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Ämterwesen

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Im fränkischen Reich steht der Königshof unverkennbar im Mittelpunkt der Reichsordnung. Zum Kern des Königshofes gehören die Inhaber der Hofämter und königliche Dienstleute, die sich ständig in der Umgebung des Königs aufhalten. Über die Hofämter und ihre Aufgabenbereiche informiert die instruktive Schrift De ordine palatii, die in der überlieferten Form in der Zeit um 882 von Erzbischof Hinkmar von Reims verfaßt wurde. Sie geht in ihrem Grundstock auf eine ältere Abhandlung zurück, die Adalhard von Corbie, ein Vetter Karls des Großen, über den Hof des Frankenkaisers geschrieben hatte. Da der karolingische Königshof gewissermaßen das Modell für alle europäischen Königshöfe des Mittelalters abgegeben hat, kommt der in diesem Traktat geschilderten Ordnung und Systematik der Hofämter eine herausragende Bedeutung zu [↗ Höfischer Raum].

Neben den geistlichen Hofbeamten, zu denen vor allem der oberste Kapellan und der Kanzler zählen, befaßte sich Hinkmar besonders mit den weltlichen Hofbeamten und ihren Kompetenzbereichen am fränkischen Königshof. Am Schluß von Kap. 16 beschreibt er diejenigen weltlichen ministri, in deren Händen die Hauptverantwortung für eine optimale Hofverwaltung liegt, nämlich Kämmerer (camerarius), Pfalzgraf (comes palatii), Seneschall (senescalcus), Mundschenk (buticularius), Marschall (comes stabuli), Quartiermeister (mansionarius), vier Oberjäger sowie einen Falkner. Läßt man die zuletzt genannten Jäger und Falkner beiseite, so verbleiben sechs wichtige Hofämter, die nach Hinkmar im Mittelpunkt des karolingischen Hofes stehen. Ihre jeweilige Bedeutung ist unterschiedlich, so daß die Ämter des Kämmerers und des Seneschalls stärker hervortreten als zum Beispiel die Funktionen des Mundschenks.

In Kooperation mit der Königin leitet der Kämmerer die gesamte Haushaltsführung des Hofes: Er verwaltet alle Einkünfte und Vorräte, nimmt die Jahresgaben der Vasallen in Empfang und kalkuliert rechtzeitig den künftigen Bedarf der Hofhaltung. Sein Ziel soll es sein, den König soweit wie möglich von den alltäglichen Sorgen der Hofhaltung zu entlasten und für die Reichsverwaltung freizuhalten. Der Seneschall ist dagegen für die allgemeine Hofverwaltung, die generelle Aufsicht über die Dienerschaft und für die Versorgung der Tafel mit genügend Lebensmitteln verantwortlich. Zusammen mit dem Quartiermeister muß er sich bemühen, die jeweiligen Reisestationen des Hofes mit ausreichenden Vorräten auszustatten und die dafür zuständigen Leute und Gutsverwalter rechtzeitig vom Nahen des umherreisenden Königs zu unterrichten. Der Marschall ist für Pferde und Stallungen und darüber hinaus für das gesamte Transportwesen des Königs verantwortlich. Daneben erhält die militärische Funktion des Marschallamtes eine zunehmende Bedeutung, da während der Karolingerzeit zahlreiche Marschälle als Heerführer eingesetzt werden und wichtige Kampfoperationen leiten. Der Schenk hat für die Getränke und den Keller Sorge zu tragen und führt als magister pincernarum Aufsicht über die ihm unterstellten Diener und Helfer. Die Hauptaufgabe des Pfalzgrafen besteht darin, daß er das königliche Hofgericht leitet und dort alle wichtigen Rechtsfälle in letzter Instanz entscheidet. Er hat ferner alle Rechtsstreitigkeiten, die aus dem gesamten Reich an das Königsgericht gelangen, fachmännisch zu prüfen und darüber, soweit dies ohne Eingreifen des Königs möglich ist, gerechte Urteile zu fällen.

