Читать книгу Vergaberecht - Corina Jürschik - Страница 111

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20Der „früheste Zeitpunkt des Vertragsschlusses“ muss Bestandteil der Information sein. Nicht eindeutig vorgegeben ist, ob es sich dabei um den frühestmöglichen Zeitpunkt nach Ablauf der Wartefrist oder auch um einen danach liegenden Zeitpunkt26 handeln kann, an dem der Auftraggeber beabsichtigt, den Zuschlag zu erteilen. Grundsätzlich handelt es sich bei den Fristvorgaben der Rechtsmittelrichtlinie um Mindestfristen.27 Gesetzgeberische Zielsetzung ist die Wahrung des Rechtsschutzes der unterlegenen Unternehmen, womit ein vom Auftraggeber – jedenfalls nach dem Zeitpunkt des Ablaufs der Mindestfrist – angegebenes Zuschlagsdatum den Zweck der Vorschrift grundsätzlich erfüllen würde.28

21Die Rechtsmittelrichtlinie bestätigt, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, längere Fristen als diese Mindestfristen einzuführen oder beizubehalten,29 allerdings gesteht sie dieses Recht nur den Mitgliedstaaten, nicht jedoch den öffentlichen Auftraggebern zu. Die Rechtsmittelrichtlinie erläutert zudem, dass die betroffenen Bieter über die „tatsächliche Frist“ informiert werden müssen, nachdem wegen der Vorgabe von Mindestfristen die Dauer der jeweiligen Wartefrist in den Mitgliedstaaten unterschiedlich – jedoch nicht kürzer als die Mindestfristen – sein kann.30 Mit Angabe der tatsächlichen Frist sollen die Bieter und Bewerber über diejenige Frist informiert werden, innerhalb derer sie ein Nachprüfungsverfahren anstrengen können, also während der ein Abschluss des Vertrags auf der Grundlage der Richtlinie bzw. der nationalen Umsetzung ausgesetzt ist.31

22Nachdem der öffentliche Auftraggeber auch bereits unter Geltung des § 13 VgV die gesetzliche Frist nicht mit der Folge der Nichtigkeit des Vertrags durch Angabe eines späteren Zuschlagszeitpunkts verlängern und damit den gesetzlichen Bieterschutz ausdehnen konnte,32 sprechen gute Argumente dafür, dass es sich bei dem im Rahmen des § 134 Abs. 1 GWB zu benennenden frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses um den frühestmöglichen Zeitpunkt nach Ablauf der Wartefrist handeln muss,33 wobei eine Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers, den Zuschlag unmittelbar nach Ablauf der Wartefrist zu erteilen, natürlich nicht besteht, und ein bestehendes Zuschlagsverbot zu berücksichtigen ist.34 Die Rechtsmittelrichtlinie bestätigt das, indem sie als zwingenden Inhalt der Information „eine genaue Angabe der konkreten Stillhaltefrist, die gemäß den einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung dieses Absatzes anzuwenden ist“, verlangt.35

23Eine von den Fristen des § 134 Abs. 2 GWB abweichende Angabe des Zuschlagszeitpunkts genügt damit nicht den gesetzlichen Vorgaben. Dies gilt auch dann, wenn der Auftraggeber sich an einen selbst gesetzten, auch nach dem Ablauf der gesetzlichen Wartefrist liegenden, späteren Zeitpunkt hält.36 Anzugebender frühester Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist im Hinblick auf die gebotene richtlinienkonforme Auslegung37 des § 134 Abs. 1 GWB und im Hinblick darauf, dass die Wartefrist in Kalendertagen bemessen ist, somit der 11. bzw. 16. Kalendertag nach Absendung der Information. Eine tatsächlich bestehende Absicht des Auftraggebers, den Zuschlag noch später zu erteilen, ist dagegen kein zwingender Bestandteil der Information.

24Gesteht der Auftraggeber zu, nachdem er den zutreffenden, frühestmöglichen Zeitpunkt des Zuschlags angegeben hat, den Zuschlag für einen bestimmten Zeitraum noch nicht zu erteilen, ist er hinsichtlich der Einhaltung dieses Zugeständnisses nicht mehr an § 134 Abs. 1 GWB, sondern an dem Gebot des Vertrauensschutzes zu messen, das sich auf der Grundlage des Grundsatzes von Treu und Glauben aus dem durch Ausschreibung und Bieterbeteiligung begründeten vorvertraglichen Schuldverhältnisses zwischen Auftraggeber und Bietern ergibt.38 Geht man allerdings davon aus, dass der öffentliche Auftraggeber auch an einen von ihm benannten, nach dem Ablauf der gesetzlichen Wartefrist liegenden Zuschlagszeitpunkt gebunden ist,39 wird man auch hier einen Verstoß gegen § 134 GWB annehmen können, wenn der Auftraggeber sich nicht an die nachträglich verlängerte Wartefrist hält. Nach Ansicht des OLG Düsseldorf führt aber eine verbindliche Zusage des Auftraggebers nur gegenüber einem Bieter, dass er den Zuschlag erst zu einem späteren als zu dem im Informationsschreiben mitgeteilten frühesten Zuschlagstermin erteilen werde, nicht zur Unwirksamkeit eines entgegen dieser Zusage unmittelbar nach Ablauf der gesetzlichen Wartefrist doch erteilten Zuschlags.40

25Die Angabe einer bestimmten Uhrzeit ist nicht notwendig, nachdem die Wartefrist nach Ablauf der 10 bzw. 15 Kalendertage endet und der Auftraggeber dann vollständig frei ist, wann er den Zuschlag erteilt.

26Der öffentliche Auftraggeber ist nicht gehindert, über die in § 134 Abs. 1 Satz 1 GWB zwingend vorgegebenen Angaben hinaus, weitere Informationen zu erteilen. In der Praxis hat es sich als für beide Seiten hilfreich erwiesen, auch die Platzierung des jeweiligen Angebots anzugeben. Aus der Angabe der Platzierung kann das Unternehmen Rückschlüsse hinsichtlich der Erfolgsaussichten eines Nachprüfungsantrags ziehen, nachdem Unternehmen, die wegen schlechter Platzierung keine Chance auf einen Zuschlag haben, in der Regel die Antrags­befugnis fehlt.41 Die zusätzliche Angabe der Platzierung schützt im Einzelfall daher die Unternehmen vor den Verfahrenskosten von Nachprüfungsverfahren, die sie in Kenntnis ihrer Platzierung nicht angestrengt hätten. Genauso kann aber auch der öffentliche Auftraggeber unnötige Verzögerungen durch eingeleitete Nachprüfungsverfahren vermeiden.

27Die Pflicht zur Nennung der Platzierung war in einem Vorentwurf des § 101a Abs. 1 Satz 1 GWB a. F. noch enthalten. Von der Aufnahme der Verpflichtung zur Angabe der Platzierung hat der Gesetzgeber dann aber wegen der damit verknüpften Rechtsfolge der Unwirksamkeit bei einem Fehlen dieser Angabe abgesehen.42 Bei der Platzierung handelt es sich im Übrigen auch nicht um einen tragenden Grund der Nichtberücksichtigung, der im Informationsschreiben auch ohne die ausdrückliche Erwähnung im Gesetz zu nennen wäre. Die Platzierung des Bieters ist vielmehr die Folge der tragenden Gründe für die Ablehnung des Angebots. Wenn nicht allein der Preis über den Zuschlag entscheidet, muss für den unterlegenen Bieter deshalb erkennbar sein, wie die Platzierung im Vergleich zu dem aus Sicht des Auftraggebers wirtschaftlichsten Angebot zustande gekommen ist. Hat der Auftraggeber für die Wertung der Angebote eine Matrix vorgegeben, sollte er anhand der Matrix in ausreichendem Umfang erläutern, welche Kriterien zu der Punktedifferenz im Vergleich zum Angebot des Bestbieters geführt haben.

2.Falsche oder unzureichende Information

28Die den Mindestinhalt aufweisende Information43 des Auftraggebers muss inhaltlich der Wahrheit entsprechen.44 Ein Verstoß gegen § 134 GWB liegt also jedenfalls dann vor, wenn der Auftraggeber bewusst eine falsche Information erteilt, um etwa einen unterlegenen Bieter von einem Nachprüfungsantrag abzuhalten. Ein Verstoß ist aber auch dann gegeben, wenn der Auftraggeber unbewusst eine falsche, für den abgelehnten Bieter jedoch relevante Information erteilt, beispielsweise das ausgewählte Unternehmen oder die Gründe für die Nichtberücksichtigung verwechselt oder falsch benennt. Ebenso ist ein Verstoß gegeben, wenn sich der Auftraggeber bei der Benennung des frühesten Zeitpunkts des Vertragsschlusses verrechnet und als Folge den Ablaufzeitpunkt der Wartefrist falsch angibt. Eine Heilung einer unzureichenden Information kommt jedenfalls nach Zuschlagserteilung nicht in Frage, da hierdurch der Sinn und Zweck der Information nach § 134 GWB unterlaufen würde.45

