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Abschnitt 3:Vergabe von öffentlichen Aufträgen in besonderen Bereichen und von Konzessionen Unterabschnitt 1:Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch Sektorenauftraggeber
Оглавление§ 136 GWBAnwendungsbereich
Dieser Unterabschnitt ist anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und die Ausrichtung von Wettbewerben durch Sektorenauftraggeber zum Zweck der Ausübung einer Sektorentätigkeit.
Übersicht | Rn. | |
A. | Vorbemerkungen | 1–9 |
I. | Komplementärfunktion | 3, 4 |
II. | Verhältnis zur SektVO | 5, 6 |
III. | Anwendungsvoraussetzungen | 7–9 |
B. | Materieller Regelungsgehalt | 10–19 |
I. | Zweckdienlichkeit | 10–15 |
II. | Unterschiedliche Rechtsfolgen | 16–19 |
A.Vorbemerkungen
1Die §§ 136 bis 142 GWB enthalten die materiell gesetzlichen Regelungen, die spezifisch für das Sektorenvergaberecht gelten. Der Unterabschnitt 1 im Abschnitt 3 des vierten Teils ist quasi der besondere Teil der vergaberechtlichen Bestimmungen, die als lex specialis für sektorenspezifische Beschaffungen von Sektorenauftraggebern (§ 100 GWB) oberhalb der Schwellenwerte anzuwenden sind.1
2Der entsprechende Unterabschnitt dient der Umsetzung der insoweit maßgeblichen Vorschriften der Richtlinie 2014/25/EU.2 Lediglich § 143 GWB bildet als letzte Norm dieses Unterabschnitts eine Ausnahme, insofern sie Regelungen für Auftraggeber nach dem Bundesberggesetz beinhaltet, die nicht dem Sektorenvergaberecht zuzuordnen sind.3
I.Komplementärfunktion
3Bei der Anwendung der Vorschriften des Unterabschnitts 1 kommt es zu Ergänzungen oder Modifikationen der allgemeinen Bestimmungen zum Vergaberecht im vierten Teil des GWB, die – vorbehaltlich anderslautender Regelung – grundsätzlich anwendbar bleiben.
4§ 142 GWB stellt diese Verbindung auch „mechanisch“ her: danach kommen bei Sektorenvergaben die allgemeinen Vorschriften des Abschnitts 2 (Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber) zur Anwendung, sofern nicht in den speziell gesetzlichen Bestimmungen des dritten Unterabschnitts etwas Abweichendes geregelt ist. Der Gesetzgeber stellt ausdrücklich klar, dass die insoweit speziellere Norm des Vergaberechts vorrangig anzuwenden ist.4
II.Verhältnis zur SektVO
5Die materiellen rechtlichen Voraussetzungen sind nach der letzten Vergaberechtsnovelle umfassend im GWB, also auf gesetzlicher Ebene geregelt. Die SektVO enthält Bestimmungen, die die insoweit geltenden gesetzlichen Strukturen konkretisieren und im Hinblick auf die Durchführung der jeweiligen Verfahren substanziieren.
6Dies zeigt sich nicht zuletzt auch daran, dass der Begriff des Sektorenauftraggebers nunmehr in § 100 GBW auf gesetzlicher Ebene legal normiert und klar von öffentlichen Auftraggebern gem. § 99 GWB abgegrenzt ist.
III.Anwendungsvoraussetzungen
7Die Anwendbarkeit des Sektorenvergaberechts und damit des Unterabschnitts 1 im Abschnitt 1 hängt von mehreren Faktoren ab, die im Wesentlichen außerhalb der §§ 136 ff. GWB geregelt sind:5
8Zunächst müssen die Schwellenwerte (§ 106 GWB) erreicht sein, um den jeweiligen Beschaffungsvorgang überhaupt den Bestimmungen des Vergaberechts unterzuordnen. Ferner müssen die Anforderungen an das Profil des Sektorenauftraggebers (§ 100 GWB) erfüllt sein und die konkrete Beschaffung – als öffentlicher Auftrag oder durch Ausrichtung von Wettbewerben (§ 103 GWB) – muss im Rahmen der Ausübung einer Sektorentätigkeit (§ 102 GWB) erfolgen.
