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3. Maßnahmen im besonderen Gewaltverhältnis (Sonderstatusverhältnis) keine rechtsfreien Hoheitsakte
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Unter einem besonderen Gewaltverhältnis[7] (vgl Rn 233 ff) versteht man nach der klassischen Definition Otto Mayers die verschärfte Abhängigkeit, welche zu Gunsten eines bestimmten Zweckes öffentlicher Verwaltung für alle Einzelnen begründet wird, die in den vorgesehenen besonderen Zusammenhang treten. Beispiele für besondere Gewaltverhältnisse, die man heute vielfach als Sonderstatusverhältnisse[8] bezeichnet, bilden etwa das Beamtenverhältnis, das Soldatenverhältnis, das Schulverhältnis, das Anstaltsbenutzungsverhältnis und das Strafvollzugsverhältnis. Auch hier stellt sich die Frage, ob Streitigkeiten als rechtlich zu qualifizieren sind, wobei bei Beamten zu beachten ist, dass diese Problematik im Rahmen des dem § 40 als lex specialis vorgehenden § 54 Abs. 1 BeamtStG bzw § 126 Abs. 1 BBG (s. auch § 40 Abs. 2 S. 2) zu erörtern ist.
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Die früher vertretene sog. Impermeabilitätstheorie ging davon aus, dass das besondere Gewaltverhältnis einen rechtsfreien Raum darstelle und deswegen generell einer gerichtlichen Prüfung entzogen sei, da innerhalb einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (in welcher der Gewaltunterworfene im besonderen Gewaltverhältnis eingegliedert sei) keine Rechtsbeziehungen möglich seien. Diese Auffassung verbietet sich schon wegen ihrer rechtstheoretisch verfehlten Gleichsetzung von natürlichen und juristischen Personen[9]. Die ihr zugrunde liegende begriffsjuristische Konstruktion war zudem Ausdruck der besonderen verfassungsrechtlichen und politischen Situation der konstitutionellen Monarchie, indem sie dem Monarchen einen bestimmten Zuständigkeitsbereich reservieren wollte. Ihre Unhaltbarkeit wird darüber hinaus ua an der Zulässigkeit von Organstreitigkeiten (s. Rn 246 ff) deutlich.
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Obwohl das BVerfG in seiner berühmten Strafvollzugsentscheidung[10] zu Recht die Anwendbarkeit der Grundrechte im besonderen Gewaltverhältnis bejaht hat, wurde in der Literatur auch noch lange danach hinsichtlich einzelner Maßnahmen im besonderen Gewaltverhältnis behauptet, entsprechende Streitigkeiten seien keine rechtlichen Streitigkeiten und unterlägen damit auch nicht dem Verwaltungsrechtsweg[11]. Ule unterschied insoweit Grund- und Betriebsverhältnis. Das Grundverhältnis habe Begründung, Veränderung oder Beendigung des besonderen Gewaltverhältnisses zum Gegenstand; insoweit stehe der Rechtsweg offen. Dagegen seien Maßnahmen im Betriebsverhältnis, die diejenigen Beziehungen beträfen, die sich aus der Eingliederung des Einzelnen in den Betrieb mit seiner „Betriebsordnung“ ergäben, einer gerichtlichen Entscheidung entzogen. Als Beispiel für Letzteres nannte Ule Streitigkeiten über dienstliche Anordnungen der Vorgesetzten an ihre Untergebenen und über entsprechende Maßnahmen des Anstaltsbetriebs. Diese Auffassung vermag jedoch nicht zu überzeugen, denn auch die Akte im Betriebsverhältnis sind rechtlich gebunden (so haben sich zB dienstliche Weisungen am objektiven Recht zu orientieren). Besonderheiten bestehen hier nur insofern, als Akte im Betriebsverhältnis, auch wenn sie Gebote oder Verbote gegenüber einem nachgeordneten Amtswalter beinhalten, in der Regel nicht (auch wenn es hiervon Ausnahmen gibt) in dessen subjektive Rechtsstellung eingreifen. Da öffentlich-rechtliche Streitigkeiten iSd § 40 aber, wie sich aus § 42 Abs. 2 Alt. 1 ergibt (der anderenfalls überflüssig wäre), nicht notwendigerweise einen Streit über das Bestehen subjektiver Rechte voraussetzen, steht deren Fehlen der Bejahung des Verwaltungsrechtswegs nicht im Wege. Gleichfalls nicht überzeugend war es, wenn man der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG – unter Verkehrung der Zielsetzung dieser Vorschrift – eine verfassungsrechtliche Einschränkung des gerichtlichen Rechtsschutzes im besonderen Gewaltverhältnis entnehmen und deshalb den Verwaltungsrechtsweg ausschließen wollte[12].
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Die bei Akten im Betriebsverhältnis typischerweise mangelnde subjektivrechtliche Relevanz führt freilich dazu, dass sie mangels einer auf Außenwirkung gerichteten Regelung keine Verwaltungsakte darstellen und damit eine Anfechtungsklage ausscheidet (s. näher Rn 233 ff). Statt ihrer kommt dann eine auf Beseitigung des Betriebsakts gerichtete allgemeine Leistungsklage in Betracht. Für diese wird die fehlende subjektivrechtliche Bedeutung von Betriebsakten allerdings insofern relevant, als für eine Klage auf Beseitigung eines solchen Akts meist die Klagebefugnis analog § 42 Abs. 2 (Rn 515 f, 549 f) fehlt. Selbst wenn die Klage daran ausnahmsweise nicht scheitert, dürfte häufig das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses zweifelhaft sein (Rn 635). Jedenfalls wird aber eine solche Klage oft unbegründet sein, weil es an einer subjektiven Rechtsverletzung fehlt. Soweit eine Feststellungsklage erhoben wird, ist diese bei mangelndem subjektivrechtlichem Bezug einer Maßnahme im besonderen Gewaltverhältnis ebenfalls in der Regel unzulässig (Rn 417).
§ 3 Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 VwGO) › III. Das Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit