Читать книгу Handbuch Wirtschaftsstrafrecht - Udo Wackernagel, Axel Nordemann, Jurgen Brauer - Страница 251
h) Rückrufpflichten und Pflicht zur Kooperation mit den Überwachungsbehörden
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Stellt der Unternehmer aufgrund der von ihm oder Dritten durchgeführten Untersuchungen fest, dass ein Lebensmittel nicht den rechtlichen Vorgaben entspricht, so ergibt sich neben der Pflicht, das (weitere) Herstellen oder Inverkehrbringen des Lebensmittels zu unterlassen, eine Rückrufpflicht und die Pflicht zur Kooperation mit den Überwachungsbehörden[321] (zu weitergehenden Pflichten siehe Rn. 166 ff.). Die Garantenpflicht zur Verhinderung drohender Rechtsverletzungen ergibt sich nach der Judikatur des BGH[322] bereits aus der mit dem Inverkehrbringen des regelwidrigen Lebensmittels verbundenen Gefahrschaffung. Verletzt der Unternehmer seine Rückrufpflichten, so kommt im Falle des Eintritts eines Gesundheitsschadens bei einem Verbraucher eine Strafbarkeit nach §§ 223 ff. StGB in Betracht; ferner ist eine Sanktionierung nach § 59 Abs. 2 Nr. 1c oder 1d LFGB denkbar. Damit ergibt sich für jeden Unternehmer nicht nur die Pflicht, seine Produkte vor dem Inverkehrbringen zu kontrollieren, sondern das Strafrecht und die europarechtlichen Vorgaben zwingen auch zur Überwachung von Erzeugnissen, die bereits im Markt sind (Rn. 127).[323]
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Auch das Unionsrecht normiert ausdrücklich eine strafbewehrte Rückrufpflicht (Rn. 163 f.) für alle an der Handelskette beteiligten Unternehmer, und zwar auf allen Handelsstufen (vgl. Art. 19 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 S. 1 BasisVO) für unsichere Lebens- und Futtermittel, die hinsichtlich Lebensmitteln folgende Stufen umfasst:
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Ist das Produkt bereits in den Markt, aber noch nicht zum Verbraucher gelangt, so ist der Unternehmer verpflichtet, die Ware aus dem Markt zu nehmen und die zuständige Behörde zu unterrichten (Art. 19 Abs. 1 S. 1 BasisVO; Rn. 165 ff.). Im Rahmen einer Rücknahme-/Rückrufaktion hat der Unternehmer dagegen die Öffentlichkeit zu informieren, wenn die Möglichkeit besteht, dass das Produkt schon an die Verbraucher gelangt ist (Art. 19 Abs. 1 S. 2 BasisVO). Darüberhinausgehende Maßnahmen hat der Unternehmer einzuleiten und die zuständige Behörde darüber zu informieren, wenn die Gefahr besteht, dass das Produkt bei Menschen zu Gesundheitsschäden bzw. -gefährdungen führen könnte (Art. 19 Abs. 3 BasisVO). Auch „Lebensmittelunternehmer, die für Tätigkeiten im Bereich des Einzelhandels oder Vertriebs verantwortlich sind, die nicht das Verpacken, das Etikettieren, die Sicherheit oder die Unversehrtheit der Lebensmittel betreffen“, verpflichtet das Unionsrecht in Art. 19 Abs. 2 S. 1 BasisVO dazu, mit den zuständigen Überwachungsbehörden zu kooperieren.
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Mit den Regelungen des Art. 19 BasisVO wird deutlich, dass das Unionsrecht nicht an alle Unternehmer im Lebensmittelrecht identische Anforderungen im Bereich der Rückrufpflichten stellt. Die geforderten Maßnahmen im Falle der Erkennung von Risikoprodukten sind von der spezifischen Tätigkeit des Unternehmers abhängig. Den Hersteller, Importeur und Verpacker trifft eine Produktbeobachtungs- und Rückrufpflicht, auch wenn sich das Produkt nicht mehr in seinem Einflussbereich befindet. Diese Verantwortung endet dort, wo ein anderer Lebensmittelunternehmer durch selbstständige pflichtwidrige Handlungen die Sicherheit des Lebensmittels beeinträchtigt.[324] Der nicht unmittelbar auf die Lebensmittel einwirkende Unternehmer muss zwar auch das unsichere Produkt vom Markt nehmen, darüber hinaus aber nur kooperieren, um die Rückverfolgbarkeit der Lebensmittel zu gewährleisten. Insofern besteht eine gestufte Verantwortung, die den Hersteller und Importeur besonders in die Pflicht nimmt.[325]
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Nach Art. 19 Abs. 1 S. 1 BasisVO hat der Lebensmittelunternehmer für den Fall, dass er Kenntnis davon oder Grund zu der Annahme hat, dass ein von ihm eingeführtes, erzeugtes, verarbeitetes, hergestelltes oder vertriebenes Lebensmittel den Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit (Art. 14 BasisVO) nicht entspricht, unverzüglich ein Verfahren einzuleiten, um das betreffende Lebensmittel vom Markt zu nehmen, sofern das Lebensmittel nicht mehr unter der unmittelbaren Kontrolle des ursprünglichen Lebensmittelunternehmers steht. Soweit das Erzeugnis die Verbraucher bereits erreicht haben könnte, hat er diese zudem zu informieren und das Produkt gegebenenfalls zurückzurufen (Art. 19 Abs. 1 S. 2 BasisVO). Die erforderlichen Verdachtsmomente, die die Rücknahme- und Rückrufpflicht auslösen, liegen vor, wenn der Unternehmer spezifische Umstände kennt oder sich Umstände aufdrängen, aus denen sich die Unsicherheit des Lebensmittels ergibt.[326]
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Entsprechende Pflichten zur Rücknahme bzw. zum Rückruf eines nicht den Anforderungen der Futtermittelsicherheit nach Art. 15 BasisVO entsprechenden Futtermittels sind in Art. 20 Abs. 1 S. 1 BasisVO normiert.