9Jenseits der Aufzählung in § 136 finden die sektorenvergaberechtlichen Spezialbestimmungen auch Anwendung auf Rahmenvereinbarungen, die zwar in § 136 GWB nicht genannt werden, aber in § 103 Abs. 5, Satz 2 GWB in ihrer vergaberechtlichen Handhabung den öffentlichen Aufträgen gleichgestellt sind.6
B.Materieller Regelungsgehalt
I.Zweckdienlichkeit
10Somit verbleibt als einziges, jenseits der Rechtsgrundverweisungen zusätzliches und selbstständiges Tatbestandsmerkmal aus dem Obersatz des § 136 GWB die Anforderung, dass die betreffende Vergabe in Wahrnehmung einer Sektorentätigkeit erfolgen muss.7 Damit werden die Elemente des Auftraggeberprofils (Sektorenauftraggeber), der konkreten unternehmerischen Aktivität (Sektorentätigkeit) und des Beschaffungsvorgangs (öffentlicher Auftrag) in einen funktionalen Zusammenhang gestellt.8
11Zweckgebundenheit oder Zweckdienlichkeit in diesem Sinne bedeutet, dass der Sektorenauftraggeber mit dem verfahrensgegenständlichen Auftrag seine Sektorentätigkeit wahrnimmt. Die zu beschaffenden Lieferungen und Leistungen sind im vorgenannten Sinne zweckdienlich, wenn sie die Sektorentätigkeit mindestens mittelbar ermöglichen, erleichtern oder fördern.9
12Die insoweit vorzunehmende Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein, wenn die Beschaffung nicht ausschließlich in Wahrnehmung einer Sektorentätigkeit des Auftraggebers erfolgt, sondern auch seinen anderen unternehmerischen Tätigkeiten dient. Dies kann sich schon deswegen ergeben, weil Sektorenauftraggeber im Sinne des § 100 GWB auch anderen unternehmerischen Aufgaben nachgehen können, als reinen Sektorentätigkeiten im Sinne des § 102 GWB.10
13Dabei genügt bereits die rein unterstützende funktionale Verbindung zu einer Sektorentätigkeit, sofern diese mindestens mittelbar tätigkeitsbezogen ausgebildet ist.11 Lediglich Beschaffungen, die ohne jeglichen Zusammenhang mit einer Sektorentätigkeit des Auftraggebers ausgelöst werden, sind nicht in diesem vergaberechtlich funktionalen Sinne zweckdienlich.12
14Insbesondere werden ggf. betroffene Nichtsektorentätigkeiten nicht durch ebenfalls wahrgenommene Sektorentätigkeiten erfasst und ebenfalls dem Anwendungsbereich des Sektorenvergaberechts unterworfen. Die insoweit maßgebliche Infektionstheorie gilt in diesem Zusammenhang ausdrücklich nicht.13
15Differenziert zu betrachten ist insoweit beispielsweise die Errichtung von Verwaltungsgebäuden oder die Beschaffung von IT-Komponenten oder internen Kommunikationsmittel.14 Da für derartige Shared Services Funktionen in der Regel kein unmittelbarer Sektorenbezug vorliegt, stellt sich die Frage, inwieweit das Merkmal der Zweckdienlichkeit erfüllt ist. Führt man sich vor Augen, dass Querschnittsfunktionen innerhalb einer Organisation losgelöst von der operativen Geschäftstätigkeit eingerichtet sind, ist es vertretbar, eine Zweckdienlichkeit für Sektorentätigkeiten der Organisation anzunehmen, sofern nicht eine eigenständige Sonderfunktion (beispielsweise im Wege eines IT-Systems) betroffen ist, die organisatorisch nachvollziehbar von den Sektorensparten des Unternehmens abgegrenzt ist. In diesem Fall wäre eine Zweckdienlichkeit auch im funktionalen Zusammenhang zu verneinen.
