Читать книгу Vergaberecht - Corina Jürschik - Страница 59

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53Gemeinsames Tatbestandselement aller vorgenannten Varianten eines Bauauftrags ist, dass dieser sich allein auf die Ausführung von Bauarbeiten beschränken, aber auch die gleichzeitige Planung und Ausführung einer Baumaßnahme zum Inhalt haben kann. Letztere Alternative stellt eine Sonderregelung für die Vergabe eines typengemischten Vertrags dar. Denn erfolgt die Beauftragung eines Auftragnehmers mit der Planung und der Errichtung eines Bauvorhabens, ist dies als einheitlicher Bauauftrag zu bewerten, für dessen Vergabe ausschließlich die Vorschriften der VOB/A Anwendung finden. Hierbei ist allerdings vorausgesetzt, dass Ausführungs- und Planungsleistungen gleichzeitig vergeben werden.75 Es liegt im Ermessen des Auftraggebers, ob er Bau- und Planungsleistungen gemeinsam oder getrennt ausschreibt. Entscheidet er sich für eine getrennte Ausschreibung, sind die Planungsleistungen als Dienstleistungsauftrag auszuschreiben.76

54Nicht erforderlich ist es dagegen, dass die beauftragten Ausführungs- und Planungsleistungen inhaltlich deckungsgleich sind. Ein einheitlicher Bauauftrag liegt deshalb auch dann vor, wenn neben den Ausführungsleistungen lediglich ein Teil der auf sie bezogenen Planungsleistungen, z. B. nur die Genehmigungs- oder Ausführungsplanung, vergeben werden soll. Nichts grundsätzlich anderes gilt im umgekehrten Fall, dass der Umfang der Planungsleistungen über den Umfang der gleichzeitig damit zu vergebenden Ausführungsleistungen hinausgeht. Bilden die Planungsleistungen jedoch eindeutig das Übergewicht, sodass sich mit vergebene Ausführungsleistungen lediglich als untergeordnete Nebenarbeiten darstellen, liegt unter Berücksichtigung von § 110 Abs. 1 Satz 1 GWB ein nach § 103 Abs. 4 GWB zu beurteilender Dienstleistungsauftrag vor.77

55Seit der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Helmut Müller78 ist im Hinblick auf die Auslegung des Gemeinschaftsvergaberechts geklärt, dass der Begriff des Bauauftrags voraussetzt, dass der Auftragnehmer direkt oder indirekt die einklagbare Verpflichtung zur Erbringung der Bauleistungen, die Gegenstand des Auftrags sind, übernimmt. In welcher Weise die Einklagbarkeit der Verpflichtung zur Erbringung der Bauleistung rechtlich ausgestaltet wird, überlässt der EuGH dabei dem nationalen Gesetzgeber.

2.Vertrag über Bauleistungen (§ 103 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB)

56Leistungsgegenstand der ersten Variante des § 103 Abs. 3 Satz 1 GWB ist die Ausführung bzw. die gleichzeitige Planung und Ausführung von Bauleistungen. Die begriffliche Definition dieser Leistungsart ergibt sich durch den Verweis auf die in Anhang II zur VRL bzw. in Anhang I zur SRL unter Bezugnahme auf die Statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft (NACE, Nomenclature statistique des activités économiques dans la Communauté européenne) aufgelisteten Tätigkeiten im Baugewerbe, die als Bauleistungen i. S. d. Art. 2 Abs. 1 Nr. 6 lit. a VRL anzusehen sind. Diese Liste unterscheidet fünf Untergruppen von Leistungen des Baugewerbes: vorbereitende Baustellenarbeiten, Hoch- und Tiefbau, Bauinstallation, sonstiges Baugewerbe sowie Vermietung von Baumaschinen.

57Einen anderen, der unionsrechtlichen Bestimmung gemäß des Anhangs II zur VRL nicht widersprechenden Definitionsansatz verwendet § 1 VOB/A. Daher kann die darin enthaltene zusammenfassende Definition der Bauleistungen auch zur Bestimmung der ersten Variante eines Bauauftrags gem. § 103 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB herangezogen werden. Danach sind Bauleistungen Arbeiten jeder Art, durch die eine bauliche Anlage hergestellt, instandgehalten, geändert oder beseitigt wird. Diesen Leistungen ist gemeinsam, dass sie für ein funktionsfähiges Bauwerk erforderlich sind.79 Hieraus ergibt sich, dass Bauleistungen bzw. ein Bauvorhaben sich nicht nur auf die Errichtung von Neubauten, sondern darüber hinaus auf die Modernisierung, Rekonstruktion und Sanierung von Bestandsbauten richten können. Der Rückbau von Gebäuden zählt ebenfalls zu den Bauleistungen.

58Werden Bauleistungen dadurch charakterisiert, dass sie für ein funktionsfähiges Bauwerk erforderlich sind, ergibt sich daraus, dass auch die Lieferung von Gegenständen, die der Auftragnehmer den konkreten baulichen Verhältnissen anzupassen, vor Ort einzubauen oder zu montieren hat, eine Bauleistung ist.80 Werden dagegen Gegenstände geliefert, die der Ausstattung eines Gebäudes dienen, ohne dass sie einer speziellen Be- und Verarbeitung vor Ort oder eines individuellen Einbaus bedürfen, liegt eine Lieferung von Waren vor. An einem hinreichend engen funktionalen Zusammenhang zur Erstellung des Bauwerks wird es in der Regel fehlen, wenn Ausstattungsgegenstände ohne größere Schwierigkeiten oder ohne Substanz- oder Funktionsbeeinträchtigungen in ein anderes Gebäude verbracht werden können, um dort die gleiche Funktion auszufüllen.

59Ein Indiz für die Einordnung als Bauauftrag ist es auch, wenn ein Gegenstand nach seiner Be- oder Verarbeitung vor Ort bzw. durch einen individuellen Einbau wesentlicher Bestandteil eines Gebäudes i. S. d. § 94 Abs. 2 BGB wird. Diese rechtliche Qualifikation als wesentlicher Bestandteil setzt voraus, dass die in einem Gebäude eingebaute oder eingefügte Sache nicht wieder entfernt werden kann, ohne dass sie zerstört oder in ihrem Wesen verändert wird. Die Qualifikation als wesentlicher Bestandteil scheint daher eine sachgerechte Unterscheidung zu erlauben, ob der funktionale Zusammenhang zwischen der eingefügten Sache und dem Gebäude so eng ist, dass der Einbau als Bauleistung anzusehen ist, oder ob er lediglich so beschaffen ist, dass die Einfügung der Sache zwar einen funktionalen Zusammenhang schafft, dieser aber durch die Entfernung und Einbringung der Sache in ein anderes Gebäude jederzeit – auch an dem anderen Ort – wieder hergestellt werden kann. In letzterem Fall handelt es sich um eine Lieferleistung. Allerdings wird in Literatur und Rechtsprechung verbreitet die Meinung vertreten, es komme bei der Einordnung als Bauauftrag nicht entscheidend darauf an, ob eingebrachte Ausstattungsgegenstände dazu bestimmt sind, wesentliche Bestandteile eines Gebäudes zu werden. Selbst die Beschaffung großer Zubehörteile könne vergaberechtlich zur Ausführung eines Bauwerks gehören, sofern sie nur zur Herbeiführung von dessen Funktionsfähigkeit erforderlich sei.81 Diese Auffassung ist im Ergebnis jedoch abzulehnen, weil sie zu einer uferlosen Ausdehnung des Begriffs der Bauleistung führt und daher nicht zu einer rationalen Abgrenzung zu den Lieferleistungen taugt.

