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C.Die einzelnen Sektoren

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I.Trinkwasserversorgung (§ 102 Abs. 1 GWB)

1.Sektorspezifische Tätigkeit

7Gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 und 2 GWB beinhaltet die Sektorentätigkeit Wasser das Bereitstellen oder Betreiben von Netzen zur Trinkwasserversorgung im Zusammenhang mit der Erzeugung und Lieferung von Trinkwasser an die Bevölkerung. Dabei handelt es sich um die daseinsvorsorgliche Tätigkeit der Trinkwasserversorgung insgesamt. Erfasst ist auch die Einspeisung von Trinkwasser in Netze zur Versorgung der Allgemeinheit.

8§ 102 Abs. 7 GWB definiert den Begriff Einspeisung für die versorgungspezifischen Sektoren (§ 102 Abs. 1, 2 und 3 GWB): Zum Zwecke der Einspeisung bedeutet insoweit Erzeugung und Produktion sowie den Groß- und Einzelhandel. Damit sind sämtlichen Stufen der daseinsvorsorglichen Wertschöpfungskette abgebildet.

9Entsprechend sind Wasserversorgungsunternehmen Sektorenauftraggeber, die eigene Produktions- und Versorgungsanlagen betreiben. Allerdings gehören auch solche Unternehmen dazu, die ohne Eigenerzeugung als Händler Trinkwasser beschaffen und an Dritte veräußern. Der Begriff des Dritten schließt insoweit auch andere Wasserversorgungsunternehmen ein und ist nicht auf Letztkonsumenten beschränkt.4

10Maßgeblich für die Annahme der Sektorentätigkeit ist insoweit die Abgabe in ein Netz der allgemeinen Versorgung. Allgemeine Versorgung bedeutet, dass die Infrastruktur nicht – wie z. B. bei Arealnetzen – bereits für einen feststehenden oder zumindest bestimmbaren Letztverbraucherkreis erfolgt, sondern eine unbestimmte Anzahl von Letztverbrauchern einbezogen werden kann. Dies entspricht dem Verständnis gem. § 3 Nr. 17 EnWG für den Bereich der Energienetze.5 Die Eigentümerstellung ist insoweit nicht erforderlich, so dass die Einordnung als Sektorenauftraggeber auch dann Bestand hat, wenn das Unternehmen beispielsweise das Anlagevermögen Versorgungsnetz veräußert.6

2.Sektorennahe Tätigkeiten

11§ 102 Abs. 1 Satz 2 GWB definiert darüber hinaus, welche Nebentätigkeiten der Trinkwasserversorgung mit unter die Sektorentätigkeit im Sinne der Ziff. 1 und 2 fallen:

12Erfasst sind Wasserbau-, Bewässerungs- oder Entwässerungsvorhaben, wenn mehr als 20 % der Wassermenge für die damit zusammenhängende Trinkwasserversorgung verwendet wird. Auch eine Trinkwasserversorgung in Zusammenhang mit der Abwasserbeseitigung oder Wasserbehandlung stellt eine Sektorentätigkeit dar. Unter diese Erweiterung der Sektorentätigkeit fällt in der Kategorie Wasserbau beispielsweise die Errichtung von Talsperren, die ihrem Hauptzweck anderen Zwecken als der Trinkwasserversorgung dienen.7

13Hinsichtlich dieser Tätigkeiten kommt der Abgrenzung zwischen Abwasserentsorgung einerseits und Trinkwasserversorgung andererseits eine besondere Bedeutung zu. Insoweit kann ein Unternehmen, das Trink- und Abwasseraktivitäten verbindet, bei Erreichen der Voraussetzung inklusive der quantitativen Relationen insgesamt als Sektorenauftraggeber angesehen werden.8 Es genügt im Übrigen jeder technische oder unternehmerische Zusammenhang, um eine Tätigkeit insgesamt als Sektorentätigkeit i. S. d. § 102 Abs. 1, Ziff. 1 GWB zu qualifizieren.9 Das darauf ausgerichtete Unternehmen wird insgesamt zu einem Sektorenauftraggeber i. S. d. § 100 GWB.