II.Unterschiedliche Rechtsfolgen
16Der Prüfung der Zweckdienlichkeit kommt angesichts der sich – je nach Auftraggeberprofil – unterschiedlich ergebenden Rechtsfolgen große rechtliche und praktische Bedeutung zu:
17Sektorenauftraggeber gem. § 100 Ziff. 2 GWB unterliegen im Falle von Vergaben außerhalb des Sektorenbereichs keinerlei vergaberechtlichen Regelungen oder Beschränkungen, können also freihändig agieren.15
18Sektorenauftraggeber gem. § 100 Nr. 2 GWB, solche also, die außerhalb des Sektorenbereichs zugleich auch klassische öffentliche Auftraggeber gem. § 99 GWB sind, müssen in derartigen Fällen das allgemeine, nicht sektorenspezifische Vergaberecht anwenden, sofern die Beschaffung die jeweiligen Schwellenwerte erreicht.16
19Lässt sich nicht feststellen, ob ein Auftrag in der Hauptsache einer Sektorentätigkeit dient, sollten Auftraggeber gem. § 100 Nr. 2 GWB bei gemischten Aufträgen im Zweifel das strengere Vergaberechtsregime anwenden.17
§ 137 GWBBesondere Ausnahmen
(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch Sektorenauftraggeber zum Zwecke der Ausübung einer Sektorentätigkeit, wenn die Aufträge Folgendes zum Gegenstand haben:
1. Rechtsdienstleistungen im Sinne des § 116 Absatz 1 Nummer 1,
2. Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen im Sinne des § 116 Absatz 1 Nummer 2,
3. Ausstrahlungszeit oder Bereitstellung von Sendungen, wenn diese Aufträge an Anbieter von audiovisuellen Mediendiensten oder Hörfunkmediendiensten vergeben werden,
4. finanzielle Dienstleistungen im Sinne des § 116 Absatz 1 Nummer 4,
5. Kredite und Darlehen im Sinne des § 116 Absatz 1 Nummer 5,
6. Dienstleistungen im Sinne des § 116 Absatz 1 Nummer 6, wenn diese Aufträge aufgrund eines ausschließlichen Rechts vergeben werden,
7. die Beschaffung von Wasser im Rahmen der Trinkwasserversorgung,
8. die Beschaffung von Energie von Brennstoffen zur Energieerzeugung im Rahmen der Energieversorgung oder
9. die Weiterveräußerung oder Vermietung an Dritte, wenn
a) dem Sektorenauftraggeber kein besonderes oder ausschließliches Recht zum Verkauf oder zur Vermietung des Auftragsgegenstands zusteht und
b) andere Unternehmen die Möglichkeit haben, den Auftragsgegenstand unter den gleichen Bedingungen wie der betreffende Sektorenauftraggeber zu verkaufen oder zu vermieten.
(2) Dieser Teil ist ferner nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und die Ausrichtung von Wettbewerben, die Folgendes zum Gegenstand haben:
1. Liefer-, Bau- und Dienstleistungen sowie die Ausrichtung von Wettbewerben durch Sektorenauftraggeber nach § 100 Absatz 1 Nummer 2, soweit sie anderen Zwecken dienen als einer Sektorentätigkeit, oder
2. die Durchführung von Sektorentätigkeiten außerhalb des Gebietes der Europäischen Union, wenn der Auftrag in einer Weise vergeben wird, die nicht mit der tatsächlichen Nutzung eines Netzes oder einer Anlage innerhalb dieses Gebietes verbunden ist.
Übersicht | Rn. | |
A. | Vorbemerkungen | 1, 2 |
B. | Katalog der Ausnahmetatbestände | 3–23 |
I. | Überblick | 3 |
II. | Ausnahmekatalog gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 und 6 GWB | 4–16 |
1. | Rechtsdienstleistungen (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 GWB) | 6, 7 |
2. | Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 GWB) | 8–11 |
3. | Finanzsektor (§ 137 Abs. 1 Nr. 4 und 5 GWB) | 12, 13 |
4. | Dienstleistungsaufträge ausschließlich der Rechte (§ 137 Abs. 1 Nr. 6 GWB) | 14–16 |
III. | Sektorenspezifische Ausnahmen gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 3 und 5 GWB | 17–23 |
1. | Mediendienstleistungen (§ 137 Abs. 1 Nr. 3 GWB) | 17 |
2. | Trinkwasser und Energie (§ 137 Abs. 1 Nr. 7 und 8 GWB) | 18–21 |
3. | Weiterveräußerung oder -vermietung (§ 137 Abs. 1 Nr. 9 GWB) | 22, 23 |
C. | Sektoren- und gebietsfremde Tätigkeiten | 24–29 |
I. | Sektorenfremde Tätigkeiten | 24–28 |
II. | Tätigkeiten außerhalb der EU | 29 |
A.Vorbemerkungen
1Die in § 137 GWB speziell für Vergaben von Sektorenauftraggeber zum Zwecke der Ausübung einer Sektorentätigkeit definierten Ausnahmetatbestände, sogenannte Bereichsausnahmen,1 sind materiell nicht neu eingeführt, sondern waren bislang in § 100 Abs. 3 bis 6 und 8 GWB sowie im § 100 b GWB a. F. geregelt.
