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Mehrfach ungesättigte Fettsäuren – Omega-3 und Omega-6

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Unter den Fetten wirken die mehrfach ungesättigten Fettsäuren besonders günstig auf unsere Gesundheit.85 Die Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren sind die wichtigsten Vertreter.

Omega-3-Fettsäuren, die Superhelden unter den Fetten

Als besonders gesund haben sich die Omega-3-Fettsäuren erwiesen. Sie sind wesentliche Strukturfette für unser Gehirn und an zahlreichen Stoffwechselvorgängen beteiligt. Bereits im Mutterleib sorgen sie für die Entwicklung des Gehirns und der Retinafunktion des Kindes. Auch im Erwachsenenalter schützen sie vor zahlreichen Erkrankungen.86 Zu den wichtigen Omega-3-Vertretern zählt die Alpha-Linolensäure. Sie ist für uns essenziell, weil der Körper sie nicht selbst herstellen kann, sondern über die Ernährung aufnehmen muss. Sie kommt vor allem in Lein-, Hanf- und Rapsöl sowie Walnüssen, in kleineren Mengen aber auch in grünem Blattgemüse wie Kopfsalat und Spinat vor. Besonders gesund sind die langkettigen, maritimen Omega-3-Fettsäuren, Eicosapentaensäure (EPA; das „A“ steht für acid, das englische Wort für Säure) und Docosahexaensäure (DHA), die vor allem in fettem Fisch wie Lachs, Sardine, Makrele und Hering sowie Algen (zum Beispiel Schizochytrium) enthalten sind. Algen sind die einzigen Organismen, die größere Mengen von EPA und DHA selbst herstellen können. Fische nehmen die gesunden Fettsäuren erst über die Nahrungskette auf. Wissenschaftler arbeiten daran, Landpflanzen so zu verändern, dass sie die gesunden langkettigen Omega-3-Fettsäuren herstellen können. Mit dem Leindotter ist dies bereits gelungen. Der Körper kann nicht, wie manchmal behauptet, ausreichend EPA und DHA aus Alpha-Linolensäure selbst herstellen, sondern wir müssen diese durch die Ernährung aufnehmen.87

EPA und DHA haben einen wichtigen Einfluss auf die Entwicklung und Funktionsweise von Gehirn und Augen88 und wirken sich positiv auf Blutdruck, Blutfettwerte, die Insulinsensitivität und das Immunsystem aus.89, 90 Außerdem sind sie entzündungshemmend und können vor zahlreichen chronischen Krankheiten schützen, darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Diabetes und Alzheimer.90 In Studien wies man nach, dass Menschen, die ausreichend EPA und DHA aufnehmen, länger leben.91 Auch für unser psychisches Wohlbefinden sind die gesunden Fette bedeutsam, denn niedrige Omega-3-Spiegel werden mit Depression in Verbindung gebracht.92 Auch Wochenbettdepression93 und sogar Suizide sind bei einem niedrigen Omega-3-Gehalt im Körper signifikant häufiger. Das Fazit: Omega-3-Fette machen uns schlank, gesund und schlau.

Die beeindruckende Liste an gesundheitsfördernden Effekten ist vielen Menschen noch nicht ausreichend bekannt. Die kollektive Furcht vor Fetten als Fettmacher sitzt immer noch tief. Hier findet jedoch gerade ein Umdenken statt. Heute raten Gesundheits- und Ernährungsexperten nahezu ausnahmslos, unsere Omega-3-Versorgung zu optimieren und dabei auch auf die Omega-Balance zu achten.

Omega-6-Fettsäuren – auf das richtige Verhältnis kommt es an

Die andere wichtige Gruppe der Omega-Fette sind die Omega-6-Fettsäuren. Sie sind wesentliche Bestandteile der Zellmembranen in Knochen, Haut und Haaren und werden für Wachstums- und Reparaturprozesse benötigt. Besonders reich an Omega-6-Fettsäuren sind bestimmte pflanzliche Öle (zum Beispiel Distelöl, Sonnenblumenöl, Sojaöl, Weizenkeimöl), Fleisch, Eier, Nüsse und Samen (Walnüsse, Sonnenblumenkerne, Sesam, Mandeln, Cashewkerne, Haselnüsse und Kürbiskerne), Amarant und Getreide.