3.Ausnahmen

14Der Ausnahmetatbestand nach § 102 Abs. 1 Satz 3 GWB erfasst Trinkwassergewinnung, die nicht zur Ausübung einer Sektorentätigkeit erforderlich ist und deren Netzeinspeisung vom eigenen Verbrauch des betreffenden Unternehmens abhängig ist. Eine Ausnahme ist nur gegeben, sofern diese zum Eigenverbrauch bestimmte Menge nicht mehr als 30 % der gesamten jährlichen Trinkwassergewinnung des Auftraggebers ausmacht.

15Im Rahmen der Trinkwasserversorgung ist auf die in § 137 Abs. 1 Nr. 7 GWB vorgesehene Ausnahme hinzuweisen. Danach kann die Beschaffung von Trinkwasser außerhalb des Vergaberechts erfolgen, wenn diese zu Zwecken der Weiterveräußerung im Rahmen der allgemeinen Daseinsvorsorge erfolgt.

II.Elektrizitätsversorgung (§ 102 Abs. 2 GWB)

1.Sektorspezifische Tätigkeit

16Gemäß § 102 Abs. 2 GWB umfasst die Elektrizitätsversorgung im Sinne einer vergaberechtlichen Sektorentätigkeit die Bereitstellung oder das Betreiben fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit im Zusammenhang mit der Erzeugung, der Fortleitung oder der Abgabe von Elektrizität sowie die Einspeisung von Elektrizität in diese Netze, also die netzgebundene Versorgungswirtschaft.

17Die Strukturierung dieser Norm ähnelt der bereits im § 102 Abs. 1 GWB vorgesehenen Untergliederung in eine Grunddefinition sowie spezifische Erweiterungen und auch Privilegierungen von der Anwendbarkeit des Sektorenbegriffs.10

18Die Grundkonstellation der Sektorentätigkeit unter dem Aspekt der Elektrizitätsversorgung ist das Betreiben fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität. Gemäß § 102 Abs. 7 GWB erstreckt sich dies auf die gesamte Wertschöpfungskette über Produktion und Erzeugung bis zu Groß- und Einzelhandel. Aufgrund entsprechender Entscheidungen der EU-Kommission sind die Erzeugung und der Groß- und Einzelhandel von Strom aus konventionellen Energieerzeugungsanlagen gem. § 140 GWB von der Anwendungsverpflichtung des Kartellvergaberechts freigestellt.11

19Das Merkmal der allgemeinen Versorgung setzt voraus, dass die Netzstrukturen nicht im Sinne eines Arealnetzes auf einen von vornherein beschränkten bestimmbaren Verbraucherkreis reduziert sind, sondern potenziell einer unbestimmten Anzahl von Letztverbrauchern zur Verfügung stehen.12

2.Ausnahme Eigenverbrauch

20§ 102 Abs. 2 Nr. 2 GWB reduziert die Reichweite des Sektors Energie für Sektorenauftraggeber i. S. d. § 100 Abs. 2 Nr. 2 GWB, also privatwirtschaftlich strukturierte Sektorenauftraggeber, dahingehend, dass Erzeugung und Einspeisung dann nicht als Sektorentätigkeiten gelten, wenn die Erzeugung nicht zum Zwecke der Ausübung einer Sektorentätigkeit erfolgt und die Einspeisung lediglich zum Zwecke des Eigenverbrauchs erfolgt. Quantitative Voraussetzung dieser Ausnahme ist, dass der zu diesem Eigenverbrauchszweck erzeugte Strom nicht mehr als 30 % der Gesamterzeugungsmenge des Unternehmens ausmacht. Relevant ist sofern ein auf die vergangenen drei Jahre kumulierter Durchschnittswert.