29Hiervon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen der Auftraggeber die Information aus Sicht des Empfängers unverständlich oder nicht mit der gebotenen Informationstiefe erteilt. Die Vorgabe des § 134 Abs. 1 GWB ist auch dann erfüllt, wenn die Information aus Sicht eines Bieters inhaltlich unzureichend ist.46 Entscheidend ist, dass in dem Informationsschreiben die tragenden Gründe für die Bevorzugung des Mitbewerbers angegeben und die Vorschrift damit zumindest formal erfüllt wird. Die Ausdehnung auf den Fall einer – nur aus Sicht des Empfängers – inhaltlich vermeintlich unzureichenden Informationsbegründung ist mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit und -klarheit unvereinbar. Die Beantwortung der Frage nach einer ausreichenden Informationsbegründung hängt schließlich stets auch von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere dem schon vorhandenen Kenntnisstand des den Rechtsschutz suchenden Bieters und dem Gegenstand der von ihm beabsichtigten Verfahrensrüge ab. Eine Begründung, die für den einen Bieter völlig nichtssagend ist, kann dem anderen Bieter, der seine Kenntnisse schon im Verlaufe des Verfahrens erlangt hat und für die Formulierung seiner beabsichtigten Rüge eigentlich keiner zusätzlichen Information mehr bedarf, ausreichen, Vergaberechtsschutz rechtzeitig vor Zuschlagserteilung durch Einleiten eines Nachprüfungsantrags in Anspruch zu nehmen. Die Annahme der Unwirksamkeit würde in einem solchen Fall zu einer Relativierung der Unwirksamkeitsfolge führen, die nicht mehr von objektiven, sondern von subjektiven in der Person des einzelnen Bewerbers liegenden Voraussetzungen abhinge. Die Wirksamkeit eines erfolgten Zuschlags bliebe damit für alle Beteiligten ungewiss.47

30Der Rechtsschutz des nach seiner Meinung unzureichend informierten Bieters ist auch ohne die Unwirksamkeitsfolge ausreichend gesichert. Er kann vor Zuschlagserteilung die Verletzung des § 134 GWB mit einem Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer mit dem Ziel geltend machen kann, die Vergabestelle zu verpflichten, eine nach Ansicht des Bieters ausreichende Begründung zu erteilen. Bis zur Entscheidung der Vergabekammer und dem Ablauf der Beschwerdefrist bleibt der Bieter durch das Zuschlagsverbot des § 169 Abs. 1 GWB vor einem Rechtsverlust geschützt.48 Vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens muss der Bieter jedoch die seiner Meinung nicht ausreichende Information gegenüber der Vergabestelle rügen. Bessert der Auftraggeber die Information im Rahmen der Rügeantwort nach,49 muss der Bieter vor Einreichung des Nachprüfungsantrags nochmals rügen, wenn er der Meinung ist, dass die Information jetzt zwar ausreichend ist, jedoch einen Wertungsfehler offenbart.50

31Bessert der Auftraggeber die unzureichende Information erst nach Zustellung eines Nachprüfungsantrags nach oder erteilt er die vollständige Information dann zum ersten Mal und erklärt der Antragsteller den Nachprüfungsantrag daraufhin für erledigt oder nimmt ihn zurück, können die Kosten des Nachprüfungsverfahrens dem Auftraggeber auferlegt werden,51 wenn die ursprüngliche Information tatsächlich unzureichend war. Die Nachbesserung führt jedenfalls nicht dazu, dass ein – bis dahin – zulässiges Nachprüfungsverfahren rückwirkend unzulässig wird.52 Die für den Auftraggeber nachteilige Kostenfolge kann sich beispielsweise dann ergeben, wenn in der Begründung der Information ein unzutreffender Grund für die Nichtberücksichtigung eines Angebots genannt wird, der Bieter deshalb die Nachprüfung beantragt, das Angebot aber aus einem anderen, dem Bieter nicht bekannten und in der Information nicht genannten Grund tatsächlich unberücksichtigt bleiben muss.53

32Eine weitergehende Folge als die Unwirksamkeit des Vertragsschlusses oder die für den Auftraggeber negative Kostenfolge, lässt sich § 134 Abs. 1 GWB und dessen Zweck, dem Bieter Zeit für die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Nachprüfungsverfahrens zu geben, nicht entnehmen. Der Auftraggeber ist insbesondere nicht gehindert („präkludiert“), zusätzlich zu den bereits mitgeteilten, tragenden Gründen, weitere Gründe für die Nichtberücksichtigung eines Angebots, insbesondere zwingende, jederzeit zu beachtende Ausschlussgründe54 nachzuschieben55. Schiebt der Auftraggeber im Antwortschreiben auf eine vorherige Rüge weitere – im Informationsschreiben ungenannte – Ablehnungsgründe nach, bedarf es keiner erneuten Rüge. Denn ansonsten hätte er es in der Hand, durch dosierte und nachträgliche Bekanntgabe seiner Entscheidungsgrundlagen eine Mehrzahl von Rügen erforderlich zu machen, die letztlich auf dieselbe Entscheidung zielen, nämlich das Angebot des Bieters nicht zu berücksichtigen.56 Nicht zu verwechseln ist die Frage der Präklusion jedoch damit, dass der Auftraggeber an ein einmal ordnungsgemäß ausgeübtes Ermessen zugunsten des Angebots eines Bieters gebunden bleibt, er also von seiner ursprünglichen Beurteilung bei unveränderter Sachlage nicht abrücken kann.57

3.Form

33Die Information ist in Textform zu versenden. Der Begriff der Textform ist im GWB selbst nicht definiert. Zur Auslegung wird man auf § 126b BGB zurückgreifen können, nachdem das GWB auch in anderen Normen auf Formvorschriften des BGB Bezug nimmt (z. B. § 30 Abs. 2 Satz 3 GWB). Informationsschreiben per E-Mail oder Computerfax genügen daher der Textform, wenn eine abgeschlossene Erklärung vorliegt, die die Person des Erklärenden erkennen lässt. Einer Unterschrift oder einer digitalen Signatur bedarf es bei Verwendung der Textform nicht (§ 126b BGB). Die Zulässigkeit der Versendung der Information per Fax oder auf elektronischem Weg ergibt sich auch aus § 134 Abs. 1 Satz 4 GWB sowie aus der Rechtsmittelrichtlinie, die von einer Absendung der Information per Fax, auf elektronischem Weg oder durch „andere Kommunikationsmittel“ spricht.58 Aufgrund der Zulassung dieser Übermittlungsformen durch die Rechtsmittelrichtlinie kommt es auf die im deutschen Recht verankerte Frage, ob der Empfänger mit einer Übermittlung per Fax oder auf elektronischem Wege einverstanden war, nicht an.

34Teilweise wird vertreten, dass die Textform entbehrlich sei, wenn ein Bewerber unmissverständlich, eindeutig und abschließend mündlich informiert worden sei und er diese mündliche Information so ernst genommen habe, dass er den vermeintlichen Vergabefehler formgerecht gerügt habe.59 Mag dies ein vertretbarer Ausnahmefall im Sinne von Treu und Glauben sein, so gibt die Vorschrift jedoch die Textform vor und knüpft den Beginn der Wartefrist ausdrücklich an die „Absendung“ der Information an. Eine mündliche bzw. telefonische Mitteilung kann daher die Wartefrist nicht in Lauf setzen.60 Es ist auch nicht erkennbar, warum eine Vergabestelle von der Verpflichtung der der Rechtssicherheit dienenden Erteilung der Information in Textform befreit werden sollte und der Bieter das einmal Gehörte, das Gesagte, das Gesprochene oder das nur Vermutete gegen sich gelten lassen müsste, nachdem an den Inhalt und den Umfang der Information auch keine hohen Anforderungen gestellt werden.61 Ließe man eine lediglich mündliche Mitteilung genügen, bestünde sonst das Risiko, dass ein Bieter, ein Beschaffungsvorhaben durch ein unnötiges Nachprüfungsverfahren zur vermeintlichen Wahrung seiner Rechte belastet, weil er eine mündliche Äußerung der Vergabestelle als eine die Wartefrist in Lauf setzende Information i. S. d. § 134 GWB verstanden hat.

4.Vertretung

35Der öffentliche Auftraggeber muss die wesentlichen Entscheidungen in einem Vergabeverfahren, insbesondere die Wertungsentscheidung selbst treffen.62 Da es sich bei der Information jedoch nicht um eine Wertungsentscheidung handelt, kann sich der Auftraggeber hierbei beispielsweise durch ein Ingenieurbüro, einen Projektsteuerer oder einen Rechtsanwalt vertreten lassen.63 Allerdings muss sich die Bevollmächtigung des Vertreters aus den Vergabeakten ergeben und für den zu informierenden Bieter zu erkennen sein. Anderenfalls beginnt die Frist gem. § 134 Abs. 2 Satz 3 GWB nicht zu laufen, nachdem die Vorschrift eine Information „durch den Auftraggeber“ verlangt. § 174 Satz 1 BGB ist nicht anwendbar, da die Information ebenso wie eine Rüge64 keinen rechtsgeschäftlichen, sondern verfahrensrechtlichen Charakter hat. Ist für den Bieter erkennbar, dass der Erklärende den Auftraggeber vertritt, kann der Bieter die Information deshalb nicht wegen Nichtvorlage einer Originalvollmacht zurückweisen.

