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D.Konzessionsgegenstand

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6Durch die Baukonzession wird der Konzessionsnehmer mit der Erbringung von Bauleistungen und durch die Dienstleistungskonzession mit der Erbringung und Verwaltung von Dienstleistungen (die keine Erbringung von Bauleistungen sind) „betraut“.

I.Baukonzession

7Der Wortlaut des § 105 Abs. 1 Nr. 1 GWB entspricht nicht dem Wortlaut der Definition der Baukonzession in der deutschen Fassung des Art. 5 Abs. 1 lit. (a) KVR, nach dem der Konzessionsnehmer mit Bauleistungen beauftragt wird. Insoweit weicht die EU-rechtliche Definition der Baukonzession auch von der Definition der Dienstleistungskonzession ab, die den Begriff „betrauen“ verwendet. In der englischsprachigen Version der KVR wird dagegen insoweit nicht zwischen den Konzessionsarten unterschieden und in beiden Definitionen der Begriff „entrust“ verwendet, was dem deutschen Begriff „betrauen“ entspricht.

8Mit der Betrauung wird dem Betrauten eine bestimmte Aufgabe oder Leistung zur Erbringung übertragen. Diese Übertragung geht mit der Pflicht des Betrauten einher, diese Aufgabe oder Leistung auch zu erfüllen. Ihm ist die Erfüllung dieser Aufgabe oder Leistung anvertraut. Dieses Verständnis wird auch aus dem Erwägungsgrund Nr. 11 KVR deutlich. Die Konzession dient der Beschaffung der Bau- oder Dienstleistung; deren Nutzen muss stets dem Konzessionsgeber zukommen. Dies kann erfolgen, indem die Leistung direkt gegenüber dem Konzessionsgeber erbracht wird. Die Leistung kann aber auch gegenüber Dritten erbracht werden und dem Konzessionsgeber zu Gute kommen, indem ihm eine ihm gegenüber den Dritten obliegende Aufgabe oder Verpflichtung abgenommen wird. Erforderlich ist, dass der Konzessionsgeber sich das Ergebnis des Auftrags wirtschaftlich zu eigen macht.9 In der Regel handelt es sich um Verantwortlichkeiten, die üblicherweise vom Konzessionsgeber getragen werden und in dessen Zuständigkeitsbereich fallen.10 Es muss sich jedoch nicht zwingend um eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge handeln.11 Über das Merkmal der Beschaffung kann eine zu ausufernde Interpretation des Konzessionsbegriffs aufgefangen werden. Nur wenn die Erbringung der Leistung im öffentlichen Interesse liegt, ist von einer Beschaffung als Voraussetzung einer Konzession auszugehen. Im vom OLG Hamburg entschiedenen Fall des Betreibens einer Spielhalle kann das öffentliche Interesse ohne Weiteres über eine notwendige Aufsicht des Spielwesens begründet werden. Verpflichtungen etwa, die sich aus der Ausübung bestehender Regelungszuständigkeiten ergeben, stellen keine Beschaffung dar. Nicht ausreichend ist es, wenn der öffentliche Vertragspartner im Rahmen eines Pacht- oder Kaufvertrags über ein Grundstück seine städtebauliche Regelungszuständigkeit ausübt und Vorgaben für die Bebauung macht12 oder wenn er lediglich eine Gestattung in Form einer Lizenz oder Genehmigung einräumt und damit seine Aufsichtsfunktion wahrnimmt.13 Analog § 103 Abs. 3 S. 2 GWB muss die Bauleistung dem Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugutekommen und dieser entscheidenden Einfluss auf Art und Planung der Bauleistung haben.

