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D.Besetzung der Vergabekammern und Qualifikation der Mitglieder

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I.Einrichtung der Vergabekammern

5Das Verfahren für die Einrichtung der Vergabekammern ist bezüglich der Kammern des Bundes direkt im GWB geregelt (§ 158 Abs. 1 GWB). Die Kammern der Länder werden auf der Grundlage von Verordnungen der Landesregierungen gem. § 158 Abs. 2 GWB bei den dort jeweils bestimmten Verwaltungsstellen eingerichtet.12 So erfolgte in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Sachsen die Einrichtung bei den Mittelbehörden (Bezirksregierungen), in den übrigen Ländern bei der Ministerial- bzw. Senatsverwaltung/Landesverwaltungsamt oder bei weiteren unterschiedlichen Stellen wie Finanzbehörden/Landesbetriebe/Aufsichtsdirektion/Straßenbauverwaltung. Die Zuständigkeit der Länderkammern ist dementsprechend ebenfalls unterschiedlich geregelt worden als umfassende Zuständigkeit für alle öffentlichen Auftraggeber innerhalb eines örtlich definierten Bereichs (Regierungsbezirk) oder als Zuständigkeit allein für die Vergaben eines einzelnen Auftraggebers, eines bestimmten Geschäftsbereichs oder sachlichen Vergabebereichs.

6Die Landesverordnungen sehen ganz überwiegend den Erlass von Geschäftsordnungen für die Vergabekammern, sei es durch diese selbst, durch die Behörde, der sie angehören oder eine oberste Landesbehörde, vor. Für die Vergabekammern des Bunds erlässt der Präsident des Bundeskartellamts nach Genehmigung durch das Wirtschaftsministerium eine Geschäftsordnung, § 158 Abs. 1 Satz 4 GWB. Regelungsinhalte der Geschäftsordnungen sind etwa die Anforderung eines Gebührenvorschusses bei den Antragstellern, das Verfahren bei der Bestimmung des ehrenamtlichen Mitglieds für das einzelne Nachprüfungsverfahren, die Unterschriftsleistung des ehrenamtlichen Mitglieds bei der Beschlussfassung, die (interne) Berichterstattung durch die Kammermitglieder, die Tätigkeit der Geschäftsstelle, die Geschäftsverteilung unter mehreren an einem Sitz gebildeten Vergabekammern, Stellvertretungsregelungen, die Ladung und die notwendigen Inhalte des Sitzungsprotokolls der mündlichen Verhandlung und des Beschlusses, Aktenführung und Geschäftszeichen, wobei vielfach bereits gesetzlich vorgegebene Inhalte aufgenommen werden. Eine bundesweit vereinheitlichte „Mustergeschäftsordnung“ wurde nicht erarbeitet.

II.Hauptamtliche Mitglieder

7Die Vergabekammern entscheiden im Regelfall in der Besetzung mit zwei hauptamtlichen Mitgliedern und einem ehrenamtlichen Mitglied, § 157 Abs. 2 Satz 1 GWB. Von den beiden hauptamtlichen Mitgliedern muss eines, „in der Regel der Vorsitzende“, die Befähigung zum Richteramt haben und Beamter auf Lebenszeit sein. Das weitere Mitglied muss mindestens ebenfalls Beamter auf Lebenszeit mit der Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst (§§ 6, 13, 14, 14a BRRG, 9, 12 BBG/Landesbeamtengesetze) oder ein vergleichbar fachkundiger Angestellter sein. Eine dem höheren Dienst vergleichbare Eingruppierung wird nicht normiert., Der hauptamtliche Beisitzer „soll“ über gründliche Kenntnisse des Vergabewesens verfügen.