5.Unverzüglichkeit

36§ 134 Abs. 1 Satz 1 GWB sieht vor, dass der Auftraggeber die betroffenen Bieter unverzüglich zu informieren hat, nachdem er seine Vergabeentscheidung getroffen hat. Das GWB enthält zwar keine Definition des Begriffes „unverzüglich“. Man wird hier jedoch auf die Legaldefinition des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückgreifen können. Danach hat der Auftraggeber die Information „ohne schuldhaftes Zögern“ zu erteilen, sobald die Entscheidung über die Vergabe getroffen wurde.

III.Adressatenkreis der Information

1.Bieter

37Die Informationspflicht besteht gem. § 134 Abs. 1 Satz 1 GWB gegenüber „Bietern“. Im Sinne dieser Vorschrift sind „Bieter“ diejenigen, die Bieterstatus erlangt und diesen zum Zeitpunkt der Information nicht verloren haben.

38a) Erlangung des Bieterstatus. Bieterstatus haben schon nach dem Wortlaut der Vorschrift („deren Angebote“) jedenfalls die Unternehmen, die zu einem bestimmten Vergabeverfahren ein Angebot eingereicht haben, unabhängig davon, in welcher Wertungsstufe deren Angebot auszuscheiden war.65 Auch ein Unternehmen, dessen Angebot schon wegen verspäteter Einreichung nicht berücksichtigt werden konnte, ist daher Bieter im Sinne der Vorschrift.66

39Bieterstatus können aber auch die Unternehmen haben, die in Bezug auf eine bestimmte Beschaffung – nicht notwendig durch Einreichen eines Angebots – dem Auftraggeber gegenüber ihr Interesse am Auftrag angezeigt oder sich um eine Auftragserteilung beworben haben.67 Bieterstatus kann daher beispielsweise auch ein Unternehmen haben, das sich gegenüber dem Auftraggeber an dem Auftrag interessiert gezeigt hat, aber aufgrund einer von dem Auftraggeber zu vertretenden Vergaberechtswidrigkeit, beispielsweise einer unzulässig produktbezogenen Ausschreibung, davon abgehalten wurde, ein Angebot abzugeben.68

40Darauf, ob der Auftraggeber mit mehreren Bietern oder nur mit einem einzigen Bieter tatsächlich verhandelt hat, kommt es nicht an. Ebenso wenig ist für den Bieterstatus entscheidend, ob der Auftraggeber einem am Auftrag interessierten Unternehmen formal eine Bieterstellung eingeräumt hat. Hat ein Unternehmen ein Interesse an einer Auftragserteilung bekundet und dieses nicht erkennbar wieder fallen gelassen, hat der Auftraggeber den dadurch gegebenen Bieterstatus im weiteren Verfahren in der Regel zu beachten.69 Aus Sicht des Auftraggebers sollte jedes Unternehmen informiert werden, das sich in einer Weise an dem Vergabeverfahren beteiligt hat, die zu einer Antragsbefugnis im Rahmen eines Vergabenachprüfungsverfahrens führen könnte. Fordert ein Interessent die Vergabeunterlagen an, meldet sich innerhalb der Angebotsfrist aber nicht mehr oder gibt auf Aufforderung kein Angebot ab,70 ist dies regelmäßig nicht der Fall.

41Ein lediglich potentielles Interesse eines Unternehmens oder ein Interesse an einer Auftragserteilung, das dem Auftraggeber gegenüber nicht hervorgetreten ist, kann nicht zu einem Bieterstatus führen.71 Der Auftraggeber ist deshalb nicht verpflichtet, eine Information nach § 134 GWB gegenüber einem Unternehmen zu erteilen, das zwar regelmäßig an bestimmten Ausschreibungen teilnimmt, an dem konkreten Beschaffungsvorgang aber kein Interesse bekundet hat.

42b) Verlust des Bieterstatus. Wann ein Bieter seinen Bieterstatus verloren hat, lässt sich insbesondere der Definition in der Rechtsmittelrichtlinie entnehmen. Danach gelten Bieter als betroffen, wenn sie noch nicht endgültig ausgeschlossen wurden. Ein Ausschluss ist endgültig, wenn er mitgeteilt und entweder von den Nachprüfungsorganen als rechtmäßig anerkannt wurde oder beispielsweise wegen Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags keinem Nachprüfungsverfahren mehr unterzogen werden kann.72 In diesem Fall hat der Bieter seinen Bieterstatus verloren und ist nicht mehr zu informieren. Zum Verlust des Bieterstatus und damit zum Verlust des Anspruchs, informiert zu werden, führt es auch, wenn der Bieter sein Angebot zurückzieht, verbindlich erklärt, am Vergabeverfahren nicht mehr teilnehmen zu wollen73 oder auf andere Weise dokumentiert, dass er kein Interesse mehr an dem Auftrag hat.74

43Wurde ein Bieter über den Ausschluss seines verspäteten Angebots frühzeitig informiert und kann er den Ausschluss nicht mehr anfechten oder hat er ihn erfolglos angefochten, ist er nicht mehr „betroffen“ und muss nicht nochmals informiert werden. Steht aber noch nicht fest, dass der Bieter endgültig aus dem weiteren Vergabeverfahren ausgeschieden ist, weil er beispielsweise den ihm mitgeteilten Ausschluss gerügt hat und ein Nachprüfungsverfahren noch einleiten könnte, darf der Auftraggeber auf eine förmliche Unterrichtung nach § 134 Abs. 1 Satz 1 GWB nicht verzichten.75

44c) Erfolgreicher Bieter. Der Bieter, dessen Angebot der Auftraggeber anzunehmen beschlossen hat, hat keinen Anspruch auf Information. Er hat zwar Bieterstatus und wäre auch „betroffen“. Gründe für dessen Nichtberücksichtigung, die ihm mitgeteilt werden könnten, gibt es jedoch nicht. Die Vorschrift ist auch nach ihrem Zweck, unterlegene Bieter zu schützen, nicht anwendbar und verpflichtet den öffentlichen Auftraggeber dementsprechend schon nach ihrem Wortlaut nur zur Information der Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen.76

2.Bewerber

45Kein Bieterstatus kommt einem Unternehmen zu, das über das Stadium der Bewerbung zur Teilnahme an dem eigentlichen Vergabeverfahren nicht hinausgekommen ist, insbesondere dann, wenn es zu Recht nicht zu dem Verfahren zugelassen wurde oder sich gegen seine Nichtzulassung nicht bzw. nicht erfolgreich zur Wehr gesetzt hat.77 Bewerber ist nach der Definition der VRL derjenige, der sich um eine Aufforderung zur Teilnahme an einem nicht offenen Verfahren, einem Verhandlungsverfahren, einem Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung, einem wettbewerblichen Dialog oder einer Innovationspartnerschaft beworben hat oder eine solche Aufforderung erhalten hat.78 Nach dem Wortlaut der Vorschrift („Ablehnung der Bewerbung“) muss aber das Unternehmen jedenfalls einen Teilnahmeantrag eingereicht haben, um als Bewerber informiert zu werden. Das Anfordern der Teilnahmeunterlagen oder der Erhalt einer Aufforderung zur Teilnahme allein genügt nicht.

46Bewerber sind nach § 134 Abs. 1 Satz 2 GWB zu informieren, wenn der öffentliche Auftraggeber ihnen die Ablehnung ihrer Bewerbung nicht mitgeteilt hat, bevor die Information über die Zuschlagsentscheidung an die betroffenen Bieter ergangen ist.79 Verhindert werden soll damit, dass Bewerber, die über die Ablehnung ihrer Bewerbung nicht informiert wurden, gegen diese Entscheidung nach erteiltem Zuschlag nicht mehr vorgehen können. Sind die abgelehnten Bewerber entsprechend in Kenntnis gesetzt worden, erübrigt sich eine nochmalige Information nach § 134 GWB jedenfalls dann, wenn der Auftraggeber sicher sein kann, dass die Ablehnung rügelos hingenommen worden ist, oder wenn die Wirksamkeit der Ablehnung rechtskräftig festgestellt wurde.80 Ebenso entfällt die Informationsverpflichtung, wenn der Bewerber seinen Teilnahmeantrag zurückzieht oder auf andere Weise dokumentiert, dass er kein Interesse mehr an dem Auftrag hat.81 Bei Zweifeln ist es für Auftraggeber ratsam, Bewerber sowohl über die Ablehnung ihrer Bewerbung als auch über den beabsichtigten Zuschlag zu informieren.