Die niederen Dienste am Hof, für welche man seit Karl dem Großen entsprechend dem vergrößerten Gefolge des Königs eine Vielzahl von Dienern nötig hatte, wurden dem Gesinde überlassen, während die Inhaber der Hofämter, die jetzt häufig angesehene Männer adliger Abstammung waren, sich auf Aufsicht und Leitung konzentrierten. Mit der Erhöhung ging eine Ausweitung der Ämter einher, so daß sich der Kompetenzbereich der Ämter vom Hof in die Reichsverwaltung ausdehnte. Auf diese Weise wurde der Kämmerer, der an der Spitze rangierte, zum vornehmsten Vermögensverwalter des Königs im gesamten Reich. Gleichzeitig verwandelten sich Ämter in der Hand bedeutender Adliger immer mehr in Ehrenstellungen, die mit ihren ursprünglichen Aufgaben nur noch symbolisch zusammenhingen, während die eigentliche Tätigkeit von untergeordneten Königsdienern wahrgenommen wurde. Die Verbindung von Hofdienst und Reichsdienst am Karolingerhof weist darauf hin, daß Teile der Reichsverwaltung sich aus der Hofverwaltung entwickelt haben, und zwar einfach durch die Ausweitung ihrer Funktionen.

Eine hervorragende Bedeutung für den König hatte die Geistlichkeit am Hof, die Hofkapelle. Ihrer Herkunft nach ist diese Hofkapelle eine Institution, die von den Karolingern geschaffen wurde. Ihre Bedeutung als Herrschaftsmittel wird daran sichtbar, daß sie lange Zeit als unentbehrliches Substrat des mittelalterlichen Königtums in fast ganz Europa galt und auch beispielhaft wirkte für zahlreiche geistliche und weltliche Fürstenhöfe. Der Personalverband der Hofgeistlichkeit hatte eine einheitliche Spitze im obersten Kapellan (Erzkapellan) und fungierte als engerer Verwaltungsstab des Königs. Mitglieder der Hofkapelle waren daher relativ frei verfügbar für königliche Aufträge am Hof oder für Aufgaben innerhalb des Reiches. Ein wichtiger, dem Beurkundungswesen vorbehaltener Aufgabenbereich innerhalb der Hofkapelle war die Kanzlei, mit deren Leitung schon unter Ludwig dem Frommen ein summus cancellarius beauftragt wurde, der dann in den Nachfolgekanzleien als Erzkanzler in Erscheinung trat.

Am Karolingerhof existierte auch ein spezielles Beratungsorgan, in dem wichtige Entscheidungen in Gesetzgebung und Verwaltung vorbereitet wurden. Seine Mitglieder werden als consiliarii bezeichnet und sind teilweise namentlich bekannt. Zu diesen Ratgebern gehörten neben den Inhabern bestimmter Hofämter zahlreiche Amtsträger und Adelige, die zu diesem Zweck eigens an den Königshof gerufen wurden, oder Ratgeber, die als solche ständig beim König weilten. Als Herrschaftsinstrument im Reich trat vorrangig der Kreis der Königsboten (missi dominici) in Erscheinung. Nach vorübergehenden Versuchen, weniger mächtige Vasallen heranzuziehen, wurden ab 802 höhere Amtsträger als Königsboten bestellt (Bischöfe, Äbte und Grafen). Hauptmotiv für diese Maßnahme war die Hoffnung, daß derjenige, der im jeweiligen Inspektionsbereich über eigene Macht und Kenntnis verfügte, wirksamer im Königsdienst tätig sein konnte. Zwischen geistlichen und weltlichen Amtsträgern wurde im Hof- und Reichsdienst auf eine bestimmte Proportion geachtet, so daß beide Gruppen am Hof annähernd gleich stark vertreten waren. Insbesondere legte Karl der Große Wert darauf, daß wichtige Missionen möglichst regelmäßig von einem weltlichen und einem geistlichen Amtsträger in Gemeinschaftsarbeit durchgeführt wurden.

