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5.9 Die Rolle der Nachahmung

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Da sich immer deutlicher herausstellte, dass die Entwicklung geschlechtsrollenadäquaten Verhaltens mit Konditionierungsprozessen allein nicht befriedigend erklärt werden konnte, gewann die Nachahmung, auch Lernen am Modell genannt, als Mechanismus der Geschlechtsrollenübernahme zunehmend an Bedeutung.

Mischel (Mischel, 1966) hat sich mit dieser Möglichkeit eingehender befasst, ohne allerdings eine explizite Theorie zu diesem Thema zu formulieren. Er vertritt vielmehr den Standpunkt, die Geschlechtsrollenübernahme unterscheide sich nicht vom Erwerb anderer Verhaltensweisen. Es handle sich um einen üblichen Lernvorgang, bei dem in Konformität mit kulturellen Rollenvorschriften Verhaltensmuster gelernt würden, und zwar einerseits infolge von Lohn und Strafe, andererseits aber auch durch Beobachtung und Nachahmung.

Nun sind mit der Nachahmung aber einige grundsätzliche Probleme verbunden, die gerade auch besonders ins Gewicht fallen, wenn man versucht, sie zur Erklärung der Geschlechtsrollenübernahme heranzuziehen.

Als Erstes ist zu berücksichtigen, dass sich die Fähigkeit zur Nachahmung im ersten Lebensjahr erst langsam entwickelt. Zwar können 6-Monatige schon nachahmen, doch ist diese Fähigkeit nur rudimentär ausgebildet, wie eine Studie von Rachel Barr und ihren Kolleginnen verdeutlicht, in der den Kindern eine dreischrittige Handlung gezeigt wurde. Dabei zog der Studienleiter einer grauen Stofftiermaus einen Fäustling ab, schüttelte ihn dreimal und zog ihn ihr wieder an. Die 6-Monatigen zeigten einzelne Teilschritte zwar häufiger, wenn sie die Handlung zuvor demonstriert bekamen als ihre Altersgenossen in einer Kontrollgruppe, die die Handlung nicht gesehen hatten. In der Regel blieb es aber dabei, dass die Kinder in der Demonstrationsgruppe lediglich den Handschuh abzogen, die Kinder in der Kontrollgruppe nichts dergleichen taten und die beiden anderen Handlungsschritte in keiner Gruppe ausgeführt wurden (Barr et al., 1996).

Nun gibt es tatsächlich schon frühe geschlechtstypische Unterschiede in der Nachahmungsbereitschaft bei Babys. Jungen im ersten Lebensjahr schlagen häufiger als Mädchen auf einen Luftballon, wenn sie zuvor jemanden gesehen haben, der auf einen Luftballon schlägt (Benenson et al., 2011). Jedoch ist dieser Befund nicht geeignet, die Annahme zu unterstützen, Geschlechtsunterschiede seien durch Nachahmung hervorgerufen, denn Jungen im ersten Lebensjahr wissen nicht, was als geschlechtsadäquat angesehen wird. Wenn es um geschlechtstypische Verhaltensbesonderheiten geht, die bereits im ersten Lebensjahr beobachtbar sind (Alexander & Wilcox, 2012), ist Nachahmung ein eher fragliches Erklärungsprinzip.

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