3.Nach Aufhebung

47Ist ein offenes oder nicht offenes Verfahren aufgehoben worden, zählen in einem anschließenden Verhandlungsverfahren auch die Unternehmen zum geschützten Adressatenkreis der Informationspflicht, die an dem vorangegangenen Verfahren teilgenommen haben.82 Denn der Auftraggeber muss zumindest diejenigen Unternehmen an der Verhandlung beteiligen, die er im Rahmen des aufgehobenen Verfahrens zur Abgabe von Angeboten aufgefordert hat, soweit sich bei Einleitung des Verhandlungsverfahrens der Beschaffungsbedarf nicht grundsätzlich geändert hat. Der lediglich formale Akt der Aufhebung der Ausschreibung ist in diesem Fall nicht geeignet, den Bieterstatus eines Unternehmens entfallen zu lassen.83

IV.Wartefrist

1.Beginn der Wartefrist

48§ 134 GWB gibt vor, dass der Vertrag nicht geschlossen werden darf, bevor bestimmte Wartefristen „nach Absendung der Information nach Absatz 1“ abgelaufen sind (§ 134 Abs. 2 Satz 1 GWB). Eine Information, die nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Textform entspricht84 oder nicht den gesetzlich vorgegebenen Mindestinhalt85 aufweist, kann diese Wartefristen daher schon gar nicht in Gang setzen, beispielsweise, wenn der Name des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll, nicht genannt wird.86 Die Wartefrist wird nach Ansicht des OLG Düsseldorf auch dann nicht in Gang gesetzt, wenn der öffentliche Auftraggeber – ohne dass eine dahingehende Absicht in solchen Fällen festgestellt werden müsste – den Zeitpunkt der Information rechtsmissbräuchlich so wählt, dass sich die Frist für die Anbringung eines Nachprüfungsantrags aufgrund von Feiertagen faktisch wesentlich reduzieren würde.87 Auch wenn der Auftraggeber eine zu kurze Wartefrist angibt, beginnt die Wartefrist nicht zu laufen und es bleibt ihm nur, die Information erneut mit der zutreffenden längeren Frist zu versenden.88 Die Länge der Wartefrist ist abhängig von der Art des Kommunikationsmittels.

49Auf den Tag des Zugangs der Information bei dem jeweiligen Unternehmen kommt es nach dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift für die Berechnung der Fristen nicht an,89 sodass der Zuschlag nach Ablauf der Wartefrist auch erteilt werden kann, wenn einem Unternehmen die Information noch nicht zugegangen ist.90 Bestand bei Einführung des § 13 VgV wegen des lückenhaften Wortlautes noch Streit darüber, ob es für den Beginn der Frist darauf ankommt, wann die Information abgesendet oder wann sie dem letzten Unternehmen zugegangen ist, wurde der Wortlaut zugunsten der Auftraggeber schon bei § 101a GWB a. F. nachgebessert und auf den Tag nach der Absendung als Fristbeginn abgestellt,91 wobei für den Ablauf der Wartefrist aus Sicht des Auftraggebers die Absendung an den letzten Bieter maßgebend ist.92

50Teilweise wird vertreten, dass es bei europarechtskonformer Auslegung der Vorschrift an einer Information, die den Fristlauf in Gang setzen könnte, gänzlich fehle, wenn die Mitteilung dem Bieter nicht tatsächlich zugehe.93 Mag diese Ansicht zu den Richtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG und § 13 VgV in der Fassung vom 1.2.2001 noch vertretbar gewesen sein, berücksichtigt sie jedoch nicht, dass die Rechtsmittelrichtlinie den Mitgliedstaaten die Wahl lässt, den Fristbeginn entweder an die Absendung der Information an den unterlegenen Bieter oder an den Zugang der Information bei diesem anzuknüpfen.94 Nachdem sich der deutsche Gesetzgeber für die Absendung als einziges Kriterium für den Beginn des Fristlaufs95 entschieden hat, kommt es nicht darauf an, ob der Bieter die Information tatsächlich erhält, wenn der Auftraggeber nachweisen kann, dass er die Information ordnungsgemäß an den Bieter abgesendet hat. Für eine europarechtskonforme Auslegung, die einen Zugang der Information beim Bieter zu deren Wirksamkeit verlangt, bleibt deshalb kein Raum.96 Die Vorschrift dient schließlich auch den Interessen des Auftraggebers, der bei fehlender Rüge davon ausgehen darf, dass nach Ablauf der Wartefrist einer Zuschlagserteilung und Durchführung des Auftrags nichts im Wege steht.97 Wird die Information lediglich auf einer eVergabeplattform für die Bieter zur Einsichtnahme bereitgestellt, ist aber nicht nur der Zugang, sondern schon die Erfüllung des Kriteriums der Absendung zweifelhaft.98

51Das Übermittlungsrisiko, ob und wann das Informationsschreiben zugeht, hat der Gesetzgeber damit dem abgelehnten Unternehmen aufgebürdet. Die Beweislast dafür, dass die Information tatsächlich und ordnungsgemäß auf elektronischem Weg oder per Fax abgesendet und die einschlägige Wartefrist eingehalten wurde, verbleibt jedoch beim Auftraggeber.99 Allerdings wird man dem Unternehmer auch bei nachweisbar erfolgter Versendung der Information keinen Verstoß gegen eine Rügeverpflichtung anlasten können, wenn er – von der Vergabestelle nicht widerlegbar – behauptet, die Information nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt erhalten zu haben.100

52Abgesendet ist die Information, wenn sich der öffentliche Auftraggeber der schriftlichen Mitteilungen an die betroffenen Unternehmen „entäußert“, er diese Schriftstücke also aus seinem Herrschaftsbereich so herausgegeben hat, dass sie bei bestimmungsgemäßem weiteren Verlauf der Dinge die Unternehmen erreichen, deren Angebote oder Teilnahmeanträge nicht berücksichtigt werden sollen.101 Die Übergabe der schriftlichen Information an die hauseigene Poststelle stellt daher noch keine Absendung im Sinne der Vorschrift dar.

53Die Wartefrist soll den betroffenen Unternehmen genügend Zeit geben, die Zuschlagsentscheidung zu prüfen und zu beurteilen, ob ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet werden soll. Da sie folglich dem Schutz des einzelnen Bieters oder Bewerbers dient,102 muss jedem Unternehmen die gleiche Wartefrist zur Verfügung stehen. Sendet der Auftraggeber Informationen an verschiedene Unternehmen an verschiedenen Tagen ab, hat er deshalb nur dann Sicherheit, dass sein Zuschlag nicht mehr angreifbar ist, wenn die jeweilige Wartefrist gegenüber allen Unternehmen abgelaufen ist, an die die Information versandt wurde.103

54Im Hinblick auf erforderliche Auslandszustellungen dürfte der Auftraggeber schon aus Gründen der Gleichbehandlung (§ 97 Abs. 2 GWB) verpflichtet sein, den Übertragungsweg zu wählen, der einen möglichst gleichzeitigen Zugang ermöglicht. Eine lediglich mündlich erteilte Information setzt die Wartefrist des § 134 Abs. 1 GWB jedoch regelmäßig nicht in Lauf.104

2.Berechnung

55Der Auftraggeber hat die Information in Textform spätestens 15 Kalendertage bei Versendung per Post bzw. 10 Kalendertage bei Versendung auf elektronischem Wege oder per Fax vor dem Vertragsabschluss an die betroffenen Bieter oder Bewerber abzusenden.

56Die Wartefrist beginnt gem. § 134 Abs. 1 Satz 5 GWB am Tag nach der Absendung der Information zu laufen. Bei dem Tag nach der Absendung handelt es sich somit um den ersten der 15 bzw. 10 Kalendertage, die vollständig ablaufen müssen. Die Wartefrist endet folglich mit Ablauf des 15. bzw. 10. Kalendertags, der dem Tag der Absendung folgt, um 24.00 Uhr. Der Auftraggeber ist mit Beginn des 16. bzw. 11. Kalendertags nach erfolgter Absendung frei, den Zuschlag zu erteilen.

57Ein Rückgriff auf die §§ 31 VwVfG i. V. m. 187 ff. BGB zur Berechnung der Frist ist nicht angezeigt. Bei den §§ 187 ff. BGB handelt es sich nach § 186 BGB um Auslegungsvorschriften, die nur dann Anwendung finden können, wenn eine Vorschrift der Auslegung bedarf.105 Mit der Festlegung des Fristbeginns in § 134 Abs. 2 Satz 3 GWB und der Verwendung des Begriffs „Kalendertage“ ist für eine Auslegung hinsichtlich der Fristberechnung jedoch kein Raum mehr.

58§ 193 BGB ist schon nach seinem Wortlaut nicht auf den Fristbeginn anwendbar,106 sodass die 15 bzw. 10 Kalendertage beispielsweise auch am Karfreitag zu laufen beginnen, wenn das Informationsschreiben am Gründonnerstag versandt wird. Nachdem die Wartefristen auf Kalendertage abstellen, kommt es grundsätzlich auch nicht darauf an, ob das Fristende auf einen Sonnabend, Sonn- oder Feiertag fällt, andernfalls hätte der Gesetzgeber den Begriff „Tag“ verwendet.107 Bei den Wartefristen geht es auch nicht um Fristen i. S. d. § 193 BGB, innerhalb deren eine Willenserklärung abzugeben ist, sondern um Fristen vor deren Ablauf eine Willenserklärung seitens der Vergabestelle, nämlich die Zuschlagserteilung, nicht erfolgen darf. Die Frist beschränkt somit nicht die Rechte des unterlegenen Unternehmens, sondern beschränkt die Handlungsfreiheit des Auftraggebers. Mit dem Wegfall des Zuschlagsverbots nach Ablauf der Wartefrist tritt somit eine Rechtswirkung ein, die von § 193 BGB nicht erfasst wird.108 Für Auslegungsregeln wie §§ 193 BGB, 31 Abs. 3 VwVfG und 222 Abs. 2 ZPO oder Art. 3 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1182/71 des Rates vom 3. Juni 1971 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine109 ist damit im Hinblick auf das Fristende kein Raum.110 Die Wartefrist kann somit auch an Sonnabenden, Sonn- oder Feiertagen enden. Aus den gleichen Gründen kann sich die Berechnung der Frist auch nicht danach richten, ob und wie viele Sonnabende, Sonn- oder Feiertage innerhalb der Wartefrist liegen und wie viele Arbeitstage dem abgelehnten Bieter für die Korrespondenz mit dem Auftraggeber und die Entscheidung, ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten, zur Verfügung stehen.111 Ein Abstellen darauf, ob und inwieweit aus Sicht des abgelehnten Bieters der Entscheidungszeitraum unzumutbar verkürzt wird, sieht die Vorschrift nicht vor und würde zu einer Relativierung der Frist und zur Rechtsunsicherheit führen.112