21Insoweit stellt sich die Frage, ob bei der Ermittlung dieser quantitativen Relationen die zum Zwecke des Eigenverbrauchs erzeugte Elektrizitätsmenge der reinen Elektrizitätsproduktion gegenüberzustellen ist oder insoweit eine Relation zur Gesamtenergieproduktion des Unternehmens gebildet werden muss.

22Nach energiewirtschaftlichen Maßstäben gilt mindestens Gas ebenfalls als Energie. Die Medien Wärme und Kälte sind zwar energiewirtschaftsrechtlich nicht in den Anwendungsbereich des EnWG einbezogen, gelten aber nach allgemeinem Begriffsverständnis ebenfalls als Energie.

23Angesichts des insoweit umfassenden Wortlauts in Artikel 9 Abs. 2 lit. b) der Richtlinie 2014/25/EU ist davon auszugehen, dass die quotale Relation hinsichtlich der Gesamterzeugung des betreffenden Unternehmens alle Sparten, also auch Gas, Wärme und Kälte umfasst.13

III.Gas- und Wärmeversorgung (§ 102 Abs. 3 GWB)

1.Sektorspezifische Tätigkeit

24Gemäß § 102 Abs. 3 GWB beinhaltet die Sektorentätigkeit für die Bereiche Gas und Wärme das Bereitstellen und Betreiben fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit in Zusammenhang mit der Erzeugung, der Fortleitung und der Abgabe von Gas und Wärme sowie die Einspeisung von Gas und Wärme in diese Netze, also die netzgebundene Versorgungswirtschaft. Die Versorgung mit Flüssiggas in Tanks oder Flaschen stellt keine Sektorentätigkeit im kartellvergaberechtlichen Sinne dar.14

25Strukturell beinhaltet auch § 102 Abs. 3 GWB eine tatbestandliche Grundstrukturierung der Merkmale des Sektors und regelt im Nachgang Ausnahmen zu diesen grundsätzlichen Tätigkeitsprofilen.

26Die Grundkonstellation erfasst das Betreiben fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit mit Gas und Wärme. Gemäß § 102 Abs. 7 GWB fällt unter Einspeisung auch die Produktion und Erzeugung sowie der Groß- und Einzelhandel. Insoweit handelt es sich also um die gesamte Wertschöpfungskette.

27Hinsichtlich der Upstream-Stufe (Gasproduktion) ist zu differenzieren zwischen der Produktion von Gas durch Förderung einerseits und den sonstigen Erzeugungsformen von Gas andererseits. Lediglich die letztgenannten „sonstigen“ Erzeugungsverfahren kommen als Sektorentätigkeiten gem. § 102 Abs. 3 GWB in Betracht. Die Förderung als Erzeugungsform gilt gem. § 102 Abs. 7 Satz 2 als Sektorentätigkeit auf dem Gebiet der fossilen Brennstoffe gem. § 102 Abs. 6 GWB.

28Bei der Bestimmung des Tatbestandmerkmals Netz zur Versorgung der Allgemeinheit kommt es darauf an, dass die Versorgungsinfrastruktur jedem Letztverbraucher offensteht und nicht einem bereits im Vorfeld beschränkten oder bestimmten Kreis vorbehalten bleibt.

2.Sektorennahe Tätigkeiten

29§ 102 Abs. 3 Ziff. 2 GWB regelt, dass eine Einspeisung von Gas und Wärme, die sich technisch zwangsläufig aus einer Tätigkeit ergibt, die ausschließlich zu Zwecken der eigenen wirtschaftlichen Nutzung ausgeführt wird und die keine Sektorentätigkeit gem. § 100 Abs. 1 bis 4 GWB beinhaltet, nicht als Sektorentätigkeit im Sinne des § 102 Abs. 3 GWB anzusehen ist.

30Weitere Voraussetzung ist, dass die Einspeisung bezogen auf den durchschnittlichen Umsatz des Sektorenauftraggebers während der letzten drei Jahre einen Anteil von nicht mehr als 20 % ausmacht. Der insoweit relevante Dreijahreszeitraum erfasst ebenfalls das laufende Jahr.