Es gibt verschiedene Omega-6-Fettsäuren: Die Linolsäure kommt heute sehr häufig in unserer Ernährung vor, insbesondere durch den hohen Verbrauch an Omega-6-reichen Ölen, die viel in verarbeiteten Produkten eingesetzt werden. Die langkettige Arachidonsäure befindet sich vor allem in tierischen Lebensmitteln wie Fleisch (insbesondere Schweinefleisch), Butter, Schmalz, Eigelb und Fisch aus Aquakulturen. Ein Teil der Arachidonsäure wird im Körper aus Linolsäure gebildet. Arachidonsäure ist die Ausgangssubstanz zur Bildung von Gewebshormonen wie Prostaglandinen und Leukotrienen. Sie kommen beispielsweise in Mastzellen vor und dienen der Infektabwehr, indem sie die Blutgefäße erweitern und die Gefäßdurchlässigkeit erhöhen. Nehmen wir große Mengen an Omega-6-Fettsäuren auf, kann das das Entzündungsgeschehen im Körper übermäßig steigern.94

Omega-6-Fettsäuren sind also nicht, wie manchmal behauptet wird, per se ungesund – wir brauchen sie sogar –, nur nehmen wir mit unserer modernen Ernährung zu viele von ihnen auf (vor allem aus Sonnenblumenöl, Fleisch und verarbeiteten Lebensmitteln). Dadurch stimmt unsere Omega-Balance nicht mehr. Wir haben zu viele Omega-6-Fettsäuren im Verhältnis zu Omega-3-Fettsäuren im Körper. Das Omega-Ungleichgewicht wird noch verstärkt, weil die gesunden langkettigen Omega-3-Fettsäuren (EPA und DHA) und die Arachidonsäure um dieselben Enzyme konkurrieren, die sie für weitere wichtige Stoffwechselvorgänge benötigen. Sind alle Enzyme mit Omega-6-Fettsäuren „besetzt“, wird weniger Omega-3 aufgenommen.95

Wissenschaftliche Nachforschungen zeigen, dass unsere Vorfahren in der Steinzeit in der Ernährung ein Omega-6- zu Omega-3-Verhältnis von etwa 1:1 hatten.96 Fleisch, Fisch, wilde Pflanzen und Nüsse hatten einen viel höheren Omega-3-Gehalt als heute. In den letzten 150 Jahren hat sich dieses Verhältnis stark verschoben. Es liegt in der heutigen westlichen Ernährung bei 10:1 bis zu 25:1 zugunsten von Omega-6.97 Als Folge dieses Ungleichgewichts können Entzündungen vermutlich nicht ausreichend gestoppt werden. Dies ist besonders relevant, weil fast alle chronischen Erkrankungen eine entzündliche Komponente haben. Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfehlen daher die Aufnahme von Omega-6- im Verhältnis zu Omega-3-Fettsäuren von maximal 5:1.98 Dies erreichen Sie, indem Sie weniger tierische und stark verarbeitete Produkte essen und dafür mehr Omega-3-reiche pflanzliche Öle wie Lein- oder Rapsöl sowie fettreichen (See-)Fisch zu sich nehmen.

Wie bekommen wir ausreichend Omega-3?

In Europa sind unglaubliche 76 Prozent der Menschen nicht ausreichend mit Omega-3 versorgt, wie der Kardiologe und Omega-3-Experte Prof. Clemens von Schacky von der Ludwig- Maximilians-Universität München herausgefunden hat.87 In Japan oder Südkorea ist kaum jemand von einem Mangel betroffen. Das hat eindeutig mit unseren Ernährungsgewohnheiten zu tun – Fisch und Algen stehen bei uns vergleichsweise selten auf dem Speiseplan.