8Wer die Auswahl der hauptamtlichen und der ehrenamtlichen Mitglieder vorzunehmen hat, wird für die Bundeskammern durch § 158 Abs. 1 Satz 2 GWB bestimmt („der Präsident des Bundeskartellamtes“), für die Länder durch die von den Landesregierungen erlassenen Verordnungen (i. d. R. Ministerien oder die Leiter der Stellen, denen die Vergabekammern angegliedert sind).

9Die hauptamtlichen Mitglieder stehen dienstrechtlich den übrigen Beamten oder Angestellten der Stelle, bei der die Vergabekammer gebildet wurde, gleich. Eine hierarchische Eingliederung im Rahnen der Kammertätigkeit scheidet aufgrund der zu wahrenden Unabhängigkeit der Amtsführung naturgemäß aus, ebenso wie die Kammermitglieder nicht von sich aus die Weisung einer vorgesetzten Stelle einholen oder eine Abstimmung mit anderen Stellen vornehmen dürfen. Eine gesetzliche Vorgabe über die Ausschließlichkeit der Tätigkeit für die Vergabekammer gibt es dagegen nicht, sodass es grundsätzlich unschädlich und im Einzelfall aufgrund der Fürsorgepflicht sogar geboten sein dürfte, dass die bestellten hauptamtlichen Kammermitglieder bei mangelnder Auslastung durch die Kammertätigkeit auch in anderer dienstlicher Verwendung unter hierarchischer Einordnung tätig sind.

III.Ehrenamtliche Mitglieder

10Für die ehrenamtlichen Mitglieder ist keine bestimmte berufliche Qualifikation vorgeschrieben, sie „sollen“ jedoch über mehrjährige praktische Erfahrung auf dem Gebiet des Vergabewesens verfügen (§ 157 Abs. 2 Satz 3 GWB). Für das Verfahren der Auswahl der ehrenamtlichen Mitglieder sehen § 158 Abs. 1 Satz 3 GWB sowie die Landesverordnungen zunächst ein Vorschlagsrecht bestimmter Stellen (Berufskammern, Verbände, kommunale Interessenverbände wie Städte- und Gemeindebund, Städtetag) vor. Durch das Vorschlagsrecht wird sichergestellt, dass nur interessierte und mit dem Vergabewesen vertraute Personen berufen werden. Die Einbindung der ehrenamtlichen Mitglieder trägt in einem nicht zu unterschätzenden Maße zur Förderung der Kammerverfahren bei, da sie aufgrund ihrer beruflichen Ausrichtungen, etwa als Bauingenieur, Kaufmann oder IT-Spezialist, Streitpunkte der Beteiligten in Bezug zu anerkannten fachlichen Standards setzen können und so die Einschaltung von Sachverständigen vermieden wird.

11Mangels spezieller Regelungen gelten für die Tätigkeit der ehrenamtlichen Mitglieder die Vorschriften aus §§ 81 bis 87 VwVfG Bund/Länder. Die ehrenamtlichen Mitglieder sind danach zur unparteiischen Amtsausübung und Verschwiegenheit verpflichtet. Ihre Stimme zählt in der Beratung wie die der hauptamtlichen Mitglieder. Eine besondere Dokumentation ihrer Mitwirkung, die über die Aufführung im Tenor der Entscheidung hinausginge, die also den Inhalt ihres Abstimmungsverhaltens wiedergeben würde, ist richtigerweise nicht erforderlich.13 Zur eigenhändigen (Mit-)Unterzeichnung des Beschlusses durch das ehrenamtliche Mitglied können die jeweiligen Landesverordnungen oder die auf ihrer Grundlage ergangenen Geschäftsordnungen (nicht aber die Vergabekammer intern) verbindliche Regelungen treffen.14 Nach Auffassung des BGH15 ergibt sich aus der Rechtsnatur des Kammerbeschlusses keine Notwendigkeit der Unterzeichnung durch alle Mitwirkenden, während OLG Düsseldorf dies aufgrund der Vorgabe der Schriftlichkeit (§ 167 Abs. 1 Satz 1 GWB) annimmt.16 Für ihre Tätigkeit erhalten die ehrenamtlichen Kammermitglieder eine Aufwandsentschädigung (§ 85 VwVfG Bund) und genießen Unfallversicherungsschutz (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII).

