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E.Gegenleistung der Konzession
Оглавление16Die Baukonzession ist gem. § 105 Abs. 1 Nr. 1 GWB dadurch gekennzeichnet, dass die Gegenleistung in dem Recht auf Nutzung der baulichen Anlage (Bauwerk) oder diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht. Die Definition der Dienstleistungskonzession nach altem Recht in Art. 1 Abs. 4 VKR stellte ebenfalls auf die „Nutzung“ der Dienstleistung ab. Nach der neuen Regelung besteht die Gegenleistung einer Dienstleistungskonzession dagegen in dem Recht zur „Verwertung“ der Dienstleistungen. Mit dieser Änderung wurde keine inhaltliche Modifikation bezweckt, sondern lediglich eine sprachliche Anpassung vorgenommen.43
17In der Gegenleistung unterscheiden sich die Baukonzession vom Bauauftrag und die Dienstleistungskonzession vom Dienstleistungsauftrag.44 Dieser Gegenleistung verdankt die Konzession auch ihren Namen und sie macht den Konzessionscharakter aus. Die Konzession ist ein Rechtsgeschäft, mit dem ein Nutzungs- oder Verwertungsrecht gewährt wird.
18Die Gegenleistung besteht in dem Recht zur Nutzung des Bauwerks, also einer Sache, die den Erfolg der Bauleistung darstellt, bzw. zur Verwertung einer Leistung, der Dienstleistung. Gemäß § 100 BGB sind Nutzungen einer Sache die Früchte der Sache sowie die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache gewährt. Früchte einer Sache sind gem. § 99 Abs. 1 und 3 BGB wiederum die Erzeugnisse und sonstige bestimmungsgemäß gewonnene Ausbeute der Sache sowie die Erträge, welche eine Sache vermöge eines Rechtsverhältnisses gewährt. Das lässt sich auch auf die Nutzung des Bauwerks bzw. Verwertung der Dienstleistung übertragen. Es kommt daher darauf an, dass dem Konzessionsnehmer das Recht auf einen Vorteil aus dem Bauwerk bzw. der Dienstleistung selbst eingeräumt wird. Dieser kann in dem Gebrauchsvorteil liegen, z. B. wenn er ein Bauwerk selbst (etwa als Büroraum) nutzt.45 Typisch für eine Konzession ist allerdings die Gewährung des Rechts auf die Früchte der Sache in Form der Erträge aus dem Bauwerk bzw. aus der Dienstleistung auf der Basis eines Rechtsverhältnisses, insbesondere indem er hierfür ein Entgelt des oder der eigentlichen Nutzer erhält.46 Beispiele aus der Praxis und Rechtsprechung für eine solche Ertragsnutzung sind die Einräumung des Rechts zum Betrieb eines Parkplatzes zur Erhebung von Parkgebühren47 oder zum Betrieb eines Flughafens, um Entgelte der Flughafennutzer zu erheben,48 des Rechts zur Erhebung von Mautgebühren für ein Tunnelbauwerk oder sonstige Straßenbauwerke,49 des Rechts zum Betrieb der entgeltlichen Essensversorgung,50 des Rechts zum Betrieb eines Spaßbades51 oder eines Sportstadions52 zur Erzielung von Einnahmen durch Eintritts- und Nutzungsentgelte durch Vereine und sonstige Veranstalter oder des Rechts zur Erhebung von Entgelten für die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung.53
19Die Rechtsnatur der Einräumung des Nutzungs- oder Verwertungsrechts als Gegenleistung für die Bau- oder Dienstleistung wird weder durch § 105 GWB noch durch die unionsrechtlichen Begriffsbestimmungen eingeschränkt.54 Die Übertragung des Rechts kann in Form einer Beleihung mit hoheitlichen Befugnissen, wie der Befugnis zur Erhebung öffentlicher Beiträge oder Gebühren, erfolgen. Diese bedarf einer gesetzlichen Grundlage, wie sie sich für die Erhebung von Mautgebühren und das Betreiben von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen im Rahmen des F-Modells (Betreibermodell) aus § 2 Abs. 1 Fernstraßenprivatfinanzierungsgesetz (FStrPrivFinG) ergibt. Ohne gesetzliche Grundlage kommt nur die privatrechtliche Einräumung von Nutzungsrechten in Betracht, die der Konzessionsgeber aufgrund seiner Verfügungsbefugnis als Eigentümer oder sonstiger privatrechtlicher Nutzungsberechtigter oder Rechtsinhaber vornehmen kann. Dabei stellt sich die Gegenleistung einer Konzession als eine Gewährung des Gebrauchs des Bauwerks oder der Dienstleistung einhergehend mit dem Recht zum Genuss des sich hieraus ergebenden Ertrags über die Vertragslaufzeit dar, wie sie als vertragstypische Hauptleistung des im BGB geregelten Pachtvertrags bekannt ist (vgl. § 581 Abs. 1 Satz 1 BGB).
