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Papsttum, Kurie, Kardinalat

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Gerade auch hinsichtlich der Organisationsformen kann das Papsttum grob in zwei Epochen gegliedert werden. Die erste reichte bis etwa zur Mitte des 11. Jahrhunderts; die zweite erfaßte nicht nur die anschließende Zeit bis zur Reformation, sondern auch die folgenden Jahrhunderte. Wirkte und verstand sich der Papst in der ersten Epoche vornehmlich als Bischof von Rom (so trotz aller Wandlungen auch seit der Karolingerzeit), trat in der zweiten Epoche Rom zurück zugunsten der „Universalkirche“, was auch zu einer Umwandlung der Organisationsformen führte.

Über die ersten zwei Jahrhunderte der römischen Christengemeinde wissen wir wenig Konkretes. Erst seit der Mitte des 3. Jahrhunderts läßt sich die Struktur der Gemeinde genauer erkennen. Ihr Klerus umfaßte unter Leitung des Episkopen gut 150 Personen: 46 Presbyter waren in den städtischen Teilgemeinden zuständig für die Feier der Liturgie und für die Seelsorge. Ihnen halfen 52 Exorzisten, Lektoren und Ostiarier. Exorzisten (= Beschwörer) hatten die Dämonen auszutreiben (ein meist vor der Taufe vollzogener Akt); Lektoren (= Leser) lasen und sangen liturgische Texte; Ostiarier (= Türhüter) kontrollierten die Zugänge zu den Versammlungsräumen. Die beiden Zahlenangaben (insgesamt 98 Kleriker) lassen vermuten, daß es in Rom, einer Großstadt mit etwa einer halben Million Einwohnern, schon damals viele Teilgemeinden gegeben hat. Nach welchen Gegebenheiten sich diese etabliert hatten und ob die Struktur ihrer Mitglieder konstant war, wissen wir nicht.

Die Aufteilung Roms in relativ zahlreiche Teilgemeinden barg die Gefahr in sich, daß liturgische oder dogmatische Sonderformen sich herausbildeten. Um so nötiger war das Amt des Episkopen. Er war vorerst der einzige, der neue Mitglieder durch die Taufe in die Gemeinde aufnahm. Außerdem dürfte er versucht haben, die Auswahl der in der Liturgie verwendeten Texte zu kontrollieren (das „Neue Testament“, also einen festen Kanon der Heiligen Schrift, gab es noch nicht). Weitere Aufgaben waren die Verwaltung und Nutzung der Spenden sowie der Immobilien, etwa der Zömiterien (= Friedhöfe). Dafür war wohl schon im 3. Jahrhundert Rom in sieben Regionen unterteilt, in denen im Auftrag des Episkopen sieben Diakone und – als deren Assistenten – sieben Subdiakone wirkten. Wohl gleichfalls zur bischöflichen Entourage gehörten noch 42 Akolythen (= Diener, zum Gefolge gehörig), die schon damals als Verbindungsleute zwischen Episkop und Teilgemeinden gedient haben dürften. Diese insgesamt 155 Kleriker wurden ebenso wie mehr als 1.500 Witwen und Hilfsbedürftige von der Gesamtgemeinde mit dem Lebensnotwendigen versorgt; sie hatten also wohl ihren Beruf bei der Amtsübernahme weitgehend aufgegeben. Das läßt auf ein erhebliches Spendenaufkommen und wohl auch schon auf Erträge aus dem Zins von Immobilien schließen. Und bei über 150 Klerikern dürfte die Anzahl aller Christen in Rom damals mehrere zehntausend Personen umfaßt haben.

Trotz der Christenverfolgungen im gesamten Reich durch die Kaiser Decius (249–251), Valerian (257/58) und Diokletian nebst Partnern (ab 302) erstarkte die römische Gemeinde. Doch sorgten die Verfolgungen dafür, daß erstmals in der Liturgie der Eucharistie bestimmter Gemeindemitglieder aus diesen schweren Zeiten gedacht wurde, also das historisch geprägte Gedenken einsetzte (an die Bischöfe Cornelius und Sixtus II., den Diakon Laurentius, die Jungfrauen Agnes und Cäcilia). Gleichfalls in der Mitte des 3. Jahrhunderts wurde in dem einstmals von Kalixt I. (ca. 217–222) für die Gemeinde erworbenen Zömiterium an der Via Appia eine den Bischöfen vorbehaltene Gruft angelegt und nahebei, unter der späteren Kirche St. Sebastiano, am 29. Juni der Apostel Petrus und Paulus als der vermeintlichen Gründer der Gemeinde gedacht. Kurzum: Die Mitte des 3. Jahrhunderts war der Beginn eigenen historischen Selbstverständnisses. Und dabei spielten die Inhaber zweier Ämter, Episkop und Diakon, die Hauptrolle – ein Vermächtnis auch für die künftigen Generationen.

Infolge der sogenannten Toleranzedikte Kaiser Konstantins des Großen und seiner Kollegen (311–313) konnten sich die christlichen Gemeinden in Konkurrenz mit anderen Kultgemeinden frei entfalten. Diese Chance wuchs noch seit 380, als Kaiser Gratian und dann auch sein Partner Theodosius I. das Christentum zur allein legalen Religionsgemeinschaft erklärt hatten. Weil fortan staatliche Karrieren nur noch Christen offenstanden, wuchs die Gefahr, daß statt Überzeugung Opportunismus die „Bekehrung“ (Konversion) veranlaßte. Eine andere Folge war die Vermischung genuin christlicher Organisationsprinzipien mit denen der römischen Staatsorganisationen. Diese Tendenz wuchs noch dadurch, daß höhere christliche Funktionsträger rechtlich und im nach außen wirkenden Zeremoniell hohen Staatsfunktionären durch kaiserliche Privilegien gleichgestellt wurden, vom Kaiser Aufgaben – etwa als Richter – verliehen bekamen und seit dem 5. Jahrhundert infolge der Germaneneinfälle staatliche Aufgaben wahrnahmen, weil die eigentlich zuständigen staatlichen Instanzen häufig nicht mehr funktionsfähig waren.

Die eben kurz skizzierten Prämissen trafen auch für Rom zu. Doch ist dort noch ein Wandel zu berücksichtigen, der gerade für Rom als traditionelle Hauptstadt des Reiches wichtig war und sich auch auf die Gemeindeorganisation auswirkte. Aus seinen Kämpfen mit den anderen Tetrarchen (2 Augusti, 2 Caesares) war 324 Konstantin der Große als Sieger hervorgegangen. Doch statt fortan in Rom zu residieren, zog er östliche Städte vor, von denen das aus dem alten Byzantion hervorgegangene Konstantinopel immer mehr zur Hauptresidenz aufstieg. Wer im Staatsdienst reüssieren wollte, besaß demzufolge größere Chancen im „Neuen Rom“. Die Bevölkerung des „Alten Rom“ schrumpfte dementsprechend gewaltig.