60Nach Maßgabe der hier vertretenen Auffassung wären also beispielsweise Teppichböden, Einbauküchen oder -schränke, maßgefertigte Regalsysteme oder in den Baukörper eingelassene Lichtleisten als Bauleistungen zu qualifizieren, die Ausstattung eines Gebäudes mit Büromöbeln, Lampen, Teppichen oder Elektrogeräten dagegen als Lieferleistung.82

3.Vertrag über Bauwerke (§ 103 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB)

61§ 103 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB unterscheidet sich nur insofern von § 103 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB, als eine Bauleistung hier nicht durch eine Bezugnahme auf typische Tätigkeitsgruppen des Baugewerbes definiert wird, sondern im Hinblick auf ihr Ergebnis: die Errichtung eines Bauwerks für den öffentlichen Auftraggeber, das Ergebnis von Tief- oder Hochbauarbeiten ist und eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll. Mit dem Terminus „Bauwerk“ werden also alle Bauleistungen zusammengefasst, die in technisch-funktionaler Hinsicht für die Errichtung eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage erforderlich sind und deren Beauftragung – im Gegensatz zu § 103 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB – im Ergebnis auf die Herstellung eines funktionsfähigen Gebäudes bzw. einer funktionsfähigen baulichen Anlage gerichtet ist. Sofern hierbei unterschieden wird zwischen Tief- und Hochbauarbeiten, ist dies lediglich in einem beschreibenden Sinne zu verstehen; eine Unterscheidung zwischen zwei vergaberechtlich unterschiedlich zu bewertenden Typen von Bauleistungen ist damit nicht verbunden.

62Als „Bauwerk“ i. S. d. § 103 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB sind in erster Linie Gebäude zu verstehen, erfasst werden jedoch auch alle mit dem Erdboden verbundenen oder auf ihm ruhenden, aus Produkten hergestellten baulichen Anlagen, wie z. B. Werbeanlagen oder Photovoltaikanlagen.83

63Durch die Kombination der Definitionen des Inhalts von Verträgen über die Erbringung von Bauleistungen in § 103 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 GWB kommt zum Ausdruck, dass der Begriff der Bauleistung weit auszulegen ist. Es werden zusammenfassend alle Arbeiten erfasst, die sich auf die Errichtung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken oder Teilen hiervon richten.84

64Die in § 103 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB weiter formulierte Voraussetzung, dass das Bauwerk eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll, erscheint auf den ersten Blick überflüssig, weil ein öffentlicher Auftraggeber Bauleistungen zur Errichtung eines Bauwerks aufgrund des erforderlichen Beschaffungsbezuges nur dann in Auftrag geben darf, wenn das auszuführende Bauwerk eine wirtschaftliche oder technische Funktion im Rahmen der Wahrnehmung seiner öffentlichen Aufgabe(n) erfüllt. Diese Anforderung dient dem Zweck, „exotische“ Beschaffungsgegenstände, etwa Kunstwerke, für deren Herstellung Bauleistungen notwendig sind, auszugrenzen.85

65Ein Bauwerk bzw. ein Bauvorhaben kann sich aus verschiedenen Leistungsteilen oder Bauabschnitten zusammensetzen. Entscheidend ist, dass die Teile oder Abschnitte erst gemeinsam eine technisch-funktionale Einheit bilden (z. B. eine Umgehungsstraße mit einem Brückenbauwerk) und deshalb ein einheitliches Bauwerk darstellen.86 Andererseits kann ein Bauvorhaben auch auf die Errichtung mehrerer Bauwerke gerichtet sein, die jeweils separat nutzbare und damit funktional selbstständige Teilabschnitte darstellen.87 Wird z. B. die Umgehungsstraße in verschiedenen Teilabschnitten errichtet, von denen ein jeder für sich bereits verkehrlich nutzbar ist, erfüllt auch jeder separat den Begriff eines Bauwerks.

66Die Frage, wann in vorgenanntem Sinne von einem einheitlichen Bauwerk bzw. mehreren funktional selbstständigen Bauwerken ausgegangen werden kann, hat erhebliche praktische Bedeutung im Zusammenhang mit der vom Auftraggeber vorzunehmenden Schätzung der Auftragswerte und dem vergaberechtlichen Umgehungsverbot des § 3 Abs. 2 VgV. Der Auftraggeber darf nämlich ein einheitliches Bauvorhaben bzw. Bauwerk nicht in einzelne unselbstständige Teilvorhaben aufteilen, um die Anwendung des Kartellvergaberechts zu umgehen.

4.Vertrag über Erbringung einer Bauleistung durch Dritte (§ 103 Abs. 3 Satz 2 GWB)

67Während § 103 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 GWB den typischen Fall eines öffentlichen Bauauftrages regelt, bei dem der öffentliche Auftraggeber einen Dritten direkt mit der Ausführung oder der gleichzeitigen Planung und Ausführung eines Bauvorhabens oder eines Bauwerkes beauftragt, erweitert § 103 Abs. 3 Satz 2 GWB den Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts auch auf solche Auftragsverhältnisse, bei denen ein Dritter mit der Ausführung einer Bauleistung beauftragt wird, die sich an den Erfordernissen des öffentlichen Auftraggebers ausrichtet und diesem unmittelbar wirtschaftlich zugutekommt. Während die vorgenannten Begriffselemente eines öffentlichen Vertrages über die Erbringung einer Bauleistung durch Dritte bereits nach bisherigem Recht in § 99 Abs. 3, 3. Alt. GWB a. F. verankert waren, wird nunmehr durch Art. 2 Abs. 1 Nr. 6 lit. c VRL zusätzlich klargestellt, dass die Erbringung einer Bauleistung gemäß den von einem öffentlichen Auftraggeber gesetzten Erfordernissen voraussetzt, dass dieser einen entscheidenden Einfluss auf Art und Planung der Bauleistung hat. Diese begriffliche Ergänzung ist nun auch Bestandteil der Definition im nationalen Recht in § 103 Abs. 3 Satz 2 GWB. Sie soll noch klarer hervorheben, dass die Bauleistung eines Dritten nur dann eine dem Vergaberecht unterliegende Beschaffung eines öffentlichen Auftraggebers ist, wenn sie in seinem wirtschaftlichen Interesse, für seine funktionalen Zwecke und unter seiner bestimmenden Regie ausgeführt wird.

68Normzweck des § 103 Abs. 3 Satz 2 GWB ist es, dem öffentlichen Auftraggeber die Möglichkeit der Umgehung des Vergaberechts zu versperren. Dieser soll sich den strengen rechtlichen Bindungen bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge nicht dadurch entziehen können, dass er die Rolle des Bauherrn einem Dritten zuweist, der im eigenen Namen ein Bauvorhaben errichtet, das letztlich unmittelbar den Bedürfnissen des öffentlichen Auftraggebers dienen soll. Es läuft nämlich nach wirtschaftlicher Betrachtung auf dasselbe hinaus, ob ein Dritter ein Bauwerk gemäß den von einem öffentlichen Auftraggeber definierten Erfordernissen errichtet und dieses Bauwerk danach dem öffentlichen Auftraggeber zur langfristigen Nutzung überlässt oder ob der öffentliche Auftraggeber direkt als Bauherr einen Vertrag mit einem Dritten über die Errichtung eines von ihm benötigten Bauwerks abschließt.

69Ein Bauauftrag gem. § 103 Abs. 3 Satz 2 GWB weist vier wesentliche konstitutive Elemente auf:

– Die Bauleistung wird durch einen Dritten erbracht.