Eine Zentralfigur der königlichen Einheitspolitik im Frankenreich war der Graf (comes), der an der Spitze einer Grafschaft (comitatus) stand und dessen Amtsbereich im Westen auf die civitas und im Osten auf den Gau bezogen war. Der Begriff einer fränkischen Grafschaftsverfassung darf nicht dazu führen, daß man sich die Grafschaften des Frankenreiches nach dem Muster moderner Verwaltungsbezirke vorstellt, die sich als lückenloses Netz über einen bestimmten Raum legen. Grafschaften waren zwar einheitlich für das gesamte Frankenreich geplant, konnten sich aber nur unvollständig durchsetzen. Es traf außerdem nicht zu, daß Gau und Grafschaft oder civitas und Grafschaft sich völlig deckten. Offenbar hing es wesentlich von der Person des Grafen und seiner Machtmittel ab, wieweit er sich behaupten konnte. Die starken und fähigen Inhaber des Amtes setzten sich in der Regel auch in der ganzen Grafschaft durch und vereinigten in ihrer Hand manchmal mehrere Grafschaften, während schwächere Personen nur über partielle Herrschaftsbereiche verfügten. Fränkische Grafen waren in erster Linie adlige Vertrauensleute des Königs und nicht Verwaltungsbeamte im modernen Sinne. Aus diesem Grund mußte ein Graf ausreichend begütert sein und neben seinem Eigengut ein Amtsgut besitzen, das mit dem Rückhalt am König die Basis seiner Macht darstellte. Von diesem Zentrum aus suchte er das ganze Gebiet seines Amtsbereiches politisch zu erfassen, wobei der königliche Auftrag nur die Richtung wies, sein Vorgehen im einzelnen aber in seinem eigenen Ermessen lag.

Welche Funktionen waren mit dem Amt des Grafen verbunden? Zu den gräflichen Aufgaben gehörte die Aushebung und Führung von militärischen Kontingenten, wodurch der Graf auch in der Lage war, Befreiungen von der lästigen Militärpflicht zu gewähren. Hinzu traten Aufsichtsfunktionen über Straßen, Märkte und Brücken, der Einzug von königlichen Einkünften wie Straßengebühren und Marktzöllen. Im Königsgericht führte er in Stellvertretung des Königs den Vorsitz und leitete die Gerichtsversammlung [↗ Gerichtswesen]. Dabei erhielt der Graf Anteil an den Gerichtsbußen und Strafgebühren. Theoretisch waren alle Inhaber von Ämtern im Karolingerreich absetzbar, was aber in der Praxis nicht immer möglich war. Ursprünglich hatte der König den Grafen von Fall zu Fall eingesetzt, indem er ihm den sogenannten Grafenbann verlieh, nämlich das Recht, in seiner Grafschaft im Namen des Königs bei Strafe zu gebieten und zu verbieten. Die Verleihung des Grafenbanns durch den König war die rechtliche Voraussetzung dafür, daß er sein Amt ordnungsgemäß ausüben konnte. Es entsprach dem Amtscharakter der Grafschaft, daß der König freie Hand bei der Amtsvergabe hatte. Aber in der Praxis war die Tatsache wichtig, daß der Graf als Angehöriger des Adels nie ausschließlich königlicher Amtsträger war. Er besaß auch eine Eigenmacht mit originären Rechten und gab gern der Neigung nach, Amtsgut wie sein Eigengut zu behandeln. Für den Amtscharakter war außerdem die Tendenz der Grafen verhängnisvoll, ihre Grafschaften an ihre Söhne weiterzugeben. Solange diese Weitergabe deutlich mit dem Rechtsakt der Bannleihe verbunden war, blieb der Amtscharakter gewahrt. Indem sich aber der Brauch durchsetzte, den Sohn im Amt des Vaters ungefragt zu lassen, verlor die Bannleihe an Gewicht. Die zunehmende Tendenz zur Erblichkeit zerstörte den Amtscharakter der Grafschaft, so daß der Einfluß des Königs auf die Besetzung der Grafenämter schon in der Spätkarolingerzeit immer mehr zurückging.

