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aa) Hazard Analysis and Critical Control Point-Konzept

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Da das Lebensmittelrecht das Produkt betrifft, das hergestellt oder in den Verkehr gebracht worden ist, beziehen sich die Aussagen zu Sorgfaltspflichten auch mehr auf das Erzeugnis als auf den Herstellungsprozess als solchen. In den letzten Jahrzehnten rückte jedoch letzterer in den Mittelpunkt und mit ihm die sog. Qualitätsmanagementsysteme.[350] Hier hat das Risikomanagementsystem Hazard Analysis and Critical Control Point-Konzept (HACCP) herausragende Bedeutung gewonnen. Gegenstand dieses Eigenkontrollsystem ist die systematische Bewertung von Risiken bei der Herstellung, dem Handel und Konsum von Lebensmitteln. Durch HACCP sollen – für Lebensmittelunternehmer beschränkt auf den Gesundheitsschutz im Hinblick auf mikrobiologische, chemische oder physikalische Faktoren – die neuralgischen Punkte bei der Verletzung von Vorgaben des Lebensmittelrechts frühzeitig erkannt und durch entsprechende Gegensteuerungsmechanismen die entsprechenden Risiken so weit wie möglich reduziert werden. Diese Früherkennung von Risiken und Fehlern machte die Innovation des Konzepts aus.[351]

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Vor allem das Unionsrecht bezieht Elemente des HACCP in lebensmittelrechtliche Vorgaben teils verbindlich und unmittelbar als Tatbestandsmerkmale, teils unverbindlich mit ein.[352] Doch auch das nationale Recht nimmt auf einzelne Elemente und allgemeine Grundsätze aus dem HACCP Bezug, so etwa auf Kriterien wie die „gute Praxis“ im Sinne einer guten Herstellungspraxis oder Hygienepraxis.[353]

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Vorschriften, die eine Pflicht zur Eigenkontrolle normieren, konkretisieren die Sorgfaltspflichten und geben dem Unternehmer – soweit sie reichen, also nur die o.g. gesundheitsrelevanten Risiken betreffend – Handlungsanleitungen für unternehmensinterne Kontrollen. Soweit diese Vorgaben abschließend verstanden werden dürfen, schließt eine Befolgung der Vorgaben einen Sorgfaltsverstoß regelmäßig aus. Der Unternehmer, der seine Produktion, Lagerung etc. nach dem HACCP-Konzept organisiert hat und dieses auch umsetzt, ist regelmäßig entlastet,[354] soweit es nicht um Verstöße gegen Vorschriften geht, die dem Schutz vor Irreführung o. Ä. dienen.[355] Die Umsetzung von effektiven Risikomanagementverfahren nach gesetzlicher Vorgabe hat jedoch keine generelle Freistellung zur Folge, da diese Vorschriften nur zwingende Mindeststandards normieren und sich ein Unternehmer, der unsichere Lebensmitteln in den Verkehr bringt, nicht darauf berufen kann, seine Handlung sei sorgfaltsgemäß oder rechtmäßig gewesen. Allerdings stellt auch nicht jede Verletzung solcher Vorgaben stets eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung dar.[356]

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Gelebte Risikomanagementsysteme haben hauptsächlich verfahrensrechtliche Bedeutung, weil sie regelmäßig Dokumentationsvorgänge beinhalten, die nicht nur intern der Kontrolle und Fehleranalyse dienen, sondern es Unternehmern auch ermöglichen, den Nachweis über die Einhaltung von Sorgfaltsanforderungen zu erbringen.[357]

Handbuch Wirtschaftsstrafrecht

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