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3.6 »Die Biologie bestimmt die Moral«

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Damit kommen wir auf ein weiteres Missverständnis zu sprechen, das ebenfalls dazu beiträgt, die biologische Argumentation in Misskredit zu bringen; es betrifft die Beziehung zwischen Biologie und Moral. Traditionelle Kulturen nehmen nicht nur eine Dichotomisierung nach Art der Abbildung vor, sie setzen ihre Mitglieder auch – bald rigoros und autoritär wie im politischen Islam, bald unbewusst ermunternd – dem Zwang aus, ein typisch weibliches oder männliches Verhalten an den Tag zu legen. Um dieser Forderung nun einen Absolutheitsanspruch zu verleihen, beziehen sie sich auf die Veranlagung, versuchen also Moralvorschriften naturgesetzlich zu legitimieren. Etwas, das von der Natur vorgezeichnet ist, also in unserem Fall etwa die von den unterschiedlichen Fortpflanzungsfunktionen der Geschlechter nahegelegte Aufgabenteilung in der Familie, wird als die gottgewollte Bestimmung von Mann und Frau angesehen und zur Grundlage moralischer Wertsetzung gemacht. Eine solche Legitimierung moralischer Normen durch biologische Einsichten ist indessen nicht zulässig und außerdem keineswegs eine logische Konsequenz einer biologischen Betrachtung. Man spricht in diesem Zusammenhang von der »naturalistic fallacy«, also einem naturalistischen Trugschluss, dem manche Morallehren anheimfallen.

Ob und wie sich Moral überhaupt legitimieren lässt, gehört zu den schwierigsten Fragen (Bischof, 2012). Ihre Beantwortung ist nicht Gegenstand dieses Buches, eins aber ist sicher: Naturgegebenheiten können nicht herangezogen werden, um daraus moralische Normen abzuleiten. Was auch immer wir beschließen, für richtig zu halten, es wird darunter immer auch Regeln geben, die sich gegen die Natur richten. So sind wir von Natur aus dazu angelegt, viele Kinder in die Welt zu setzen, und für viele Kulturen ist dies auch heute noch ein hoher moralischer Wert. Der dramatische Bevölkerungszuwachs legt den Weiterdenkenden aber nahe, dass eigentlich genau das Gegenteil, nämlich Geburtenkontrolle, angebracht wäre. Da wir die Umwelt, an die wir natürlicherweise angepasst sind, längst drastisch verändert haben, ist vieles, was unseren natürlichen Neigungen besonders entgegenkommen würde, unserem Wohlbefinden abträglich. Davon abgesehen wäre auch schon im Mittelalter niemand auf die Idee verfallen, den Zölibat für sittenwidrig zu halten, nur weil er dem natürlichen Geschlechtstrieb zuwiderläuft.

Von Natur aus anders

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