– Die Bauleistung wird gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen erbracht.

– Die Bauleistung kommt dem öffentlichen Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugute.

– Der öffentliche Auftraggeber hat einen entscheidenden Einfluss auf Art und Planung der Bauleistung.

70a) Bauleistung durch einen Dritten. Keine Besonderheiten ergeben sich hinsichtlich des Begriffselements der Bauleistung durch einen Dritten; dieses ist nicht anders zu verstehen als im Kontext des § 103 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 GWB.88 Der mit der Bauleistung beauftragte Dritte kann daher jede vom öffentlichen Auftraggeber unabhängige private oder öffentliche Einrichtung sein.89 Kennzeichnend für einen Bauauftrag i. S. d. § 103 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB ist vielmehr, dass der Dritte als Bauherr fungiert, also das Bauvorhaben im eigenen Namen errichtet und dieses später dem öffentlichen Auftraggeber zur Nutzung übereignet, vermietet oder sonstwie langfristig überlässt. Hiermit werden in der Praxis vor allem Bauträgerverträge in ihren verschiedenen Varianten und Projektkonstellationen und langfristige Miet- oder Mietkaufverträge über das errichtete Bauwerk erfasst.90

71b) Bauleistung gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen. Ein öffentlicher Bauauftrag i. S. d. § 103 Abs. 3 Satz 2 GWB setzt weiterhin voraus, dass die Bauleistung von einem Dritten gemäß den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen erbracht wird. Erst hierdurch wird der Charakter der Beschaffung einer Bauleistung durch einen öffentlichen Auftraggeber offenbar.

72Eine Bauleistung gemäß den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen liegt daher nicht vor, wenn Gebäude, die sich ein öffentlicher Auftraggeber zur Erfüllung seiner Aufgaben beschaffen will, bereits errichtet sind. Die Anmietung oder der Ankauf solcher Immobilien ist vielmehr ein ausschreibungsfreies Mietgeschäft i. S. d. § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB.91 Ist ein von einem öffentlichen Auftraggeber benötigtes Gebäude noch nicht errichtet, schließt dies ein ausschreibungsfreies Mietgeschäft noch nicht in jedem Falle aus. Nur wenn sich die Errichtung maßgeblich an den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen ausrichtet, ist der Tatbestand des § 103 Abs. 3 Satz 2 GWB erfüllt.92

73Die Intensität der Einflussnahme des öffentlichen Auftraggebers auf die Baupläne und die Bauausführung markiert letztlich die Abgrenzung zwischen einem ausschreibungspflichtigen Bauauftrag und einem ausschreibungsfreien Mietgeschäft. Beschränkt sich die Einflussnahme des öffentlichen Auftraggebers auf die Planung und Ausführung des Gebäudes nur auf allgemeine Vorgaben, die jeder Erstmieter aus seiner speziellen Situation und der besonderen Gelegenheit als Erstnutzer von Gebäudeflächen heraus stellen kann (z. B. Umfang und Zuschnitt von Büro- oder sonstigen Nutzungsflächen, EDV-technische Ausstattung, etc.), oder errichtet der Dritte aus freien Stücken ein auf die voraussichtlichen Bedürfnisse des öffentlichen Auftraggebers zugeschnittenes Bauwerk in der Erwartung einer langfristigen Nutzungsüberlassung an diesen nach dessen Fertigstellung, steht dies der Annahme eines vergaberechtsfreien Mietgeschäfts nicht entgegen.93 Erhält ein Bauwerk dagegen durch den Einfluss des öffentlichen Auftraggebers auf die Planung und Ausführung ein solch spezielles Gepräge, dass der Investor ein solches Projekt nur in der Gewissheit des Bestehens eines konkreten Bedarfs des öffentlichen Auftraggebers realisiert, weil eine anderweitige realistische Vermarktungsmöglichkeit nicht existiert, liegt ein Bauauftrag gem. § 103 Abs. 3 Satz 2 GWB vor.

74Aus der gesetzlichen Formulierung, dass konkrete Vorgaben für eine Bauleistung eines Dritten vom Auftraggeber „genannt“ werden müssen, ist zu folgern, dass der öffentliche Auftraggeber als Initiator eines bestimmten Immobilienprojekts in Erscheinung tritt und mit einem von ihm entwickelten Anforderungsprofil für die zu erbringende Bauleistung an den Beschaffungsmarkt herantritt.94 Der Beschaffungszweck als konstitutives Element eines öffentlichen Auftrags erfordert, dass sich die inhaltlichen Vorgaben des öffentlichen Auftraggebers an die Bauleistung aus der beabsichtigten späteren Nutzung herleiten und einen dementsprechenden Konkretisierungsgrad aufweisen.95 Es reicht nicht, dass ein öffentlicher Auftraggeber in Ausübung städtebaulicher Regelungszuständigkeiten vorgelegte Baupläne prüft und genehmigt oder eine Entscheidung über die Realisierung des Bauwerks in Anwendung solcher Zuständigkeiten trifft.96 Eine Bauleistung gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen setzt nach der auch insoweit klarstellenden Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Helmut Müller vielmehr voraus, dass der öffentliche Auftraggeber Maßnahmen ergriffen hat, um die Merkmale der Bauleistung zu definieren oder zumindest einen entscheidenden Einfluss auf ihre Konzeption auszuüben.97

75c) Bauleistung im unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse des öffentlichen Auftraggebers. Die Anforderung, dass die Bauleistung dem öffentlichen Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugutekommen muss, wurde erst im Zuge der Vergaberechtsreform 2009 über die in Art. 1 Abs. 2 lit. b VRL a. F. niedergelegten unionsrechtlichen Anforderungen hinaus neu in den Wortlaut des § 99 Abs. 3, 3. Alt. GWB a. F. eingefügt. Der nationale Gesetzgeber trat damit der sog. Ahlhorn-Rechtsprechung des OLG Düsseldorf entgegen, die einen solchen unmittelbaren Bezug der zu erbringenden Bauleistungen auf einen eigenen Bedarf oder eigene wirtschaftliche Interessen des öffentlichen Auftraggebers nicht für erforderlich hielt.98 Durch die aufgrund der Vorlage des OLG Düsseldorf im Vorabentscheidungsverfahren ergangene Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Helmut Müller wurde die durch das Erfordernis eines unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses des öffentlichen Auftraggebers bewirkte Eingrenzung des Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts im Rahmen der Vergabe von Bauaufträgen als gemeinschaftsrechtskonform bestätigt. Demnach fehlt es an einem unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse, sofern die öffentliche Hand lediglich im Rahmen ihrer städtebaulichen Regelungszuständigkeiten tätig wird.99

76Der EuGH hat in der Entscheidung darüber hinaus detailliertere Angaben dazu gemacht, in welchen Fallgruppen er ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse des öffentlichen Auftraggebers an der Bauleistung für gegeben hält. Danach kommt eine Bauleistung dem öffentlichen Auftraggeber dann unmittelbar wirtschaftlich zugute, wenn er:

– Eigentümer der Bauleistung oder des Bauwerks wird, die bzw. das Gegenstand des Auftrags ist,

– über einen Rechtstitel verfügen soll, der die Verfügbarkeit der Bauwerke, die Gegenstand des Auftrags sind, im Hinblick auf ihre öffentliche Zweckbestimmung sicherstellt,

– wirtschaftliche Vorteile aus der Nutzung oder Veräußerung des Bauwerks ziehen können soll,

– sich finanziell an der Erstellung des Bauwerks beteiligen soll oder

– Risiken für den Fall des wirtschaftlichen Fehlschlags des Investorenprojekts übernehmen soll.100