2Selbstverständlich gelten die in § 107 GWB normierten allgemeinen Ausnahmetatbestände auch für Vergaben von Sektorenauftraggebern. In § 137 GWB sind zusätzliche sektorenspezifische Ausnahmen enthalten, die systematisch zutreffend im Besonderen Teil des Sektorenvergaberechts (Unterabschnitt 3) geregelt sind. Die einzelnen Positionen des Ausnahmekataloges gem. § 137 sind teilidentisch mit denen in § 116 GWB, der für Vergaben klassischer öffentlicher Auftraggeber gilt, so dass sich die spezifischen Abweichungen des Sektorenvergaberechts gegenüber dem Recht der klassischen Auftragsvergabe auf einzelne Ausnahmen beschränken.
B.Katalog der Ausnahmetatbestände
I.Überblick
3§ 137 Abs. 1 GWB enthält in den Nummern 1 bis 9 einen umfassenden Katalog von Leistungen, die vom Anwendungsbereich des Teil 4 des GWB ausgenommen sind. Die Aufzählung ist vorbehaltlich der weiteren Bereichsausnahmen gem. §§ 138 f. GWB abschließend, überschneidet sich aber teilweise mit Ausnahmen, die auch für klassische Sektorenauftraggeber nach allgemeinem Vergaberecht gelten.
II.Ausnahmekatalog gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 und 6 GWB
4Die in § 137 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 und 6 GWB geregelten Ausnahmen entsprechen den Tatbeständen, die § 116 GWB auch für klassische Auftraggeber gem. § 99 GWB vorsieht. Im Einzelnen handelt es sich – allgemein gesprochen – um Rechtsdienstleistungen, Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen, finanzielle Dienstleistungen, Kredite und Darlehen sowie die Beauftragung anderer öffentlicher Auftraggeber gem. § 99 Nr. 1 bis 3 GWB mit Dienstleistungen, die aufgrund eines ausschließlichen Rechtes erbracht werden.
5Anstelle einer Wiederholung der materiellen Voraussetzungen der jeweiligen Ausnahme beinhaltet § 137 GWB insoweit jeweils eine Rechtsgrundverweisung, die auf den jeweils in § 116 entsprechenden Ausnahmetatbestand abstellt.
1.Rechtsdienstleistungen (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 GWB)
6Welche Rechtsdienstleistungen aufgrund des § 137 Abs. 1, Ziff. 1 GWB vom Anwendungsbereich des Sektorenvergaberechts ausgenommen sind, ergibt sich durch die Bezugnahme auf § 116 Abs. 1 Nr. 1 GWB.2
7Anwendungsbefreite rechtliche Dienstleistungen sind insoweit die (i) anwaltliche Vertretung im Gerichts-, Verwaltungs-, Schieds- oder Schlichtungsverfahren, (ii) die außerprozessuale Rechtsberatungsleistung durch einen zugelassenen Rechtsanwalt, sofern sie der Vorbereitung eines entsprechenden Verfahrens dient, (iii) öffentlich rechtliche Handlungen wie Beglaubigungen oder Beurkundungen von Notaren, (iv) Tätigkeiten von gerichtlich gestellten Betreuern oder Sachverständigen sowie schließlich die mit hoheitlichen Befugnissen verbundenen Tätigkeiten.
2.Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 GWB)
8Auch im Hinblick auf die befreiten Aufträge im Zusammenhang mit Aktivitäten der Forschung und Entwicklung enthält § 137 Abs. 1 Nr. 2 GWB keine eigenen sektorenspezifischen Vorgaben, sondern verweist auf die entsprechende Ausnahmebestimmung im Allgemeinen Teil.
9Gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 2 GWB sind Dienstleistungen auf dem Gebiet von Forschung und Entwicklung grundsätzlich von der Anwendung des Vergaberechts befreit.