59Der deutsche Gesetzgeber hat zwar die von der Rechtsmittelrichtlinie vorgegebenen Mindest-Stillhaltefristen113 entsprechend dem jeweiligen Kommunikationsmittel übernommen, hat dabei aber nicht klargestellt, welche Frist gelten soll, wenn verschiedene Kommunikationsmittel gleichzeitig genutzt werden.114 Wird die inhaltsgleiche Information an einen Bieter mit mehreren, unterschiedliche Wartefristen auslösenden Kommunikationsmitteln (z. B. E-Mail und Einschreiben) am gleichen Tag versandt, stellt sich deshalb die Frage, ob die kürzere oder die längere Frist gelten soll. Grundsätzlich entsteht dem Bieter, der die am gleichen Tag versendete Information zuerst mit E-Mail und zwei Tage später mit der Post erhält, kein Nachteil bei Anwendung der kürzeren Frist, nachdem er sich auf diese mit Erhalt des E-Mails schon einstellen konnte. Damit er sich darauf einstellen kann, muss ihm die E-Mail aber tatsächlich zugegangen sein. Nachdem der Zugang der Information im Rahmen der Fristberechnung des § 134 GWB aber keine Rolle spielt, die Wartefrist dem Schutz der Bieter dient und es der Auftraggeber selbst in der Hand hat, mit dem richtigen Einsatz der Kommunikationsmittel festzulegen, welche der beiden Wartefristen gelten soll, wird man hier zugunsten des Bieters davon ausgehen müssen, dass die längere Frist gilt.

60Wird die inhaltsgleiche Information an ein Unternehmen mit mehreren, unterschiedliche Wartefristen auslösenden Kommunikationsmitteln an verschiedenen Tagen versendet, wird man schon aus Gründen der Rechtssicherheit davon ausgehen müssen, dass die vom Auftraggeber gewählte Form der ersten Information die entsprechende Wartefrist in Gang setzt. Diese gilt selbst dann, wenn danach zusätzlich eine andere Kommunikationsart verwendet wird. Wird die Information also beispielsweise mit der Post versendet und am darauffolgenden Tag mit E-Mail, gilt die Wartefrist von 15 Kalendertagen, auch wenn die Information mit E-Mail den Bieter früher erreicht, nachdem es auf den Zugang der Information nicht ankommt. Erfolgt die Versendung „vorab per Fax“ und am nächsten Tag mit Einschreiben, bleibt es bei der mit der zuerst abgesandten Information in Gang gesetzten Frist der 10 Kalendertage.

3.Änderung der Wartefrist

61Die Wartefrist ist eine gesetzliche, weder als Mindest- noch als Höchstfrist vorgegebene Frist und kann deshalb – abgesehen von einem Neubeginn des Fristlaufs – durch Erklärungen oder Handlungen des Auftraggebers oder der Bieter weder verkürzt noch verlängert werden. Ein Bieter kann durch eine Fristsetzung gegenüber dem Auftraggeber, die über die Frist des § 134 GWB hinausgeht, den Lauf der gesetzlich bestimmten und in Gang gesetzten Frist damit nicht zu seinen Gunsten verlängern.115 Auch eine Absichtserklärung des Auftraggebers, den Zuschlag erst am 17. oder 18. Tag nach Absendung der Information erteilen zu wollen, hat deshalb auf den Ablauf der gesetzlichen Frist keinen Einfluss.116 Die überwiegende Meinung geht aus Gründen des Bieterschutzes jedoch davon aus, dass es einen Verstoß gegen § 134 GWB darstellt und der Vertrag damit unwirksam sein kann, wenn ein vom Auftraggeber in seinem Informationsschreiben genannter Termin zwar nach Ende der gesetzlichen Wartefrist liegt, und er den Zuschlag auch nach Ablauf der gesetzlichen Wartefrist jedoch noch vor dem von ihm selbst genannten Termin erteilt.117 Zu demselben Verstoß gelangt man, wenn man der Meinung folgt, dass der Auftraggeber in diesem Fall schon nicht den von § 134 Abs. 1 GWB verlangten „frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses“ angegeben hat.118

62Überprüft der Auftraggeber nach Rüge eines Bieters seine Vergabeentscheidung, ohne diese zu ändern, hat dies grundsätzlich keinen Einfluss auf den Lauf der Wartefrist. Andernfalls hätten es Bieter in der Hand, die Wartefrist durch bloße Rüge zu verlängern.119 Die bloße Rüge lässt jedoch den Lauf der Wartefrist unberührt (§ 160 Abs. 3 Nr. 1 HS 2 GWB). Erklärt die Vergabestelle aber, ihre Vergabeentscheidung zu überprüfen und den Zuschlag nicht vor erneuter Information an den Rügenden zu erteilen, entsteht die Informations- und Wartepflicht des Auftraggebers unabhängig von dem Ergebnis der Prüfung erneut.120 Der Zuschlag kann dann erst nach Ablauf der gegenüber dem Rügenden neu laufenden Wartefrist erteilt werden. Anderenfalls wäre der Bieter gezwungen, einen Nachprüfungsantrag zu stellen, wenn es dem Auftraggeber nicht möglich ist, die Prüfung der Rüge innerhalb der ursprünglichen Wartefrist abzuschließen, selbst wenn der Auftraggeber der Rüge des Bieters im Ergebnis abgeholfen hätte.

63Dagegen führt nach Ansicht des OLG Düsseldorf eine verbindliche Zusage des Auftraggebers nach Erhalt einer Rüge, dass er den Zuschlag erst zu einem späteren als zu dem im Informationsschreiben mitgeteilten frühesten Zuschlagstermin erteilen werde, nicht zur Unwirksamkeit eines entgegen dieser Zusage unmittelbar nach Ablauf der gesetzlichen Wartefrist doch erteilten Zuschlags, wenn mit der Zusage die Wartefrist nicht wirksam verlängert wurde. Ohne zu entscheiden, ob der Lauf der Wartefrist überhaupt durch gewillkürte Erklärung des Auftraggebers oder der Vergabestelle verlängert werden kann,121 ist das OLG Düsseldorf der Ansicht, dass eine Verlängerung der Wartefrist zu ihrer Wirksamkeit jedenfalls einer Bekanntgabe gegenüber allen Bietern bedürfte, deren Angebote von einem Zuschlag ausgenommen bleiben sollen,122 was im Hinblick darauf, dass die Informationspflicht dem Rechtsschutz des jeweils betroffenen Bieters dient und der Ablauf der Wartefrist abhängig von der Absendung des jeweiligen Informationsschreibens, auch unterschiedlich sein kann,123 schwer nachvollziehbar wäre. Folgt man dennoch dieser Ansicht, wird sich ein Bieter auf die ihm gegenüber ausgesprochene Verlängerung der Wartefrist nicht mehr verlassen können und zur Wahrung seiner Rechte dennoch Nachprüfung beantragen und werden öffentliche Auftraggeber, um sicher zu gehen, alle, auch die nicht rügenden Bieter, zumindest aber alle Rügeführer,124 über eine Verlängerung der Wartefrist informieren müssen.

64Nachdem die Wartefristen des § 134 GWB dem Bieterschutz dienen, kann der Auftraggeber den Zuschlag nicht angreifbar erteilen, wenn die nicht berücksichtigten, betroffenen Bieter auf die Einhaltung der Wartefrist verzichten. In diesem Fall wären die betroffenen Bieter nach Treu und Glauben später daran gehindert, sich auf die Unwirksamkeit des Vertrags wegen der Nichteinhaltung der Wartefrist zu berufen.