77Die Feststellung, wann eine Bauleistung durch Dritte dem öffentlichen Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugutekommt und von diesem deshalb ausgeschrieben werden muss, wirft im Einzelfall trotz der konkretisierenden Vorgaben des EuGH beträchtliche Probleme auf. Klärungsbedürftig erscheint beispielsweise, ob und inwieweit ein unmittelbares eigenes Interesse des Auftraggebers auch dann vorliegt, wenn sich seine wirtschaftlichen Vorteile aus der Nutzung der Bauleistung nur auf Teile eines Bauwerks beziehen, etwa wenn in einem von einem Investor errichteten Objekt öffentliche Parkplätze errichtet und betrieben werden sollen. Zwar änderte das OLG Düsseldorf auf Basis der genannten EuGH-Rechtsprechung mit seiner Entscheidung vom 9.6.2010 („Windhövel“) seine vorherige Spruchpraxis, indem es auf die Ausschreibungsfreiheit eines Investitionsvorhabens für ein innerstädtisches Einkaufszentrum, zu dem auch die Errichtung von Parkplätzen gehörte, erkannte.101 Begründet wurde diese Entscheidung jedoch damit, dass die Parkplätze weder von der Kommune selbst noch von der Allgemeinheit genutzt werden sollten. Entscheidend ist demnach die öffentliche Zweckbestimmung der Parkflächen. Ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse des öffentlichen Auftraggebers liegt demnach vor, sofern die Parkplätze vertraglich der Kommune selbst oder der Öffentlichkeit nutzbar gemacht werden sollen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Errichtung der öffentlichen Stellplätze eine zentrale Zweckbestimmung des Gebäudes darstellt. Ausreichend ist, dass diese Vertragspflicht das Vertragsverhältnis wesentlich mitprägt und inhaltlich mitbestimmt. Dient die Verpflichtung zur Errichtung der Parkplätze lediglich der privaten Nutzung des Bauvorhabens, so übt die Gemeinde hingegen städtebauliche Regelungszuständigkeiten aus, selbst wenn dies über die bauordnungsrechtlich notwendigen Parkplätze hinausgeht.102

78Auch die Frage, ob im Rahmen einer durch die Verwirklichung des Bauvorhabens verbesserten Erschließung des Grundstücks ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse des öffentlichen Auftraggebers gegeben ist, erscheint klärungsbedürftig. In seiner Entscheidung vom 26.5.2011 hat der EuGH in der Rechtssache PAI und LRAU Valencia zumindest klargestellt, dass Erschließungsmaßnahmen eines im Übrigen privaten Vorhabens dann nicht der Ausschreibungspflicht unterliegen, wenn sie nur einen untergeordneten Charakter in Bezug auf die Durchführung des Projekts aufweisen.103 Daran wird es jedoch regelmäßig fehlen, wenn – abhängig von der Größe und dem Umfang des Bauvorhabens – bereits für die Erschließungsmaßnahmen der Schwellenwert für EU-Vergaben überschritten wird.

79Der Konkretisierung wird auch die Frage bedürfen, ab welcher Höhe der finanziellen Beteiligung an der Erstellung des Bauwerks ein unmittelbares Interesse des öffentlichen Auftraggebers zu bejahen ist. Das Interesse des öffentlichen Auftraggebers an der Zahlung des Kaufpreises für ein Grundstück begründet jedenfalls nicht per se ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse an der Erstellung des Bauwerks.104 Erfolgt jedoch ein Grundstücksverkauf an einen Investor unter Marktwert und somit zu vergünstigten Konditionen, kann regelmäßig von einer finanziellen Beteiligung im Sinne der vom EuGH gebildeten Fallgruppe und somit von einem unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse des öffentlichen Auftraggebers gesprochen werden.105

80d) Entscheidender Einfluss des öffentlichen Auftraggebers auf Art und Planung der Bauleistung. § 103 Abs. 3 Satz 2 GWB normiert schließlich als weiteres Tatbestandsmerkmal eines öffentlichen Bauauftrags in der dritten Variante, dass der öffentliche Auftraggeber einen entscheidenden Einfluss auf Art und Planung der Bauleistung hat. Ob dies der Fall ist, ist allerdings schon im Zusammenhang mit der Frage zu prüfen und zu beantworten, ob eine Bauleistung gemäß den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen erbracht wird. Denn einen entscheidenden Einfluss auf Art und Planung der Bauleistung nimmt in der Regel nur derjenige, der ein Bauwerk nach dessen Errichtung selbst nach seinen eigenen Erfordernissen nutzen will. Mit der speziellen Erwähnung der Erforderlichkeit eines entscheidenden Einflusses des öffentlichen Auftraggebers auf Art und Planung der Bauleistung kann der Gesetzgeber daher nur die Klarstellung bezweckt haben, dass eine „Nennung“ von Erfordernissen seitens des öffentlichen Auftraggebers mehr als deren Kundgabe oder Verlautbarung voraussetzt, nämlich seinen aktiven planerischen und gestalterischen Einfluss mit dem Ziel, dass das Bauwerk nach seiner Fertigstellung den Erfordernissen des öffentlichen Auftraggebers auch tatsächlich entspricht.106

81e) Einzelfragen. Die Erteilung eines Bauauftrages i. S. d. § 103 Abs. 3 Satz 2 GWB wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der öffentliche Auftraggeber nach der Errichtung des Gebäudes durch einen Dritten von diesem nicht das Eigentum daran erwirbt, sondern das Gebäude lediglich zur längerfristigen Nutzung anmietet. Die Tatsache, dass der öffentliche Auftraggeber keine Verfügungsmacht über das Grundstück hat, auf dem das seinen Bedürfnissen dienende Gebäude errichtet werden soll, ändert nichts daran, dass in dieser Konstellation der Sache nach der öffentliche Auftraggeber als Initiator des Bauprojekts dem privaten Investor einen öffentlichen Bauauftrag erteilt.

82Unbeachtlich ist weiterhin, ob der Dritte das Vorhaben auf einem bereits ihm gehörenden Grundstück realisiert oder auf einem Grundstück, das ihm der öffentliche Auftraggeber zur Verfügung stellt, gleichgültig, ob durch Veräußerung oder Einräumung eines Erbbaurechts.107

83§ 103 Abs. 3 Satz 2 GWB erfasst nur vertragliche Beziehungen auf der Ebene zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem Dritten, der die Bauleistung nach dessen Erfordernissen durchführt. Verträge über Bauleistungen zwischen dem Dritten und dessen Auftragnehmern werden dagegen nicht erfasst. Ausschreibungspflichten auf dieser zweiten Ebene können daher nur dann bestehen, wenn der Dritte seinerseits die Tatbestandsmerkmale eines öffentlichen Auftraggebers nach Maßgabe des § 99 GWB aufweist.

III.Dienstleistungsaufträge (§ 103 Abs. 4 GWB)

84Dienstleistungsaufträge sind nach § 103 Abs. 4 GWB Verträge über die Erbringung von Leistungen, die nicht unter § 103 Abs. 2 GWB (Lieferaufträge) oder § 103 Abs. 3 GWB (Bauaufträge) fallen. Durch diese Regelungstechnik, die dem Dienstleistungsauftrag die Rolle eines Auffangtatbestands zumisst, wird erreicht, dass jede Art und jeder Typus einer Leistung, zu deren Erbringung sich ein Dritter gegenüber einem öffentlichen Auftraggeber vertraglich verpflichtet, vom Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts erfasst wird, gleichgültig mit welchem rechtlichen Etikett dieser Vertrag versehen wird.108 Ausgenommen bleiben daher lediglich die in den Bestimmungen nach § 107 GWB ausdrücklich genannten und enumerativ aufgezählten Auftragsarten.