10Sofern aber die betreffende Leistung bestimmten in § 116 Abs. 1 Nr. 2 GWB genannten Referenznummern des CPV-Codes („Common Procurement Vocabulary“) unterfallen, kommt eine Anwendung des Sektorenvergaberechts im Sinne einer Rückausnahme dennoch in Betracht.3
11Insoweit kommt es darauf an, wem die Ergebnisse der auftragsgegenständlichen Leistung zufallen; (nur) wenn die Ergebnisse ausschließlich in das geistige Eigentum des Sektorenauftraggebers zum Zwecke des Gebrauchs im Rahmen eigener Sektorentätigkeit übergehen und die entsprechende Dienstleistung vollständig zu vergüten ist, bleibt es bei der Verpflichtung, im Rahmen der Beschaffung Sektorenvergaberecht anzuwenden.4
3.Finanzsektor (§ 137 Abs. 1 Nr. 4 und 5 GWB)
12Auch im Hinblick auf Beschaffungen auf Finanzmärkten und diesbezüglicher Dienstleistungen verweist § 137 GWB auf die allgemeine Bestimmung in § 116 GWB. Danach bestehen Ausnahmen gem. § 137 Abs. 1 Nr. 4 GWB für die Beschaffung finanzieller Dienstleistungen im Sinne des § 116 Abs. 1 Nr. 4 GWB sowie gem. § 137 Abs. 1 Nr. 5 GWB für Kredite im Sinne des § 116 Abs. 1 Nr. 4 GWB.
13Unter diesen Ausnahmetatbestand fallen Wertpapierhandel sowie der Handel mit entsprechenden Derivaten, Dienstleistungen von Zentralbanken oder Transaktionen, die auf Basis europäischer Stabilitätsmechanismen durchgeführt werden. Entsprechendes gilt für Kredite und Darlehen, auch im Zusammenhang mit dem Wertpapierhandel bzw. dem Handel von Derivaten. Diese können ebenfalls außerhalb des Anwendungsbereiches des Vergaberechtes frei beschafft werden. Dies gilt insbesondere im Energiesektor für die Beschaffung von CO2-Zertifikaten.5
4.Dienstleistungsaufträge ausschließlich der Rechte (§ 137 Abs. 1 Nr. 6 GWB)
14§ 137 Abs. 1 Nr. 6 GWB verweist hinsichtlich der näheren Tatbestandsvoraussetzungen auf § 116 Abs. 1 Nr. 6 GWB: Ist der Auftragnehmer einer entsprechenden Beschaffung Auftraggeber gem. § 99 Nr. 1 bis 3 GWB und erbringt der Dienstleister die Dienstleistung ggf. aufgrund eines gesetzlich begründeten ausschließlichen Rechtes, kann der Auftrag ebenfalls vergeben werden, ohne dass die Bestimmungen des Sektorenvergaberechts anzuwenden sind.
15Für die Geltung der Ausnahme im Einzelfall ist entscheidend, dass das jeweilige ausschließliche Recht zur Leistungserbringung dem betreffenden Auftraggeber aufgrund von Gesetz oder Verordnung zugewiesen ist. Eine Berechtigung aufgrund Vertrages, einer Satzung oder durch Verwaltungsakte bzw. einer Vorschrift genügt insoweit nicht.
16Erfasst sind ebenfalls nur Dienstleistungen. Bau und Lieferaufträge fallen nicht in den Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift.6
III.Sektorenspezifische Ausnahmen gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 3 und 5 GWB
1.Mediendienstleistungen (§ 137 Abs. 1 Nr. 3 GWB)
17Gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 3 GWB ist die Beschaffung von Ausstrahlungszeiten oder der Bezug von Bereitstellung von Sendungen ebenfalls nicht im Anwendungsbereich des Sektorenvergaberechts zu vergeben. Voraussetzung ist allerdings, dass die Aufträge an Anbieter audiovisueller Mediendienste oder Hörfunk-Mediendienste vergeben werden. Beispielhaft können hier Werbesendungen angeführt werden.7
2.Trinkwasser und Energie (§ 137 Abs. 1 Nr. 7 und 8 GWB)
18§ 137 Abs. 1 Nr. 8 und 7 GWB ermöglichen Sektorenauftraggebern, die in der Energie- und Trinkwasserversorgung tätig sind, die Beschaffung von Energie und Brennstoffen zur Energieerzeugung sowie den Bezug von Frischwasser zu Versorgungszwecken durchzuführen, ohne dabei zur Anwendung des Sektorenvergaberechtes verpflichtet zu sein.
19Da Brennstoffe für sich genommen nicht ohne weiteres daseinsvorsorglichen Versorgungszwecken dienen, gilt der Ausnahmetatbestand diesbezüglich nur dann, wenn die Brennstoffe als Mittel der daseinsvorsorglichen Energieversorgung zu Zwecken der Energieerzeugung bezogen werden. Dies entspricht dem ausdrücklichen Wortlaut vom § 137 Abs. 1 Nr. 8, Alt. 2 GWB.