31Das Phänomen der Nebenprodukte in Form von Gas oder Wärme ist ein in der industriellen Produktion häufig auftretender Effekt. In Form von Abwärme oder Prozesswärme entstehen nennenswerte Energiedepots, die im Zuge einer stärkeren ökologischen Ausrichtung der wirtschaftlichen Prozesse in den vergangenen Jahren verstärkt energiewirtschaftlich genutzt werden. Daher rücken Unternehmen, die als industrielle Produktionsunternehmen grundsätzlich außerhalb des Anwendungsbereiches des Sektorenvergaberechts stehen, potenziell in den Anwendungsbereich des Sektorenvergaberechts.

3.Kälte

32Die ausdrückliche Formulierung des § 102 Abs. 3 GWB sowie der europarechtliche Hintergrund zur Entstehung der Richtlinien 2014/24/EU und 2014/25/EU verdeutlichen, dass der Kältesektor (beispielsweise im Sinne einer „Fernkälte“) nicht in den Anwendungsbereich der Bestimmung fällt.15

IV.Verkehrsleistungen (§ 102 Abs. 4 GWB)

1.Sektorspezische Inhalte

33§ 102 Abs. 4 GWB definiert den Sektor der Verkehrsleistungen. Danach fallen unter diesen Sektorenbereich die Bereitstellung oder das Betreiben von Netzen zur Versorgung der Allgemeinheit mit Verkehrsleistungen per Eisenbahn, automatischen Systemen, Straßenbahn, Trolleybus oder Seilbahn. Ein Netz gilt als vorhanden, wenn die Verkehrsleistung gem. den von einer zuständigen Behörde festgelegten Bedingungen erbracht wird. Dazu gehören die Festlegung der Strecken und Transportkapazitäten und die Fahrpläne.

34Anders als nach bisheriger Rechtslage finden sich die Bestimmungen zu Häfen und Flughäfen in einer separaten Bestimmung, § 102 Abs. 5 GWB. Allgemein versorgendes Netz bedeutet, dass die verkehrstechnische Infrastruktur nicht einem bestimmten Nutzerkreis vorbehalten bleibt, sondern jedermann sie grundsätzlich in Anspruch nehmen kann.

35Da nicht alle Verkehrsnetze eine reale physische Existenz aufweisen, ist der Begriff eines Verkehrsnetzes an rechtliche Voraussetzungen geknüpft. § 102 Abs. 4 HS 2 GWB stellt insoweit darauf ab, dass die Verkehrsleistung aufgrund behördlich festgelegter Bedingungen erbracht wird. Diese Bedingungen schließen die Streckendefinition, die kapazitätsbezogenen sowie ablauftechnischen Vorgaben (Fahrpläne) ein. Nur die in Abhängigkeit von diesen Vorgaben erbrachten Verkehrsleistungen fallen unter den Begriff der Sektorentätigkeit.16

36Aufgrund dieser rechtlich ausgerichteten Definition sind also nicht nur tatsächlich physisch existente Netze erfasst, die beispielsweise als geschlossenes Schienensystem bestehen, sondern auch rechtlich definierte nicht gegenständliche Netze.17 Hierzu zählen beispielsweise Buslinien, die im Rahmen entsprechender Regelungen das allgemeine Straßennetz nutzen. Die Netzgebundenheit kann also auch durch rechtliche Rahmensetzung in hinreichend konkreter Weise vermittelt werden.18

2.Ausnahmen

37Nicht erfasst vom Begriff des Sektorenauftraggebers gem. § 102 Abs. 4 GWB sind die öffentlich-rechtlichen Aufgabenträger der verkehrsinfrastrukturellen Daseinsvorsorge, sofern sie die entsprechenden Netze nicht selbst bereitstellen oder betreiben. Die reine Organisation und Vorhaltung im Sinne einer entsprechend zugeschriebenen Verpflichtung oder Aufgabe beinhaltet keine Sektorentätigkeit im Sinne des § 102 Abs. 3 GWB.19

38Die personenbeförderungsinfrastrukturelle Rahmensetzung erfolgt im Wesentlichen durch das Personenbeförderungsgesetz, folgt also gesetzlich vorgegebenen Strukturen.