Um die Konsequenzen für die Gemeindeorganisation adäquat zu erfassen, müssen wir zuerst die Gründung neuer Kirchen und, damit zusammenhängend, Wandlungen in der Liturgie kurz betrachten. Die ersten noch heute erkennbaren Kultbauten waren von Konstantin selbst und anderen Mitgliedern seiner Familie gestiftet worden. Sie lassen sich drei Funktionsbereichen zuordnen und waren gewöhnlich in der Form der römischen Basilika errichtet. Die meisten waren außerhalb der Stadtmauer erbaute überdachte Zömiterien (St. Peter, St. Paul, St. Lorenzo, St. Sebastiano, St. Agnese, St. Marcellino e Pietro), bei denen sich häufig Mausoleen von Mitgliedern der konstantinischen und späterer Kaiserfamilien befanden. Weil sie vorerst lediglich dem Begräbnis und der Feier von Totengedächtnismählern dienten, besaßen sie keine eigenen Kleriker. Die Mausoleen waren Privatbesitz der Stifterfamilien. Gleichfalls rein privat war der Raum, den die Kaiserinmutter in ihrem Alterssitz, dem Sessorianum, errichten ließ, um dort das von ihr vermeintlich gefundene Kreuz Christi und andere Reliquien aus Jerusalem zu verehren. Unweit des Palastes lag der einzige Komplex, der – als erster von Konstantin gestiftet – dem Bischof und der gesamten römischen Gemeinde zur Feier der Liturgie, aber auch für geistliche Gerichtssitzungen, diente: der Lateran. Er umfaßte eine fünfschiffige Basilika, das Baptisterium (der heutige Bau stammt aus dem 5. Jahrhundert) und wohl auch schon (heute nicht mehr zu lokalisierende) Amts- und Wohnräume für den Bischof und seine Mitarbeiter. Das Baptisterium diente (vor allem in der Osternacht) der Aufnahme neuer Gläubiger, die Basilika der Feier der Liturgie an Sonntagen und wichtigen Festen. Noch heute gilt diese Kirche als „Haupt und Mutter aller Kirchen“ (caput et mater omnium ecclesiarum). Vom Kaiser reich ausgestattet, besaß die Kirche neben dem Hauptaltar sieben Altäre, an denen wohl die sieben Diakone unter Assistenz je eines Subdiakons die Gaben der Gläubigen für die Eucharistiefeier empfingen.

Seit der Spätzeit Konstantins begannen römische Bischöfe und Presbyter, später auch vermögende Laien, Gemeinderäume als Kirchen in Häusern zu errichten, die ihnen gehörten. Das sind die „Titelkirchen“ (titulus mit Nennung des Eigentümers und Stifters); von ihnen gab es in der Mitte des 4. Jahrhunderts etwa sechs, Anfang des 5. Jahrhunderts 25. Seit dem 6. Jahrhundert wurden diese Kirchen immer häufiger nach Heiligen benannt oder der Name des Stifters mutierte zu dem eines Heiligen. Mit wachsender Zahl dürften die Titelkirchen allmählich die nicht mehr benötigten älteren Versammlungsräume ersetzt haben. Um die Jahrtausendmitte waren die neuen Bauten so gut über die Stadt verteilt, daß die größte Entfernung zwischen einem Haus und einer Titelkirche ungefähr 500 Meter betrug. An den Kirchen wirkten Presbyter, durchschnittlich wohl jeweils drei bis vier, denn Anfang des 5. Jahrhunderts belief sich ihre Anzahl auf mindestens siebzig. Sie feierten die Eucharistie, wobei ihnen Ostiarier, Lektoren und Akolythen halfen, betreuten die Gläubigen und bereiteten die Taufanwärter mit Hilfe der Exorzisten auf die Taufe vor. Wegen der wachsenden Zahl der Taufwilligen im 4. Jahrhundert und der allmählichen Durchsetzung der Kindertaufe mußte der Bischof seine bislang ihm vorbehaltene Taufvollmacht delegieren. Deshalb wurden seit ca. 400 an einzelnen Titelkirchen, aber auch an Zömiterialbasiliken Baptisterien errichtet.

Die wachsende Zahl der Gläubigen (Anfang des 5. Jahrhunderts hatten selbst die letzten Senatorenfamilien ihren Widerstand aufgegeben) barg auch Risiken. So wurde es für die Bischöfe nötig, Kult und kirchliche Organisation unter ihre Aufsicht und in ihren Dienst zu stellen. Schon vor der Mitte des 4. Jahrhunderts wurde im Westen die Geburt Jesu am 25. Dezember, dem bisherigen von den Kaisern propagierten Fest des Sol invictus (der „unbesiegten Sonne“) und zugleich dem Hauptfest der zahlreichen Anhänger des Mithraskultes, gefeiert, da Christus als die „neue Sonne“ galt, während in der gleichen Periode im Osten des Reiches die Geburt mit Betonung der „Epiphanie“ (Erscheinen Christi auf Erden) meist am 6. Januar gefeiert wurde. In Rom beachtete man wohl schon zu dieser Zeit, wahrscheinlich wegen der heterogenen Zusammensetzung der Ortsgemeinde, beide Termine. Somit bestand ein kultisches Gegengewicht zur am Lateran gefeierten Osterzeit, das auch lokal deutlich wurde, denn die beiden Geburtsfeste feierte der Bischof in der dadurch nun auch liturgisch genutzten Zömiterialbasilika von St. Peter. Auch das dritte große Fest, Pfingsten, wurde wahrscheinlich schon im 5. Jahrhundert dort begangen. Seitdem avancierte diese Basilika zur zweiten Hauptkirche und damit zur Konkurrentin der Erlöserbasilika am Lateran.

Um an den Sonn- und Feiertagen den liturgischen Kontakt zu den Teilgemeinden herzustellen, trugen seit dem späten 4. Jahrhundert Akolythen das fermentum (Partikel des vom Bischof konsekrierten Brotes) in die einzelnen Titelkirchen, wo sie der jeweilig zelebrierende Presbyter in den von ihm konsekrierten Wein eintauchte. Wichtig für die Verbindung zwischen Bischof und Titelkirchen und zugleich damit Vorstufen für die Herausbildung des Kollegs der Kardinalpriester waren zwei Entwicklungen, die im 5. oder frühen 6. Jahrhundert einsetzten. Die eine bestand darin, daß Presbyter bestimmter Titelkirchen an Zömiterialbasiliken Dienst taten. Erste Ansätze lassen sich schon unter Innozenz I. (401–417) erkennen; Simplicius (468–483) schließlich ordnete an, daß Presbyter bestimmter, wohl kirchlicher, Regionen den Wochendienst an St. Peter, St. Paul und St. Lorenzo verrichten sollten. Das Ziel dürfte eine verbesserte Seelsorge für die Bevölkerung außerhalb der Stadtmauer und für die Pilger gewesen sein. Die zweite Entwicklung bestand seit Beginn des 6. Jahrhunderts darin, daß sich an den Titelkirchen die dort tätigen Presbyter im Rang differenzierten; vor allem für die Verwaltung des Vermögens der jeweiligen Kirche hoben sich von den anderen Presbytern die presbyteri priores ab, die Vorgänger der späteren Kardinalpriester.

Die baulichen und teilweise auch liturgischen Unterschiede ergaben, basierend auf den Entwicklungen seit dem 3. Jahrhundert, innerhalb der römischen Kirchenorganisation zwei Bereiche: den Bischofs- und den Titelkirchenklerus. Weil Eucharistiefeiern, später auch Taufen, in beiden Bereichen stattfanden, gab es in beiden die dafür notwendigen Kleriker: den Bischof bzw. Presbyter sowie die Ostiarier, Lektoren und Exorzisten. Details sind vor allem von den Lektoren bekannt. Sie mußten lesen und – wegen des Vortrages von Psalmen – singen können, also über ein Mindestmaß an Bildung verfügen. Weil ihre Aufgaben schon von Knaben ausgeübt werden konnten, bildete das Lektorenamt wohl den gewöhnlichen Einstieg in die Laufbahn als Kleriker. Wer weiterhin an einer Titelkirche tätig sein wollte, konnte anschließend Akolyth und Presbyter, wer sich für den Dienst beim Bischof entschied, Subdiakon und Diakon werden. Folglich bildeten die Ämter des Presbyters und Diakons die Endpunkte zweier unterschiedlicher Karrieren. Der Bischof konnte aus beiden Gruppen gewählt werden. War er zuletzt Diakon gewesen, erhielt er mit der Weihe zum Bischof zugleich die Befähigung, als Presbyter die Eucharistie zu feiern. Im Unterschied zu der Regelung, die seit der gleichen Zeit in Spanien und Gallien üblich wurde, war es demnach in Rom für einen Bischof nicht nötig, vor der Weihe nacheinander alle fünf niederen (Ostiarier, Lektor, Exorzist, Akolyth, Subdiakon) und die zwei höheren (Diakon, Presbyter) Grade innegehabt zu haben. Und generell galt, daß ein Kleriker sein Leben lang einen der sieben Grade behalten konnte.