C.Entfall oder Einschränkung der Informationspflicht

65Bei Vergabeverfahren, bei denen dringende und zwingende Gründe außerhalb der Einflusssphäre des öffentlichen Auftraggebers (z. B. Flutkatastrophen, Havarien) wegen besonderer Dringlichkeit ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb rechtfertigen,125 ist der öffentliche Auftraggeber durch § 134 Abs. 3 Satz 1 GWB ausnahmsweise von der Informationsverpflichtung vollständig befreit. Zur Bemessung der besonderen Dringlichkeit kann als Maßstab herangezogen werden, inwieweit aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit des Auftrags ein Zuwarten von 10 Kalendertagen untunlich oder unzumutbar wäre.126 Der Auftraggeber soll in diesen Fällen in der Lage sein, die erforderlichen Aufträge sofort zu erteilen, ohne eine Wartefrist einhalten zu müssen.127 Der öffentliche Auftraggeber kann sich dabei jedoch nicht auf eine Dringlichkeit berufen, die er selbst zu vertreten hat. Die angeführten Umstände zur Begründung der Dringlichkeit dürfen damit auf keinen Fall dem öffentlichen Auftraggeber bzw. seiner organisatorischen Sphäre zuzuschreiben sein.128 Sie dürfen für ihn auch nicht vorhersehbar gewesen sein. Vorhersehbar sind Umstände, die bei einer sorgfältigen Risikoabwägung oder Berücksichtigung der aktuellen Situation und deren möglicher Fortentwicklung nach allgemeiner Lebenserfahrung eintreten können.129 Zudem muss zwischen dringlichen Gründen und der Unmöglichkeit, vorgeschriebene Fristen einzuhalten, ein Ursachenzusammenhang bestehen.130 Zur Begründung einer besonderen Dringlichkeit muss somit in der Regel eine akute Gefahrensituation und höhere Gewalt vorliegen, die ein sofortiges, die Einhaltung von Fristen ausschließendes Handeln erfordern, um Schäden von für Leib und Leben der Allgemeinheit abzuwenden. Wirtschaftliche Gründe genügen hierfür regelmäßig nicht.131

66Die Rechtsmittelrichtlinie hätte es zugelassen, den Wegfall der Informationspflicht auf alle Verfahren auszudehnen, in denen ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union zulässig ist.132 Von dieser Möglichkeit hat der deutsche Gesetzgeber jedoch keinen Gebrauch gemacht. Gehen im Rahmen eines offenen oder nicht offenen Verfahrens keine Angebote ein, bleibt es damit beispielsweise bei der Informations- und Wartepflicht des Auftraggebers im Rahmen eines nachfolgenden Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb.

67Auch wenn es in § 134 Abs. 3 Satz 1 GWB nicht ausdrücklich erwähnt wird und der deutsche Gesetzgeber von dieser Ermächtigung133 keinen ausdrücklichen Gebrauch gemacht hat, wird die Informationsverpflichtung nach § 134 Abs. 1 GWB auch dann entfallen, wenn es die vergaberechtlichen Vorschriften zulassen, dass der Auftraggeber das Vergabeverfahren auf die Einholung lediglich eines Angebots beschränkt. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Auftrag wegen seiner technischen oder künstlerischen Besonderheiten oder aufgrund des Schutzes eines Ausschließlichkeitsrechts (z. B. Patent-, Urheberrecht) nur von einem bestimmten Unternehmen durchgeführt werden kann.134 In diesem Fall fehlt es schon an betroffenen Bietern oder Bewerbern, die zu informieren wären.135

68In § 134 Abs. 3 Satz 2 GWB wurden die Ausnahmen von der Informationspflicht bei verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen Aufträgen136 gem. Art. 35 Abs. 3 VSVR aus § 35 Abs. 2 VSVgV in das GWB übernommen. Der von dem öffentlichen Auftraggeber zu fassende und zu dokumentierende Beschluss bedarf einer Interessensabwägung. Als Interessen, die bei der Abwägung mit dem gemeinschaftsrechtlichen Transparenzinteresse berücksichtigt werden können, kommen die Behinderung des Gesetzesvollzuges, das öffentliche Interesse insbesondere Verteidigungs- oder Sicherheitsinteressen, aber auch berechtigte geschäftliche Interessen öffentlicher oder privater Unternehmen oder die Lauterkeit des Wettbewerbs zwischen ihnen in Frage.137 Die Ausnahmetatbestände zur Informationspflicht sind abschließend und eng auszulegen.

69Anders als § 134 Abs. 3 Satz 1 GWB führt die Regelung in § 134 Abs. 3 Satz 2 GWB nicht zum Entfall der Informationspflicht, sondern nur zu einer Einschränkung von deren Umfang. Dem Auftraggeber wird in diesem Fall ein Ermessen eingeräumt, „bestimmte Informationen“ nicht mitzuteilen, also auch von dem Mindestinhalt138 der Information gem. § 134 Abs. 3 Satz 1 GWB abzuweichen. Ist der Auftraggeber allerdings aufgrund einer fehlerhaften Interessenabwägung von einer eingeschränkten Informationsverpflichtung ausgegangen, wird die Wartefrist mangels Mindestinhalts der Information nicht in Gang gesetzt.139

§ 135 GWBUnwirksamkeit

(1) Ein öffentlicher Auftrag ist von Anfang an unwirksam, wenn der öffentliche Auftraggeber

1. gegen § 134 verstoßen hat oder

2. den Auftrag ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union vergeben hat, ohne dass dies aufgrund Gesetzes gestattet ist

und dieser Verstoß in einem Nachprüfungsverfahren festgestellt worden ist.

(2) 1Die Unwirksamkeit nach Absatz 1 kann nur festgestellt werden, wenn sie im Nachprüfungsverfahren innerhalb von 30 Kalendertagen nach der Information der betroffenen Bieter und Bewerber durch den öffentlichen Auftraggeber über den Abschluss des Vertrags, jedoch nicht später als sechs Monate nach Vertragsschluss geltend gemacht worden ist. 2Hat der Auftraggeber die Auftragsvergabe im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt gemacht, endet die Frist zur Geltendmachung der Unwirksamkeit 30 Kalendertage nach Veröffentlichung der Bekanntmachung der Auftragsvergabe im Amtsblatt der Europäischen Union.

(3) 1Die Unwirksamkeit nach Absatz 1 Nummer 2 tritt nicht ein, wenn

1. der öffentliche Auftraggeber der Ansicht ist, dass die Auftragsvergabe ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union zulässig ist,

2. der öffentliche Auftraggeber eine Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht hat, mit der er die Absicht bekundet, den Vertrag abzuschließen, und

3. der Vertrag nicht vor Ablauf einer Frist von mindestens zehn Kalendertagen, gerechnet ab dem Tag nach der Veröffentlichung dieser Bekanntmachung, abgeschlossen wurde.

2Die Bekanntmachung nach Satz 1 Nummer 2 muss den Namen und die Kontaktdaten des öffentlichen Auftraggebers, die Beschreibung des Vertragsgegenstands, die Begründung der Entscheidung des Auftraggebers, den Auftrag ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union zu vergeben, und den Namen und die Kontaktdaten des Unternehmens, das den Zuschlag erhalten soll, umfassen.

Schrifttum: Brauer, Das Verfahren vor der Vergabekammer, NZBau 2009, 297 ff.; Dreher/Hoffmann, Die schwebende Wirksamkeit nach § 101b I GWB, NZBau 2010, 201 ff.; Dreher/Hoffmann, Die Informations- und Wartepflicht sowie die Unwirksamkeitsfolge nach den neuen §§ 101a und 101b GWB, NZBau 2009, 216 ff.; Hailbronner, NZBau 2002, 474 ff.; Höß, Die Informationspflicht des Auftraggebers, VergabeR 2002, 443 ff.; Ollmann, Die kleine Vergaberechtsreform, VergabeR 2008, 447 ff.; Opheys, Effektiver Rechtsschutz im Vergabeverfahren, NZBau 2017, 714 ff.; Peters, Die Vergabe ohne Ausschreibung und die vorzeitige Vergabe nach Ausschreibung, NZBau 2011, 7 ff.

Übersicht Rn.
A. Vorbemerkungen 1–4
B. Regelungsbereich der Vorschrift 5–59
I. Unwirksamkeitsgründe 5–15
1. Verstoß gegen § 134 GWB 6–8
2. Tatbestand des § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB 9–15
a) Vergabe ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union 10–13
b) Geschützter Personenkreis 14
c) Gestattung aufgrund Gesetzes 15
II. Unwirksamkeit 16–34
1. Schwebende Wirksamkeit 17–19
2. Feststellung des Verstoßes 20–24
3. Relative und absolute Unwirksamkeit 25–29
4. Folge der schwebenden Wirksamkeit 30–34
III. Nachprüfungsverfahren 35–50
1. Rüge als Voraussetzung 35
2. Fristen 36–50
a) 30 Kalendertage nach Information 40–43
b) Sechs Monate nach Vertragsschluss 44, 45
c) 30 Kalendertage nach Veröffentlichung 46–50
IV. Freiwillige Ex-Ante-Transparenz 51–58
V. Vorbeugender Rechtsschutz 59

A.Vorbemerkungen

1§ 135 Abs. 1 GWB entspricht im Wesentlichen dem § 101b Abs. 1 Nr. 1 und 2 GWB a. F. Der missglückte § 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB a. F. wurde dahingehend korrigiert, dass für die Unwirksamkeit auf die fehlende vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union abgestellt wird.

2§ 135 Abs. 2 Satz 1 GWB entspricht im Wesentlichen dem § 101b Abs. 2 Satz 1 GWB a. F., mit der Änderung, dass nunmehr der Lauf der Frist, innerhalb der ein Unternehmen die Feststellung der Unwirksamkeit eines öffentlichen Auftrags beantragen kann, eine Information der betroffenen Bieter oder Bewerber durch den öffentlichen Auftraggeber über den Abschluss des Vertrags voraussetzt. Eine anderweitige Kenntniserlangung durch den Bieter oder Bewerber genügt als fristauslösendes Ereignis nicht.