85Die Negativabgrenzung des Dienstleistungsauftrags spiegelt die Regelungstechnik des europäischen Rechts. Auch in Art. 2 Abs. 1 Nr. 9 VRL und den entsprechenden Bestimmungen der anderen Vergaberichtlinien werden öffentliche Dienstleistungsaufträge in negativer Abgrenzung zu den öffentlichen Bau- oder Lieferaufträgen definiert.

86Nach § 130 GWB gelten bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen über soziale und andere besondere Dienstleistungen erleichterte Regelungen, etwa hinsichtlich des Schwellenwertes oder der anwendbaren Verfahrensart. Eine Übersicht, welche Dienstleistungen hiervon erfasst sind, findet sich in Anhang XIV zur VRL.109

IV.Rahmenvereinbarungen (§ 103 Abs. 5 GWB)

1.Überblick

87Die Rahmenvereinbarung als Instrument der öffentlichen Beschaffung wurde durch die Vergaberechtsreform 2016 erstmals im deutschen Vergaberecht umfassend gesetzlich verankert. Davor erfolgte die Umsetzung der einschlägigen Richtlinienvorgaben lediglich für Vergaben in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit (§ 14 VSVgV) und nur in Bezug auf die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen in § 4 VOL/A für den Unterschwellenbereich und in § 4 EG VOL/A für den Oberschwellenbereich. Für die Vergabe von Bauleistungen nach der VOB und für freiberufliche Leistungen nach der VOF waren Rahmenvereinbarungen gar nicht vorgesehen. Hieraus wurde zutreffend die Unzulässigkeit von Rahmenvereinbarungen über Bau- und freiberufliche Leistungen gefolgert.110

88§ 103 Abs. 5 Satz 1 GWB enthält die Begriffsdefinition der Rahmenvereinbarung, Satz 2 einen Generalverweis auf die Vorschriften für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen, die auch für die Vergabe von Rahmenvereinbarungen gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist. Welche Anforderungen sich hieraus im Einzelnen für die öffentlichen Auftraggeber bei der Ausschreibung und dem Abschluss von Rahmenvereinbarungen ergeben, wird konkret auf den nachfolgenden Normebenen der Kaskade geregelt. Auf der Verordnungsebene finden sich die entsprechenden Bestimmungen in § 21 VgV für „klassische“ öffentliche Auftraggeber, in § 19 SektVO für Sektorenauftraggeber, – wie bisher – in § 14 VSVgV für Auftraggeber, die verteidigungs- oder sicherheitsspezifische öffentliche Aufträge i. S. d. § 104 GWB vergeben, sowie in § 15 UVgO für die Vergabe von öffentlichen Liefer- und Dienstleistungsverträgen im Unterschwellenbereich. Die KonzVgV enthält keine Regelungen über Rahmenvereinbarungen, um die ohnehin beträchtliche rechtliche Komplexität von Konzessionen nicht noch weiter zu steigern.

89Auf der Ebene der Vergabe- und Vertragsordnungen finden sich nach dem Wegfall der VOL/A-EG nunmehr nur noch in § 4a EU VOB/A sowie in § 4a VS VOB/A Regelungen zur Rahmenvereinbarung für Bauvergaben im Oberschwellenbereich, die allerdings weitestgehend wortidentisch mit § 21 VgV sind und lediglich deshalb in die EU VOB/A bzw. VS VOB/A aufgenommen wurden, um dem Bauvergabepraktiker die Arbeit mit dem ihm in der Regel am meisten vertrauten Regelwerk der VOB zu erleichtern. Für den Bereich der unterschwelligen Bauvergaben hat der Deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen (DVA) im Zuge der Überarbeitung des ersten Abschnitts der VOB/A im Jahre 2016 ebenfalls einen § 4a zu Rahmenvereinbarungen in die VOB/A aufgenommen.111 Dieser übernimmt allerdings bewusst nicht die sehr detaillierte und eng an den Richtlinientext angelehnte Formulierung in § 4a EU VOB/A und § 4a VS VOB/A (weitestgehend wortgleich mit § 21 VgV), sondern lehnt sich an den Wortlaut des außer Kraft tretenden § 4 VOL/A an. Hiermit wird bezweckt, dem Rahmenvertrag im Gefüge der Vertragsarten im Unterschwellenbereich nicht überproportionales Gewicht zu verleihen.112

90Das Instrument der Rahmenvereinbarung ermöglicht es öffentlichen Auftraggebern, regelmäßig wiederkehrende Leistungen auszuschreiben und die Einzelleistungen ohne gesondertes Vergabeverfahren in einem privilegierten Verfahren inner­halb der Rahmenvereinbarung abzurufen. Diese „Bündelung“ von Einzelaufträgen in einem einzigen Vergabeverfahren113 hat für die öffentlichen Auftraggeber Effizienzvorteile, weil wertvolle Ressourcen nicht auf die Durchführung erneuter Vergabeverfahren verwendet werden müssen, und bietet dem Auftraggeber hinreichende Flexibilität, weil nach h. M. eine Verpflichtung zum Abruf von Leistungen grundsätzlich nicht besteht.114 Die praktische und wirtschaftliche Bedeutung des Abschlusses von Rahmenvereinbarungen im Rahmen von öffentlichen Beschaffungen ist dementsprechend hoch.115 Den Vorzügen für die öffentlichen Auftraggeber stehen Nachteile für die Unternehmen gegenüber. Unternehmen, die Vertragspartner der Rahmenvereinbarung werden, tragen bei einer fehlenden Abnahmeverpflichtung ein erhöhtes Kalkulationsrisiko116 und ggf. Vorhaltekosten, wenn sie durch die Rahmenvereinbarung zur Leistung innerhalb kurzer Zeit verpflichtet werden.

91Die Rahmenvereinbarung befindet sich in einem Spannungsverhältnis zwischen dem Wettbewerbsgrundsatz einerseits und der Erleichterung der Beschaffungstätigkeit öffentlicher Auftraggeber andererseits. Dass die an einer Rahmenvereinbarung beteiligten Unternehmen davon profitieren, dass im Bereich der Rahmenvereinbarung der Wettbewerb eingeschränkt wird, ist keine Intention, sondern Reflex von Rahmenvereinbarungen und damit nicht etwa eine Kompensation für die oben beschriebenen Nachteile. Das Instrument der Rahmenvereinbarung ist als Erleichterung der öffentlichen Beschaffung konzipiert worden. Wettbewerbsbeschränkungen sind zu diesem Zweck unvermeidlich, müssen aber soweit wie möglich verhindert werden. Um Beschränkung des Wettbewerbs nicht ausufern zu lassen, werden an Rahmenvereinbarungen besondere Anforderungen gestellt, wie beispielsweise die Begrenzung der Laufzeit auf grundsätzlich vier Jahre gem. § 21 Abs. 6 VgV.