Wie und von wem damals die niederen Grade an Titelkirchen vergeben wurden, wissen wir nicht. Doch versuchten einzelne Bischöfe zumindest, das Eintrittsalter und die Amtsdauer bei den zwei höheren Graden zu regeln und durchzusetzen. Seit Zosimus (417/18) mußte ein Kleriker mindestens 25 bzw. 30 Jahre alt sein, um Diakon bzw. Presbyter werden zu können. Weil die Diakone direkt dem Bischof dienten und ihre Zahl gering war, dürfte es diesem leichtgefallen sein, ihre Angaben zu ihrer Person zu überprüfen und seine Richtlinien anzuwenden. Deren Durchsetzung gegenüber den Presbytern war dadurch hinreichend gewährleistet, daß die Diakone vor der Ordination von Presbytern Informationen über die Kandidaten einholten und dem Bischof mitteilten. Und im Unterschied zu den niederen Graden ist von den höheren bekannt, daß sie nur der Bischof – gewöhnlich im Dezember – vergab. Bei dieser Gelegenheit konnte er auch den Lebenswandel der Kandidaten überprüfen, vor allem die Einhaltung des Zölibates, zu dem die beiden Gruppen – anders als der niedere Klerus – seit dem späten 4. Jahrhundert verpflichtet waren. Natürlich konnte so auch die Ordinierung von Klerikern verhindert werden, die nichtakzeptierte Lehrmeinungen vertraten. Zugleich diente die Überprüfung dem Ziel, moralisch unwürdige oder infolge früherer Funktionen ungeeignete Kandidaten auszuschließen. Zu den ersteren gehörten außer öffentlichen Büßern zum Beispiel Männer, die zum zweiten Mal verheiratet waren oder Witwen geehelicht hatten, zur zweiten Gruppe solche Kandidaten, deren früherer Beruf mit Blutvergießen verbunden war – Soldaten, Richter u.a. – oder die von anderen Personen rechtlich abhängig waren. Als Abhängige galten nicht nur Sklaven, Kolonen und Freigelassene, sondern auch Mitglieder von Zwangskorporationen (Handwerker) und Dekurionen; letztere waren Mitglieder der Leitungsgremien (curia) in Städten mit der Verpflichtung, für das Steueraufkommen persönlich zu haften.

Schon der anfängliche Ausschluß der Dekurionen zeigt, daß diese Richtlinien nicht so sehr das soziale Prestige des Klerikerstandes heben, sondern seine Unabhängigkeit sichern sollten [↗ Klerus]. Weil jedoch schon seit dem 5. Jahrhundert die Aufnahme von Dekurionen durch Ausnahmeregelungen ermöglicht wurde, während die anderen genannten Gruppen ausgeschlossen blieben, rekrutierte sich der römische Klerus gewöhnlich nur aus der gehobenen Mittelschicht und allmählich auch aus der senatorialen Oberschicht. Damit etablierte sich schon zu dieser Zeit eine soziale Distanz des Klerus zum normalen Kirchenvolk, die gewöhnlich auch im Mittelalter bestimmend blieb. Und immer häufiger bildeten familiäre Netzwerke die Chancen für den Aufstieg im Klerus, so daß sich – bis hin zu manchen Bischöfen – Klerikerdynastien bildeten. Auf die Dauer prägte jedoch außer der Familienzugehörigkeit auch die Nähe zum Bischof, besonders die Tätigkeit als Diakon, die Karriere späterer Bischöfe. Doch innerhalb der Ortsgemeinde waren die Presbyter den Diakonen zumindest ebenbürtig. Wie ihr höheres Antrittsalter und vereinzelte apologetische Äußerungen römischer Bischöfe andeuten, wurde den Presbytern der höchste Rang nach dem Bischof zugesprochen. Begründet war dies darin, daß sie als einzige außer dem Bischof neue Christen tauften, also in die Gemeinde aufnahmen, die Eucharistie feierten und als Seelsorger tätig waren. In diesen Belangen waren sie dem Bischof gleichgestellt, er überragte sie lediglich durch seine Würde und Amtsvollmacht. Daher waren es auch die Presbyter, die gemeinsam mit dem Bischof auf Synoden Glaubensentscheidungen für Rom trafen und mit ihm das geistliche Gericht bildeten. War er vorher Diakon gewesen, so übertrafen sie ihn sogar in kultischer und seelsorgerischer Erfahrung. Daher fungierten gewöhnlich Presbyter als Abgesandte des römischen Bischofs auf auswärtigen Synoden oder Konzilien. Und außerhalb Roms konnten sie auch Bischöfe werden. Doch in Rom selbst war die Chance, Bischof zu werden, für Diakone größer. Von 16 Bischöfen nebst Gegenkandidaten zwischen 352 und 526 waren lediglich drei zuvor Presbyter, die Mehrzahl jedoch Diakone gewesen.

Die Stellung der Diakone gründete außer in der Nähe zum Bischof zweifellos auch in der Geschlossenheit ihrer Gruppe und in der geringen Zahl von nur sieben Kollegmitgliedern. Im Gegensatz zu den über die Stadt verstreuten Presbytern waren sie ständig zentral im Dienst des Bischofs tätig, kannten sich daher untereinander gut und waren zwangsläufig den Spitzen der staatlichen Verwaltung bekannt. Ihre guten Kontakte resultierten aus ihrer Tätigkeit. Sie sammelten die Spenden ein – daher rührten auch ihre schon genannten Funktionen bei der bischöflichen Eucharistiefeier verwalteten Gelder, bischöfliche Wertgegenstände und Grundstücke, sorgten für die Unterstützung Hilfsbedürftiger und waren außerdem wohl für die Archivierung bischöflicher Schreiben zuständig, ja teilweise an deren Abfassung beteiligt. Anders als die Presbyter waren sie schon seit dem 4. Jahrhundert – geleitet vom Archidiakon – in einem Kolleg zusammengeschlossen. Dadurch mußte sich ihre Wirksamkeit noch verstärken. Schließlich wurde ihnen in einer unter Symmachus um 501 verfaßten angeblichen Konstitution Silvesters (314–335) die Kontrolle über alle niederen Kleriker zugeschrieben. Und wegen ihrer Nähe zum Bischof, dem cardo (= Türangel) der Gemeinde, bezeichnete sie derselbe Text schon als „Kardinaldiakone“ (diaconi cardinales).