3§ 135 Abs. 2 Satz 2 GWB entspricht dem § 101b Abs. 2 Satz 2 GWB a. F. Die Vorschrift eröffnet dem Auftraggeber die Möglichkeit, durch eine Veröffentlichung einer bereits erfolgten Auftragsvergabe innerhalb von 30 Kalendertagen Rechtssicherheit über deren Wirksamkeit zu erhalten. Allerdings schützt diese Vorgehensweise nur vor der Unwirksamkeit des geschlossenen Vertrags, nach deutschem (Vergabe)-Recht. Die Rechtssicherheit nach § 135 Abs. 2 Satz 2 GWB erstreckt sich nicht auf die Unwirksamkeit, Angreifbarkeit oder Nichtigkeit des Vertrags aus anderen Gründen. In Betracht kommt beispielsweise die Nichtigkeit des Vertrags wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 BGB (z. B. bei kollusivem Zusammenwirken zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer1) oder die Rechtswidrigkeit des Vertrags nach europäischem Vergaberecht, die von der Kommission trotz Ablaufs der Frist nach § 135 Abs. 2 Satz 2 GWB aufgegriffen werden und zur Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof einschließlich Feststellung der Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Beendigung der europarechtswidrigen Zustände führen kann.2

4§ 135 Abs. 3 GWB übernimmt nunmehr die schon in der Rechtsmittelrichtlinie vorgesehene Möglichkeit, die Unwirksamkeit eines öffentlichen Auftrags zu vermeiden, wenn der öffentliche Auftraggeber der Ansicht ist, eine Vergabe sei ohne vorherige Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union zulässig, indem der öffentliche Auftraggeber unter bestimmten Voraussetzungen im Amtsblatt der Europäischen Union die Absicht des Vertragsschlusses bekundet und dieser Vertragsschluss nicht vor Ablauf einer Frist von mindestens 10 Kalendertagen gerechnet ab dem Tag nach der Veröffentlichung der Bekanntmachung abgeschlossen wird3 („freiwillige Ex-Ante-Transparenz“). Die Kommission hat bereits mit der Verordnung (EG) Nr. 1150/2009 vom 10.11.2009 ein Formular zur Verwendung im Rahmen dieser freiwilligen Ex-Ante-Transparenz aufgenommen. Mit Verordnung (EU) Nr. 2015/1986 vom 11.11.2015 wurde das Formular für die freiwillige Ex-Ante-Transparenz als Standardformular 15 erneuert.

B.Regelungsbereich der Vorschrift

I.Unwirksamkeitsgründe

5§ 135 Abs. 1 GWB nennt zwei voneinander unabhängige Unwirksamkeitsgründe. Den Verstoß gegen die Informations- und Wartepflicht des § 134 GWB (Nr. 1) und die gesetzlich nicht gestattete Vergabe eines Auftrages ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union (Nr. 2).

1.Verstoß gegen § 134 GWB

6Ein Verstoß gegen § 134 GWB liegt vor, wenn

– der maßgebliche Adressatenkreis nicht informiert wird,4 ohne dass ein Ausnahmetatbestand (z. B. § 134 Abs. 3 Satz 1 GWB) vorliegt;

– die Information nicht den gesetzlich vorgegebenen Mindestinhalt aufweist, ohne dass die Voraussetzungen des § 134 Abs. 3 Satz 2 GWB vorliegen;5

– die Information nicht in der gesetzlich vorgegebenen Textform erteilt wird;6

– der Zuschlag vor Ablauf der Wartefrist erteilt wird;7

– in einem an die unterlegenen Bieter gerichteten Informationsschreiben bewusst oder unbewusst ein vor oder nach dem 11. bzw. 16. Kalendertag liegender „frühester Zeitpunkt des Vertragsschlusses“ angegeben wurde,8 es sei denn es handelt sich um eine offenkundige Falschangabe, wie eine falsche Jahreszahl;9

– der Auftraggeber entgegen § 134 Abs. 1 Satz 1 GWB nicht unverzüglich informiert.10

7Ein geschlossener Vertrag wird erst und nur dann unwirksam, wenn der Verstoß gegen § 134 GWB in einem innerhalb der Fristen des § 135 Abs. 2 GWB11 eingeleiteten Nachprüfungsverfahren festgestellt wird. Die Feststellung kann allerdings nur von einem antragsbefugten, also auch materiell beschwerten Bieter veranlasst werden,12 nicht aber von dem Auftraggeber.13 Nach § 135 Abs. 2 GWB kann damit grundsätzlich jeder Verstoß gegen § 134 GWB zur Feststellung der Vertragsunwirksamkeit in einem Nachprüfungsverfahren führen, das von einem materiell beschwerten Bieter eingeleitet wurde. Wegen dieser strengen Rechtsfolge hat der Gesetzgeber auch von der Aufnahme der Verpflichtung zur Angabe der Platzierung des unterlegenen Bieters abgesehen.14

8Lediglich bei einem Verstoß gegen die dem Auftraggeber auferlegte Verpflichtung zur unverzüglichen Information15 wird man von einer bloßen Obliegenheitsverletzung16 des Auftraggebers ausgehen können. Diese kann allerdings dazu führen, dass der Auftraggeber den abgelehnten Bietern den Schaden zu ersetzen hat, der daraus entsteht, dass sich die Bieter länger als nötig an ihr Angebot gebunden fühlen. Zum einen ist das Kriterium der Unverzüglichkeit ausfüllungsbedürftig und ist daher auch im Rahmen der Rügeverpflichtung entfallen. Könnte zudem ein Verstoß gegen die Pflicht zur unverzüglichen Information zu einer Unwirksamkeit des Vertrags führen, bestünde erhebliche Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Wirksamkeit der nach Durchführung eines Vergabeverfahrens abgeschlossenen Verträge. Zum anderen steht dem unterlegenen Bieter die volle Wartefrist auch dann zur Verfügung, wenn die Information nicht unverzüglich erfolgt. Außerdem sieht auch die Rechtsmittelrichtlinie keine Unwirksamkeit vor, wenn eine Information nicht „unverzüglich“ bzw. „schnellstmöglich“ i. S. d. Art. 41 VKR 2004/18/EG erteilt wird.17

2.Tatbestand des § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB

9Nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB kann der Vertrag von Anfang an unwirksam sein, wenn der Auftraggeber einen öffentlichen Auftrag ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union vergibt, ohne dass dies aufgrund Gesetzes gestattet ist.

10a) Vergabe ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union. Die in § 101b Abs. 1 Nr. 2 a. F. GWB noch unklare Formulierung der Vergabe eines öffentlichen Auftrags „ohne Beteiligung anderer Unternehmen“, die von der Rechtsprechung über den Wortlaut hinaus konform der Rechtsmittelrichtlinie18 ausgelegt wurde,19 stellt § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB jetzt klar. Abgestellt wird in der Vorschrift nunmehr auf eine Auftragsvergabe ohne erforderliche vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union. Angesprochen ist mit dieser vorherigen Bekanntmachung eine Auftragsbekanntmachung i. S. d. Art. 49 VRL bzw. des § 37 VgV, wie sie der Einleitung eines offenen oder nicht offenen oder eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb vorausgeht.

11Irrelevant für einen Verstoß gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB sind die Beweggründe, warum der öffentliche Auftraggeber eine vorherige Bekanntmachung unterlässt. Es kommt insbesondere nicht darauf an, ob die gebotene Bekanntmachung aufgrund einer Fehleinschätzung unterbleibt, weil der öffentliche Auftraggeber beispielsweise die Reichweite der §§ 98 ff. GWB verkennt, fälschlicherweise die Voraussetzungen eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb bejaht und von einer vorherigen Auftragsbekanntmachung absieht,20 den Schwellenwert unzutreffend berechnet oder seine Ausschreibungspflicht schlichtweg ignoriert.

12Ein Fall des § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB kann auch vorliegen, wenn der Auftraggeber zwar einen Auftrag ordnungsgemäß bekannt gemacht hat, dann aber noch vor Zuschlagserteilung wettbewerbsrelevante und damit neu zu veröffentlichende Leistungsänderungen vornimmt21 oder wenn er nach Kündigung eines Auftragnehmers lediglich mit den Bietern des mit Zuschlag bereits abgeschlossenen Verfahrens über die Fortführung des Auftrags verhandelt.22 Ebenso stellt es – schon nach dem Wortlaut der Vorschrift – einen Verstoß gegen das Verbot der de-facto-Vergabe dar, wenn der Auftraggeber den Auftrag zwar national, aber – trotz Vorliegens der Voraussetzungen – nicht europaweit im Amtsblatt der Europäischen Union ausgeschrieben und damit den Kreis der von dem Vergabeverfahren in Kenntnis zu setzenden, möglichen Bewerber begrenzt hat.23

13Wie aus § 135 Abs. 3 GWB ersichtlich, ist mit der vorherigen Bekanntmachung nicht die Bekanntmachung im Rahmen der freiwilligen Ex-Ante-Transparenz gemeint, die im Ergebnis aber dennoch dazu führt, dass die Unwirksamkeitsfolge des § 135 Abs. 1 GWB nicht eintritt.24