92Ein besonders geeigneter, weil die Wirtschaftlichkeit öffentlicher Beschaffungen fördernder, Anwendungsbereich von Rahmenvereinbarungen sind wiederkehrende Standardleistungen und Massenwaren.117 Rahmenvereinbarungen können jedoch auch in Märkten Berücksichtigung finden, die aufgrund ihrer Innovationsfähigkeit schnelllebig sind und somit kurzen Innovationszyklen unterliegen. Dies trifft insbesondere auf Bereiche der Informationstechnologie zu.118 Einen für die Beschaffungspraxis wesentlichen Anwendungsbereich von Rahmenvereinbarungen bilden auch die von gesetzlichen Krankenkassen als öffentliche Auftraggeber vergebenen Rabattverträge nach § 130a Abs. 8 SGB V.119

2.Begriff der Rahmenvereinbarung (§ 103 Abs. 5 Satz 1 GWB)

93Nach der Legaldefinition des § 103 Abs. 5 Satz 1 GWB, mit der die Definition gem. Art. 33 Abs. 1 UAbs. 2 VRL und gem. Art. 51 Abs. 1 UAbs. 2 SRL umgesetzt wird, sind Rahmenvereinbarungen Vereinbarungen zwischen einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern und einem oder mehreren Unternehmen, die dazu dienen, die Bedingungen für die öffentlichen Aufträge, die während eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere in Bezug auf den Preis.

94Die Rahmenvereinbarung selbst ist also lediglich ein Instrument der Sammelbeschaffung bzw. der Bündelung einer Vielzahl von einzelnen öffentlichen Aufträgen120 und damit keine eigene Auftragsart121 und begrifflich somit kein Bestandteil des Kataloges der Auftragsarten in § 103 Abs. 2 bis 4 GWB. Die eigentliche Vergabe eines Auftrages i. S. d. § 103 Abs. 2 bis 4 GWB erfolgt erst mit dem Einzelabruf der Leistung nach Maßgabe der Rahmenvereinbarung, noch nicht mit dem Abschluss der Rahmenvereinbarung selbst. Mit der Definition nach § 103 Abs. 5 Satz 1 GWB wird auch klargestellt, dass die Vergabe erst mit der Erteilung des Einzelauftrags auf der zweiten Verfahrensstufe abgeschlossen ist und noch nicht mit dem Abschluss der Rahmenvereinbarung auf der ersten Verfahrensstufe, mit dem lediglich einzelne Bedingungen der Vergabe der Einzelaufträge festgelegt werden. Ungeachtet dessen ist es sachgerecht, die Rahmenvereinbarung als Vorstufe einer Erteilung von öffentlichen Aufträgen in § 103 GWB, der Grundsatznorm über öffentliche Aufträge, aufzulisten und zu definieren, denn schließlich unterliegt der Abschluss einer Rahmenvereinbarung, wie sich aus § 103 Abs. 5 Satz 2 GWB ergibt, grundsätzlich den gleichen wettbewerbsrechtlichen Rahmenbedingungen und Verfahrensregeln wie die Ausschreibung von öffentlichen Aufträgen i. S. d. § 103 Abs. 2 bis 4 GWB.

3.Arten der Rahmenvereinbarung

95Es gibt vier Arten von Rahmenvereinbarungen. Rahmenvereinbarungen können mit einem Unternehmen (individuelle Rahmenvereinbarungen) oder mit mehreren Unternehmen (Mehrfach-Rahmenvereinbarungen) geschlossen werden.122 Die Europäische Kommission hat in ihren Erläuterungen zu Rahmenvereinbarungen123 zudem terminologisch zwischen Rahmenvereinbarungen als Oberbegriff einerseits sowie zwischen Rahmenverträgen und Rahmenvereinbarungen im engeren Sinne unterschieden. Wie sich aus § 21 Abs. 4 Nr. 3 VgV ergibt, besteht die Möglichkeit, dass beim Abschluss einer Rahmenvereinbarung noch nicht alle Einzelheiten des Vertrags und des späteren Leistungsabrufes festgelegt werden. In diesen Fällen spricht die Kommission von Rahmenvereinbarungen im engeren Sinne. Bei diesen muss das besondere Verfahren des § 21 Abs. 5 VgV eingehalten werden. Sind dagegen wie im Fall des § 21 Abs. 4 Nr. 1 VgV alle Bedingungen bereits festgelegt, handelt es sich um Rahmenverträge.124 Es lassen sich damit die folgenden vier Arten von Rahmenvereinbarungen kategorisieren:

1. Individuelle Rahmenverträge.

2. Mehrfach-Rahmenverträge.

3. Individuelle Rahmenvereinbarungen im engeren Sinne.

4. Mehrfach-Rahmenvereinbarungen im engeren Sinne.

96Bei Mehrfach-Rahmenvereinbarungen muss insbesondere geregelt sein, nach welchen Kriterien eines der beteiligten Unternehmen für die Vergabe des Einzelauftrags ausgewählt werden soll.125

97Rahmenvereinbarungen können je nach ihrer rechtlichen Ausgestaltung unterschiedliche Bindungswirkungen auslösen. Überwiegend sind Rahmenvereinbarungen einseitig verpflichtend ausgestaltet, indem der Auftragnehmer im Falle eines Leistungsabrufs eine Leistungspflicht hat, der Auftraggeber jedoch keiner Abrufverpflichtung unterliegt.126 Eine Abrufverpflichtung besteht jedoch, wenn der Auftraggeber bei einer Rahmenvereinbarung mit einem Unternehmen eine Mindestabnahmemenge festgelegt hat. Bei Rahmenvereinbarungen mit mehreren Unternehmen muss er die Summe der Mindestabnahmemengen abnehmen. Ebenfalls möglich sind beidseitig verpflichtende und beidseitig unverbindliche Konstellationen.127

4.Festzulegende Vertragsbestandteile

98Es liegt in der Natur einer Rahmenvereinbarung, dass in ihr noch nicht alle Vertragsbestandteile festgelegt sein müssen, auf deren Grundlage die späteren Leistungsabrufe erfolgen. Die bereits in einer Rahmenvereinbarung niedergelegten Vertragsinhalte dürfen allerdings bei der späteren Vergabe der Einzelaufträge nicht mehr substanziell geändert werden.128 Aus § 103 Abs. 5 Satz 1 GWB geht hervor, dass zu den Bedingungen, die in einer Rahmenvereinbarung für öffentliche Aufträge festgelegt werden, die während eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, in jedem Fall der Preis zu gehören hat („insbesondere“), daneben aber noch weitere Vertragsbestandteile zu regeln sind, damit die Ausschreibung der Rahmenvereinbarung hinreichend konkret und transparent durchgeführt werden kann. Hierzu zählen der Leistungsgegenstand, Menge und Auftragsvolumen, die Zahl der Vertragspartner und die Laufzeit, also gleichsam die essentialia negotii der Rahmenvereinbarung.

99a) Preis. Der in Aussicht genommene Preis muss nicht abschließend festgelegt werden, es ist ausreichend, die Berechnungsgrundlagen offen zu legen.129 Preisgleitklauseln bieten sich insbesondere bei längeren Vertragslaufzeiten an, um so zu verhindern, dass dem Auftragnehmer z. B. bei stark schwankenden Rohstoffpreisen ein unzumutbares Wagnis aufgebürdet wird.130 Ferner wird es für möglich gehalten, in der Rahmenvereinbarung einen Richtwert, eine Preisspanne oder eine absatzmengenbezogene Staffelung des Preisnachlasses anzugeben.131 Die alleinige Festsetzung einer Preisgleitklausel reicht jedoch nicht aus, da hierdurch nur die Berechnungsparameter für die Preisänderung vereinbart würden, nicht aber der Ausgangspunkt für diese Berechnung, also der Ausgangspreis.132 In Betracht kommt insbesondere die Abfrage von Stückpreisen, Stundenpreisen, Staffelpreisen oder Pauschalpreisen.133