Trotz der Plünderungen durch germanische „Barbaren“ (Westgoten 410, Vandalen 455) dürfte das Vermögen der römischen Kirche im 5. Jahrhundert noch recht beträchtlich gewesen sein; für diese Annahme sprechen schon die zahlreichen Kirchenbauten und sporadische Nachrichten über soziale Aktivitäten von Bischöfen. Die Oberaufsicht führten der Bischof und seine Diakone. Doch für die praktischen Belange waren Laien nötig, die etwas von Wirtschaft und Recht verstanden, die defensores (= Verteidiger, Anwälte). Und wohl schon im 5. Jahrhundert waren diese in einer schola (= Korporation) unter der Leitung eines primicerius (= Rang-„Er-ster“) zusammengeschlossen. Sie vertraten ihren kirchlichen Mandanten bei Rechtsstreitigkeiten und sorgten für eine gewinnbringende Nutzung des Kirchenvermögens, das wohl zum größen Teil aus städtischen Immobilien und aus Landgütern bestand. Und weil der kirchliche Landbesitz natürlich dem damaligen Wirtschaftssystem entsprach, waren auch auf kirchlichen Ländereien die Arbeitskräfte vornehmlich Sklaven oder Kolonen. Daher befaßten sich die defensores nicht nur mit Schenkungen, Vermächtnissen, Kautionen oder Gütertausch, sondern auch mit der Freilassung (emancipatio) von Abhängigen.

Gemäß dem römischen Recht mußten alle Rechtsgeschäfte schriftlich abgefaßt werden. Daher verfügte die kirchliche Verwaltung über schriftkundige Mitarbeiter, die Notare (notaria = Kurzschrift), die das übliche Kürzungssystem beherrschten. Darüber hinaus verfertigten die Notare in bischöflichem Auftrag und kontrolliert von den Diakonen Martyrerakten, damit der Heiligenkult vereinheitlicht und überwacht werden konnte, sowie die Protokolle römischer Synoden. Zum Teil dem niederen Klerus angehörend, waren auch die Notare wohl schon seit dem 5. Jahrhundert in einer schola unter einem primicerius vereinigt. Für das Abfassen bischöflicher Schreiben gab es Sekretäre, wobei eine Unterscheidung zwischen diesen und den Notaren nicht immer möglich ist. Alle Schriftstücke wurden in einem scrinium (= „Schrein“, Archiv) aufbewahrt. Diese Archivierung ist deshalb von genereller Bedeutung für die Papstgeschichte, weil sie schon frühzeitig die Kontinuität bei der Vertretung päpstlicher Ansprüche außerhalb Roms gewährleistete.

Nicht eben unbedeutend war für Rom und die dortige Kirchenorganisation das Umland. Kaiser Diokletian hatte zwecks besserer Verwaltung das Römische Reich in größere Verwaltungseinheiten (Diözesen) unterteilt, die sich gewöhnlich aus mehreren kleineren Einheiten (Provinzen) zusammensetzten. Konstantin und seine Nachfolger hatten aus dem gleichen Grund diese Unterteilungen verändert, so auch die Diözese Italien. Deren nördliche Hälfte, die von den Alpen bis in den Apennin (südlich von Florenz) reichte, diente der Versorgung des Kaiserhofes in Mailand (Italia annonaria), die südliche Hälfte mit den Inseln Sizilien, Sardinien und Korsika versorgte Rom mit Lebensmitteln und hieß daher Italia suburbicaria (urbs = Stadt = Rom). Und entsprechend der damals üblichen Angleichung von weltlichem und kirchlichem Mittelpunkt übten die Bischöfe von Mailand bzw. Rom die Aufsicht über die in der jeweiligen Provinz bestehenden Gemeinden aus. An Bischöfe seiner Provinz schrieb der Bischof von Rom Anweisungen für die rechte Gestaltung der Liturgie und in Fragen der Disziplin; Bischöfe dieser Provinz wurden von ihm ordiniert und besuchten die in Rom gehaltenen Synoden; zum Teil wurden Presbyter der römischen Gemeinde zu Bischöfen in dieser Provinz bestimmt.

Aus dieser Provinz bildete sich ein noch engerer Bezirk heraus (unterer Lauf des Tibers, Albaner Berge, südliche Toskana), der von noch größerer Bedeutung für die römische Gemeinde war. Sofern deren Bischöfe keine Stadtrömer waren, stammten sie gewöhnlich aus diesem engeren Bezirk. Zugleich waren die Bischöfe, die den Papst seit dem 4. Jahrhundert ordinierten, in diesem Bezirk tätig: die Bischöfe von Albano (1. Weihegebet), Porto (2. Weihegebet) und Ostia (3. Weihegebet). Von diesen am wichtigsten war der Bischof von Ostia. Daher war ihm wohl schon im 5. Jahrhundert als Zeichen seines besonderen Ranges vom römischen Bischof das pallium verliehen worden (das eigentlich nur der Kaiser verleihen durfte). Diese Dreiergruppe bildete den Nucleus der späteren Kardinalbischöfe.

In den frühen Jahrhunderten ihres Bestehens hatten sich in der römischen Gemeinde Organisationsformen herausgebildet, die besonders im Frühmittelalter, zum Teil aber auch darüber hinaus, grundlegend waren und blieben. Doch darf daneben nicht unberücksichtigt bleiben, daß in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts politische Veränderungen – Rom war Glied des byzantinischen Reiches, aber zwei Jahrhunderte lang von den Langobarden bedroht – sich auch auf die Organisationsformen auswirkten.

Immer deutlicher zeichnete sich damals eine Unterscheidung zwischen Mitgliedern des päpstlichen Hofes, die mehr oder weniger direkt vom jeweiligen Papst abhingen, und den Angehörigen der traditionellen Gruppen ab. Zu letzteren gehörten der höhere Klerus, die Notare und die Defensoren. Nunmehr waren auch die Presbyter unter Leitung eines Archipresbyters locker in einem Kolleg zusammengeschlossen. Archidiakon und Archipresbyter repräsentierten den römischen Klerus gegenüber dem Papst. Zusammen mit dem primicerius der Notare regierten sie die Gemeinde während der, oft langen, Sedisvakanzen und leiteten die Papstwahl. Die Notare und Defensoren gehörten nunmehr auch dem Klerus an. Östlichen Gewohnheiten entsprechend waren auch die Frauen der Diakone und Presbyter, welche diese vor ihrer Ordination geheiratet hatten, als diaconissae und presbyterissae in die kirchliche Organisation integriert, etwas später gab es vereinzelt sogar episcopissae.

Von diesen Gruppen getrennt war das Hofpersonal, an dessen Spitze der Vertreter des Papstes (vicedominus) stand. Dieser scheint neben dem Archidiakon an meisten Einfluß auf die päpstliche Regierung genommen zu haben. Außerdem wurde im 7. Jahrhundert der Hof der kaiserlichen Verwaltung angeglichen. Es gab jetzt einen vestiarius für die Gewänder und wertvollen Geräte, einen arcarius für die Kontrolle der Einnahmen und einen sacellarius für die Ausgaben. Persönlich vom Papst bestellt wurde auch der nomenculator, der Bittschriften annahm und zusammen mit dem Papst entschied. Sichtbar wurde die neue Differenzierung im Zeremoniell: Während bei Prozessionen die Mitglieder der traditionellen Kollegien vor dem Papst einherzogen und somit dessen Rang nach außen darstellten, gingen die Inhaber der neugeschaffenen Ämter direkt hinter ihm, bildeten also den engeren Hofstaat. Dieses Schema der Präzedenzen blieb das ganze Mittelalter hindurch ein wichtiges Indiz für die wechselnde Bedeutung einzelner Ämter.