V.Häfen und Flughäfen (§ 102 Abs. 5 GWB)

1.Sektorspezifische Inhalte

39Gemäß § 102 Abs. 5 GWB bildet der Bereich Häfen und Flughäfen einen eigenen Sektor. Dieser definiert sich als Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Nutzung eines geografisch abgegrenzten Gebiets mit dem Zweck, für Luft-, See- oder Binnenschifffahrtsverkehrsunternehmen Flughäfen, See- oder Binnenhäfen oder andere Terminaleinrichtungen bereitzustellen.

40Wesentliches Merkmal dieser Sektorentätigkeit ist daher die Vorhaltung und Nutzung einer geografisch, also räumlich abgegrenzten Fläche, in deren Ausdehnungsbereich Flughäfen, See- oder Binnenhäfen betrieben werden.

2.Sektorennahe Tätigkeiten

41Der Begriff Nutzung erweitert die erfasste Sektorentätigkeit auch auf alle zweckdienlichen, mit dieser in Zusammenhang stehenden Einrichtungen oder Tätigkeiten wie zum Beispiel die Sicherheitsinfrastruktur und die verkehrstechnische Erreichbarkeit.

42Für die Annahme der Sektorentätigkeit kommt es nicht darauf an, dass das jeweils betreibende Unternehmen einen besonderen rechtlichen Status aufweist, der die infrastrukturelle Aufgabe auskleidet.

VI.Förderung und Exploration Fossiler Brennstoffe

1.Sektorspezifische Tätigkeit

43Gemäß § 102 Abs. 6 GWB ist der Sektorenbereich Förderung von Öl, Gas oder festen Brennstoffen definiert als Tätigkeit im Zusammenhang zur Nutzung eines geografisch abgegrenzten Gebiets zum Zwecke der Förderung von Öl oder Gas (§ 102 Abs. 6 Ziff. 1 GWB) oder zum Zwecke der Exploration von Kohle oder anderer feste Brennstoffe (§ 106 Abs. 6 Ziff. 2 GWB).

44§ 102 Abs. 6 GWB setzt weiter voraus, dass die Tätigkeit im Rahmen eines geografisch abgegrenzten Gebietes erfolgt. Weitere rechtliche Anforderungen an die Ausrichtung und Positionierung des betreffenden Sektorenauftraggebers im Rahmen der Förder- und Explorationstätigkeiten bestehen nicht.20

45Die Öl- und Gasförderung war bisher nicht im GWB geregelt. § 102 Abs. 6 und 7 GWB erfasst die Erzeugung von Gas und erstreckt sich auch auf die Gebietsentwicklung sowie die Erschließung.21

2.Reichweite des Sektors

46Aufgrund des ausdrücklichen Wortlauts von § 102 Abs. 6 Ziff. 1 und 2 GWB beschränkt sich die sektorenvergaberechtlich relevante Tätigkeit im Hinblick auf die Vorkommen von Öl oder Gas lediglich auf deren Förderung, nicht jedoch auf die Exploration von Öl oder Gas.22 Die Beschaffung von Energie oder Brennstoffen zur Energieerzeugung durch Sektorenauftraggeber ist allerdings gem. § 137 Abs. 1 Nr. 8 GWB vom Anwendungsbereich des Vergaberechts ausgenommen.23

47Diesbezüglich ist ein intensiver Wettbewerb feststellbar, der eine entsprechende Einbeziehung entbehrlich macht. Die reine Gewinnung hingegen ist tatbestandliches Merkmal von § 102 Abs. 6 GWB.