9Leistungsgegenstand der Baukonzession ist gem. § 105 Abs. 1 Nr. 1 GWB die Erbringung einer Bauleistung. Die Definition weicht sowohl von der früheren Begriffsbestimmung in § 99 Abs. 3 GWB a. F. als auch der Regelung zum Leistungsgegenstand eines Bauauftrags nach § 103 Abs. 3 GWB (n. F.)14 ab. Vielmehr hat sie die Definition der Baukonzession des Art. 5 Nr. 1 lit. a) KVR übernommen. Die KVR enthält zudem in Art. 5 Nr. 7 eine Definition des Begriffs der „Erbringung von Bauleistungen für Dritte“, die weitgehend der Regelung zum Leistungsgegenstand des Bauauftrags in § 103 Abs. 3 GWB entspricht. Der Begriff der „Erbringung von Bauleistungen für Dritte“ wird ansonsten nicht in der KVR verwendet, sodass die Definition eigentlich ins Leere läuft. Der Wortlaut der englischen und französischen Sprachfassung enthält in Art. 5 Nr. 7 KVR demgegenüber die Definition von ‘execution of works’ bzw. 'exécution de travaux', also die Übersetzung von „Erbringung von Bauleistungen“. Demzufolge ist von einem Übersetzungsfehler bei der deutschen Version auszugehen und sowohl die Definition in Art. 5 Nr. 1 lit. a) KVR als auch die diese umsetzende Regelung des § 105 Abs. 1 Nr. 1 GWB im Zusammenhang mit Art. 5 Nr. 7 KVR zu lesen. Mithin ist der Leistungsgegenstand der Baukonzession identisch mit dem des Bauauftrags gem. § 103 Abs. 3 GWB, der ebenfalls aus Art. 5 Nr. 7 KVR abgeleitet ist. Wegen der Einzelheiten kann daher auf die Kommentierung zu § 103 GWB, Rn. 52 ff., verwiesen werden. Die Qualifizierung als Baukonzession ist dabei unabhängig von dem gewählten Vertragstyp; auch ein Pacht- oder Erbpachtvertrag kann sich materiell als Baukonzession darstellen.15 Abgesehen vom Vergaberecht können sich bei einem Grundstückskaufvertrag Pflichten zu Durchführung eines Bieterverfahrens bereits aufgrund europäischen Beihilfenrechts ergeben.16

II.Dienstleistungskonzession

10Leistungsgegenstand der Dienstleistungskonzession ist gem. § 105 Abs. 1 Nr. 2 GWB die Erbringung oder Verwaltung einer Dienstleistung, die keine Erbringung einer Bauleistung ist. Auch die Verwaltung einer Dienstleistung ist letztlich eine Dienstleistung. Der Begriff der Dienstleistung ist weder im GWB noch in der KVR definiert. Analog der Definition des Dienstleistungsauftrags in § 103 Abs. 4 GWB handelt es sich um sämtliche Leistungen, die weder Lieferung, also die Beschaffung von Waren i. S. d. § 103 Abs. 2 GWB noch die Erbringung einer Bauleistung i. S. d. § 103 Abs. 3 GWB oder Art. 5 Nr. 7 KVR sind. Wegen der Einzelheiten kann daher auf die Kommentierung zu § 103 GWB, Rn. 84 ff., verwiesen werden. Die Dienstleistung sollte dadurch gekennzeichnet sein, dass sie durch andere als den Konzessionsgeber verwertbar ist, sodass er dieses Nutzungsrecht an den Konzessionär übertragen kann. I.d.R. handelt es sich um Leistungen im Rahmen der Daseinsvorsorge für die Bürger, für deren Erbringung die Nutzer dem Konzessionsnehmer Entgelte entrichten.17