Infolge der neuen Ämterstruktur änderte sich auch der Zugang zu den Ämtern. Dies zeigte jetzt die Rolle des cubiculum (wörtlich: „Wohngemach“) des Papstes. Es war ein Synonym für dessen engste Umgebung, also für den Kreis derer, die ihm ohne Kontrolle von außen dienten. Gewöhnlich wurden noch nicht erwachsene Angehörige angesehener Familien – später auch Waisen – dort aufgenommen und ausgebildet. Dadurch mit päpstlichen Maximen vertraut, konnten sie anschließend im engeren Hofstaat oder als Notar bzw. Defensor oder – allerdings seltener – als Diakon oder Presbyter Karriere machen. Letztere rekrutierten sich eher aus der, Mitte des 7. Jahrhunderts entstandenen, schola cantorum (= Vereinigung der Sänger) oder gehörten zur „Kolonie“ (schola) der Griechen, deren Einfluß auf Handel, Kunst, Liturgie, Verwaltung und militärische Organisationen nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

Spätestens an den Wirren der Papstwahlen im Jahre 767 läßt sich ein erneuter Wandel erkennen. Es gab jetzt vor allem zwei Gruppierungen, die Einfluß auf das kirchliche und weltliche Regiment nahmen: die iudices de militia und die iudices de clero. Unter iudex ist nicht ein Richter, sondern ein Würdenträger zu verstehen. Als Mitglieder der ersten Gruppe fungierten die Spitzen der weltlichen Verwaltung und des Heeres, also die Repräsentanten der inner- und außerhalb Roms führenden Laien (häufig „griechischer“ Herkunft), die auch als dux oder consul tituliert wurden. Der zweiten Gruppe gehörten die Leiter der päpstlichen Verwaltung an, der primicerius und secundicerius der Notare, der primicerius der Defensoren, der arcarius, sacellarius, nomenculator, vestiarius, vicedominus und der „Erste“ (superista) der Kubikulare. Trotz ihrer klerikalen Grade waren sie in erster Linie Vertreter der führenden Familien Roms, wollten also ebenso wie die Mitglieder der ersten Gruppe Prestige und Vermögen der eigenen Familie mit Hilfe des Papsttums mehren. Fortan, bis ins 19. Jahrhundert, war und blieb der Nepotismus ein wichtiges, wenn auch problematisches Mittel päpstlicher Personalpolitik.

Dem unterlag auch langfristig der Versuch Stephans III., 769 auf einer römischen Synode den Einfluß des höheren Klerus – der Presbyter und Diakone – wieder zu steigern: Ein Dekret bestimmte, nur der römische Klerus dürfe den Papst wählen; wählbar sollten exklusiv die Presbyter und Diakone sein. Der Papst, der damals als Stadtherr konkurrenzlos war, also auch die weltliche Verwaltung lenkte, sollte demnach ohne Einfluß der Laien bestimmt werden. Immerhin scheint das Dekret bei den nächsten Wahlen beachtet worden zu sein, ohne allerdings den Einfluß der Familien zu schmälern, gehörten doch die iudices de clero gleichfalls zu den Wählern. Langfristig wichtiger war, daß im Dekret die Presbyter als cardinales bezeichnet waren (von jeder Titelkirche galt jeweils nur ein Presbyter als cardinalis), ein Titel, der für die nächsten drei Jahrhunderte dieser Gruppe vorbehalten blieb. Gleichfalls seit Stephan III. ist bezeugt (als schon bestehende Gewohnheit), daß sieben suburbikarische Bischöfe den Wochendienst in der Lateranbasilika verrichteten; neu war, daß ihnen für die Sonntage der liturgische Dienst in St. Peter übertragen wurde, denn sonntags zelebrierte der Papst nun selbst am Lateran. Die Zahl Sieben weist auf die Kardinalbischöfe seit dem 11. Jahrhundert voraus.

Schon an den zuletzt gemachten Bemerkungen zu den späteren Kardinälen wird deutlich, daß mit den „deutschen Päpsten“ seit 1046 und durch den sogenannten Investiturstreit in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts nicht alles neu begann. Vielmehr gab es damals noch römische Sonderformen, die auch nicht durch die politische Präponderanz der karolingischen, ottonischen und ersten salischen Kaiser aufgegeben worden waren – und dies trotz allen Verfalls in Rom seit dem späten 9. Jahrhundert. Unter diesem Verfall scheint allerdings die päpstliche Verwaltung gelitten zu haben. Der Ausstoß an päpstlichen Schreiben war so gering, daß ein eigenes Schreiberkolleg nicht mehr nötig war, sondern die anfallenden Arbeiten vom Bibliothekar (ein seit dem späten 8. Jahrhundert erkennbarer Amtsträger), seinem Stellvertreter und von in der Stadt auch für andere Auftraggeber tätigen privaten Schreibern – als Skriniare, Notare oder Tabellionen bezeichnet – erledigt werden konnten. Und inwieweit außer dem Bibliothekar die anderen sechs iudices de clero tatsächlich noch zum Klerus gehörten und sich für den Papst betätigten, ist kaum zu erkennen; lediglich die Datierung und das Unterschreiben von Urkunden zeugten von ihrer Existenz. Allerdings trug dieser Verfall auch zur Neu- oder Umbildung von Institutionen bei.

Vielleicht schon unter Johannes XIV. (983/ 984), der vor seinem Pontifikat als Bischof von Pavia die königliche Kanzlei in Italien geleitet hatte, sicher aber unter Silvester II. (999–1003) wurden in Rom Analogien zur deutschen Verwaltung erkennbar, die schließlich seit dem späteren 11. Jahrhundert vollständig ausgebildet worden sind. So benutzte man jetzt in Rom erstmals außer Papyrus auch Pergament als Beschreibstoff für Urkunden. Wie in Deutschland leitete den Schriftverkehr teilweise ein Kanzler (cancellarius oder gar archicancellarius), so daß sich die Stelle des Bibliothekars allmählich in ein Ehrenamt umwandelte. Gleichfalls seit Silvester II. gab es in der päpstlichen Umgebung vereinzelt besonders ins Vertrauen gezogene Geistliche, die wie am Hofe des deutschen Herrschers den Titel eines „Kapellan“ führten.

Noch mehr als seit dem 5./6. Jahrhundert wurde seit dem 8. Jahrhundert der Laterankomplex das Zentrum der päpstlichen Regierung. Davon war jetzt nicht nur der Palast, sondern auch die Basilika betroffen, denn sie diente nun erstmals als Bestattungsort römischer Bischöfe. Der Palast hieß jetzt mehr als zuvor in Konkurrenz zu den Kaisern palatium (statt patriarchium); ihm war jetzt eindeutig der Kardinalklerus zugeordnet. Die sieben Diakone, aber auch Teile des niederen Klerus wie Subdiakone und Akolythen galten seit dem späteren 10. Jahrhundert als Mitglieder des Palastklerus (diaconus sacri palatii etc.). Analog hießen auch die iudices de clero „Palastrichter“ (iudices palatii bzw. palatini), ihre Anzahl war nun, wie bei den Diakonen, auf sieben beschränkt. Infolge seiner Hervorhebung fanden im Lateranpalast – zumindest im frühen 11. Jahrhundert – auch die römischen Regionalsynoden statt.