IV.Besetzung bei verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen Aufträgen

12§ 157 Abs. 2 Satz 5 GWB wurde aufgrund des am 14.12.2011 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des Vergaberechts für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit (VergRVÄndG) neu mit dem damaligen Wortlaut der „verteidigungs- oder sicherheitsrelevanten“ Aufträge in das GWB aufgenommen.17 Hiernach kann die Vergabekammer bei der Überprüfung verteidigungs- und sicherheitsspezifischer Vergaben in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und zwei hauptamtlichen Beisitzern entscheiden. Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass Vergabeunterlagen, die Verschlusssachen umfassen, nur von sicherheitsüberprüften Personen eingesehen bzw. bearbeitet werden dürfen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass sicherheitsüberprüfte ehrenamtliche Beisitzer möglicherweise nicht immer kurzfristig vor Ort sein können und/oder Vergabeunterlagen, die Verschlusssachen beinhalten, nicht ohne Weiteres an ortsfremde ehrenamtliche Beisitzer versendet werden können.18

V.Qualifikation der Kammermitglieder auf Länderebene

13Für die Qualifikation der Kammermitglieder gilt § 157 Abs. 2 GWB.19 Für die Kammern der Länder traf zunächst § 106 Abs. 2 Satz 2 GWB die weitere Bestimmung „Bei der Besetzung der Vergabekammern muss gewährleistet sein, dass mindestens ein Mitglied die Befähigung zum Richteramt besitzt und nach Möglichkeit gründliche Kenntnisse des Vergaberechts vorhanden sind.“ Aufgrund des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20. April 2009 ist diese Bestimmung entfallen, sodass für Bund und Länder einheitlich § 157 Abs. 2 GWB gilt und klargestellt ist, dass auf Länderebene keine Abstriche gemacht werden können.

VI.Bestellung auf fünf Jahre (§ 157 Abs. 4 GWB)

14Die Bestellung auf fünf Jahre dient der Sicherstellung einer unabhängigen Tätigkeit der Kammermitglieder. Ohne deren Willen kann die Bestellung eines haupt- oder eines ehrenamtlichen Mitglieds somit nur dann widerrufen werden, wenn das Amt objektiv nicht mehr ausgeübt werden kann oder darf. Für die ehrenamtlichen Mitglieder ergeben sich die Voraussetzungen aus § 86 VwVfG (Abberufung aus wichtigem Grund entsprechend einer gröblichsten Pflichtverletzung, Unwürdigkeit oder Verhinderung an der ordnungsgemäßen Ausübung des Amtes). Bei hauptamtlichen Mitgliedern entfällt die Bestellung, wenn das Beamtenverhältnis endet; ansonsten dürften sinngemäß die gleichen Widerrufsgründe wie für die Abberufung eines ehrenamtlich Tätigen gelten, da der Dienstherr die ordnungsgemäße Tätigkeit der Vergabekammer sicherzustellen hat. Bloße „dienstliche Gründe“, die für eine Versetzung oder Abordnung ausreichen, können gem. § 157 Abs. 3 GWB gerade nicht angeführt werden. Sinn und Zweck der Regelung gebieten es aber nicht, dass die Bestellung auch gegen den Willen des Bestellten während der gesamten fünf Jahre fortdauern muss. Hierfür könnte allenfalls das Bedürfnis nach Kontinuität in der Entscheidungspraxis angeführt werden. Dies berücksichtigen aber bereits die Qualifikationsanforderungen, die gem. § 157 Abs. 2 GWB an die Kammermitglieder gestellt werden. Ein Widerruf im Einverständnis ist daher möglich, ebenso eine mehrmalige Bestellung desselben Mitglieds.

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