100b) Leistungsgegenstand. Nach einer gängigen Formel muss der Leistungsgegenstand der Rahmenvereinbarung so eindeutig und erschöpfend beschrieben werden, dass dem Unternehmer eine einwandfreie Preisermittlung möglich ist.134 Nach früherem Recht wurde zusätzlich gefordert, dass dem Unternehmer keine Wagnisse für Umstände aufgebürdet werden, auf die er keinen Einfluss hat.135 Hier ist jedoch mittlerweile eine differenzierende Beurteilung vorzunehmen. So hat das OLG Düsseldorf wiederholt entschieden, dass gerade bei Rahmenvereinbarungen die Überwälzung ungewöhnlicher Wagnisse von Auftraggebern an die Unternehmen rechtlich zulässig sei. Eine Schranke finde die Überwälzung jedoch an dem in der Rechtsprechung entwickelten Gesichtspunkt der Zumutbarkeit.136

101Zulässig und für Rahmenvereinbarungen im engeren Sinne häufig auch sinnvoll sind funktionale Leistungsbeschreibungen, die die Einbeziehung technischer Neuerungen erlauben, die vorab naturgemäß nicht benannt werden können.137 Sofern der Leistungsgegenstand nicht hinreichend genau bestimmt wird und es damit dem Auftraggeber frei steht, den Leistungsgegenstand nachträglich festzulegen, liegt keine Rahmenvereinbarung vor.138 Auch bei funktionalen Leistungsbeschreibungen müssen Zweck und Funktion des Leistungsgegenstandes eindeutig und erschöpfend bestimmt sein.

102c) Auftragsvolumen. Nach dem in Aussicht genommen Preis und der Beschreibung des Leistungsgegenstandes gehört auch die Bekanntgabe des Auftragsvolumens zu den essentiellen Vertragsbestandteilen einer Rahmenvereinbarung. Nähere Bestimmungen dazu, wie der Auftraggeber hier vorzugehen hat, finden sich in § 21 Abs. 1 Satz 2 VgV.139

103d) Beteiligte der Rahmenvereinbarung. Die Angabe der Zahl der Vertragspartner, die in eine Rahmenvereinbarung einbezogen werden sollen, ist für die Entscheidung von Unternehmen, sich an einer Ausschreibung zu beteiligen, von ausschlaggebender Bedeutung, weil sie darüber entscheidet, welche Chancen für eine Berücksichtigung bei der Erteilung der Einzelaufträge bestehen. Es dürfte jedoch die Angabe genügen, dass die Rahmenvereinbarung mit „bis zu“ einer bestimmten Anzahl von Unternehmen abgeschlossen werden soll, damit die Bieter diese Chancen hinreichend genau abschätzen können.140

104§ 103 Abs. 5 Satz 1 GWB eröffnet alle denkbaren Konstellationen der Beteiligung; es können daher auch mehrere öffentliche Auftraggeber in Form einer Einkaufsgemeinschaft Rahmenverträge mit einem oder mehreren Unternehmen abschließen.

105e) Laufzeit. Aus § 103 Abs. 5 Satz 1 GWB geht schließlich hervor, dass auch der „bestimmte Zeitraum“, während dessen die Einzelaufträge erteilt werden können, in der Rahmenvereinbarung genannt werden muss. Dieser Zeitraum stellt sich aufgrund der anfallenden Vorhaltekosten als wesentliche Kalkulationsgrundlage für die Bieter dar und schafft Transparenz darüber, wann der Auftraggeber wieder einen neuen Vergabewettbewerb eröffnen muss.141 Die Laufzeit einer Rahmenvereinbarung darf bei „klassischen Auftragsvergaben“ vier Jahre nicht überschreiten, es sei denn, es liegt ein im Gegenstand der Rahmenvereinbarung begründeter Sonderfall vor (§§ 21 Abs. 6 VgV, 4a EU Abs. 6 VOB/A). Abweichende Höchstlaufzeiten bestehen im Sektorenbereich (§ 19 Abs. 3 SektVO: acht Jahre), für die Vergabe von verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen öffentlichen Aufträgen (§§ 14 Abs. 6 VSVgV, 4a VS Abs. 6 VOB/A: sieben Jahre) sowie für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen im Unterschwellenbereich (§ 15 Abs. 4 UVgO: sechs Jahre).

5.Verweis auf die Vergaberegeln für öffentliche Aufträge (§ 103 Abs. 5 Satz 2 GWB)

106Bei dem Abschluss einer Rahmenvereinbarung sind die kartellvergaberechtlichen Verfahrensvorschriften zu beachten, und zwar speziell diejenigen, die für die Vergabe entsprechender öffentlicher Aufträge (Bau-, Dienst- oder Lieferverträge) über alle Phasen des Vergabeverfahrens anzuwenden sind. Hierin kommt zum Ausdruck, dass die Rahmenvereinbarung eine abgewandelte Form eines öffentlichen Auftrags mit Querschnittscharakter, d. h. ohne einen eigenen speziellen Regelungsgegenstand ist. Nur soweit aufgrund der Charakteristika einer Rahmenvereinbarung für deren Vergabe und Implementierung besondere Regelungen getroffen werden, wie etwa in § 21 Abs. 6 VgV, verdrängen diese Regelungen die allgemeinen Verfahrensvorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge (§ 103 Abs. 5 Satz 2 GWB „…, soweit nichts anderes bestimmt ist, …“).

107Bei den verfahrensmäßigen Anforderungen ist zwischen dem Verfahren zum Abschluss der eigentlichen Rahmenvereinbarung, also der ersten Stufe, und dem Verfahren zur Vergabe der Einzelaufträge, der zweiten Stufe, zu unterscheiden. Nur die Rahmenvereinbarung selbst wird nach den vergaberechtlichen Regeln vergeben, während bei einer Vergabe der Einzelaufträge die Sondervorschriften für den jeweiligen öffentlichen Vertrag wie etwa in § 21 Abs. 2 bis 5 VgV Anwendung finden.142

V.Wettbewerbe (§ 103 Abs. 6 GWB)

108Anders als in § 99 Abs. 1 GWB a. F. werden Auslobungsverfahren, die zu Dienstleistungsaufträgen führen sollen, nicht mehr dem Katalog der Auftragsarten zugerechnet. Hierdurch wird klargestellt, dass solche Wettbewerbe i. S. d. Bürgerlichen Gesetzbuches eigenständige Verfahren darstellen, die mit dem Zweck durchgeführt werden, dem Auftraggeber einen Plan oder eine Planung zu verschaffen. Die Eigenständigkeit kommt auch in der Definition des Wettbewerbs in Art. 2 Abs. 1 Nr. 21 VRL zum Ausdruck, weshalb der deutsche Gesetzgeber diesen besonderen Typus eines öffentlichen Beschaffungsvorhabens nunmehr folgerichtig in einer separaten Vorschrift (§ 103 Abs. 6 GWB) legaldefiniert.

109Wettbewerbe werden hauptsächlich in den Gebieten der Raumplanung, der Stadtplanung, der Architektur, des Bauwesens oder der Datenverarbeitung durchgeführt und haben zum Ziel, dem Auftraggeber einen Plan oder eine Planung zu verschaffen, deren Auswahl durch ein Preisgericht aufgrund vergleichender Beurteilungen mit oder ohne Vergabe von Preisen erfolgt.143 Sie werden als Realisierungswettbewerb ausgestaltet, wenn es um die Verwirklichung eines Projektes geht, für das bereits konzeptionelle Vorgaben und konkrete Anforderungen existieren, und als Ideenwettbewerb, wenn der Auftraggeber erst noch Ansätze für mögliche planerische Lösungen ermitteln will.

110Weitere Einzelheiten zur Ausgestaltung und zum Verfahrensablauf finden sich in den Vorschriften der §§ 69 bis 72 VgV144, die in §§ 60 bis 63 SektVO auch für den Sektorenbereich ohne inhaltliche Änderungen oder Abweichungen übernommen werden.