Der Zentrierung der Herrschaft auf den Bischofspalast, dessen „Inbesitznahme“ (possessio) auch den ersten wichtigen Akt bei der Installierung eines neuen Papstes darstellte, entsprach eine weltliche und kirchliche Neuorganisation Roms. In theoretischer Angleichung an die augusteische Zeit, jedoch in der Praxis mit Betonung der Tiberniederung (wichtigstes Wohngebiet) bestand von nun an Rom wieder aus zwölf Regionen. Dementsprechend war im weltlichen Bereich das Aufgebot der städtischen Miliz gegliedert, unter der Führung von „Konsuln“ oder decarcones (= Bannerträger). Für die kirchliche Verwaltung erhielten die neuen Regionen jetzt zwölf Diakone (diaconi regionarii), die wie die sieben Palastdiakone seit ca. 1100 zu den 18 Kardinaldiakonen gehörten. Wie die neuen zwölf und die traditionellen sieben Diakone, beide Gruppen unter Leitung des Archidiakons – gewöhnlich wohl des vom Amt her wichtigsten Amtsträgers (wie etwa später noch der künftige Gregor VII.) –, waren jetzt anscheinend auch die führenden Geistlichen der Titelkirchen (oft als archipresbyteri bezeichnet, die späteren Kardinalpriester) stärker dem Bischofspalast zugeordnet. Dies geht nicht nur aus ihrer Teilnahme an den Lateransynoden und aus Unterschriften auf päpstlichen Urkunden hervor, sondern auch aus der Tatsache, daß sie nur vom Papst geweiht und gerichtet werden durften (also exemt von der Gewalt eines anderen Bischofs waren), sogar wenn (wie etwa in Trastevere) ihre Kirche nicht zur Diözese Rom gehörte. Schließlich wurden auch einige suburbikarische Bischöfe (von Porto, Silva Candida und Sabina) stärker in das päpstliche Regiment eingebunden und sogar mit Residenzen innerhalb Roms ausgestattet.

Strukturell aufbauend auf den zuletzt genannten Wandlungen erstarkte seit den „deutschen Päpsten“, vor allem seit Leo IX. (1049–1054), die Position der Kardinäle als engste Mitarbeiter der Päpste; zugleich lassen sich erste Ansätze zur Bildung der römischen Kurie erkennen.

Leo IX. hatte seinen wichtigsten Mitarbeitern suburbikarische Bistümer sowie römische Titelkirchen und Klöster übertragen. Seit der Wahl Nikolaus’ II. (1058) galten die suburbikarischen Bischöfe als die ersten Papstwähler, eine Rolle, die seit dem Ende des 11. Jahrhunderts den cardinales, also den Kardinalpriestern, zugewiesen wurde. Etwa zur gleichen Zeit erstarkten die sieben Palastdiakone und zwölf Regionardiakone, in ihrer Gesamtzahl auf 18 reduziert, als einflußreiche Gruppe am Papsthof selbst. Weil gerade diese drei Gruppen nunmehr die römischen Synoden dominierten und als Legaten päpstliche Weisungen oder Ansprüche auswärts durchzusetzen suchten, übten sie auch erheblichen Einfluß auf außerrömische Kirchen aus. So verwundert es nicht, daß sie wenig später – vornehmlich seit der Mitte des 12. Jahrhunderts – päpstliche Privilegien unterschrieben, sich zu einem dreiteiligen Kolleg verfestigten und schließlich im Konsistorium zusammen mit dem Papst wichtige, meist Prälaten betreffende Rechtsfälle (causae maiores) berieten und entschieden. Schließlich hat ihnen nach zwei zwiespältigen Papstwahlen (1130 und 1159) das 3. Laterankonzil (1179) das exklusive Papstwahlrecht zugeschrieben – eine bis heute gültige Regelung.

Während sich das Gewicht der Kardinäle seit dem 5./6. Jahrhundert mehr oder weniger kontinuierlich verstärkt hatte, bedeutet – nach ersten Ansätzen schon unter Silvester II. und seinen Nachfolgern – die Herausbildung der Kurie einen fast völligen Bruch mit der traditionellen römischen Kirchenorganisation. Zwar gab es vorerst noch die iudices de clero; doch spielten sie am Papsthof kaum eine Rolle. Vielmehr agierten ihre Titelinhaber vor allem in der römischen Ortsgemeinde und seit 1143/44 in der damals konstituierten römischen Kommune. Ähnlich erging es den Skriniaren, Notaren etc., die nur dann für Päpste tätig werden konnten, wenn diese sich in Rom aufhielten – seit 1084 (Flucht Gregors VII.) ein immer seltenerer Zustand.

Besonders seit Urban II. (1088–1099) war es der Kanzler, der Schriftbild (Minuskel statt Kuriale) und Stil der päpstlichen Schreiben maßgeblich formte [↗ Schrift]; meist übte ein Kardinal dieses Amt aus. Ersetzte der Kanzler den Bibliothekar, so wurde der Archidiakon (12. Jahrhundert: prior diaconorum) von einem neuen, aus dem Kloster Cluny übernommenen Amtsträger abgelöst, dem Kämmerer. Dieser war anfangs vor allem für die Finanzen zuständig, vielleicht auch schon für Archiv und Bibliothek; er machte also zugleich die früheren Funktionen des vestiarius und des arcarius überflüssig. Wie das Amt des Kämmerers dem außer an Klöstern auch an weltlichen Höfen existierenden entsprach, so gab es jetzt am päpstlichen Hof analog auch je einen Mundschenk, Seneschall und Marschall. Die beiden letztgenannten Ämter verschmolzen bald miteinander und ersetzten den traditionellen Sakellar. Ebenso gab es spätestens seit Paschalis II. (1099–1118) päpstliche Kapelläne. Und weil alle diese neuentstandenen Funktionen den an weltlichen Herrscherhöfen üblichen entsprachen, wurde der Oberbegriff bald von diesen entlehnt, so daß seit Beginn des 12. Jahrhunderts der päpstliche Hof curia hieß. Seitdem ist der Ausdruck „Kurie“ dem päpstlichen Ämterapparat erhalten geblieben.

Dessen Geschäfte nahmen seit Innozenz II. (1130–1143), besonders aber seit Alexander III. (1159–1181) sprunghaft zu, so daß schon Bernhard von Clairvaux den Lärm der Rechtsvertreter am Papsthof beklagte. Die Zunahme der Rechtsgeschäfte steigerte natürlich die Bedeutung des Kanzlers. Doch auch der Kämmerer gewann seit der Mitte des 12. Jahrhunderts an Gewicht. Spätestens seit dem Kämmerer und Kardinal Boso (1154–1159) war dieser für die gesamten Einnahmen und Ausgaben des päpstlichen Hofes zuständig und verwaltete einige Orte des sich herausbildenden „Kirchenstaates“ direkt. Daher benötigte er eigene Schreiber und Mitarbeiter (clerici camerae). Über die übrigen Hofchargen gibt es nur selten Angaben; daher sind wir auch wenig über die päpstliche Kapelle unterrichtet. Wahrscheinlich ist, daß deren Mitglieder regelmäßig an den Palastgottesdiensten des Papstes teilnahmen und mit Tätigkeiten vor allem für den Kanzler betraut wurden.

Bereits im 12., erst recht im 13. Jahrhundert entfremdeten sich die meisten Päpste von Rom, ihrer eigentlichen Bischofsstadt, und residierten gewöhnlich in anderen Orten Mittelitaliens. Daher verloren an Rom gebundene Funktionsträger, wie etwa die iudices oder die schola cantorum, noch mehr als zuvor ihre Rechte und ihre Existenzberechtigung. Und besonders seit Innozenz III. (1198–1216) traten die traditionellen Hofchargen zurück zugunsten der Repräsentanten der nunmehr vom Papst betonten Universalkirche. Dieser Wandel prägte fortan auch die Präzedenzen bei Prozessionen.

