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F.Staatlich subventionierte Auftraggeber (§ 99 Nr. 4 GWB)

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65§ 99 Nr. 4 GWB bezieht solche Auftraggeber in den Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts mit ein, die zwar selbst nach § 99 Nr. 1 bis 3 GWB keine öffentlichen Auftraggeber sind, aber Aufträge vergeben, die von öffentlichen Auftraggebern überwiegend finanziert werden („Drittvergabe“). Dadurch soll verhindert werden, dass sich der Staat privater Dritter (ohne Beteiligung, Beherrschung oder besondere und ausschließliche Rechte) durch erhebliche Finanzierungsanteile bedienen kann, ohne die Bindungen des Kartellvergaberechts einhalten zu müssen.209 Der Wortlaut der Vorschrift stellt klar, dass ihre Adressaten sowohl natürliche und juristische Personen des privaten Rechts wie auch juristische Personen des öffentlichen Rechts sein sollen. Öffentlich-rechtliche Körperschaften sollen damit ebenfalls von § 99 Nr. 4 GWB erfasst werden.210

I.Die einzelnen Maßnahmen

66Die in § 99 Nr. 4 GWB erfolgte Aufzählung von Baumaßnahmen und damit im Zusammenhang stehenden Dienstleistungen ist ausschließlich und abschließend.211 Es muss sich bei dem Auftrag danach um Tiefbaumaßnahmen oder die Errichtung der in § 99 Nr. 4 GWB genannten Gebäude handeln. Die erfassten Gebäude dienen in erster Linie der Daseinsvorsorge und dem Allgemeinwohl.212 Der Begriff der Tiefbaumaßnahmen wird in Ziffer 45.2 des Anhangs II zur VKR näher erläutert.213 Dazu gehören Bauarbeiten an Viadukten, Tunneln und Unterführungen, Brunnen- und Schachtarbeiten, Arbeiten an Kanälen, Rohrleitungen und Kabelnetzen, Spezialtiefbauarbeiten, Sanierungsmaßnahmen bei der Grundstückserschließung etc.

67Unter Errichtung ist nicht nur die Neuerrichtung von Gebäuden, sondern auch deren Wiederherstellung, Sanierung, Umbau, Erweiterung und Modernisierung zu verstehen.214

68Der Begriff der Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen ist weit auszulegen. Darunter fallen auch Museen, Ausstellungszentren, Bibliotheken und Theater.215

69Neben den genannten Baumaßnahmen unterfallen auch die mit diesen in Zusammenhang stehenden Dienstleistungen und Auslobungsverfahren, die von öffentlichen Auftraggebern zu mehr als 50 % subventioniert werden, dem Vergaberecht. Sonstige Dienstleistungen und Auslobungsverfahren, die nicht mit Bauaufträgen im Sinne der VKR im Zusammenhang stehen, werden vom Anwendungsbereich des § 99 Nr. 4 GWB auch dann nicht erfasst, wenn sie zu mehr als 50 % subventioniert werden. Ebenfalls nicht ausreichend ist, dass ein überwiegend subventionierter Dienstleistungsauftrag ein in § 99 Nr. 4 GWB genanntes Bauvorhaben betrifft; das Bauvorhaben selbst muss vielmehr überwiegend von einem öffentlichen Auftraggeber subventioniert sein.

II.Begriff der Subventionierung

70Die Anwendung des § 99 Nr. 4 GWB setzt voraus, dass Stellen, die unter § 99 Nr. 1 bis 3 GWB fallen, Mittel bereitstellen, mit denen die in § 99 Nr. 4 GWB aufgezählten Maßnahmen zu mehr als 50 % subventioniert werden. Ausschlaggebend für die Berechnung ist der Zeitpunkt der Ausschreibung.216 Durch die Vergaberechtsreform 2016 hat der Gesetzgeber das Wort „finanziert“ durch „subventioniert ersetzt. Nach der Gesetzesbegründung kommt es im Rahmen des Tatbestandes nicht auf eine direkte Finanzierung an. Vielmehr umfasst dieser neben positiven Leistungen auch sonstige Begünstigungen, wie z. B. Steuernachlässe.217 Ob hierdurch der Anwendungsbereich erweitert wird, wie es in der Gesetzesbegründung heißt, erscheint fraglich, da bereits vorher eine europakonforme weite Auslegung angezeigt war.218 Für das Vorliegen einer Subventionierung im Sinne der Nr. 4 ist es in jedem Fall erforderlich, dass dem gewährten Vorteil keine Gegenleistung gegenübersteht.219

