Читать книгу Vergaberecht - Corina Jürschik - Страница 56
A.Überblick
Оглавление1Während die §§ 98 bis 100 GWB mit der Definition des Auftraggebers den subjektiven Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts regeln, also die Frage beantworten, wer bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen das Kartellvergaberecht anzuwenden hat, übernimmt § 103 GWB mit der Legaldefinition des öffentlichen Auftrags diese Funktion in Bezug auf den objektiven Anwendungsbereich.
2§ 103 GWB trat an die Stelle von § 99 GWB a. F., wurde im Vergleich zur Vorgängervorschrift, die im Zuge zwischenzeitlicher Novellierungen1 von 6 auf 13 Absätze angeschwollen war, rechtssystematisch jedoch wieder auf das Format einer Grundsatznorm zurückgeführt. So wurden die Regelungen in § 99 Abs. 7 bis 9 GWB a. F. mit der begrifflichen Bestimmung von verteidigungs- und sicherheitsrelevanten öffentlichen Aufträgen und weiteren Legaldefinitionen zur Spezifizierung solcher Aufträge in den neuen § 104 GWB ausgelagert. Gestrichen wurden ebenfalls die Konkurrenzregelungen in § 99 Abs. 10–13 GWB a. F., die ihren Platz nunmehr in den neuen §§ 110 ff. GWB gefunden haben.
3Da die Vergabe von Konzessionen nunmehr nach Maßgabe der Konzessionsrichtlinie einem eigenständigen und einheitlichen Vergaberechtsregime unterliegt, wurden schließlich auch die Verweise auf die Baukonzession im bisherigen § 99 Abs. 1 und 6 GWB a. F., in dem bislang die Baukonzession legaldefiniert war, aus der Grundsatznorm zur Legaldefinition des öffentlichen Auftrags entfernt. Die einheitliche Definition der Konzession in Abgrenzung zum Begriff des öffentlichen Auftrags findet sich nunmehr in § 105 GWB.
4Neu verortet in § 103 Abs. 5 GWB wurde dagegen die Definition der Rahmenvereinbarung gemäß Art. 33 Abs. 1 UAbs. 2 VRL und Art. 51 Abs. 1 UAbs. 2 SRL. In der Begründung des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes heißt es hierzu, dass der Abschluss einer Rahmenvereinbarung ebenso wie die Vergabe eines öffentlichen Auftrags wettbewerblichen Verfahrensregeln unterliege. Dies rechtfertige es, die Rahmenvereinbarung aus systematischen Gründen im Zusammenhang mit dem Begriff des öffentlichen Auftrags zu regeln. Auch wenn ihr Abschluss selbst (noch) keinen Beschaffungsprozess darstelle, bereite sie diesen vor, indem durch ihre Vergabe die Grundlage für die Vergabe von Einzelaufträgen im Wege eines vereinfachten Vergabeverfahrens gelegt werde.2
5Durch die Entflechtung der unterschiedlichen funktionalen Norminhalte und -ebenen, die sich im Lauf der Zeit in der Vorschrift des § 99 GWB a. F. „angesammelt“ hatten, hat die Vergaberechtsreform 2016 das dogmatische Fundament der Definition des objektiven Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts wieder deutlicher konturiert und damit das Verständnis und die Lesbarkeit dieser Grundsatznorm wesentlich verbessert.
6§ 103 GWB setzt sich aus drei grundsätzlichen Regelungsebenen zusammen: Abs. 1 definiert allgemein öffentliche Aufträge als „entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern oder Sektorenauftraggebern und Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die die Lieferung von Waren, die Ausführung von Bauleistungen oder die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand haben.“ Danach werden in Abs. 2 bis 4 die einzelnen erfassten Auftragsarten und schließlich in Abs. 5 und 6 mit der Rahmenvereinbarung und den Wettbewerben besondere, der Vorbereitung der Vergabe öffentlicher Aufträge dienende, Verfahren legaldefiniert.
7Auch wenn die Definition des öffentlichen Auftrags in § 103 Abs. 1 GWB auf den ersten Blick als auf der Hand liegend erscheint, haben sich im Zusammenhang mit der Auslegung des § 99 GWB a. F. in der Vergangenheit eine Vielzahl z. T. komplizierter Abgrenzungs- und Anwendungsprobleme ergeben, die sich in einer fast unübersehbaren Fülle von Entscheidungen der nationalen Obergerichte und des EuGH niedergeschlagen haben. Im Mittelpunkt dieser Entwicklung standen die folgenden praktischen Abgrenzungs- und Anwendungsfragen:
– Leistungserbringung durch den öffentlichen Auftraggeber (Inhouse-Geschäfte).3
– Leistungsbeziehungen zwischen öffentlichen Auftraggebern (interkommunale Zusammenarbeit).4
– Änderung und Verlängerung bereits bestehender Verträge.5
8Zu allen vorgenannten Bereichen hat der Unionsgesetzgeber in den neuen Richtlinien nunmehr die von der Rechtsprechung des EuGH hierzu entwickelten Grundsätze neu in den Richtlinientext aufgenommen und den objektiven Anwendungsbereich des EU-Kartellvergaberechts damit in einer Vielzahl neuer Bestimmungen präzisiert. Im nationalen Vergaberecht wurde das neue Unionsrecht zu den Voraussetzungen und Grenzen einer vergabefreien öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit in § 108 GWB, zu den Voraussetzungen und Grenzen vergabefreier Auftragsänderungen während der Vertragslaufzeit in § 132 GWB umgesetzt.