20Mit dieser Einschränkung fällt die Beschaffung von Energie, Brennstoffen sowie von Trinkwasser, sofern der Bezug jeweils im Rahmen des daseinsvorsorglichen Versorgungsauftrages zur Energieerzeugung oder zur direkten Belieferung von Kunden erfolgt, aufgrund der Ausnahmenregelung nicht in den Anwendungsbereich des Sektorenvergaberechts.
21Die Ausnahme soll es Sektorenunternehmen ermöglichen, die Geschäfte auf ihrem Sektor ohne vergaberechtliche Vorgaben zu steuern. Als Grund für die Ausnahme betreffend die Trinkwasserversorgung wird in der Richtlinie die Notwendigkeit angegeben, sich aus in der Nähe des Verwendungsorts gelegenen Quellen zu versorgen.8 Aufträge für Vorhaben in den Bereichen Wasserbau, Bewässerung, Entwässerung, Ableitung sowie Klärung von Abwässern sollen dagegen nicht der Ausnahme unterfallen.
3.Weiterveräußerung oder -vermietung (§ 137 Abs. 1 Nr. 9 GWB)
22§ 137 Abs. 1 Nr. 9 schafft einen Ausnahmetatbestand für solche Aufträge, die Sektorenauftraggeber mit Bezug zur Sektorentätigkeit erteilen, die aber zum Zweck der Weiterveräußerung oder Vermietung an Dritte erfolgen. Weitere kumulative Voraussetzung ist, dass der betroffenen Sektorenauftraggeber über kein besonderes oder ausschließliches Recht zum Verkauf oder zur Vermietung der auftragsgegenständigen Leistung verfügt und andere Unternehmen den Beschaffungsgegenstand unter gleichen Bedingungen verkaufen oder vermieten können.
23Damit der Ausnahmetatbestand greifen kann, muss neben der Zwecksetzung zur Weitervermietung oder -veräußerung als zusätzliche Voraussetzung auch ein unmittelbarer Markzugang für Drittanbieter gegeben sein. Mit anderen Worten darf der beschaffende Sektorenauftraggeber nicht über im Hinblick auf andere Marktteilnehmer prohibitive ausschließliche Rechte verfügen, die eine Vermietung oder Veräußerung des Auftragsgegenstands ihm exklusiv ermöglichen und vorbehalten. Nur wenn auch unter dem Aspekt exklusiver Rechte wettbewerbliche Marktverhältnisse bestehen, entfällt das Rational, für die Anwendung des Vergaberechts. Dies gilt beispielhaft für die Beschaffung im Glasfaserkabeln, zur Weitervermietung im Raum und Infrastrukturdienstleistung.9
C.Sektoren- und gebietsfremde Tätigkeiten
I.Sektorenfremde Tätigkeiten
24Gemäß § 137 Abs. 2 Nr. 1 GWB unterliegen Auftraggeber gem. § 100 Abs. 1 Nr. 2 GWB nicht den Bestimmungen des Sektorenvergaberechts, wenn sie Beschaffungen durchführen, die anderen Zwecken dienen als einer Sektorentätigkeit. Privilegiert werden daher ausschließlich „private“ Sektorenauftraggeber, die für Vergaben außerhalb des Sektorenbereichs grundsätzlich keinen vergaberechtlichen Beschränkungen und Vorgaben unterliegen.
25Für Sektorenauftraggeber gem. § 100 Abs. 1 Nr. 1 GWB, die außerhalb der Sektorenbereiche klassische öffentliche Auftraggeber gem. § 99 Nr. 1 bis 3 GWB sind, greift die Ausnahmebestimmung des § 137 Abs. 2 Nr. 1 GWB naturgemäß nicht. Diese unterliegen als öffentliche Auftraggeber dann den regulären, nicht sektorenspezifischen Bestimmungen des Vergaberechts.