71Des Weiteren ist in Art. 13 lit. a) VRL die Rede von einer „direkten Subventionierung“. Das spricht dafür, nur solche Auftraggeber in den Anwendungsbereich des § 99 Nr. 4 GWB mit einzubeziehen, denen die Mittel außerhalb marktmäßiger Bedingungen (beispielsweise über eine nicht subventionierte Kreditvergabe) zur Verfügung gestellt wurden. Nicht betroffen sind die Fälle, in denen Private, die z. B. Krankenhäuser errichten und betreiben, von Krankenkassen durch Pflegesätze finanziert werden, da – solange dies im marktüblichen Rahmen geschieht – keine Subventionierung vorliegt. Ebenso wenig sind die Fälle betroffen, in denen unter § 99 Nr. 4 GWB fallende Einrichtungen von einem privaten Auftraggeber errichtet und daraufhin zu marktüblichen Bedingungen an die öffentliche Hand weitervermietet bzw. verleast werden.

§ 100 GWBSektorenauftraggeber

(1) Sektorenauftraggeber sind

1. öffentliche Auftraggeber gem. § 99 Nummer 1 bis 3, die eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 ausüben,

2. natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts, die eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 ausüben, wenn

a) diese Tätigkeit auf der Grundlage von besonderen oder ausschließlichen Rechten ausgeübt wird, die von einer zuständigen Behörde gewährt wurden, oder

b) öffentliche Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3 auf diese Personen einzeln oder gemeinsam einen beherrschenden Einfluss ausüben können.

(2) 1Besondere oder ausschließliche Rechte im Sinne von Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a sind Rechte, die dazu führen, dass die Ausübung dieser Tätigkeit einem oder mehreren Unternehmen vorbehalten wird und dass die Möglichkeit anderer Unternehmen, diese Tätigkeit auszuüben, erheblich beeinträchtigt wird. 2Keine besonderen oder ausschließlichen Rechte in diesem Sinne sind Rechte, die aufgrund eines Verfahrens nach den Vorschriften dieses Teils oder aufgrund eines sonstigen Verfahrens gewährt wurden, das angemessen bekannt gemacht wurde und auf objektiven Kriterien beruht.

(3) Die Ausübung eines beherrschenden Einflusses im Sinne von Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe b wird vermutet, wenn ein öffentlicher Auftraggeber gem. § 99 Nummer 1 bis 3

1. unmittelbar oder mittelbar die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens besitzt,

2. über die Mehrheit der mit den Anteilen am Unternehmen verbundenen Stimmrechte verfügt oder

3. mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Unternehmens bestellen kann.

Übersicht Rn.
A. Vorbemerkungen 1–7
I. Begriff des Sektorenauftraggebers 1–5
II. Bisherige Rechtslage 6, 7
B. Typologie der Sektorenauftraggeber 8–58
I. Sektorenauftraggeber gemäß § 100 Abs. 1 Ziff. 1 GWB 8–58
1. Gebietskörperschaften 10, 11
2. Einrichtungen des öffentlichen Rechts 12–34
a) Juristische Person 13–15
b) Gründungszweck 16–18
c) Nichtgewerblichkeit 19–23
d) Staatsgebundenheit 24–34
aa) Überwiegende Finanzierung 29, 30
bb) Leitungsaufsicht 31–33
cc) Bestimmung der Geschäftsführung sowie der Aufsichtsgremien 34
3. Verbände 35–37
4. Auftraggeber im Sinne des § 100 Abs. 1 Nr. 2 GWB 38–58
a) Natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts 40
b) Sektorentätigkeiten 41–48
c) Besondere und ausschließliche Rechte 49–54
d) Besondere Staatsgebundenheit 55–58
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