20Angesichts vielfältiger, teils recht komplexer Vertragskonstruktionen mit den unterschiedlichsten Leistungs- und Gegenleistungsbeziehungen ist die Feststellung, ob die Gegenleistung in der Einräumung eines Nutzungs- oder Verwertungsrechts liegt oder in der Entrichtung eines sonstigen Entgelts, mitunter nicht einfach. Diese hat anhand einer funktionalen Betrachtung in Zusammenschau aller relevanten sachlich und zeitlich zusammenhängenden Vertragsschlüsse unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Verträge und ihrer Zielsetzung zu erfolgen.55 Allein die formale Einräumung eines Rechts zur Nutzung oder Verwertung ist nicht ausreichend, wenn materiell die Bezahlung durch den Auftraggeber (oder einen Dritten) sichergestellt ist und der Konzessionsnehmer letztlich nicht nutzt, sondern ein (sicheres) Entgelt als Gegenleistung erhält.56 Kennzeichnend für die Rechtsstellung des Konzessionsnehmers als Nutzer ist, dass er ein Recht zur Nutzung übertragen erhält, das ihm (a) im Rahmen des geschlossenen Vertrags eine bestimmte wirtschaftliche Freiheit einräumt, um die Bedingungen zur Nutzung dieses Rechts zu bestimmen, und (b) er parallel dazu weitgehend den mit dieser Nutzung verbundenen Risiken und Chancen ausgesetzt ist.57 Die Einräumung einer gewissen Selbstständigkeit bei der Erbringung der Leistung allein genügt allerdings nicht.58 Bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung sind die Risiken im Hinblick auf Konkurrenz, Forderungsausfall, Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage, Deckung der Betriebsausgaben oder Haftung einzustellen.59
21Das wesentliche Charakteristikum der Konzession liegt darin, dass der Konzessionsnehmer nicht nur (wie jeder andere Bau- oder Dienstleistungsunternehmer auch) für die Risiken, die mit der Erstellung des Bauwerks oder Erbringung der Dienstleistung zusammenhängen, einstehen muss, sondern auch für das Risiko, in welcher Höhe sich der Vorteil aus der Sache für ihn realisiert.60 Er trägt das Risiko des Nutzwerts des Bauwerks, insbesondere das Ertragsrisiko.61 Eine Konzession liegt daher nicht vor in Fällen, in denen der Vertrag als Gegenleistung die Ablösung des vom Auftragnehmer für die Leistungserbringung aufgenommenen Darlehens vorsieht oder wenn der Auftraggeber zwar ein Nutzungs- oder Verwertungsrecht einräumt, darüber hinaus aber eine durch Bürgschaft abgesicherte Entschädigung oder sonstige Absicherungsmechanismen zugunsten des Auftragnehmers vorsieht, die dazu führen, dass der Auftraggeber das Nutzungs- bzw. Verwertungsrisiko trägt.62
22Dies ist nunmehr in der in § 105 Abs. 2 GWB vorgesehenen Abgrenzungsregelung vorgesehen, in der das Ertrags- und Nutzungsrisiko als Betriebsrisiko bezeichnet werden. Wesentliche Elemente dieses Risikos sind nach § 105 Abs. 2 Nr. 1 GWB, dass nicht gewährleistet ist, dass die Investitionen und Kosten wieder erwirtschaftet werden, und nach § 105 Abs. 2 Nr. 2 GWB, dass der Konzessionsnehmer den Unwägbarkeiten des Marktes und damit dem Verlustrisiko ausgesetzt ist.63 Risiken, die sich aus Faktoren ergeben, die die Vertragsparteien beeinflussen können, sind dagegen nicht konzessionstypisch,64 genauso wenig wie Risiken im Zusammenhang mit Missmanagement, Insolvenz des Konzessionsnehmers oder seiner Subunternehmer oder Lieferanten oder höherer Gewalt;65 diese Risiken wohnen jedem Vertrag inne, auch wenn er keine Konzession darstellt.66 Gemäß § 105 Abs. 2 S. 3 GWB kann es sich bei dem Betriebsrisiko um ein Nachfrage- und ein Angebotsrisiko handeln. Nachfragerisiko ist gem. Erwägungsgrund Nr. 20 KVR das Risiko der tatsächlichen Nachfrage nach den Bau- oder Dienstleistungen. Mit dem Angebotsrisiko ist nicht das Risiko gemeint, dass der Konzessionsnehmer die durch ihn geschuldete Leistung nicht ordnungsgemäß erbringt, sondern dass die bereitgestellte Leistung nicht der Nachfrage entspricht.