26Ein Sektorenbezug in diesem Sinne liegt vor, wenn die Sektorentätigkeit durch die zu beschaffende Leistung gefördert, ermöglicht oder erleichtert wird, wobei eine mittelbare Förderung genügt10. Die Zweckbindung ist funktional zu verstehen. Erst wenn der Auftrag ausschließlich sektorenfremden Zwecken dient, kann ein Sektorenbezug im Sinne des § 137 Abs. 2 GWB nicht mehr angenommen werden.11
27Angesichts der Regelung in § 136 GWB stellt sich die Frage, ob der Ausnahmetatbestand in § 137 Abs. 2 Nr. 1 einen eigenständigen Regelungsbereich hat. § 136 eröffnet den Anwendungsgereich des Unterabschnitts 3 im Abschnitt 3 des vierten Teils des GWB unter anderem auch in Abhängigkeit davon, dass die jeweilige Beschaffung zum Zweck der Ausübung einer Sektorentätigkeit erfolgt. Das entspricht im Wesentlichen der Ausnahmevoraussetzung in § 137 Abs. 2 Nr. 1 GWB, die ebenfalls auf diese Zweckgebundenheit – negativ – abstellt. Somit ist unklar, ob es im Hinblick auf nicht sektorenbezogene Vergaben von Sektorenauftraggebern überhaupt zu einer Anwendung des § 137 Abs. 2 Nr. 1 GWB kommen kann. Dies wäre zu verneinen, wenn insoweit der Unterabschnitt 1 im Abschnitt 3 bereits insgesamt nicht zur Anwendung käme, weil kein hinreichender Bezug zu einer Sektorentätigkeit gegeben ist.
28Für die Vergabepraxis bleibt diese Frage ohne Auswirkungen, da im Ergebnis beide Linien zu dem identischen Ergebnis führen, dass private Sektorenauftraggeber außerhalb sektorenbezogener Vergaben keinerlei vergaberechtlichen Beschränkungen unterliegen.
II.Tätigkeiten außerhalb der EU
29§ 137 Abs. 2 Nr. 2 GWB stellt Aufträge im Zusammenhang mit Sektorentätigkeit, die außerhalb der EU vergeben werden, insoweit von der Anwendung des Kartellvergaberechts frei, wenn es im Rahmen der Ausführung nicht zur Nutzung eines innerhalb der EU gelegenen Netzes oder Anlage kommt. Die ist der Fall, wenn ein technisch autarker Betrieb außerhalb der EU vorliegt.12
§ 138 GWBBesondere Ausnahmen für die Vergabe an verbundene Unternehmen
(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen,
1. die ein Sektorenauftraggeber an ein verbundenes Unternehmen vergibt oder
2. die ein Gemeinschaftsunternehmen, das ausschließlich mehrere Sektorenauftraggeber zur Durchführung einer Sektorentätigkeit gebildet haben, an ein Unternehmen vergibt, das mit einem dieser Sektorenauftraggeber verbunden ist.
(2) Ein verbundenes Unternehmen im Sinne des Absatzes 1 ist
1. ein Unternehmen, dessen Jahresabschluss mit dem Jahresabschluss des Auftraggebers in einem Konzernabschluss eines Mutterunternehmens entsprechend § 271 Absatz 2 des Handelsgesetzbuchs nach den Vorschriften über die Vollkonsolidierung einzubeziehen ist, oder
2. ein Unternehmen, das
a) mittelbar oder unmittelbar einen beherrschenden Einfluss nach § 100 Absatz 3 des Sektorenauftraggebers unterliegen kann,
b) einen beherrschenden Einfluss nach § 100 Absatz 3 auf den Sektorenauftraggeber ausüben kann oder
c) gemeinsam mit dem Auftraggeber aufgrund der Eigentumsverhältnisse, der finanziellen Beteiligung oder der für das Unternehmen geltenden Bestimmungen dem beherrschenden Einfluss nach § 100 Absatz 3 eines anderen Unternehmens unterliegt.
(3) Absatz 1 gilt für Liefer-, Bau- oder Dienstleistungsaufträge, sofern unter Berücksichtigung aller Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen, die von dem verbundenen Unternehmen während der letzten drei Jahre in der Europäischen Union erbracht wurden, mindestens 80 Prozent des im jeweiligen Leistungssektor insgesamt erzielten durchschnittlichen Umsatzes dieses Unternehmens aus der Erbringung von Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen für den Sektorenauftraggeber oder andere mit ihm verbundene Unternehmen stammen.
(4) Werden gleiche oder gleichartige Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen von mehr als einem mit dem Sektorenauftraggeber verbundenen und mit ihm wirtschaftlich zusammengeschlossenen Unternehmen erbracht, so werden die Prozentsätze nach Absatz 3 unter Berücksichtigung des Gesamtumsatzes errechnet, den diese verbundenen Unternehmen mit der Erbringung der jeweiligen Liefer-, Dienst- oder Bauleistung erzielen.
(5) Liegen für die letzten drei Jahre keine Umsatzzahlen vor, genügt es, wenn das Unternehmen etwa durch Prognosen über die Tätigkeitsentwicklung glaubhaft macht, dass die Erreichung des nach Absatz 3 geforderten Umsatzziels wahrscheinlich ist.