§ 104 GWBVerteidigungs- oder sicherheitsspezifische öffentliche Aufträge

(1) Verteidigungs- oder sicherheitsspezifische öffentliche Aufträge sind öffentliche Aufträge, deren Auftragsgegenstand mindestens eine der folgenden Leistungen umfasst:

1. die Lieferung von Militärausrüstung, einschließlich dazugehöriger Teile, Bauteile oder Bausätze,

2. die Lieferung von Ausrüstung, die im Rahmen eines Verschlusssachenauftrags vergeben wird, einschließlich der dazugehörigen Teile, Bauteile oder Bausätze,

3. Liefer-, Bau- und Dienstleistungen in unmittelbarem Zusammenhang mit der in den Nummern 1 und 2 genannten Ausrüstung in allen Phasen des Lebenszyklus der Ausrüstung oder

4. Bau- und Dienstleistungen speziell für militärische Zwecke oder Bau- und Dienstleistungen, die im Rahmen eines Verschlusssachenauftrags vergeben werden.

(2) Militärausrüstung ist jede Ausrüstung, die eigens zu militärischen Zwecken konzipiert oder für militärische Zwecke angepasst wird und zum Einsatz als Waffe, Munition oder Kriegsmaterial bestimmt ist.

(3) Ein Verschlusssachenauftrag im Sinne dieser Vorschrift ist ein Auftrag im speziellen Bereich der nicht-militärischen Sicherheit, der ähnliche Merkmale aufweist und ebenso schutzbedürftig ist wie ein Auftrag über die Lieferung von Militärausrüstung im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 oder wie Bau- und Dienstleistungen speziell für militärische Zwecke im Sinne des Absatzes 1 Nummer 4, und

1. bei dessen Erfüllung oder Erbringung Verschlusssachen nach § 4 des Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes oder nach den entsprechenden Bestimmungen der Länder verwendet werden oder

2. der Verschlusssachen im Sinne der Nummer 1 erfordert oder beinhaltet.

Schrifttum: Byok: Reformierter Regelungsrahmen für Beschaffungen im Sicherheits- und Verteidigungssektor NVwZ 2012, 70; Gabriel, Defence Procurement: Auftragsvergaben im Bereich staatlicher Verteidigung und Sicherheit nach dem „Defence Package“ der Europäischen Kommission, VergabeR 2009, 380 ff.; Haak/Koch, Geheimvergabe im Lichte der Vergaberechtsreform, NZBau 2016, 204 ff.; Herrmann/Polster, Die Vergabe von sicherheitsrelevanten Aufträgen, NVwZ 2010, 341 ff.; Hertel/Schöning, Der neue Rechtsrahmen für die Auftragsvergabe im Rüstungssektor, NZBau 2009, 684 ff.; Heuninckx, The EU Defence and Security Procurement Directive: Trick or Treat?, PPLR 2011, 9 ff.; Höfler/Petersen, Erstreckung des Binnenmarkts auf die Verteidigungs- und Sicherheitsmärkte? – Die Beschaffungsrichtlinie 2009/81/EG, EuZW 2011, 336 ff; Hölscher, Die Neufassung der Dual Use-Verordnung, RiW 2009, 524 ff.; Horstkotte/Hünemörder, Vergabe von Aufträgen im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich, LKV 2015, 541 ff.; Karpenstein, Die neue Dual-use-Verordnung, EuZW 2000, 677 ff.; Köhler, Anmerkung zum Beschluss des OLG Düsseldorf vom 8.6.2011 (VII Verg 49/11, VergabeR 2011, 843) – Zum Verhältnis des GWB zur Verteidigungs- und Sicherheitsrichtlinie, VergabeR 2011, 847 ff.; Pourbaix, The Future Scope of Application of Article 346 TFEU, PPLR 2011, 1 ff.; Prieß/Hölzl, Ausnahmen bleiben die Ausnahme! – Zu den Voraussetzungen der Rüstungs-, Sicherheits- und Geheimhaltungsausnahme sowie eines Verhandlungsverfahrens ohne Vergabebekanntmachung, NZBau 2008, 563 ff.; Renner/Rubach-Larsen/Sterner, Rechtsschutz bei der Vergabe von Rüstungsaufträgen, NZBau 2007, 407 ff.; Roth/Lamm: Die Umsetzung der Verteidigungsgüter-Beschaffungsrichtlinie in Deutschland NZBau 2012, 609 ff.; Scherer-Leydecker, Verteidigungs- und sicherheitsrelevante Aufträge – Eine neue Auftragskategorie im Vergaberecht, NZBau 2012, 533 ff.; Scherer-Leydecker/Wagner, Die Definition verteidigungs- und sicherheitsrelevanter Aufträge nach § 99 Abs. 7 bis 9 und 13 GWB – Das Tor zum Sondervergaberecht für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit, in: von Wietersheim, Vergaben im Bereich Verteidigung und Sicherheit, S. 95 ff.; Ullrich, Rechtsschutz in den Vergabeverfahren zwischenstaatlicher Organisationen in Deutschland, VergabeR 2002, 331 ff.; Voll, Der novellierte Regelungsrahmen zur Vergabe verteidigungs- und sicherheitsrelevanter öffentlicher Aufträge NVwZ 2013, 120 ff.; Wagner/Bauer, Grundzüge des zukünftigen Vergaberegimes in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit, VergabeR 2009, 856 ff.; Weiner, Das Ende einer Ära? – Die Auswirkungen der Richtlinie 2009/81/EG auf die Vergabe von Aufträgen im Verteidigungsbereich und insbesondere Offsets, EWS 2011, 401 ff.

Übersicht Rn.
A. Vorbemerkungen 1–4
B. Struktur der Definition 5–8
I. Öffentliche Aufträge 5
II. Verteidigungs- und Sicherheitsspezifika 6–8
C. Aufträge über die Lieferung von Militärausrüstung (Abs. 1 Nr. 1) 9–22
I. Auftrag über Lieferungen 9
II. Militärausrüstung (Abs. 2) 10–21
1. Ausrüstung 11
2. Militärische Zweckbestimmung 12–15
3. Bestimmung für Einsatz als Waffe, Munition oder Kriegsmaterial 16–21
a) Waffe 19
b) Munition 20
c) Kriegsmaterial 21
III. Umfang 22
D. Aufträge über die Lieferung von Ausrüstung im Rahmen eines Verschlusssachenauftrags (Abs. 1 Nr. 2) 23–39
I. Lieferauftrag über Ausrüstung 24
II. Verschlusssachenauftrag (Abs. 3) 25–39
1. Sicherheitszweck 26–30
a) Sicherheitsbezug 27
b) Begriff der Sicherheit 28–30
2. Verschlusssache 31–35
3. Verschlusssachenbezug 36–39
E. Ausrüstungsbezogene Aufträge (Abs. 1 Nr. 3) 40–43
I. Auftragstyp 40
II. Verteidigungs- und Sicherheitsspezifikum 41–43
F. Aufträge über Bau- oder Dienstleistungen zu Militärzwecken oder mit Sicherheitsrelevanz (Abs. 1 Nr. 4) 44–48
I. Auftragstyp 44
II. Verteidigungs- und Sicherheitsspezifikum 45–48
1. Militärzweck 46, 47
2. Vergabe im Rahmen eines Verschlusssachenauftrags 48
G. Gemischte verteidigungs- oder sicherheitsspezifische öffentliche Aufträge 49, 50
Vergaberecht

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