentümers wegen der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht eines Hoheitsträgers (sehr str)[34]. Der Verwaltungsrechtsweg ist auch bei einer Klage gegen Rechtsbeeinträchtigungen durch einen von der öffentlichen Hand in Dienst genommenen Privaten zu befürworten[35], ferner bei der Geltendmachung eines Aufwendungsersatzanspruchs eines öffentlich-rechtlich handelnden Hoheitsträgers unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag[36].

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Die Frage nach der Rechtsnatur eines Rechtsstreits, mit welchem sich ein Unternehmer gegen die wirtschaftliche Tätigkeit einer Gemeinde wendet, lässt sich nicht einheitlich beantworten. Stützt sich seine Klage darauf, dass es an den Voraussetzungen für eine zulässige wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde nach den einschlägigen kommunalrechtlichen Vorschriften mangelt (s. zB § 102 Abs. 1 BWGemO), so liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor, da insoweit Sonderrecht zur Anwendung kommt[37]. Dass die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde in den Formen des Privatrechts durchgeführt wird, steht dem nicht entgegen. Für die Rechtsnatur des geltend gemachten Anspruchs kommt es nicht entscheidend auf die Rechtsnatur der gemeindlichen Tätigkeit an. Allerdings werden in praxi meist die Rechtsnatur des maßgeblichen Anspruchs und die der Tätigkeit übereinstimmen. Privatrechtliche Ansprüche auf ein öffentlich-rechtliches Handeln scheiden sogar grundsätzlich aus. Deshalb ist entgegen der zivilgerichtlichen Rspr[38] die Klage eines Unternehmers, der im Wettbewerb mit der öffentlichen Hand steht, auf Unterlassung dieser unternehmerischen Tätigkeit dann als öffentlich-rechtlich anzusehen, wenn das Leistungsverhältnis (Benutzungsverhältnis) zu deren Kunden öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist[39]. Die vom BGH früher vertretene Doppelnatur der Tätigkeit der öffentlichen Hand, wonach diese sowohl öffentlich-rechtlich als auch privatrechtlich zu qualifizieren sein soll (BGHZ 66, 229, 237), verbietet sich, da für privatrechtliches und öffentlich-rechtliches Handeln unterschiedliche Grundsätze gelten, schon aus rechtslogischen Gründen. Aus entsprechenden Gründen ist entgegen der Rechtsprechung[40] eine Klage, die sich unmittelbar gegen die Weisung einer Aufsichtsbehörde an eine nachgeordnete Behörde wendet und deren fiskalisches Verhalten betrifft, als öffentlich-rechtliche Streitigkeit iSd § 40 zu qualifizieren (zur hier fehlenden Klagebefugnis s. Rn 535), es sei denn, sie kann so ausgelegt bzw umgedeutet werden, dass sie sich gegen das „Wie“ des fiskalischen Handelns selbst richtet.

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