11Gegenstand einer Dienstleistungskonzession können beispielsweise sein: der Betrieb eines (bestehenden) Parkhauses,18 einer Feuerbestattungsanlage (Krematorium),19 einer Anlage zur Beseitigung tierischer Nebenprodukte20 oder einer Kantine,21 die Bereitstellung des Rettungsdienstes22 sowie Leistungen der öffentlichen Versorgung, wie beispielsweise der Betrieb eines Kabelfernsehnetzes23, die Verwaltung, der Vertrieb und die Wartung von Anlagen für die Gasversorgung24 oder die Erschließung mit Breitbandkabel.25 Sehr umstritten ist die Einordnung von Wegenutzungsverträgen nach § 46 Abs. 2 EnWG als Dienstleistungskonzession.26 Das Bundeskartellamt und die Bundesnetzagentur haben sich nunmehr, nachdem sie diese Frage in ihrem ersten Gemeinsamen Leitfaden zu dieser Fragestellung ausdrücklich offengelassen hatten, insoweit festgelegt, dass auch nach dem Erwägungsgrund zur KVR Wegenutzungsrechte unter bestimmten Voraussetzungen nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fielen.27 Nach Erwägungsgrund Nr. 16 KVR „sollten Vereinbarungen über die Gewährung von Wegerechten […] ebenfalls nicht als Konzessionen im Sinne dieser Richtlinie gelten, sofern derartige Vereinbarungen weder eine Lieferverpflichtung auferlegen, noch den Erwerb von Dienstleistungen durch den öffentlichen Auftraggeber oder den Auftraggeber für sich selbst oder für Endnutzer vorsehen.“ Dies erscheint folgerichtig, da in diesen Fällen auch der Beschaffungsbezug fehlt (u. U. aber nicht, wenn der Wegenutzungsvertrag sonstige Pflichten regelt). Auch Dienstleistungen der Wasserversorgung und Abwasserbehandlung können grundsätzlich Gegenstand einer Konzession sein.28 Weisen die Wasserkonzessionen einen Bezug zu Trinkwasser auf, sind diese jedoch gem. § 149 Nr. 9 GWB explizit aus dem Anwendungsbereich des Konzessionsvergaberechts im GWB ausgeschlossen.29 Die allgemeinen Regeln des EU-Primärrechts, die eine diskriminierungsfreie, transparente Vergabe im Wettbewerb erfordern, bleiben daneben anwendbar. Teilweise wurde vertreten, dass die wasserrechtliche Zuordnung der Abwasserbeseitigungspflicht (wie z. B. § 46 LWG NW) und die dort abschließend geregelte Ausnahmen für Pflichtenübergänge einer konzessionsvertraglichen Übertragung im Wege stehen.30 Allein der öffentlich-rechtliche Charakter der Pflichtaufgabe entbindet die abwasserbeseitigungspflichtigen Körperschaften allerdings nicht von der Beachtung des Vergaberechts, da Europarecht im Hinblick auf die Eigentumsordnung und damit die Abgrenzung zwischen öffentlich- und privatrechtlichen Strukturen neutral ist;31 diese Frage ist allenfalls für den Rechtsweg von Bedeutung.

12Weitere Beispiele aus der Praxis betreffen die Veranstaltung von Sportwetten oder Glücksspiel32, Verkehrsdienstleistungen33, die Gestattung der Vermarktung von Werbeflächen im öffentlichen Straßenraum, die Übernahme des In­kassos für die Behörde, der Betrieb eines Spaßbads, eines Hafens oder Container-Terminals oder einer anderen Freizeiteinrichtung34 sowie die Veranstaltung eines Weihnachtsmarkts.35 Keine Dienstleistungskonzession liegt dagegen vor, wenn sich die vertragliche Regelung darauf beschränkt, die Fläche oder das Gebäude zu nutzen, selbst wenn damit allgemeine Bedingungen für deren Nutzung festgelegt werden, ohne bestimmte Bau- oder Dienstleistungen zu beschaffen, etwa bei Pachtverträgen in Häfen oder Flughäfen. Maßgeblich für die Abgrenzung ist, in wieweit der öffentliche Vertragspartner Leistungen für sich, etwa zur Erledigung einer ihm obliegenden Aufgabe, beschafft. Nach dem OLG Celle ist die Genehmigung zur Erprobung einer neuen Verkehrsart keine Konzession, weil der öffentliche Auftraggeber damit keine Aufgabe im Rahmen der Daseinsaufgabe wahrnimmt;36 dass er nicht verpflichtet ist, neue Verkehrsarten zu erproben, ist allerdings allenfalls ein Indiz, aber kein Grund für das Fehlen einer Beschaffung.

