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C.Aufträge über die Lieferung von Militärausrüstung (Abs. 1 Nr. 1)

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I.Auftrag über Lieferungen

9Der Tatbestand des § 104 Abs. 1 Nr. 1 GWB erfasst Aufträge über Lieferungen i. S. d. § 103 Abs. 2 GWB,13 keine Aufträge über Bau- oder Dienstleistungen. Soweit der Vertrag sowohl Elemente eines Liefer- als auch eines Dienstleistungsvertrags aufweist, ist nach § 110 GWB abzugrenzen.14

II.Militärausrüstung (Abs. 2)

10Das Verteidigungs- und Sicherheitsspezifikum eines Auftrags nach § 104 Abs. 1 Nr. 1 GWB wird durch den Gegenstand der Lieferung hergestellt. Auftragsgegenstand ist die Lieferung von Militärausrüstung i. S. d. Definition in § 104 Abs. 2 GWB. Die Definition entspricht der Begriffsbestimmung in Art. 1 Nr. 6 VSVR.

1.Ausrüstung

11Der Begriff der Ausrüstung ist weit. Er erfasst sämtliche Ausstattung, Hilfs- und Betriebsmittel und sonstige Gegenstände, die dazu bestimmt sind, für einen bestimmten Zweck eingesetzt zu werden. Dabei handelt es sich insbesondere um Sachen, aber auch um nichtkörperliche Gegenstände wie Rechte, z. B. Lizenzen für Computerprogramme,15 etwa zum Virenschutz16 oder zur Erweiterung eines Kommunikationssystems.17 Ausrüstungsgegenstände sind dadurch charakterisiert, dass sie der Verfolgung eines bestimmten Zwecks durch den Nutzer dienen. Dabei genügt es, den Nutzer bei der Erreichung des von ihm verfolgten Zwecks unmittelbar oder mittelbar zu unterstützen bzw. den von ihm verfolgten Zweck in irgendeiner Weise zu fördern. Der Gegenstand muss zur Erreichung oder Förderung des bezweckten Erfolgs grundsätzlich geeignet, nicht aber notwendig sein.18

2.Militärische Zweckbestimmung

12Militärausrüstung ist gem. § 104 Abs. 2 GWB jede Ausrüstung, die eigens zu militärischen Zwecken konzipiert oder für militärische Zwecke angepasst wird und zum Einsatz als Waffe, Munition oder Kriegsmaterial bestimmt ist.19 Die Definition enthält keinen abschließenden Katalog von Rüstungsgütern und ist bewusst offen formuliert, um der Vielgestaltigkeit der militärischen Erfordernisse, dem technischen Fortschritt (z. B. unbemannte Vehikel) und den strategischen Anforderungen (Cyberkrieg) Rechnung tragen zu können.20 Ausschlaggebend ist der militärische Charakter des mit der Ausrüstung verfolgten Zwecks.21 Sie muss für den Einsatz durch Streitkräfte zur Erfüllung von deren nichtzivilen Aufgaben vorgesehen sein, etwa zum Transport von Versorgungsgütern für Einsatzkräfte22 oder zur Aufklärung und Überwachung.23 Dabei ist es irrelevant, ob die militärische Zweckbestimmung bei Entwurf, Design und Herstellung des Gegenstands bereits vorgegeben oder intendiert war oder dem Gegenstand die militärische Zweckbestimmung erst nachträglich beigemessen wurde.24 Durch die Möglichkeit der nachträglichen Zweckbestimmung sollen auch Dual-Use Güter umfasst werden.25 Mit einer Anpassung für militärische Zwecke geht zwar in den meisten Fällen eine entsprechende Änderung des Gegenstands, etwa eine Änderung der Gestalt einher. Nach Sinn und Zweck der Bestimmung muss der Begriff aber weit ausgelegt werden und erfasst damit auch die Umwidmung eines nicht für militärische Zwecke konzipierten und hergestellten Gegenstands zur Verwendung im militärischen Bereich, ohne dass es einer physischen Veränderung des Gegenstands bedarf.