Als in der Krisenzeit um 900 die Schwäche des Königtums offenkundig wurde und die äußere Bedrohung zunahm, entstanden im ostfränkischen Reich Stammesherzogtümer als neue Großformen politischer Ordnung [↗ Gentile Ordnungen]. Stammesherzogtümer hatte es bereits im früheren Mittelalter gegeben, doch waren sie von den Karolingern zerschlagen worden. Bei dem merowingischen Herzog (dux) handelte es sich ursprünglich um ein vom König geschaffenes Amt, das dem des comes übergeordnet war. Unter den Merowingern stand der dux jedenfalls in einer dem Grafen übergeordneten Stellung, wobei dux jedoch ebenso den Heerführer wie den hohen Amtsträger in der Reichsverwaltung bezeichnen konnte. Der Amtsbezirk eines Herzogs hieß ducatus und umfaßte in der Regel mehrere Grafschaften. Im germanischen Osten des Frankenreiches wurde der Dukat die Organisationsform der Stämme: Der König setzte den Herzog ein, um durch ihn den Stamm in seinem Sinn zu lenken. Im Laufe der Zeit sind dann die vom König den einzelnen Stämmen vorgesetzten Herzöge allzusehr mit den Stämmen verwachsen, so daß sie sich dem Königtum entfremdeten. Da die Stammesherzöge mit ihren territorialen Sonderinteressen den Bedürfnissen der Zentralgewalt nicht mehr entsprachen, haben die Karolinger sie im 8. Jahrhundert planmäßig beseitigt.

In der neuen Situation zu Beginn des 10. Jahrhunderts tauchten plötzlich wieder duces an der Spitze der Stämme auf, die zuerst nichts mit dem Königtum zu tun hatten [↗ Fürstentum]. Da der König praktisch ausfiel, mußten die Stämme sich ohne ihn zu helfen suchen. In den verschiedenen Stämmen des Ostfrankenreiches rückten einzelne Große mit ihren Familien stärker in den Vordergrund und erkämpften sich die Führung des Stammes. Dabei war die Lage in den Stammesgebieten der Sachsen, Franken, Schwaben und Bayern sehr verschieden und der Bildungsprozeß, der zu neuen Stammesherzogtümern führte, verlief ungleichmäßig. Spätestens beim Tod König Konrads I. im Jahre 918 hatten sich im Ostfrankenreich die Stammesherzogtümer etabliert, die von da an die Verfassungsstruktur des deutschen Reiches bestimmten. Der Herzog war Oberhaupt des Stammes und gleichzeitig Vertreter des Königs, Führer des Stammesverbandes und der Stammesangehörigen. Er war aber nicht einziger Träger staatlicher Hoheitsrechte. Diese übten vielmehr neben ihm die Grafen in ihren erblichen Grafschaften und Herrschaftsgebieten aus. Grafschaftsrechte, Vogteien und Grundbesitz bildeten auch für den Herzog die Basis seiner politischen und militärischen Macht. Eine Unterordnung der Stammesangehörigen unter die Herzogsgewalt wurde insofern anerkannt, als der Stammesadel die vom Herzog einberufenen Landtage und Gerichtsversammlungen besuchte. Der Herzog wahrte den Landfrieden, befehligte das Stammeskontingent der Lehnskrieger und übte eine eigene Gerichtsbarkeit aus. Viele Herrschaftsrechte des Herzogs waren jedoch nicht klar definiert, so daß ihr Umfang in ottonisch-salischer Zeit von der tatsächlichen Machtstellung jedes einzelnen Stammesherzogs abhing.