§ 103 GWBÖffentliche Aufträge, Rahmenvereinbarungen und Wettbewerbe

(1) Öffentliche Aufträge sind entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern oder Sektorenauftraggebern und Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die die Lieferung von Waren, die Ausführung von Bauleistungen oder die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand haben.

(2) 1Lieferaufträge sind Verträge zur Beschaffung von Waren, die insbesondere Kauf oder Ratenkauf oder Leasing, Mietverhältnisse oder Pachtverhältnisse mit oder ohne Kaufoption betreffen. 2Die Verträge können auch Nebenleistungen umfassen.

(3) 1Bauaufträge sind Verträge über die Ausführung oder die gleichzeitige Planung und Ausführung von

1. Bauleistungen im Zusammenhang mit einer der Tätigkeiten, die in Anhang II der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2014/18/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65) und Anhang I der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 243) genannt sind, oder

2. eines Bauwerkes für den öffentlichen Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber, das Ergebnis von Tief- oder Hochbauarbeiten ist und eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll.

2Ein Bauauftrag liegt auch vor, wenn ein Dritter eine Bauleistung gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber genannten Erfordernissen erbringt, die Bauleistung dem Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugutekommt und dieser einen entscheidenden Einfluss auf Art und Planung der Bauleistung hat.

(4) Als Dienstleistungsaufträge gelten die Verträge über die Erbringung von Leistungen, die nicht unter Absätze 2 und 3 fallen.

(5) 1Rahmenvereinbarungen sind Vereinbarungen zwischen einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern und einem oder mehreren Unternehmen, die dazu dienen, die Bedingungen für die öffentlichen Aufträge, die während eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere in Bezug auf den Preis. 2Für die Vergabe von Rahmenvereinbarungen gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist, dieselben Vorschriften wie für die Vergabe entsprechender öffentlicher Aufträge.

(6) Wettbewerbe im Sinne dieses Teils sind Auslobungsverfahren, die dem Auftraggeber auf Grund vergleichender Beurteilung durch ein Preisgericht mit oder ohne Verteilung von Preisen zu einem Plan oder einer Planung verhelfen soll.

Schrifttum: Bank, Muss die Veräußerung von gemeindeeigenen Grundstücken an einen privaten Investor zum Zwecke der Bebauung öffentlich ausgeschrieben werden?, BauR 2012, 174 ff.; Burgi, BauGB-Verträge und Vergaberecht, NVwZ 2008, 929 ff.; Fischer/Fongern, Rahmenvereinbarungen im Vergaberecht, NZBau 2013, 550 ff.; Graef, Rahmenvereinbarungen bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen de lege lata und de lege ferenda, NZBau 2005, 561 ff.; Greim, Ausschreibungspflichten beim kooperativen Städtebau nach dem „Helmut Müller“-Urteil des EuGH, ZfBR 2011, 126 ff.; Grothmann/Tschäpe, Entwarnung für Projektentwickler bei städtebaulichen Verträgen – EuGH Helmut Müller, ZfBR 2011, 442 ff.; Haak, Jenseits von „Ahlhorn“ – die vergaberechtliche Beurteilung kommunaler Grundstücksgeschäfte, VergabeR 2011, 351 ff.; Hausmann, Kommunale Grundstücksverkäufe ohne Ausschreibungspflicht – OLG Düsseldorf (VII-Verg 9/10) passt sich dem EuGH („Wildeshausen“-Entscheidung) an, VR 2011, 41 ff.; Hanke, Wann ist ein Grundstücksgeschäft der öffentlichen Hand ausschreibungspflichtig? – Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 25. März 2010 – C-451/08, ZfBR 2010, 562 ff.; Hertwig, Der Staat als Bieter, NZBau 2008, 355 ff. Hertwig, Vergaberecht und staatliche (Grundstücks-)Verkäufe, NZBau 2011, 9 ff.; Neun, Vergaberechtsfreiheit des „Open.House-Modells“, NZBau 2016, 681 ff.; Otting, Städtebauliche Verträge und der EuGH – Was bleibt von „Ahlhorn“?, NJW 2010, 2167 ff.; Pietzcker, Grundstücksverkäufe, städtebauliche Verträge und Vergaberecht, NZBau 2008, 293 ff.; Porten/Rechten, Das Open-House-Modell – Möglichkeiten für eine praxisgerechte Verfahrensausgestaltung, NZBau 2017, 587 ff.; Prieß/Simonis, Die künftige Relevanz des Primärvergabe- und Beihilfenrechts, NZBau 2015, 731 ff.; Rosenkötter, Rahmenvereinbarungen mit Mini-Wettbewerb – Zwischenbilanz eines neuen Instruments, VergabeR 2010, 368 ff.; Schaller, Der Auftragsbegriff im Vergaberecht, der gemeindehaushalt 2011, 158 ff.; Schätzlein, Grundstücksgeschäfte und das Vergaberecht, IBR online 2008; Sitsen, Zur Ausschreibungspflicht eines eingekapselten Bauauftrags, BauR 2011, 462 ff.; Strenge, Vergabefreie Übertragung kommunaler Aufgaben, NordÖR 2011, 216 ff.; Wichmann, Die Vergabe von Rahmenvereinbarungen und die Durchführung nachgelagerter Wettbewerbe nach neuem Recht, VergabeR 2017, 1 ff.; Willenbruch, Der Open-House-Vertrag – vergaberechtliche Fragen und Antworten, VergabeR 2017, 419 ff.