23Insbesondere bei Rettungsdiensten ist eine genaue Abgrenzung von Dienstleistungsauftrag und -konzession mitunter schwierig. Abhängig von dem jeweiligen Landesrecht erfolgt die Entgeltzahlung entweder direkt durch den öffentlichen Auftraggeber (sogenanntes Submissionsmodell) oder dieser räumt dem Leistungserbringer das Recht ein, mit den gesetzlichen Krankenkassen eine gesonderte Entgeltverhandlung auszuhandeln (sogenanntes Konzessionsmodell).67 Das Konzessionsmodell ist damit auf die Übernahme des Betriebsrisikos durch den Leistungserbringer ausgerichtet. Dennoch ist fraglich, ob die Rettungsdienstleistung hierbei als Dienstleistungskonzession i. S. d. Vergaberechts eingeordnet werden kann. Dagegen wird angeführt, dass die Krankenkassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts der staatlichen Sphäre zuzuordnen seien, sodass der Leistungserbringer das Entgelt letztlich von der öffentlichen Hand erhalte.68 Dem kann bereits deshalb nicht gefolgt werden, weil es bei der Einordnung als Konzession nicht darauf ankommt, von wem die Zahlung kommt.69 Zudem hat die Krankenkasse letztlich keinen Einfluss auf die Auswahl des Dienstleistungserbringers. Werden Ausgleichsmechanismen und Preisregulierungen (wie z. B. in Art. 34 Abs. 7 Satz 3 BayRDG) eingeräumt und greift zugunsten des Rettungsdienstes eine beschränkte Gefahrtragung, ist allerdings zu hinterfragen, ob der Leistungserbringer noch das Nutzungsrisiko trägt.70 Der EuGH hat i. S. d. letztgenannten Auffassung entschieden und das Vorliegen einer Dienstleistungskonzession auch im Falle der zentralen Einziehung von Nutzerentgelten sowie eines durch öffentlich-rechtliche Ausgestaltung erheblich eingeschränkten Betriebsrisikos grundsätzlich bejaht.71
24Wie die gesetzliche Definition ausdrücklich festlegt, kann neben der Einräumung des Nutzungsrechts ein Preis gezahlt werden, insbesondere wenn der Nutzwert nicht auskömmlich ist. Auch hier bleibt der Konzessionscharakter nur erhalten, wenn die Zuzahlung nicht zur Folge hat, dass dem Konzessionsnehmer das Nutzungs- oder Verwertungsrisiko abgenommen wird. Dabei ist darauf abzustellen, worin die Gegenleistung im Wesentlichen besteht.72 Übersteigt der (voraussichtliche) Ertragswert dagegen den Wert der Bauleistung, kann vorgesehen sein, dass der Konzessionär einen Anteil des Ertrags oder ein vereinbartes Entgelt an den Konzessionsgeber zahlt.73 Dies war z. B. bei den Pilotprojekten der Betreibermodelle im Bundesfernstraßenbau zum Autobahnausbau (A-Modelle) der Fall, die teilweise eine Reduzierung der weitergeleiteten Mautvergütung gegenüber den tatsächlichen Einnahmen auf der betreffenden Strecke vorsahen.
