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6.3 Zuordnung des Geschlechts

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Kleinkinder sprechen bereits im ersten Lebensjahr auf Merkmale des Geschlechts an. So reagieren sie schon mit sechs Monaten unterschiedlich auf eine Männer- und eine Frauenstimme (Miller, 1983). Neun- bis Zwölfmonatige unterscheiden die Gesichter von Männern und Frauen auf Fotos (Leinbach & Fagot, 1993). Mit zwölf Monaten gelingt es ihnen auch schon, die visuelle Erscheinung mit der Stimme in Zusammenhang zu bringen. Ein rudimentäres Geschlechtskonzept bildet sich also schon früh aus. Die richtige Benennung lässt aber noch auf sich warten.

Eine der ersten eingehenden Untersuchungen zur Entwicklung der Geschlechtsbenennung wurde von Dannhauer in den 70er Jahren in der damaligen DDR vorgenommen (Dannhauer, 1973). Er legte seinen zwei- bis vierjährigen Versuchspersonen im Einzelversuch eine Jungen- und eine Mädchenpuppe vor, mit der folgenden Aufforderung:

Zeig mir die Puppe, – die so aussieht wie du,

– die nicht so aussieht wie du,

– die wie ein Junge aussieht,

– die wie ein Mädchen aussieht.

– Bist du ein Junge oder ein Mädchen?

In einer amerikanischen Untersuchung ließen Weinraub und Mitarbeiter die Kinder zunächst Fotos von Mädchen, Jungen, Männern und Frauen in eine »Männer/Jungen«- bzw. eine »Frauen/Mädchen«-Schachtel sortieren (Weinraub et al., 1984). Sodann erfragten sie zu jedem Foto das Geschlecht. In vergleichbarer Weise mussten die Kinder das eigene Foto zuordnen.

Beide Untersuchungen ergaben, dass Kinder durchschnittlich mit zweieinhalb Jahren das Geschlecht bei anderen und mit zweieinhalb bis drei Jahren das eigene Geschlecht bestimmen konnten, wobei zu erwähnen ist, dass Mädchen andere Personen früher richtig benannten als Jungen; sich selbst allerdings nicht. Fagot und Leinbach (1993) kommen in einem Übersichtsreferat über die einschlägige Literatur zu dem Schluss, dass Kinder irgendwann zwischen 24 und 40 Monaten sich selbst und andere richtig benennen, wobei Erwachsene an erster Stelle stehen. Die frühere Zuordnung von Erwachsenen hängt wohl damit zusammen, dass geschlechtsunterscheidende Merkmale bei diesen besonders prägnant hervortreten und dass sie zudem in der Welt eines Kindes in diesem Altersabschnitt bedeutsamer sind als Gleichaltrige. Eine neuere Untersuchung setzt die Benennung des Geschlechts bei anderen und zum Teil auch des eigenen schon bei knapp Zweijährigen an. Dabei wird mit der Verwendung von Geschlechtsbezeichnungen wie Junge, Mädchen, Mann, Frau argumentiert, wobei allerdings nicht berichtet wird, wieweit diese Bezeichnungen auch bereits korrekt zugeordnet werden (Zosuls et al., 2009). Der Befund, dass solche Benennungen häufiger bei Kindern auftraten, die auch eher geschlechtstypische Spielzeugpräferenz (Lastwagen, Puppe) zeigten, wird dahingehend interpretiert, sie wüssten eher, was zu ihrem Geschlecht passt. Indessen sagen Korrelationen ja nichts über Verursachungszusammenhänge aus, die Beziehung kann auch umgekehrt sein: Kinder mit stärker ausgeprägten geschlechtstypischen Vorlieben werden sich in diesem Fall eher der Geschlechtsbezeichnung bewusst und tun sich infolgedessen damit leichter.

Generell ist Vorsicht geboten, aus diesen frühen Benennungen allzu viel abzuleiten. Bereits Weinraub hatte bei Zweijährigen, die sich mit dem richtigen Geschlecht bezeichnen, zur Vorsicht gemahnt. Sie waren in ihrer Untersuchung mehrheitlich nicht in der Lage, sich eindeutig auch der richtigen Klasse zuzuordnen, wenn man sie aufforderte, ihr Foto in die Jungen- oder Mädchen-Schachtel zu legen. Es ist also in Einzelfällen mit der Möglichkeit zu rechnen, dass die Kinder zwar schon darauf konditioniert sind, sich richtig zu benennen, ohne damit aber die Einsicht zu verbinden, einer ganzen Klasse von Menschen – und eben nur dieser – anzugehören.

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