Gleichzeitig erforderten die zunehmenden Aktivitäten der Päpste gerade hinsichtlich der Universalkirche eine Neuorganisation und Ausweitung der römischen Kurie. Die Ausweitung betraf schon bestehende Regierungsorgane wie Kanzlei und Kammer. Zugleich kamen neue Amtsbereiche hinzu, so die Pönitentiarie (Bußbehörde). Dabei ist zu beachten, daß die Bedeutung der verschiedenen Ämter von der Interessenlage des jeweiligen Betrachters abhing: Für den auswärtigen Bittsteller waren Kanzlei und Pönitentiarie sowie die Gerichte am wichtigsten, denn dort erhielt er die von ihm angestrebten Bescheide und Gunsterweise, außerdem noch die Torhüter und Kammerherren, an denen er ohne „Handsalben“ nicht vorbeikam; einem Kurialen dürften, sofern er nicht eine Pfründe erstrebte oder in einen Prozeß verwickelt war, die Hofämter (Küche, Brotamt, Weinamt, Marstall) bedeutend erschienen sein, denn von diesen erhielt er die täglichen Rationen für sich und sein Reittier (eine Besoldung durch Geldzahlungen gab es noch nicht); der Papst schließlich legte besonderen Wert auf die Kammer, denn sie verwaltete die Einnahmen und Ausgaben, betreute die politische Korrespondenz und kontrollierte den größten Teil der Kurialen.

Die Kanzlei bestand aus dem Vizekanzler, der im Gegensatz zum früheren Kanzler vorerst selten ein Kardinal war, den Notaren nebst Abbreviatoren (wörtlich: „Abkürzer“), dem auditor litterarum contradictarum (Richter bei Einsprüchen gegen gerade erteilte Privilegien), dem Corrector (letzte Instanz bei der Formulierung), den Bullatoren (für die Besiegelung von Urkunden) sowie den von der Kanzlei kontrollierten Kollegien der Skriptoren (Schreiber der Urkunden) und Prokuratoren (Sachvertreter der Antragssteller) [↗ Archiv- und Registerwesen]. Gewöhnlich war auch noch die audientia sacri palatii mit Geschäften der Kanzlei befaßt, weshalb auch sie dem Vizekanzler unterstand. Von der Kanzlei ausgefertigt wurden vor allem Benefizialbriefe (für Pfründen) und die verschiedenen Justizbriefe, teilweise aber auch vom Papst angeregte Schreiben (litterae curiales), sofern diese nicht durch die Kammer erledigt wurden, und aushilfsweise Briefe der Pönitentiarie.

Die Pönitentiarie, erwähnt seit Gregor IX. (1227–1241) und erst durch Benedikt XII. (1334–1342) voll organisiert, ist hinsichtlich des päpstlichen Kirchenregiments wohl die aufschlußreichste „Behörde“. Sie war nämlich zuständig für alle Gnaden, die der Papst erteilte. Daher gehörten in ihren Kompetenzbereich die Lösung von Exkommunikationen oder von geistlichen Strafen, die Vergabe des Rechts, sich einen eigenen Beichtvater auszuwählen, alle Ablaßbewilligungen und vor allem alle Dispense vom geltenden Recht. Anfangs hatte es nur einen Pönitentiar gegeben, einen zugleich wohl auch als Beichtvater des Papstes tätigen Kardinal. Später assistierten ihm poenitentiarii minores, die bei Aufenthalten der Kurie in Rom teilweise auch in den großen Basiliken als Beichtväter dienten, wegen der dafür nötigen Sprachkenntnisse verschiedenen Ländern entstammten und immer häufiger Mitglieder von Bettelorden waren.

Die Kammer behielt ihre traditionellen Aufgaben. Doch erweiterte sich auch ihr Kompetenzbereich durch die intensivierte Beherrschung des „Kirchenstaates“ sowie infolge der Vermehrung der Abgaben lehensabhängiger Herrscher, aufgrund der zahlreichen Kreuzzugszehnten und der neu hinzugekommenen, von neuen Bischöfen oder Äbten zu zahlenden „Servitien“ (ein Drittel des ersten Jahreseinkommens). Daher vergrößerte sich der Apparat. Dem Kämmerer halfen maximal sieben Kammerkleriker; Schatz und Bibliothek verwalteten ein bis zwei „Thesaurare“ (Schatzmeister) – wahrscheinlich gab es auch schon Thesaurare für die Gebiete des „Kirchenstaates“ –; außerhalb von dessen Gebieten trieben Kollektoren die Einnahmen ein. Für Protokolle und andere Schreibarbeiten waren Kammernotare zuständig. Der Geldverkehr erfolgte gewöhnlich wohl nicht mehr direkt; vielmehr waren Kaufleute als Bankiers (mercatores curiam sequentes) zwischengeschaltet, deren Vertreter vor Ort von den Zahlungspflichtigen oder den Kollektoren die Einnahmen empfingen und deren Vertreter an der Kurie das Bargeld verwalteten, so daß Kämmerer und Kammerkleriker nur noch die Kontrolle ausübten und die Art der Ausgaben bestimmten. Für Fiskalprozesse gab es einen Richter (auditor camerae) und einen Anwalt (advocatus fisci). Bei der politischen Korrespondenz halfen dem Kämmerer Geheimschreiber (secretarii); ihre Produkte wurden in eigenen Registern festgehalten.

Im Gegensatz zum 12. Jahrhundert wurde jetzt auch das kuriale Gerichtswesen organisatorisch gestrafft [↗ Gerichtswesen]. Für die meisten Fälle war die audientia sacri palatii (auch: audientia publica, später „Rota“ genannt) zuständig. Sofern ihre Auditoren nicht die Fälle selbst erledigten, wurden diese delegierten Richtern übertragen. Für Disziplinverstöße von Kurialen war hingegen gewöhnlich der Kämmerer zuständig, während deren kriminelle Vergehen sowie Verbrechen von Laien, die sich an der Kurie aufhielten, der Justizmarschall richtete. Dieser war häufig auch päpstlicher Heerführer, daher Adliger, und oft ein Verwandter des regierenden Papstes.

Nicht ein eigenes Amt, sondern Kern der päpstlichen familia (der persönlichen, gewöhnlich nicht auf Verwandtschaft basierenden Klientel) und somit Reservoir für fast alle wichtigen kurialen Funktionen war die päpstliche Kapelle, auch wenn deren eigentliche Aufgabe die Gestaltung der päpstlichen Palastgottesdienste blieb. Hinsichtlich der Kapelle muß jedoch zwischen den zahlreichen „Ehrenkaplänen“ und den an der Kurie fungierenden, in der capellania wohnenden Kaplänen unterschieden werden. Solch ein Kaplan zu sein war das sicherste Fundament für eine erfolgreiche Karriere. So erstaunt es nicht, daß Vizekanzler und Kämmerer, aber auch Thesaurare, Kanzleinotare, Pönitentiare und Auditoren gewöhnlich der Kapelle angehörten und sich bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts die Kapläne in ihrer Kleidung nicht von den Kardinälen, denen fortan Purpur zustand, unterschieden.