Am deutschen Königshof des Hochmittelalters treten die Stammesherzöge bei besonderen Gelegenheiten als Inhaber der vier Haupthofämter in Erscheinung. Widukind von Corvey schildert ausführlich, wie 936 nach der Krönung Ottos I. in der Aachener Pfalz ein prächtiges Festmahl veranstaltet wurde, bei dem die vier anwesenden Stammesherzöge dem König symbolisch Hofdienste als Truchseß, Kämmerer, Mundschenk und Marschall leisteten. Entsprechend ihrem Vorrang unter den Kronvasallen des Reiches wurden die Stammesherzöge durch die Leistung der Ehrendienste klar hervorgehoben, bewiesen aber auch ihre lehnsrechtliche Unterordnung gegenüber dem König. Ehrendienste der Herzöge in den vier Haupthofämtern fanden bei weiteren Anlässen statt, wie zum Beispiel beim glänzenden Hoftag Ottos III. in Quedlinburg im Jahre 986. Aus den vier Haupthofämtern am Königshof entwickelten sich in der nachfolgenden Zeit die vier Erzämter des Reiches. In der „Goldenen Bulle“ von 1356 befinden sich schließlich die vier Erzämter des Reiches fest in der Hand der vier weltlichen Kurfürsten, die bei festlichen Anlässen ihre Dienste am Königshof versehen. In den Bestimmungen der „Goldenen Bulle“ gelangte somit die Entwicklung der Erzämter aus symbolischen Ehrendiensten der Ottonenzeit zu reichsrechtlich abgesicherten Ämtern unter Karl IV. zum endgültigen Abschluß.

Das Ämtersystem der Stauferzeit ist eng mit der Ministerialität verbunden, die während des 12. und 13. Jahrhunderts im Rahmen der staufischen Reichsland- und Territorialpolitik zu großer Wirksamkeit gelangte. Die aus der Unfreiheit kommende Schicht der ministeriales fand im Dienste der Staufer und anderer Herren ein reiches Betätigungsfeld und stieg durch sozial gehobene Stellungen als Burgmannen und Verwaltungsbeamte, als Hofbedienstete an den Pfalzen und politische Ratgeber der Herrscher in den ritterlichen Adel auf. Das neue beamtenähnliche Instrument der Ministerialität gelangte bei der Territorialpolitik der Staufer, Welfen und anderer Hochadelsgeschlechter zu einer Schlüsselstellung. Durch Kriegs-, Verwaltungs- und Hofdienst haben sich die Ministerialen als Hauptträger der territorialen Herrschaftsprozesse zu einem Berufsstand entwickeln können, für den der qualifizierte Dienst und ein besonderes Recht wichtige Antriebskräfte des sozialen Aufstiegs und der ständischen Angleichung an die Vasallen waren.

