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1. Gnadenentscheidungen als justiziable rechtliche Entscheidungen
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Bei ablehnenden Gnadenentscheidungen wird (anders als beim Widerruf von Gnadenentscheidungen) in der Rechtsprechung vielfach die Ansicht vertreten, es handele sich hier, da „Gnade vor Recht“ gehe, um außerhalb der Rechtsordnung stehende justizfreie Hoheitsakte[5]. Art. 60 Abs. 2 GG habe das Institut der Begnadigung in seinem historisch überlieferten Sinn übernommen und damit zugleich eine gerichtliche Kontrolle von ablehnenden Gnadenakten (nur hier stellt sich ja das Problem des Rechtsschutzes) ausgeschlossen. Das Institut der Begnadigung stelle eine Durchbrechung des Gewaltenteilungsprinzips dar und könne deshalb nicht den durch dieses Prinzip konstituierten Bindungen, insbesondere nicht der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie, unterliegen. Teilweise wird dies auch mit der Verwandtschaft zu Regierungsakten begründet, die ebenfalls keiner gerichtlichen Kontrolle unterlägen.
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Diese gegen die Justiziabilität ablehnender Gnadenentscheidungen angeführten Argumente vermögen jedoch nicht zu überzeugen. Da nach Art. 20 Abs. 2 GG alle staatliche Gewalt entweder durch Organe der Gesetzgebung, der Rechtsprechung oder der vollziehenden Gewalt ausgeübt wird, die Ausübung des Begnadigungsrechts aber Staatsgewalt darstellt, muss es sich bei ihr um vollziehende Gewalt iSd Art. 20 Abs. 3 GG handeln, welche an Gesetz und Recht gebunden ist. Ebenso spricht Art. 1 Abs. 3 GG, wonach die nachfolgenden Grundrechte – und damit insbesondere auch Art. 3 GG – die vollziehende Gewalt binden, für eine Verrechtlichung von Gnadenentscheidungen. Ein durch Art. 19 Abs. 4 GG geforderter gerichtlicher Rechtsschutz wird auch aus systematischen Gründen dadurch indiziert, dass der Widerruf einer Begnadigung selbst nach der Rechtsprechung gerichtlich überprüfbar ist. Fraglich kann allerdings sein, ob der Verwaltungsrechtsweg deshalb ausgeschlossen ist, weil für die Überprüfung ablehnender Gnadenentscheidungen möglicherweise gem. § 40 Abs. 1 S. 1 iVm § 23 EGGVG die ordentliche Gerichtsbarkeit zuständig sein könnte (Rn 157).
§ 3 Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 VwGO) › II. Das Vorliegen einer rechtlichen Streitigkeit › 2. Die Justiziabilität von Regierungsakten