Читать книгу Enzyklopädie des Mittelalters - Группа авторов - Страница 22

Genossenschaftliche Ordnungen

Оглавление

Der deutsche Rechtshistoriker und Jurist O. von Gierke (1841–1921) verstand das Mittelalter als ein durch zwei konträre Rechtsprinzipien hin und her gerissenes Zeitalter. Dem Prinzip der „Herrschaft“ habe das Prinzip der „Genossenschaft“ gegenübergestanden. Als Genossenschaft bezeichnete Gierke „jede auf freier Vereinigung beruhende deutschrechtliche Körperschaft“. Dieses Prinzip der gleichheitlichen Sozialordnung führte Gierke auf das germanische Substrat des Mittelalters zurück. Obwohl an diesem Germanizismus in der heutigen Forschung nicht mehr festgehalten wird, erfreut sich der Standpunkt Gierkes dennoch großer Anerkennung. O. G. Oexle hat sich dafür stark gemacht, das gesamte Mittelalter vor dem Hintergrund dieser beiden alternativen Rechtsprinzipien zu betrachten. Schon im Frühmittelalter, aber noch deutlicher im Spätmittelalter wurde das Leben der Menschen durch Genossenschaften verschiedensten Typs geprägt [↗ Genossenschaftliche Organisationsformen]. Trotzdem hat sich eine Theorie der Genossenschaften im Mittelalter nur in Ansätzen herausgebildet. Wie sich insbesondere an der Haltung gegenüber dem Sozialtyp „Stadt“ nachzeichnen läßt, standen die Gelehrten dem genossenschaftlichen, auf einer Schwureinigung beruhenden Stadtregiment lange überaus feindlich gegenüber. Der Eid zum Selbstschutz galt als gegen den Herrscher und gegen Gott gerichtet und wurde daher verurteilt. Erst im 13. Jahrhundert vollzog sich ein Wandel in der Beurteilung der Stadt, der vor allem von den Theologen aus den Bettelorden getragen wurde. In dieser Zeit begann allgemein ein vertieftes Nachdenken über den Sozialtyp der Genossenschaft am Beispiel der juristischen Korporation, der mittelalterlichen Stadtherrschaft und des Konziliarismus innerhalb der Kirche.

KARL UBL

Enzyklopädie des Mittelalters

Подняться наверх