13Auch ist die Dienstleistungskonzession von der Rahmenvereinbarung abzugrenzen. Rahmenvereinbarungen sind nach der Definition in § 103 Abs. 5 Satz 1 GWB „Vereinbarungen […], die dazu dienen, die Bedingungen für die öffentlichen Aufträge, die während eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere in Bezug auf den Preis.“37 Die eigentliche Beschaffung erfolgt erst mit den im Rahmen dieser Vereinbarung zu erteilenden Einzelaufträgen, die den Umfang und etwaige weitere Einzelheiten der jeweils beschafften Dienstleistung festlegen. Dabei sind dem Vertragspartner mit der Rahmenvereinbarung insoweit Grenzen gesetzt, als sämtliche in dem bestimmten Zeitraum zu vergebenden Aufträge die vorgesehenen Bedingungen einhalten müssen. Nach der Rechtsprechung ist zur Abgrenzung maßgeblich darauf abzustellen, dass die Dienstleistungskonzession demgegenüber von der wirtschaftlichen Freiheit des Konzessionärs geprägt ist, der die Bedingungen der Nutzung des Rechts bestimmt und das Betriebsrisiko übernimmt.38 Diese Argumentation überzeugt allerdings nicht vollends, da der Rahmenvertragspartner immer auch das Nachfrage- und damit auch ein Nutzerrisiko trägt und ein Rahmenvertrag auch zugunsten Dritter (Nutzer) abgeschlossen werden kann. Angesichts des Wesens der voneinander abzugrenzenden Vertragstypen muss die Abgrenzung nach hiesiger Ansicht mit Bezug auf den Leistungsgegenstand erfolgen. Es ist zu hinterfragen, ob Vertragsgegenstand eine Dienstleistung ist, deren Erbringung unmittelbar mit Vertragsbeginn geschuldet ist, oder es sich lediglich um einen vertraglichen Rahmen handelt, in dem der Auftraggeber Einzelaufträge erteilen kann. Beim Rahmenvertrag besteht noch keine unmittelbare Leistungspflicht. Diese entsteht erst mit der Einzelbeauftragung.

14Bei einem von der gesetzlichen Krankenkasse ausgeschriebenen Vertrag über die integrierte Versorgung übernimmt der Auftragnehmer allenfalls die Pflicht, sein Unternehmen auf den Abruf der im Vertrag beschriebenen Dienstleistungen und Waren einzustellen, um vertragsgemäß leisten zu können. Die Leistungspflicht selbst entsteht erst mit dem Abruf durch die Patienten, zu deren Gunsten der Vertrag geschlossen wurde. Im Ergebnis hat der EuGH39 daher zutreffend eine rahmenvertragliche Vereinbarung bejaht. Auch bei dem Vertrag über die Erbringung der Schulspeisung muss daher hinterfragt werden, ob es sich nach dem Schwerpunkt des Vertragsgegenstands um einen Rahmenvertrag über die Lieferung von einzelnen bestellten und dann gelieferten Speisen handelt oder um den Betrieb einer Mensa, der den Betrieb der Räumlichkeiten und die Gestaltung des Angebots (Speiseplan) einschließt.40 Umgekehrt muss auch bei einem als Rahmenvertrag deklarierten Vertrag hinterfragt werden, ob dieser sich auf die Regelung des Rahmens für spätere Einzelaufträge beschränkt oder ob bereits mit Vertragsschluss Leistungen z. B. in Form von Vorhaltepflichten oder Planungs- und Entwicklungsarbeit für angepasste aufwendige Technik wie Rüstungsgüter oder Großfahrzeuge geschuldet sind, die ein ungewöhnliches Wagnis darstellen können, wenn keine Abnahmepflicht besteht.41

III.Gemischte Verträge

15Oft haben Verträge, insbesondere wenn sie komplexe Projekte regeln, sowohl Bauleistungen als auch sonstige Dienstleistungen zum Gegenstand. Gemäß § 110 Abs. 1 S. 2 i. V. m. S. 1 GWB erfolgt die Abgrenzung nach dem Hauptgegenstand des Vertrags.42 Darüber hinaus regelt § 110 Abs. 2 GWB die Abgrenzung bei Konzessionen, die sowohl Dienstleistungen i. S. d. § 153 GWB als auch sonstige Dienstleistungen zum Gegenstand haben, sowie bei Konzessionen, die Liefer- und Dienstleistungen zum Gegenstand haben. In diesen Fällen wird der Hauptgegenstand des Vertrags nach dem geschätzten Wert der jeweiligen Leistungen bestimmt. Wegen weiterer Einzelheiten vgl. die Kommentierung zu § 110 GWB.

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