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III.Der Begriff des Vorsatzes 1.Vorsatz als Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung

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173Das Strafgesetzbuch definiert an keiner Stelle, was genau unter dem Begriff des Vorsatzes zu verstehen ist. Es ist jedoch weitgehend anerkannt, dass sich der Vorsatz aus zwei Elementen zusammensetzt, die kumulativ vorliegen müssen.

Definition

Vorsatz ist Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung.

174Abzugrenzen ist der Vorsatz von der Fahrlässigkeit. Relevant wird dies insbesondere für diejenigen Fälle, in denen der Täter jedenfalls entfernt mit der Möglichkeit des Erfolgseintritts rechnet, er diesen Erfolg aber nicht zwingend herbeiführen will (Bsp.: um sich abzureagieren, zertrümmert Anton eine Bierflasche auf dem Kopf seines Nebenbuhlers). In diesem Bereich haben sich die Rechtsfiguren des „bedingten Vorsatzes“ und der „bewussten Fahrlässigkeit“ entwickelt, zwischen denen sauber abzugrenzen ist. Denn der „bedingte Vorsatz“ führt zu einer Bestrafung wegen des Vorsatzdeliktes (Bsp.: Totschlag, § 212 StGB), die „bewusste Fahrlässigkeit“ hingegen zu einer Bestrafung lediglich aus dem Fahrlässigkeitsdelikt (Bsp.: fahrlässige Tötung, § 222 StGB). In diesem Bereich hat sich inzwischen eine nahezu unüberschaubare Vielzahl verschiedener Abgrenzungstheorien entwickelt,65 die den Studierenden, jedenfalls in den Anfangssemestern, aber nicht alle bekannt sein müssen. Da sie jedoch für das Verständnis des Vorsatzes als „Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung“ eine Rolle spielen können, soll im Folgenden ein kurzer Überblick gegeben werden:

175Dass für den Vorsatz sowohl ein Wissens- als auch ein Wollenselement erforderlich ist, verlangen lediglich die sog. Willenstheorien. Nach der insbesondere von der Rechtsprechung vertretenen „Billigungstheorie“66, der sich die überwiegenden Stimmen in der Literatur angeschlossen haben67, handelt vorsätzlich, wer den Erfolgseintritt jedenfalls für möglich hält (kognitives oder Wissenselement) und dabei den Erfolg billigend in Kauf nimmt (voluntatives oder Willenselement). Die Gleichgültigkeitstheorie erweitert das voluntative Element der billigenden Inkaufnahme noch auf diejenigen Fälle, in denen dem Täter der Erfolg gleichgültig ist.68 Eine weitere Spielart stellt die „Ernstnahmetheorie“ dar, die aber im Wesentlichen zu denselben Ergebnissen gelangt: Um vorsätzlich zu handeln, muss der Täter die Möglichkeit des Erfolgseintritts kennen, diese ernst nehmen und sich mit ihr abfinden.69 Diese Theorien gewährleisten eine sinnvolle Abgrenzung des bedingten Vorsatzes und der bewussten Fahrlässigkeit. Bei beiden Formen muss der Täter nämlich jedenfalls mit der Möglichkeit des Erfolgseintritts rechnen. Während er beim bedingten Vorsatz den Erfolg jedoch billigt oder jedenfalls gleichgültig hinnimmt, muss er bei der bewussten Fahrlässigkeit ernsthaft auf das Ausbleiben des Erfolges vertrauen.

176Dagegen verlangen die Wissenstheorien lediglich ein Wissenselement und wollen auf das Willenselement verzichten. Vorsätzlich handelt hiernach bereits derjenige, der den Erfolgseintritt für möglich hält und trotzdem handelt (Möglichkeitstheorie70). Da danach der Bereich vorsätzlichen Verhaltens sehr weit ausgedehnt wird, verlangen wiederum andere, dass der Täter den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges nicht nur für möglich, sondern sogar für wahrscheinlich hält (Wahrscheinlichkeitstheorie71). Problematisch ist an diesen Ansichten, dass hier eine Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit, bei der ein Täter ebenfalls mit der Möglichkeit eines Erfolgseintritts rechnet, diesen Erfolg aber eigentlich nicht herbeiführen will, kaum mehr möglich ist.

177Schließlich existiert noch eine größere Zahl sog. Risikotheorien: Vorsätzlich handelt hiernach, wer nach seiner eigenen Einschätzung bewusst ein unerlaubtes bzw. von der Rechtsordnung nicht toleriertes Risiko der Tatbestandsverwirklichung in Gang setzt (subjektive Variante72) bzw. eine (objektiv) ernstzunehmende, nicht nur unerlaubte, sondern auch unabgeschirmte Gefahr als solche erkannt hat und dennoch handelt (objektive Variante73).

178Folgt man der herrschenden Billigungstheorie, ist somit festzustellen, ob der Täter Kenntnis hinsichtlich aller objektiven Tatumstände hatte (= Wissen) und zudem die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes auch wollte. Dabei ist es entscheidend, dass sich das Wissen und Wollen nicht abstrakt auf die Tat als solche beziehen muss, sondern vielmehr im Hinblick auf jedes einzelne Tatbestandsmerkmal (= auf jeden Umstand, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört) zu prüfen ist. Das Gesetz umschreibt dies in § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB wie folgt:

Gesetzestext

Wer bei der Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich.

179Dabei wird sich aus dem Wissen regelmäßig auch das Wollen ergeben. Wer weiß, dass eine Handlung ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal erfüllt, der wird dies, wenn er die Handlung dennoch vornimmt, üblicherweise auch wollen. Denn würde der Täter die Erfüllung des jeweiligen Tatbestandsmerkmals nicht wollen, dann könnte er die entsprechende Handlung auch schlicht unterlassen. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen dies nicht eindeutig ist und der Täter zwar um die Gefährlichkeit seines Verhaltens weiß, aber auf einen „guten Ausgang“ vertraut.

Bsp. (für den Bereich des Unterlassens): Anton fährt mit seinem Auto den Fahrradfahrer Bruno an, der verletzt auf der Straße liegen bleibt. Anton rechnet zwar mit der Möglichkeit, dass Bruno schwer verletzt ist und Hilfe braucht, er fährt jedoch weiter in der Hoffnung „es würde schon nicht so schlimm sein“. – Hier war dem Anton die Gefährlichkeit seines Handelns im Hinblick auf Brunos möglichen Tod durchaus bewusst. Dennoch wollte er dessen Tod nicht. Wissen und Wollen können also auseinanderfallen.

Bsp. (für den Bereich des aktiven Tuns): Fabrikant Fritz stellt Holzschutzmittel her und vertreibt diese. Dabei unterlässt er es aus Kostengründen, die erforderlichen Kontrollen hinsichtlich der Gesundheitsschädlichkeit seiner Produkte durchzuführen. Er vertraut jedoch darauf, dass „schon alles in Ordnung“ gehen und nichts passieren würde. Einige Verbraucher erleiden dennoch gesundheitliche Schäden. – Auch hier wusste Fritz um die Gefährlichkeit des (unkontrollierten) Vertriebs. Er rechnete auch mit möglichen Schäden, „wollte“ diese aber an sich nicht und vertraute pflichtwidrig auf einen glimpflichen Ausgang.

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