Ebenso wie die Ministerialen in der Territorialpolitik der Fürsten eine hervorragende Rolle spielten, waren die Reichsministerialen die wichtigsten Träger der staufischen Reichslandpolitik. Als oberster Reichsbeamter stand zum Beispiel ein Reichsministeriale an der Spitze des reichsdienstmännischen Ritteradels des Egerlandes. Er war höchster Richter, Verwaltungsbeamter und Heerführer des ihm anvertrauten Reichsterritoriums und verkörperte den Typ des hohen staufischen Verwaltungsbeamten. Reichsministerialen waren auch Inhaber der obersten Hofämter am staufischen Königshof, während die genannten Erzämter nur mehr Ehrenämter in der Hand des Hochadels waren. Zusammen mit dem Kanzler und den Notaren bildeten mächtige Reichsministerialen wie Markward von Annweiler, Werner von Bolanden und Heinrich von Kalden den Führungskern des Stauferhofes. Freilich gab es unter den Reichsministerialen große soziale Unterschiede, die noch lange bestehenblieben. Der Abstand von dem Reichsschenken Werner von Bolanden zu kleinen Reichsministerialen auf unbedeutenden Burgen war außerordentlich. Der Aufstieg der führenden Reichsministerialen und ihre zunehmende Angleichung an den Adel minderten ihr Interesse am Reichsdienst, von dem sie infolge der Schwächung des Königshauses seit dem Thronstreit auch nicht mehr viel zu erwarten hatten. Die Verdrängung des Dienstrechts durch das Lehnrecht war ein Ausdruck ihres gewachsenen politischen Handlungsspielraums. Die mächtigsten Reichsministerialen erreichten im frühen 13. Jahrhundert eine adelsgleiche Stellung und schieden bald darauf als zuverlässige Funktionsträger des staufischen Königtums gegen die weltlichen und geistlichen Fürsten aus. Einige Reichsministerialen wie die Waldburger in Oberschwaben eroberten sogar eine landesherrliche Stellung, deren Grundlage sie dem Königtum verdankten.

Das Ämterwesen in den Territorien des Spätmittelalters wurde wesentlich von den Amtleuten bestimmt, die an der Spitze von landesherrlichen Ämtern und regionalen Verwaltungsbezirken mit unterschiedlicher Größe standen [↗ Landesherrschaft]. Dieses Organisationsmodell der Amtsverfassung trat im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts zuerst sporadisch in Erscheinung und wurde dann in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in zahlreichen Territorien eingeführt. Das Amt, das sich auch unter herkömmlichen Ausdrücken wie Vogtei oder Gericht verbirgt, wurde zur allgemeinen Grundlage spätmittelalterlicher Herrschaftsverwaltung. Im Unterschied zu älteren Raumeinheiten handelte es sich in der Regel um kleinere Bezirke, die bisweilen nur wenige Dörfer und Kirchspiele umfaßten, in denen die landesherrlichen Abgaben eingezogen, im Namen des Landesherrn Recht gesprochen und die Polizeigewalt ausgeübt wurde. Als Ergebnis dieser in der Mitte des 14. Jahrhunderts fast überall vorherrschenden neuen Organisationsstruktur ist eine wesentliche, territorial ausgerichtete Herrschaftsverdichtung festzustellen.

Sollten die Kompetenzen eines Amtmannes klar abgegrenzt sein, müßten die neuen Ämter in räumlicher Hinsicht eindeutig definiert werden. Das umgrenzte Amt mit seinen dazugehörigen Dörfern, Höfen und Gemeinden ist zugleich ein berechenbarer Einkunftstitel. Nicht beliebige Gebietsteile, sondern Ämter unterlagen im späteren Mittelalter vorwiegend der Verpfändungspraxis, weil hier die Pfandobjekte eindeutig beschrieben werden konnten. Die Amtsverfassung des Spätmittelalters bedeutete eine institutionelle und personale Neuerung im Herrschaftsaufbau. Waren im Hochmittelalter Ministeriale mit der Wahrnehmung von Herrschaftsfunktionen beauftragt worden, so mußte dies durch neue Formen abgelöst werden, nachdem sich die sozial aufgestiegenen Dienstmannen in den Lehensverband ihrer Herren eingliedern konnten. Den Ministerialen, die sich im ausgehenden 13. Jahrhundert in der Regel mit der niederadeligen Ritterschaft verschmelzen konnten, ging es vor allem um die Vererbung von Rechtstiteln, die mit der Beauftragung von Herrschaftsrechten verbunden waren. Da dies aber unvermeidlich zu einer Entwertung des Herrschaftsauftrages zu Lasten des Herrn führte, sollte diese Entwicklung bei den Ämtern vermieden werden. Bestallungsbriefe mit dem förmlichen Recht der Absetzung sollten die Verfügungsgewalt des Landesherrn sichern. Mit der Entstehung der Amtsverfassung geht also die Herausbildung eines Amtsbegriffs einher. Das Wort „amt“ (officium) bezeichnet einen durch überlieferte Tätigkeitsmerkmale bestimmten Auftrag, dessen Rechte und Pflichten nach allgemeiner Auffassung festliegen. Gewisse Komplexe herrschaftlichen Handelns erscheinen objektiviert und unabhängig vom wechselnden Willen des Auftraggebers. Daher tritt der Amtmann in einen klaren Gegensatz zum Diener: Dieser hat seinem Herrn in jeder Sache zu gehorchen, jener aber gewohnheitsmäßig fixierte Pflichten zu erfüllen. In der Landesherrschaft stellt sich das Amt demnach als ein begrenzter Aufgabenbereich dar, der eigentlich vom Landesherrn zu erledigen ist.

