Читать книгу Gesunde Ernährung heute und morgen - Dr. med. Jörn Klasen - Страница 41
Eiweiße
ОглавлениеWelche Rolle spielen Eiweiße? Gibt es aus gesundheitlicher Sicht Unterschiede zwischen tierischem und pflanzlichem Eiweiß? Sollte man im Alter mehr Eiweiß essen? Hat eine eiweißreiche Ernährung gesundheitliche Gefahren? Kann man mit eiweißreicher Kost abnehmen?
Eiweiße (auch Proteine) sind neben Kohlenhydraten und Fetten der dritte Hauptnährstoff unserer Ernährung. Dieser grundlegende Stoff wurde im Eiklar des Hühnereis entdeckt – daher der Name. Erst später wurde deutlich, dass sich Proteine auch im Eigelb und in allen unseren Körperzellen befinden. Eiweiße sind aus Ketten von Aminosäuren komplex zusammengesetzt. Es gibt 20 verschiedene Aminosäuren. Sie haben alle eine Grundstruktur, die aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff besteht. Proteine werden im Stoffwechsel von Menschen, Tieren, Pflanzen, Pilzen, Bakterien und Hefen gebildet.
Eiweiße liefern uns wie Kohlenhydrate und Fette Energie. Sie haben aber eine Sonderstellung, weil sie vor allem als Struktur- und Baumaterial für unsere Zellen von großer Bedeutung sind. Ob Muskelgewebe, Organe, Blut oder Immunsystem, an allen Zellen sind Eiweiße strukturell beteiligt. Außerdem haben sie als Bestandteil von Enzymen und Hormonen wichtige regulierende Funktionen. Insulin, das den Blutzuckerspiegel reguliert, ist ein Beispiel dafür. Auch wichtige Schutzfunktionen für unseren Körper übernehmen Eiweiße. Die Antikörper des Immunsystems sind aus Aminosäuren aufgebaut. Sie binden eingedrungene Fremdstoffe und Krankheitserreger und machen sie auf diese Weise unwirksam.
Aus den 20 Aminosäuren werden um die 100.000 verschiedene Proteine in unserem Körper zusammengesetzt.132 Die Baupläne der Proteine sind im genetischen Code, der DNA, festgelegt. Einige Eiweiße sind nur aus zwei Aminosäuren aufgebaut, andere aus 30.000. Neun der 20 Aminosäuren (Isoleucin, Leucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Threonin, Tryptophan, Valin, Histidin), die für die Konstruktion von Eiweißen benötigt werden, können im menschlichen Organismus nicht neu aufgebaut werden: Sie sind daher essenziell (unentbehrlich), wir müssen sie mit der Nahrung aufnehmen.
Um die 75 bis 80 Prozent der freien Aminosäuren im Körper befinden sich in der Muskulatur, der Rest in Leber, Darmschleimhaut, Gehirn und im Blut.47 Eiweiße aus der Nahrung werden von unserem Verdauungssystem so lange zerlegt, bis nur noch einzelne Aminosäuren übrig sind. Die Darmzellen nehmen sie auf und transportieren sie über die Blutbahn zu den Körperzellen. Dort werden sie zu verschiedenen Eiweißen zusammengebaut, die der Körper benötigt. Beim Eiweißstoffwechsel entstehen auch Abbauprodukte, die entsorgt werden müssen. Dies geschieht in der Leber. Die Fettdepots speichern so gut wie keine Eiweiße. Nicht benötigte Aminosäuren werden in ihre Stickstoffverbindungen zerlegt und von den Nieren ausgeschieden. Der kontrollierte Auf-, Um- und Abbau von Aminosäuren ist für den menschlichen Organismus essenziell und überlebenswichtig.47
Viele wissen nicht, dass zu viel Protein in der Nahrung auch zu Übergewicht führen kann. Nehmen wir größere Mengen Eiweiß zu uns, zum Beispiel bei einem Grillabend, wandelt der Körper überschüssige Aminosäuren durch Gluconeogenese in Zucker um. Sind die Glukosespeicher voll, wird die Glukose in Fett umgewandelt und eingelagert. Über diesen Mechanismus kann eine hohe Proteinaufnahme zu einer Insulinausschüttung und langfristig zu Übergewicht führen.133
In fast allen Lebensmitteln – pflanzlichen wie tierischen – kommen Eiweiße vor. Besonders proteinreiche Lebensmittel sind: Fisch, Fleisch, Ei, Milch, Käse, Hülsenfrüchte (Bohnen, Linsen), Nüsse und Vollkornprodukte. Sehen Sie dazu auch die Tabelle auf Seite 71.
Während die Kalorienmenge, die wir aus Zuckern und leicht verdaulichen Kohlenhydraten zu uns nehmen, seit den 1970er-Jahren stark angestiegen ist,134 liegt der Proteinanteil in der Ernährung westlicher Länder seit Jahrzenten relativ stabil bei etwa 16 Prozent.135 Auch die verschiedenen Ernährungsweisen der Blue Zones (► Seite 28ff.) haben einen Eiweißanteil von 14 bis 17 Prozent.136