13Der militärische Charakter besteht nicht allein darin, dass er für die Verwendung durch die Streitkräfte oder ein „Militärkorps“, in Deutschland durch die Bundeswehr, bestimmt ist.26 Streitkräfte können auch zu zivilen Zwecken eingesetzt werden,27 wie z. B. der im Grundgesetz vorgesehene Einsatz zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall (Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 GG) oder zur Unterstützung der Polizei beim Schutz von zivilen Objekten und bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer (Art. 87a Abs. 4 GG). Maßgeblich ist die Bestimmung für den Einsatz zu der eigentlichen Zweckbestimmung der Streitkräfte. Diese Zweckbestimmung umfasst für die Bundeswehr gemäß Art. 87a Abs. 1 Satz 1 GG die Verteidigung und den Einsatz im Rahmen eines Systems der kollektiven Sicherheit nach Art. 24 Abs. 2 GG.28 Das schließt auch die Auslandseinsätze der Bundeswehr im Rahmen der UNO, der NATO oder der EU ein.29

14Güter mit doppeltem Verwendungszweck (dual use Güter), die sich sowohl für die Verwendung zu militärischen als auch zu zivilen Zwecken eignen,30 sind als militärisch einzustufen, wenn sie konkret für militärische Zwecke eingesetzt werden sollen. Ist der Einsatzzweck ungewiss, kann sich der Auftraggeber nicht auf den militärischen Charakter berufen.31 Die bloße Behauptung, den Ausrüstungsgegenstand militärisch nutzen zu wollen, genügt nicht. Die Zweckbestimmung muss sich auch anhand der konkreten Beschaffungs- und Einsatzplanung darlegen lassen und vom Auftraggeber in geeigneter Weise dokumentiert sein. Die militärische Zweckbestimmung muss zum Zeitpunkt des Zuschlags noch gegeben sein. Entfällt die militärische Zweckbestimmung während des Beschaffungsvorgangs und handelt es sich auch im Übrigen nicht um einen verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen Auftrag, ist der Auftrag nach den allgemeinen Vergabevorschriften auszuschreiben.

15Beispiele für militärische Ausrüstungsgegenstände sind in der Liste gem. Art. 346 Abs. 2 AEUV (früher Art. 296 Abs. 2 EGV) von 195832 aufgezählt.33 Eine aktuellere Aufzählung enthält die Liste der Verteidigungsgüter.34 Weitere Listen, die insbesondere im Zusammenhang mit der Exportkontrolle aufgestellt wurden, finden sich in den Anhängen zur Dual-Use-Verordnung35 sowie in der Anlage zur Außenwirtschaftsverordnung in Form der Ausfuhrliste.36 In diesen Vorschriften werden die von den verschiedenen internationalen Nichtverbreitungs- und Ausfuhrkontrollregimen erfassten militärischen Güter aufgelistet und die hierzu geschlossenen völkerrechtlichen Verträge umgesetzt. Dazu gehören die Australische Gruppe über biologische und chemische Substanzen und einschlägige Rüstungsgüter, das Chemiewaffenabkommen, das Missile Technology Control Regime über Trägertechnologie, die Nuclear Suppliers Group über die Ausfuhrkontrolle von Nuklearmaterial und Dual-Use-Gütern mit Nuklearbezug sowie das Wassenaar Arrangement zu rüstungsrelevanten Dual-Use-Gütern. Soweit die Listen Verteidigungsgüter aufzählen, lässt die Nennung von Ausrüstungsgegenständen in solchen Listen vermuten, dass es sich um Militärausrüstung handelt. Bei den Dual-Use-Gütern genügt die Erwähnung in der Liste nicht, sondern indiziert nur die potentielle Eignung für eine militärische Verwendung.37 Letztlich maßgeblich ist allerdings in allen Fällen immer und allein die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen der gesetzlichen Definition im GWB.38

3.Bestimmung für Einsatz als Waffe, Munition oder Kriegsmaterial

16Über die Bestimmung für militärische Zwecke hinaus fordert die Definition des § 104 Abs. 2 GWB, dass die Ausrüstung zum Einsatz als Waffe, Munition oder Kriegsmaterial vorgesehen ist. Dieses Tatbestandsmerkmal gilt sowohl für die ursprünglich zu Militärzwecken konzipierten als auch die nachträglich angepassten Ausrüstungsgegenstände.39 Das legt bereits die grammatikalische Satzstellung nahe und wird auch durch den Sinngehalt bestätigt, da der Grund für eine Differenzierung zwischen diesen beiden Kategorien nicht ersichtlich wäre.

17Maßgeblich ist, zu welchem Zweck der Ausrüstungsgegenstand bestimmt ist.40 Die Zweckbestimmung kann dem Gegenstand auch insoweit bereits bei Herstellung oder später z. B. nach entsprechender Anpassung beigemessen werden.41 Sie muss auch bis zum Zeitpunkt des Zuschlags vorhanden sein.

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