25Eine Konzession liegt auch vor, wenn der Konzessionsnehmer das Betriebs- und Ertragsrisiko trägt, die Nutzungsentgelte aber nicht vom Konzessionär selbst, sondern durch den Auftraggeber eingezogen werden. Im Rahmen der funktionalen Gesamtbetrachtung dient der Konzessionsgeber in diesem Zusammenhang lediglich als Inkassostelle, während das von den Nutzern an den Konzessionsgeber entrichtete Nutzungsentgelt an den Konzessionsnehmer weitergeleitet wird.74 Darüber hinausgehend bleibt der Konzessionscharakter erhalten, wenn nicht der Nutzer selbst das Entgelt für die von ihm in Anspruch genommene Leistung an den Konzessionär zahlt, sondern ein anderer die Zahlung übernimmt.75 Es ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb die Gegenleistung zwingend durch den Nutzer selbst erbracht werden muss.76 Dann ist konsequenterweise auch nichts dagegen einzuwenden, wenn der Konzessionsgeber selbst das Nutzungsentgelt zahlt, solange es für den Gebrauch durch den Nutzer und nicht abhängig von der vom Konzessionsnehmer zu erbringenden Leistung entsteht.77
26Das OLG Düsseldorf war unter Berufung auf die Rechtsprechung des EuGH davon ausgegangen, dass auch die Übertragung des Eigentums, die zwangsläufig nach § 903 BGB auch das Recht zur Nutzung mit umfasse, Gegenleistung einer Baukonzession sein könne.78 Dem kann nicht zugestimmt werden.79 Die Übereignung des errichteten Bauwerks oder des Grundstücks, auf dem das Bauwerk errichtet wird, ist die Erbringung einer geldwerten Leistung in Form einer Sachleistung.80 Die Konzession ist dagegen durch die Einräumung eines dem Konzessionsgeber zustehenden Nutzungsrechts charakterisiert. Der Konzessionsnehmer leitet sein Nutzungsrecht vom Konzessionsgeber ab und übt es an seiner Stelle aus. Wird das Bauwerk als Gegenleistung übereignet, geht es als Ganzes in das Vermögen des Erwerbers über. Der Erwerber nutzt dann nicht aufgrund der Einräumung eines Rechts, sondern aus eigenem Nutzungsrecht als Eigentümer.81
§ 106 GWBSchwellenwerte
(1) Dieser Teil gilt für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen sowie die Ausrichtung von Wettbewerben, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweils festgelegten Schwellenwerte erreicht oder überschreitet. § 114 Absatz 2 bleibt unberührt.
(2) Der jeweilige Schwellenwert ergibt sich
1. für öffentliche Aufträge und Wettbewerbe, die von öffentlichen Auftraggebern vergeben werden, aus Artikel 4 der Richtlinie 2014/24/EU in der jeweils geltenden Fassung; der sich hieraus für zentrale Regierungsbehörden ergebende Schwellenwert ist von allen obersten Bundesbehörden sowie allen oberen Bundesbehörden und vergleichbaren Bundeseinrichtungen anzuwenden,
2. für öffentliche Aufträge und Wettbewerbe, die von Sektorenauftraggebern zum Zweck der Ausübung einer Sektorentätigkeit vergeben werden, aus Artikel 15 der Richtlinie 2014/25/EU in der jeweils geltenden Fassung,
3. für verteidigungs- oder sicherheitsspezifische öffentliche Aufträge aus Artikel 8 der Richtlinie 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit und zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG (ABl. L 216 vom 20.8.2009, S. 76) in der jeweils geltenden Fassung,
4. für Konzessionen aus Artikel 8 der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 1) in der jeweils geltenden Fassung.
(3) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gibt die geltenden Schwellenwerte unverzüglich, nachdem sie im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sind, im Bundesanzeiger bekannt.
Schrifttum: Krönke, Das neue Vergaberecht aus verwaltungsrechtlicher Perspektive, NVwZ 2016, 568 ff.
Übersicht | Rn. | |
A. | Überblick | 1–3 |
B. | Systematik der Schwellenwertbestimmung | 4–7 |
C. | Einzelfragen | 8, 9 |