Übersicht Rn.
A. Überblick 1–8
B. Öffentlicher Auftrag (§ 103 Abs. 1 GWB) 9–46
I. Vertrag 9–17
1. Begriff 9, 10
2. Abgrenzung zu anderen Rechtsverhältnissen zwischen öffentlicher Hand und Dritten als Leistungserbringern 11–17
II. Parteien 18–21
III. Beschaffungsbezug 22–32
1. Erschließungsverträge (§ 124 Abs. 1 BauGB) 27, 28
2. Durchführungsverträge (§ 12 BauGB) 29–31
3. Sanierungs- und Entwicklungsvereinbarungen (§§ 157 ff., 167 BauGB) 32
IV. Entgeltlichkeit des Vertrags 33–37
V. Form 38–40
VI. Laufzeit 41–46
C. Erfasste Auftragsarten 47–110
I. Lieferaufträge (§ 103 Abs. 2 GWB) 47–51
II. Bauaufträge (§ 103 Abs. 3 GWB) 52–83
1. Allgemeines 52–55
2. Vertrag über Bauleistungen (§ 103 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB) 56–60
3. Vertrag über Bauwerke (§ 103 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB) 61–66
4. Vertrag über Erbringung einer Bauleistung durch Dritte (§ 103 Abs. 3 Satz 2 GWB) 67–83
a) Bauleistung durch einen Dritten 70
b) Bauleistung gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen 71–74
c) Bauleistung im unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse des öffentlichen Auftraggebers 75–79
d) Entscheidender Einfluss des öffentlichen Auftraggebers auf Art und Planung der Bauleistung 80
e) Einzelfragen 81–83
III. Dienstleistungsaufträge (§ 103 Abs. 4 GWB) 84–86
IV. Rahmenvereinbarungen (§ 103 Abs. 5 GWB) 87–107
1. Überblick 87–92
2. Begriff der Rahmenvereinbarung (§ 103 Abs. 5 Satz 1 GWB) 93, 94
3. Arten der Rahmenvereinbarung 95–97
4. Festzulegende Vertragsbestandteile 98–105
a) Preis 99
b) Leistungsgegenstand 100, 101
c) Auftragsvolumen 102
d) Beteiligte der Rahmenvereinbarung 103, 104
e) Laufzeit 105
5. Verweis auf die Vergaberegeln für öffentliche Aufträge (§ 103 Abs. 5 Satz 2 GWB) 106, 107
V. Wettbewerbe (§ 103 Abs. 6 GWB) 108–110
Vergaberecht

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