Übersicht | Rn. | |
A. | Vorbemerkungen | 1–17 |
I. | Regelungsstruktur | 3–7 |
II. | Regelungszweck | 8–13 |
1. | Keine Wettbewerbsrelevanz | 8, 9 |
2. | Anwendung außerhalb der Sektoren | 10–13 |
III. | Vorherige Rechtslage | 14–17 |
1. | Beherrschungsbegriff | 14 |
2. | Umsatzrelation | 15–17 |
B. | Gestaltung der Ausnahmen | 18–31 |
I. | Vertikales Konzernprivileg | 18–20 |
II. | Mittelbare Verbundenheit | 21, 22 |
III. | Merkmale der Verbundenheit § 138 Abs. 2 GWB | 23–31 |
1. | Vollkonsolidierung (§ 138 Abs. 2 Nr. 1 GWB) | 25, 26 |
2. | Vergaberechtliche Verbundenheit (§ 138 Abs. 2 Nr. 2 GWB) | 27–31 |
C. | Tätigkeitskriterium (§ 138 Abs. 3 GWB) | 32–39 |
I. | Umsatzschwellen | 32–35 |
II. | Prognose | 36 |
III. | Zusammengeschlossene Unternehmen | 37–39 |
A.Vorbemerkungen
1§ 138 GWB regelt Verfahrenserleichterungen für Vergaben zwischen verbundenen Unternehmen. Diese Ausnahmen werden in Anlehnung an die gesellschaftsrechtlichen Begrifflichkeiten auch als Konzernprivileg bezeichnet.1
2§ 138 GWB unterscheidet sich von der Parallelnorm § 139 GWB hinsichtlich des Anwendungsbereichs dadurch, dass nicht notwendigerweise ein Gemeinschaftsunternehmen (Joint Venture) mehrerer Sektorenauftraggeber beteiligt ist. Die Anwendung setzt vielmehr in allen Konstellationen voraus, dass eine unmittelbare oder mindestens mittelbare Verbundenheit im rechtstechnischen Sinne vorliegt. Die unter Umständen abseits einer unmittelbaren, technischen (konzern)rechtlichen Beherrschung gestalteten Beziehungen eines Gemeinschaftsunternehmens zu seinem Gesellschafterkreis werden im Hinblick auf interne Vergaben spezialgesetzlich als separate Ausnahmetatbestände in § 139 GWB geregelt.
I.Regelungsstruktur
3§ 138 Abs. 1 GWB legt zunächst fest, welche Auftragsbeziehungen von dem Ausnahmeprivileg der Norm erfasst sind.
4Dabei handelt es sich einerseits um Vergaben eines Sektorenauftraggebers an ein unmittelbar ihm verbundenes Unternehmen (§ 138 Abs. 1 Nr. 1 GWB). Ebenso privilegiert sind Vergaben durch ein von mehreren Sektorenauftraggebern ausschließlich zur Ausübung einer Sektorentätigkeit gebildeten Gemeinschaftsunternehmens an ein mit einem dieser Konsortialsektorenauftraggeber verbundenes Unternehmen (§ 138 Abs. 1 Nr. 2 GWB).
5§ 138 Abs. 2 GWB regelt den Begriff der Verbundenheit im Sinne des Ausnahmetatbestands von § 138 Abs. 1 GWB, wobei handelsrechtliche Kriterien (§ 138 Abs. 2. Nr. 1 GWB) sowie vergaberechtliche Merkmale (§ 138 Abs. 2 Nr. 2 GWB) herangezogen werden.
6§ 138 Abs. 3 GWB definiert schließlich den sachlichen Anwendungsbereich der Norm und knüpft die Anwendbarkeit der vergaberechtlichen Ausnahmetatbestände an bestimmte Umsatzrelationen, die zwischen den beteiligten Unternehmen auf Auftragnehmerseite vorliegen müssen. § 138 Abs. 4 GWB enthält Vorgaben zur Ermittlung der gem. § 138 Abs. 3 GWB relevanten Umsatzschwelle für den Fall, dass mehr als nur ein mit dem Sektorenauftraggeber verbundenes Unternehmen die betreffende, umsatzrelevante Liefer-, Dienst- oder Bauleistung erbringt.
7§ 138 Abs. 5 GWB erlaubt schließlich, dass eine sachgerechte Prognose die relevanten Umsatzwerte im Wege der Schätzung festlegen darf, sofern historische Umsatzzahlen gar nicht oder nur in nicht hinreichendem zeitlichem Umfang vorliegen.