14b) Geschützter Personenkreis. Geschützt sind durch § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB in erster Linie die Unternehmen, die aufgrund der fehlenden, vorherigen Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union von dem Vergabeverfahren und der Auftragsvergabe keine Kenntnis erlangen konnten. Beteiligt der Auftraggeber bestimmte Unternehmen an dem unzulässig nicht veröffentlichten Verfahren, sind diese Unternehmen zwar bereits über § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB i. V. m. § 134 GWB geschützt.25 Sie können sich beispielsweise gegen eine vergaberechtswidrige Wertung ihres Angebotes oder Auftragsvergabe ohne vorherige Information durch Anrufung der Vergabekammer zur Wehr setzen. Auch für eine Berufung auf eine mangels Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union unzulässige de-facto-Vergabe könnte ihnen aber die Antragsbefugnis zustehen, nachdem das rechtswidrig ohne die erforderliche Bekanntmachung eingeleitete Vergabeverfahren nicht durch Zuschlag beendet werden darf und sie darlegen könnten, dass sie im Fall eines ordnungsgemäßen (neuerlichen) Vergabeverfahrens bessere Chancen auf den Zuschlag haben als in dem beanstandeten Verfahren.26 Schon in der Rechtsunsicherheit, dass ein Vertrag bis sechs Monate nach dessen Abschluss mit der Unwirksamkeitssanktion des § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB behaftet sein kann, kann eine für die Antragsbefugnis ausreichende Beschwer für den an dem unzulässigen de-facto-Verfahren beteiligten Bieter liegen.27

15c) Gestattung aufgrund Gesetzes. Nicht durch § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB sanktioniert sind die Fälle, in denen ein Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union zulässig ist. Es kann beispielsweise nur ein bestimmtes Unternehmen zur Ausführung des Auftrags in der Lage28 oder eine schnelle Leistungserbringung im Allgemeininteresse erforderlich sein (z. B. Beseitigung von Sturm-, Brand-, oder Wasserschäden). In diesen Fällen ist es dem Auftraggeber gesetzlich gestattet, den Auftrag ohne vorherige Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union zu vergeben. Allerdings liegt ein durch § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB sanktionierter Verstoß gegen § 134 GWB vor, wenn der Auftraggeber den Zuschlag erteilt, ohne die im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb beteiligten Bieter zu informieren oder die Wartefrist einzuhalten, solange keine besondere Dringlichkeit i. S. d. § 134 Abs. 3 Satz 1 GWB gegeben ist. Sind die Voraussetzungen für eine gesetzliche Gestattung, beispielweise also die Gründe, nur mit einem Unternehmen verhandeln zu dürfen, nicht ausreichend dokumentiert, kann dieser (heilbare29) Dokumentationsmangel zur Verwirklichung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB führen.30

II.Unwirksamkeit

16Der trotz Vorliegens eines Unwirksamkeitsgrundes abgeschlossene öffentliche Auftrag ist nach dem Wortlaut des § 135 Abs. 1 GWB von Anfang an unwirksam, wenn der Unwirksamkeitsgrund in einem Nachprüfungsverfahren festgestellt wird. Die Unwirksamkeit muss sich dabei aus vergaberechtlicher Sicht regelmäßig nur auf den vergaberechtswidrig bezuschlagten Umfang beziehen und nicht auf einen wirksam geschlossenen Ursprungsvertrag. Wurde beispielsweise ein Vertrag vergaberechtswidrig verlängert oder ergänzt, bezieht sich die vergaberechtliche Unwirksamkeit nur auf die Verlängerung31 oder Ergänzung.32 Ob der Ursprungsvertrag ohne die Verlängerung ausläuft oder ohne die Änderung für die Vertragsparteien nicht mehr sinnvoll durchführbar ist, muss nicht durch das Vergaberecht geregelt werden. Schließlich steht es den Vertragsparteien frei, einen nicht mehr durchführbaren Vertrag aufzuheben und die geänderte Leistung einem neuen Wettbewerb zu unterwerfen.

1.Schwebende Wirksamkeit

17Der deutsche Gesetzgeber hat von dem durch die Rechtsmittelrichtlinie eingeräumten Spielraum33 dahin gehend Gebrauch gemacht, dass eine rückwirkende Unwirksamkeit (ex tunc) und keine Unwirksamkeit nur im Hinblick auf die noch zu erfüllenden Verpflichtungen (ex nunc) angeordnet wird.

18Ob die Parteien des Vertrags bis zur Feststellung der Unwirksamkeit zur Erbringung ihrer wechselseitigen Leistungen verpflichtet sind, hängt von der rechtlichen Einordnung der Unwirksamkeit des Vertrags ab. Einerseits könnte man von einer anfänglichen schwebenden Unwirksamkeit des vergaberechtswidrig geschlossenen Vertrags ausgehen, so wie dies bei der Genehmigung eines durch einen Minderjährigen geschlossenen Vertrags nach § 108 Abs. 1 BGB der Fall ist. Andererseits könnte die Wirksamkeit des Vertrags rückwirkend entfallen, wie etwa bei einer Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB. Weder dem Wortlaut der Vorschrift noch der amtlichen Begründung lässt sich hierzu Eindeutiges entnehmen.

19Der Wille des Gesetzgebers ergibt sich jedoch aus der Gegenäußerung der Bundesregierung auf die Stellungnahme des Bundesrates zu dem Gesetzentwurf zu § 101b GWB a. F.34 Der Bundesrat regte zunächst eine Klarstellung des Wortlautes dahin gehend an, dass der Vertrag von Anfang an „schwebend unwirksam“ sein solle und somit spätestens nach Ablauf von sechs Monaten wirksam werde, wenn kein Nachprüfungsverfahren eingeleitet worden sei. Die Bundesregierung erläuterte darauf hin, dass im Rahmen des § 101b GWB a. F. – anders als bei § 108 Abs. 1 BGB – mit der Feststellung des vergaberechtlichen Verstoßes im Nachprüfungsverfahren der wirksam geschlossene Vertrag nachträglich von Anfang an unwirksam werde. Leite der unterlegene Bieter ein Nachprüfungsverfahren jedoch nicht oder nicht fristgemäß ein, bleibe der Vertrag wirksam. Bei der Unwirksamkeit nach § 135 GWB handelt es sich somit um einen Fall der „schwebenden Wirksamkeit“.35

2.Feststellung des Verstoßes

20Voraussetzung für den rückwirkenden Eintritt der Unwirksamkeit des Auftrags ist die Feststellung eines Verstoßes gegen die Informations- und Wartepflicht (§ 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB) oder gegen die Verpflichtung zur vorherigen Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB) im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens. Die Unwirksamkeit ist festgestellt, wenn die Entscheidung der Nachprüfungsbehörde, aus der sich die Feststellung ergeben muss, rechtskräftig geworden ist. Die Feststellung setzt somit auch das Vorliegen der in den §§ 160 ff. GWB geregelten allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Nachprüfungsantrag sowie ein schutzwürdiges Feststellungsinteresse36 des Antragstellers voraus. Insbesondere muss der Antragsteller daher antragsbefugt sein (§ 160 Abs. 2 GWB) und dem Rügeerfordernis (§ 160 Abs. 3 GWB) entsprochen haben.37 Außerdem kann die Unwirksamkeit nur im Nachprüfungsverfahren geltend gemacht werden.38

21Wie im Ergebnis auch schon unter Geltung des § 13 VgV anerkannt,39 können sich die Parteien des beanstandeten Auftrags, also der öffentliche Auftraggeber und der bezuschlagte Bieter, nicht auf die Unwirksamkeit des Vertrags berufen. Die Vertragsparteien sind mangels drohenden Schadens bzw. mangels Rechtsschutzbedürfnisses nicht antragsbefugt und können deshalb keinen zulässigen Nachprüfungsantrag stellen, der die Feststellung eines Verstoßes und damit die Unwirksamkeit des Vertragsschlusses herbeiführen könnte.40

22Der Nachprüfungsantrag muss auch begründet sein, um die Feststellung des Verstoßes zu erreichen.41 Dabei kann allein ein Verstoß gegen § 134 GWB nicht zum Erfolg des Nachprüfungsantrags und damit zur Feststellung der Unwirksamkeit führen. Schutzzweck des § 135 GWB ist es, den Weg zu den Nachprüfungsorganen für eine begrenzte Zeit offen zu halten, der mit einem wirksamen Zuschlag versperrt wäre, nachdem die Zuständigkeit der Vergabekammern mit dem wirksam erteilten Zuschlag endet (§ 168 Abs. 2 Satz 1 GWB).42 Die rechtlich schutzwürdigen Interessen des Bieters sind damit vollumfänglich dadurch gewahrt, dass ein Nachprüfungsantrag vor Zuschlagserteilung an den öffentlichen Auftraggeber zugestellt wurde.43 Etwaige Mängel oder ein Unterlassen des Informationsschreibens sind daher für den Ausgang des eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens unerheblich, wenn nicht der Bieter mit dem Nachprüfungsantrag eine erstmalige Information oder die Nachbesserung einer seiner Meinung nach unzureichenden44 oder nicht den Vorgaben des § 134 GWB entsprechenden Information erzwingen will. Anderenfalls bedarf es für die Begründetheit des Nachprüfungsantrags einer darüber hinausgehenden materiellen Beschwer des Antragstellers, beispielsweise eine fehlerhafte Bewertung seines Angebots.45 Liegt eine materielle Beschwer vor, kommt es grundsätzlich auch nicht darauf an, ob ein Bieter eine ungenügende Information nach § 134 Abs. 1 GWB, die die Wartefrist nicht in Lauf gesetzt hat,46 nicht oder nicht rechtzeitig gerügt hat.47

Vergaberecht

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