Da stellt sich sofort die Frage: Sollen wir Omega-3 über Nahrungsergänzungsmittel zuführen? So werden zum Beispiel zahlreiche Fischöl- und Krillölpräparate als Nahrungsergänzungsmittel angeboten, als pflanzliche Alternative sind Algenöle auf dem Markt. Dass Omega-3-Fettsäuren äußerst wichtig für unsere Gesundheit sind, ist inzwischen unstrittig. Um die Wirksamkeit der Präparate gibt es allerdings Diskussionen. Groß angelegte Studien überraschten mit der Erkenntnis, dass Supplemente nicht vorbeugend gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen wirken – auch nicht, wenn man mehrere Jahre lang täglich 1 Gramm Omega-3-Präparate nimmt.99, 100

Die Omega-3-Spiegel variieren sehr stark von Mensch zu Mensch. Wie gut jemand mit Omega-3 versorgt ist, hängt nicht nur von der Zufuhr ab, sondern auch von den Genen, dem Stoffwechsel und anderen Faktoren.87 Zudem unterscheiden sich Menschen in ihrer Omega-3-Aufnahmefähigkeit erheblich, nämlich bis um das 13-Fache. Experten vermuten, dass deswegen die relative niedrige Dosierung in den Studien keine Effekte zeigten. Denn bei hohen Dosen erlitten die Patienten tatsächlich seltener einen Herzinfarkt oder Schlaganfall.101

Das macht allgemeine Dosierungsempfehlungen schwierig, weil die Dosis, die für den einen zu niedrig ist, für den anderen bereits viel zu hoch sein kann. Omega-3-Experte Prof. Schacky hält daher allgemeine Empfehlungen sogar für sinnlos. Er rät, immer erst den individuellen Omega-3-Spiegel zu bestimmen.87 Dieser kann über einen Bluttest ermittelt werden (HS-Omega-3 Index®). Dabei wird der prozentuale Anteil von EPA und DHA in den roten Blutkörperchen (Erythrozyten) gemessen. Der HS-Omega-3 Index® hat sich als guter Biomarker herausgestellt. Er sollte im Zielbereich von 8 bis 11 Prozent liegen und 16 Prozent nicht überschreiten.87 Leider werden die Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen derzeit (noch) nicht übernommen (ca. 70 Euro, Stand: Juli 2021).

Die sinnvolle Forderung nach einer Testung ist unrealistisch, solange der Test so teuer ist. Als Faustregel gilt: Wer regelmäßig fetten Fisch wie Lachs oder Hering isst, braucht vermutlich keine Omega-3-Nahrungsergänzung. Aus Nachhaltigkeitsgründen sollten es aber möglichst nicht viel mehr als 200 Gramm pro Woche sein (► Seite 134). Wer sich allerdings fischlos ernährt, sollte erwägen, seine Ernährung mit DHA-reichen Ölen aus Mikroalgen (zum Beispiel aus Schizochytrium) zu ergänzen. Weil Schwangere einen höheren Bedarf haben, wird ihnen eine Supplementation empfohlen.87 Sprechen Sie diese aber immer mit Ihrem Arzt ab.

Der Arbeitskreis Omega-3 empfiehlt gesunden Menschen, pro Tag eine Menge von mindestens 0,3 Gramm Omega-3-Fettsäuren (EPA und DHA) zu sich zu nehmen.102 Eine Aufnahmemenge von bis zu 5 Gramm EPA und DHA (in Kombination) beziehungsweise 1,8 Gramm EPA (einzeln) pro Tag sind für Erwachsene gemäß der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit als gesundheitlich unbedenklich anzusehen. Nehmen Sie ein Omega-3-Präparat immer zur Hauptmahlzeit ein, dadurch erhöht sich die Bioverfügbarkeit erheblich.87

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