Die Kardinäle besetzten wichtige Leitungsfunktionen (z.B. Kanzlei, Pönitentiarie), berieten und richteten zusammen mit dem Papst im Konsistorium und dienten ihm als Legaten. Die jeweilige Legatur war seit dem 13. Jahrhundert fest definiert. In ihr trat der Legat wie der Papst selbst auf und übte die Vollmachten aus, die ihm zuvor der Papst nach Billigung im Konsistorium in schriftlich fixierten Fakultäten übertragen hatte. Sie waren also vor Ort die wichtigsten Repräsentanten der Regierung über die Universalkirche durch den Papst. (Allerdings waren heikle Verhandlungen oft nicht ihnen, sondern Kaplänen oder anderen Kurialen von geringerem Rang übertragen, von denen sich der Papst bei Mißlingen der Mission ohne Gesichtsverlust eher distanzieren konnte.) Kurzum: Die Kardinäle bildeten den ranghöchsten Kreis um den Papst, den sie ja auch als einzige wählten. Kein Wunder, daß sie zeitweise während oft jahrelanger Sedisvakanzen papstgleiche Rechte für sich beanspruchten und Wahlkapitulationen formulierten, die den künftigen Papst binden sollten.

Der große Geschäftsandrang hatte den Ausbau der Kurie notwendig gemacht. Daß an ihr auch Mißstände einreißen konnte, hatte um 1200 schon Innozenz III. erkannt. Daher versuchten er und einige seiner Nachfolger, die schlimmsten Übelstände – insbesondere die Korruption – durch Fixierung von Gebühren und festen Funktionen auszurotten, was von keiner damaligen weltlichen Verwaltung bekannt ist. Dennoch mehrten sich im 13. Jahrhundert die Stimmen, die gerade die Bestechlichkeit der Kurialen – vor allem der Türhüter, Kammerherren und Kanzleiangehörigen – kritisierten.

Diese Kritik nahm im 14. Jahrhundert noch zu, obwohl (oder gerade weil) die damals in Avignon weilende Kurie dank der lokalen Stabilität besonders effektiv arbeitete und erstmals die päpstliche Administration praktisch die gesamte lateinische Christenheit (verstanden als Universalkirche) erfaßte. Alle für den Papst wichtigen Funktionen wurden im Papstpalast, quasi unter dessen Augen, wahrgenommen.

War die Anlage des noch heute stehenden Papstpalastes Ausdruck für den neuen Lebensund Regierungsstil der Päpste, so entsprach der Ausbau der Kurie, im Anschluß an das 13. Jahrhundert, dem inzwischen noch vermehrten Geschäftsanfall. Dieser steigerte auch die Bedeutung des Kardinalkollegs, dessen Loyalität die Päpste sich durch eine extensive Nutzung des Nepotismus zu sichern suchten (Ausnahme: Benedikt XII.). Im Unterschied zur früheren Zeit wurden die meisten Kurialen jetzt nicht mehr durch Naturalien, sondern durch Geld entlohnt. Schon dadurch steigerte sich der Geldbedarf der Kurie; hinzu kamen die Vergrößerung des Personals und der höhere Lebensaufwand der Päpste und Kardinäle – neben der Pfründenpolitik und „außenpolitischen“ Orientierung der meisten Päpste ein Anlaß für Kritik.

Diese nahm ab 1378 noch zu, gab es doch nun im sogenannten „Abendländischen Schisma“ [↗ Abendländisches Schisma] zwei Päpste nebst Kurien, seit dem Konzil von Pisa (1409) sogar drei. Daher war auf dem Konzil von Konstanz, das 1417 mit der Wahl Martins V. die Kircheneinheit wiederherstellte, gerade auch die Reform der Kurie ein heißdiskutiertes Thema in Kombination mit der Reduzierung des päpstlichen Pfründensystems. Der neue Papst mußte einerseits die Mitglieder von drei Kurien übernehmen; andererseits war er weitgehend auf Einnahmen aus dem deshalb gerade von ihm mittels Nepoten intensiv genutzten „Kirchenstaat“ beschränkt.

Besser erging es seinen Nachfolgern seit dem Scheitern des Konzils von Basel 1447. Mit dem damals regierenden Papst, Nikolaus V. (1447–1455), begann nicht nur das Papsttum der Renaissance, sondern auch eine Neustrukturierung des päpstlichen Hofes.

Die Kanzlei unterstand weiterhin dem Vizekanzler, setzte sich jedoch nunmehr weitgehend aus Kollegien zusammen, die gewöhnlich ihre Mitglieder selbst bestimmten und daher der Kontrolle durch den Papst entzogen waren. Um die Aufsicht zumindest bei wichtigen Schreiben zu behaupten, stärkten die Päpste die Funktion der ihnen direkt verantwortlichen Referendare und schufen Ende des 15. Jahrhunderts mit dem summator (wörtlich: „Zusammenfasser“) eine Vertrauensstellung, deren Inhaber wichtige Texte dem Papst direkt vortrug. Eine andere Möglichkeit, die Kanzleistellen wieder dem päpstlichen Besetzungsrecht zu unterstellen, war anfangs die Regulierung des Ämterhandels oder die Umwandlung schon bestehender Stellen in käufliche mit Fixierung der Mitgliederzahl.

Wie die Kanzlei existierte auch die Apostolische Kammer weiter entsprechend ihrer traditionellen Gliederung; allerdings unterstand sie nur noch nominell dem Kämmerer (meist ein Kardinal), die tatsächliche Leitung besaß der Vizekämmerer. Diesem oblag seit Sixtus IV. (1471–1484) auch die städtische Regierung in Rom. Die Geldverwaltung hatten Generaldepositare inne, meist Vertreter toskanischer Finanzhäuser.

Von den neugeschaffenen Ämtern am wichtigsten war das des Datars, eine Position, die – gerade weil sie auf dem Vertrauen des Papstes zum Inhaber basierte – in den Quellen schwer zu fassen ist. Soweit erkennbar, war der Datar (häufig kritisiert und von vielen gehaßt) mit allen Geschäften befaßt, die kirchenrechtlich gesehen in der „Grauzone“ lagen. So fixierte er die Taxen von „Kompositionen“ (= Abmachungen) bei Dispensen, Ablässen und bei der Vergabe kurialer Ämter. Demzufolge setzte er auch die Preise für käufliche Ämter fest und führte seit ca. 1500 die Register über die Zahlung der Kompositionstaxen und der Kaufpreise. Die Ausweitung des Ämterhandels an der Kurie war sehr kompliziert und ist nicht nur als Möglichkeit der Kapitalbeschaffung für die Päpste zu verstehen; denn häufig ging die Umwandlung in käufliche Stellen auf die damaligen Inhaber zurück, die aus dem Verkauf ihren Profit schlagen wollten. Nur bei neugeschaffenen Kollegien läßt sich die Initiative der Päpste erkennen. Und nur bei diesen Stellen kam dem Papsttum der Nutzen beim Erstverkauf voll zugute. Anfangs waren vor allem solche Stellen käuflich, deren Inhaber von Taxen oder Sporteln (= „freiwillige“ Spenden) und Trinkgeldern lebten; der freie Handel mit diesen Stellen beeinträchtigte also nicht das päpstliche Budget. Erst seit Sixtus IV. wurden nicht nur weitere neue, in portiones geteilte Kollegien gegründet, sondern auch Ämter, deren Inhaber vom Gehalt lebten oder richterliche bzw. Vertrauenspositionen besaßen, käuflich, so daß der päpstliche Säckel direkt belastet und der Einfluß des Papstes auf deren Besetzung gemindert wurde. Blieb ein Amt nicht käuflich, so konnte seine Vergabe dennoch dadurch fiskalisch genutzt werden, daß der neue Inhaber eine (meist nicht zurückgezahlte) Kaution entrichten mußte. Schließlich waren auch Kardinalsstellen und sogar das Papstamt selbst mit dem Geruch der Käuflichkeit behaftet. Die Neuzeit konnte beginnen.

BERNHARD SCHIMMELPFENNIG

Enzyklopädie des Mittelalters

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