Die landesherrlichen Ämter kamen mit geringem Personal aus. Dem Amtmann halfen bei der Wahrnehmung seiner Polizeigewalt Büttel und Gerichtsknechte, bei der Rechtsprechung dagegen Schöffen, die im Rahmen der genossenschaftlichen Gerichtsformen von der Gerichtsgemeinde gewählt wurden. Für die alltäglichen Geschäfte wurde der Kastner oder Keller zum wichtigsten Gehilfen des Amtmannes. Er führte die Aufsicht über die herrschaftlichen Domänen, organisierte die bäuerlichen Dienste und trieb Grundzinsen und Steuern ein. Der Kastner allein kannte genau die Lage vieler Herrschafts- und Besitzrechte, die räumlich oft nicht deckungsgleich waren. Das Nebeneinander von Amtmann und Kastner spiegelt zugleich das Nebeneinander von Gerichtsrechten und Grundrechten und verdeutlicht die ganze Spannweite des Amtes, das Gericht, Finanzen und Verwaltung in sich vereinte.

Der Hof und die zentralen Verwaltungsbereiche der spätmittelalterlichen Territorien waren relativ einfach organisiert. Die im 13. Jahrhundert schon erblichen älteren Hofämter hatten in den einzelnen Territorien eine unterschiedliche Bedeutung. Das größte Gewicht kam häufig dem Marschall zu, der die Reisen und den bewaffneten Schutz des Hofes zu organisieren hatte. Die übrigen Hofämter bildeten keineswegs ein System von Ressorts und waren nur in wenigen Fällen die Keimzellen jüngerer Verwaltungsinstitutionen. Doch wuchs der Kammermeister in einigen Territorien in die Rolle des obersten Finanzverwalters hinein. Eine zentrale Einnahmen- und Ausgabenkontrolle war aber erst seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert mit der Herausbildung fester Residenzen möglich geworden. In dieser frühen Form hatte das landesherrliche Finanzwesen vor allem dafür zu sorgen, daß die Einnahmen aus den einzelnen Ämtern nicht schon dort völlig verbraucht wurden, sondern an den Hof und in die Residenz gelangten. Als wichtige Behörde entwickelte sich die landesherrliche Kanzlei, für welche seit dem späten 13. Jahrhundert eine auffallende Personalvermehrung zu beobachten ist. Hier waren einem Protonotar, bald auch Kanzler genannt, mehrere Schreiber zugeordnet. Die Kanzlei nahm am Hof eine gewisse Sonderstellung ein, weil ihre Mitglieder in der Regel Kleriker waren. Zu dieser wichtigen Institution stand der landesherrliche Rat in Kontrast, der sich überwiegend aus der Ritterschaft rekrutierte und kein geschlossenes, regelmäßig tagendes Gremium darstellte. Um die Wende zum 15. Jahrhundert etablierte sich auch in vielen Landesherrschaften ein Hofgericht, in welchem der Fürst ständig durch einen Hofrichter vertreten war.

WERNER RÖSENER

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